BBl 2024 1267
CH - Bundesblatt

Bericht über die anlässlich der 110. und 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedeten Instrumente und Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens Nr. 191 der Internationalen Arbeitsorganisation zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip

Bericht über die anlässlich der 110. und 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedeten Instrumente und Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens Nr. 191 der Internationalen Arbeitsorganisation zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip
vom 15. Mai 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf für einen Bundesbeschluss ¹ über die Genehmigung des Übereinkommens Nr. 191 der Internationalen Arbeitsorganisation zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip ² .
Einleitend zu dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Bericht über die anlässlich der 110. und 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz angenommenen Instrumente zur Kenntnisnahme.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
15. Mai 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Im Juni 2022 genehmigte die Internationale Arbeitskonferenz anlässlich ihrer 110. Tagung die Entschliessung zur Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit. Diese Entschliessung erweitert die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 1998, indem sie ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld darin aufnimmt, und anerkennt das Übereinkommen Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, 1981, sowie das Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, als Kernübereinkommen. In Anbetracht der Auswirkungen dieser Entschliessung auf das Normenwerk der Internationalen Arbeitsorganisation wurde beschlossen, ein Übereinkommen zu verabschieden, um die Instrumente, die sich auf die grundlegenden Prinzipien und Rechte beziehen, zu ändern.
Anlässlich der 86. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) im Jahr 1998 wurde die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit einstimmig angenommen. Es geht darin um eine Antwort der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) auf die soziale Dimension der Globalisierung. In diesem Bereich hat die IAO vom Weltsozialgipfel von Kopenhagen einen expliziten und von der Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) 1996 einen impliziten Auftrag erhalten. Mit dieser Erklärung verpflichten sich alle IAO-Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie die betreffenden IAO-Übereinkommen ratifiziert haben, die grundlegenden Prinzipien und Rechte der Arbeitnehmenden einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen.
In Umsetzung der 2019 verabschiedeten Jahrhunderterklärung der IAO für die Zukunft der Arbeit und im Bewusstsein der entscheidenden Bedeutung der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit genehmigte die IAK 2022 die Entschliessung zur Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (nachfolgend: Entschliessung, 2022). Diese Entschliessung ändert die Erklärung über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (nachfolgend: Erklärung, 1998 und geändert 2022), indem sie das grundlegende Prinzip eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds sowie das Recht darauf darin aufnimmt und das Übereinkommen Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, 1981, sowie das Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, als Kernübereinkommen anerkennt.
Die Entschliessung, 2022, hat Auswirkungen auf das Normenwerk der IAO. Die IAK hat anlässlich ihrer 111. Tagung das Übereinkommen Nr. 191 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip genehmigt, 2023 (nachfolgend: Übereinkommen Nr. 191). Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, die Klarheit und Kohärenz des Korpus der internationalen Arbeitsnormen sicherzustellen und die notwendigen Änderungen an bestimmten Instrumenten der IAO vorzunehmen, um zum einen das grundlegende Prinzip eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds sowie das Recht darauf und zum anderen die beiden neu als Kernübereinkommen eingestuften Übereinkommen aufzunehmen.
Anlässlich ihrer 111. Tagung genehmigte die IAK auch die Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung, 2023 (nachfolgend: Empfehlung Nr. 208), welche die Berufsausbildung grundsätzlich stärken und den Mitgliedstaaten einen Rahmen zur Weiterentwicklung ihrer dualen Ausbildungssysteme bereitstellen soll.
Die Entschliessung, 2022, und die Empfehlung Nr. 208 werden im Bericht über die 110. und 111. Tagung der IAK präsentiert.
Bericht
¹ BBl 2024 1268
² BBl 2024 1269

1 Ausgangslage

Gemäss Artikel 19 Absatz 5 Buchstabe b und 6 Buchstabe b der Verfassung vom 28. Juni 1919 ³ der internationalen Arbeitsorganisation (IAO) müssen die Mitgliedstaaten die anlässlich der internationalen Arbeitskonferenz (IAK) angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen innerhalb einer Frist von höchstens 18 Monaten nach Abschluss der Konferenz ihren internen Genehmigungsprozessen zuführen.
Anlässlich der 110. und 111. Tagung hat die IAK folgende Instrumente angenommen:
-
die Entschliessung betreffend die Aufnahme eines sicheren und sauberen Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 2022 (siehe Anhang 1);
-
die Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung, 2023 (siehe Anhang 2);
-
das Übereinkommen Nr. 191 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip, 2023;
-
die Empfehlung Nr. 207 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip, 2023 ⁴ ;
-
die Entschliessung über die umgehende Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip, 2023 ⁵ .
Der Bericht über die anlässlich der 110. und 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz genehmigten Instrumente analysiert die Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung und die Entschliessung zur Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 2022 (Entschliessung, 2022).
Die Entschliessungen und Empfehlungen stellen keine rechtlich bindenden Instrumente dar und unterstehen somit nicht der Genehmigung durch das Parlament. Gegebenenfalls sind sie Gegenstand einer Information oder Konsultation der für die Aussenpolitik zuständigen parlamentarischen Kommissionen (Art. 152 Abs. 2 und 3 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 [ParlG] ⁶ ; Art. 5 b der Regierungs- und Verwaltungsorganisationsverordnung vom 25. November 1998 ⁷ [RVOV]). Die Empfehlungen werden grundsätzlich in den Berichten über die von der IAK verabschiedeten Instrumente aufgeführt.
Die Entschliessung, 2022, stellt einen Beschluss der IAK dar und ist kein der Genehmigung durch das Parlament unterstehender völkerrechtlicher Vertrag. Angesichts der Bedeutung und der Auswirkungen der Entschliessung, insbesondere auf das Normenwerk der IAO, hält es der Bundesrat dennoch für angebracht, dem Parlament eine allgemeine Information über die Entschliessung zukommen zu lassen. In Übereinstimmung mit Artikel 152 Absatz 2 ParlG wurden die für die Aussenpolitik zuständigen parlamentarischen Kommissionen über die Annahme der Entschliessung, 2022, sowie der Empfehlung Nr. 208 in Kenntnis gesetzt.
Das Übereinkommen Nr. 191, die dazugehörige Empfehlung Nr. 207 sowie die Entschliessung über die rasche Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 werden in der Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens Nr. 191 analysiert, welche diesem Bericht folgt.
³ SR 0.820.1
⁴ www.ilo.org > Normes du travail > Recommandation (no 207) sur un milieu de travail sûr et salubre (amendements corrélatifs), 2023 > Empfehlung zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip.
⁵ www.ilo.org > Événements et réunions en cours et à venir > 111e session de la Conférence internationale du Travail (Conférence internationale du Travail (CIT)) > Rapports soumis à la 111e session de la Conférence internationale du Travail (Conférence internationale du Travail (CIT)) > Textes adoptés par la Conférence > Résolution concernant la prompte ratification de la convention (no 191) sur un milieu de travail sûr et salubre (amendements corrélatifs), 2023 >
ILC.111/Entschliessung III: Entschliessung über die rasche Ratifizierung des Übereinkommens über ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld (Folgeänderungen), 2023
.
⁶ SR 171.10
⁷ SR 172.010.1

2 Entschliessung zur Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit

In der Entschliessung zur Jahrhunderterklärung der IAO für die Zukunft der Arbeit, die 2019 angenommen wurde, ersuchten die Mitgliedstaaten den Verwaltungsrat, «möglichst bald Vorschläge zur Aufnahme sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit zu prüfen» . Dieser wichtige Schritt setzte einen Verhandlungsprozess in Gang, der letztlich zur Annahme der Entschliessung, 2022, anlässlich der 110. Tagung der IAK im Jahr 2022 führte. Mit dieser Entschliessung wurde die Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit, 1998 (nachfolgend: Erklärung, 1998) ⁸ geändert, und das Übereinkommen Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, 1981, sowie das Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, wurden als Kernübereinkommen anerkannt.
Die Erklärung, 1998, geht von der Existenz eines universell anerkannten Mindestbestands an grundlegenden Prinzipien und Rechten bei der Arbeit aus. Mit dieser Erklärung verpflichten sich alle 187 IAO-Mitgliedstaaten, unabhängig davon, ob sie die betreffenden IAO-Übereinkommen ratifiziert haben oder nicht, die grundlegenden Prinzipien und Rechte der Arbeitnehmenden einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen. Diese Verpflichtung erwächst insbesondere aus den Zielen der IAO, wie sie im Anhang zur Verfassung der IAO beschrieben und im zweiten Paragrafen der Erklärung, 1998 und geändert 2022 ⁹ , festgelegt sind.
Die Verpflichtung besteht darin, die grundlegenden Prinzipien und Rechte, die Gegenstand der genannten Übereinkommen sind, im guten Glauben und gemäss der Verfassung der IAO einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen. Somit unterliegt die Schweiz der Verpflichtung, die grundlegenden Prinzipien und Rechte, die Gegenstand dieser zwei neu als Kernübereinkommen eingestuften Übereinkommen sind, einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen, selbst wenn sie diese nicht ratifiziert hat.
Die Schweiz hat den Prozess zur Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip und Recht unterstützt und für die Annahme dieser Entschliessung gestimmt.
Das Recht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld wird somit in die Reihe der grundlegenden Rechte und Prinzipien aufgenommen, die da sind:
a.
die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen;
b.
die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit;
c.
die effektive Abschaffung der Kinderarbeit;
d.
die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.
Der Anhang der Erklärung, 1998, die Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung und der Globale Beschäftigungspakt werden in der Folge ebenfalls geändert ( Paragraf 1 ). Die Titel dieser Instrumente werden aktualisiert ( Paragraf 2 ).
Die Übereinkommen Nr. 155 und Nr. 187 sind fortan Kernübereinkommen, welche dieses neue grundlegende Prinzip präzisieren ( Paragraf 3 ).
Die Entschliessung, 2022, ersucht zudem den Verwaltungsrat, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, um die durch die Entschliessung, 2022, hervorgerufenen Änderungen an den Instrumenten der IAO vorzunehmen ( Paragraf 4 ). Mit der Ausarbeitung des Übereinkommens Nr. 191, das in der nachfolgenden Botschaft analysiert wird, ist dies nun erfolgt.
Schliesslich erklärt die Entschliessung, 2022, dass diese nicht so auszulegen ist, als berühre sie in irgendeiner unbeabsichtigten Weise die Rechte und Pflichten eines Mitglieds, die sich aus bestehenden Handels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten ergeben ( Paragraf 5 ). Einige Handels- und Investitionsabkommen beziehen sich auf die Erklärung, 1998, oder auf grundlegende Rechte und Prinzipien. Bei den Diskussionen zur Entschliessung, 2022, sorgten sich einige Mitgliedstaaten über mögliche unbeabsichtigte Effekte bezüglich der Rechte und Pflichten, die aus diesen bereits bestehenden Abkommen hervorgehen. Dieser Paragraf wurde folglich hinzugefügt, um alle unbeabsichtigten Effekte der Entschliessung, 2022, zu verhindern.
Die Erklärung, 1998 und geändert 2022, sieht Folgemassnahmen vor, indem die Mitgliedländer dem Internationalen Arbeitsamt (IAA) Berichte über die Fortschritte, Probleme und ergriffenen Massnahmen zur Einhaltung der grundlegenden Rechte und Prinzipien, die Gegenstand von nicht ratifizierten Übereinkommen sind, vorlegen müssen. Dieses Verfahren stützt sich auf Artikel 19 Absatz 5 Buchstabe e der Verfassung der IAO. Da die Schweiz die beiden neu zu den Kernübereinkommen zählenden Übereinkommen Nr. 155 und Nr. 187 nicht ratifiziert hat, muss sie gemäss diesem Verfahren Bericht erstatten.
Daher bitten wir um Kenntnisnahme der Entschliessung, 2022, die im Wortlaut in Anhang 1 wiedergegeben ist.
⁸ BBl 2000 398 (Version von vor 2022)
⁹ www.ilo.org > ILO Berlin > ILO Arbeits- und Sozialstandards > ILO-Erklärungen > Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998).

3 Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung

Ausgelöst durch eine Empfehlung der dreigliedrigen Arbeitsgruppe des Normenüberprüfungsmechanismus, die eine normative Lücke im Bereich der Berufslehre festgestellt hatte, beschloss der Verwaltungsrat des IAA, eine Normensetzungsberatung zur Berufsausbildung in die Tagesordnungen der 110. Tagung (2022) und der 111. Tagung (2023) der IAK aufzunehmen.
Die Empfehlungen der IAO haben keinen bindenden Charakter, sie können jedoch Regierungen bei der Erarbeitung ihrer Politiken leiten (Art. 19 Abs. 6 Bst. d der Verfassung der IAO). Die Empfehlungen der IAO fordern somit keine Ratifizierungsentscheidung vonseiten unseres Landes. Gemäss unserer gängigen Praxis formulieren wir keine ausführlichen Erläuterungen zu diesen Instrumenten, wenn sie nicht ein Übereinkommen ergänzen.
Die IAK hat die Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung mit 468 Ja-Stimmen bei 1 Gegenstimme und 6 Enthaltungen deutlich angenommen.
Die Schweiz hat sich in den Verhandlungen aktiv für eine Empfehlung für eine hochwertige duale Berufsbildung eingesetzt, zumal die Schweiz bei diesem Thema ihren grossen Erfahrungsschatz einbringen kann. Die Schweiz gehört zur Mehrheit, welche für die Annahme der Empfehlung Nr. 208 gestimmt hat.
Ziel der Empfehlung Nr. 208 ist es, die Rolle der Berufsausbildungen grundsätzlich zu stärken und den Regierungen einen Rahmen zur Verfügung zu stellen, der es ihnen erlaubt, ihre Berufsbildungssysteme unter aktiver Mitwirkung der Sozialpartner weiterzuentwickeln. Die Empfehlung Nr. 208 bietet eine klare Definition der Berufsausbildung als duales System von Lehre und Ausbildung in und ausserhalb der Arbeitsstätte ( Teil I ). Sie beschreibt den Regulierungsrahmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung ( Teil II ) und definiert die Richtlinien bezüglich des Ausbildungsvertrags ( Teil IV ). Zudem stellt sie hohe Anforderungen an den Schutz der Auszubildenden ( Teil III ) und zugunsten der Gleichheit und Vielfalt ( Teil V ). Sie sieht Massnahmen zur Förderung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung bei allen Akteuren vor, einschliesslich der Unternehmen ( Teil VI ). Schliesslich listet die Empfehlung Massnahmen zur Förderung der internationalen, regionalen und nationalen Zusammenarbeit im Bereich der dualen Berufsausbildung auf ( Teil VII ).
Die Schweiz verfügt über ein solides und effizientes duales Berufsausbildungssystem. Es entspricht im Grossen und Ganzen den von der Empfehlung Nr. 208 angestrebten Zielen.
Daher bitten wir um Kenntnisnahme der Empfehlung Nr. 208, die im Wortlaut in Anhang 2 wiedergegeben ist.

4 Konsultation der Tripartiten Kommission für Angelegenheiten der IAO

Der vorliegende Bericht wurde der Tripartiten Kommission für Angelegenheiten der IAO vorgelegt, einer ausserparlamentarischen beratenden Kommission, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesverwaltung und der schweizerischen Sozialpartner besteht. Die Kommission hat den Bericht zur Kenntnis genommen und genehmigt.
Botschaft

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

Die Entschliessung, 2022, hat Auswirkungen auf das Normenwerk der IAO. Mehrere Instrumente der IAO verweisen auf die grundlegenden Rechte und Prinzipien. Diese Instrumente müssen aktualisiert werden, um der Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in die grundlegenden Rechte und Prinzipien Rechnung zu tragen. Zu diesem Zweck nahm die 111. Tagung (2023) ein Übereinkommen und eine Empfehlung zur Änderung bestimmter Bestimmungen von fünfzehn Instrumenten an.
Mit dem Übereinkommen Nr. 191 sollen sieben Übereinkommen und ein Protokoll teilweise überarbeitet werden. Ziel ist es, die Bestimmungen zu aktualisieren, die sich auf die ursprünglichen vier Kategorien von grundlegenden Prinzipien und Rechten, die ursprünglichen acht Kernübereinkommen oder den ursprünglichen Titel der Erklärung, 1998, und der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung, 2008, beziehen. Diese Überarbeitungen können nur durch eine formelle Änderung der betreffenden Instrumente erfolgen.
Die Empfehlung Nr. 207 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip, 2023, ergänzt das Übereinkommen Nr. 191 und verfolgt dasselbe Ziel, nämlich die Teilrevision von sieben Empfehlungen zur Aktualisierung der Bestimmungen mit Bezug auf die grundlegenden Rechte und Prinzipien. Die Annahme eines Übereinkommens und einer Empfehlung erklärt sich mit dem Grundsatz des Formenparallelismus, der verlangt, dass die Revision einer Norm derselben Form entsprechen muss, welche vor ihrer Annahme gegolten hat.
Die IAK hat zudem eine Entschliessung über die rasche Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 angenommen. Diese Entschliessung erinnert daran, «dass die rasche und breite Ratifizierung des Übereinkommens über ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld (Folgeänderungen), 2023, wünschenswert ist, um im Bestand der internationalen Arbeitsnormen die Kohärenz aufrechtzuerhalten, indem die in diesen Normen enthaltenen Verweise auf die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit mit der Erklärung der IAO über die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998) in der geänderten Fassung von 2022 in Einklang gebracht werden». Die IAK ruft zu einer raschen und breiten Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 auf.
Die Schweiz hat den Prozess der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip und Recht unterstützt. Sie spricht sich für die Kohärenz des Normenbestands der IAO aus und begrüsst die vom Übereinkommen Nr. 191 vorgeschlagenen Änderungen.

1.2 Ablauf und Ergebnis der Verhandlungen

Die IAO hat den Mitgliedstaaten einen zusammenfassenden Bericht der vorgeschlagenen Texte bezüglich dieser Instrumente (Übereinkommen Nr. 191 und Empfehlung Nr. 207) zukommen lassen, der als Diskussionsgrundlage für die IAK gedient hat. Die schweizerische Regierung und die Sozialpartner wurden zu diesem Bericht konsultiert. Sie hatten keine Anmerkungen und unterstützten das Ziel der Klarheit und Kohärenz des Korpus der internationalen Arbeitsnormen.

1.3 Bezug zur Legislaturplanung und den Strategien des Bundesrates

Das Projekt wurde in der Botschaft vom 24. Januar 2024 1⁰ über die Legislaturplanung 2023-2027 nicht angekündigt. Um den verfassungsmässigen Verpflichtungen der IAO nachzukommen, müssen die Mitgliedstaaten die anlässlich der IAK angenommenen Übereinkommen und Empfehlungen innerhalb einer Frist von höchstens 18 Monaten nach Abschluss der Konferenz ihren internen Genehmigungsprozessen zuführen. Das Übereinkommen Nr. 191 verstärkt die Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und wirkt als Beitrag zur Schweizer Strategie für nachhaltige Entwicklung im Rahmen der Agenda 2030 1¹ .
1⁰ BBl 2024 525
1¹ www.are.admin.ch > Nachhaltige Entwicklung > Strategie und Berichterstattung > Strategie Nachhaltige Entwicklung 2030 (admin.ch).

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassung

Die Verträge der IAO weisen wegen deren dreigliedriger Organisationsstruktur einen besonderen Charakter auf. Im Übrigen ist es möglich, auf ein Vernehmlassungsverfahren gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ¹2 (VlG) zu verzichten. Die Sozialpartner waren bei der Erarbeitung des Übereinkommens Nr. 191 eingebunden. Somit ist zu erwarten, dass eine Vernehmlassung keine neuen Erkenntnisse zutage bringen würde, zumal die Positionen der interessierten Kreise bereits bekannt sind (Art. 3 a Abs. 1 Bst. b VlG).
Die vorliegende Botschaft wurde der Tripartiten Kommission für Angelegenheiten der IAO vorgelegt, einer ausserparlamentarischen beratenden Kommission, die aus Vertreterinnen und Vertretern der Bundesverwaltung und der schweizerischen Sozialpartner besteht. Die Kommission hat die Botschaft zur Kenntnis genommen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmenden unterstützen die Annahme und die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191.
¹2 SR 172.061

3 Präsentation des Übereinkommens Nr. 191 zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip

Das Übereinkommens Nr. 191 konkretisiert die Entschliessung, 2022, und zielt auf die Gewährleistung der Kohärenz der normativen Instrumente der IAO ab. Mit der Annahme der Entschliessung, 2022, erklärte die IAK, dass das Übereinkommen Nr. 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, 1981, und das Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, als Kernübereinkommen im Sinne der Erklärung, 1998 und geändert 2022, anzusehen sind. Sie beschloss ebenso, dass die Erklärung, 1998, und die Erklärung, 2008, fortan als «Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998), in der geänderten Fassung von 2022» und als «Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008), in der geänderten Fassung von 2022» zu bezeichnen sind. Mit dem Übereinkommen Nr. 191 wird beabsichtigt, die notwendigen Änderungen an bestimmten Instrumenten der IAO vorzunehmen, um zum einen das Prinzip eines sicherem und gesunden Arbeitsumfelds sowie das Recht darauf und zum anderen die beiden neu als Kernübereinkommen eingestuften Übereinkommen aufzunehmen.
Zu ändern sind sieben Übereinkommen, ein Protokoll und sieben Empfehlungen, da gewisse Bestimmungen darin entweder auf die ursprünglichen Bezeichnungen der Erklärung, 1998, und der Erklärung, 2008, auf die ursprünglichen vier Kategorien grundlegender Rechte und Prinzipien oder auf die ursprünglichen acht Kernübereinkommen Bezug nehmen. Um dem aktuellen Stand zu entsprechen, sind diese Instrumente anzupassen. Die Revision kann nur durch einen formellen Änderungsantrag erfolgen.
Zu diesen 15 Instrumenten zählen folgende 7 Übereinkommen und folgendes Protokoll:
-
Übereinkommen Nr. 182 vom 17. Juni 1999 ¹3 über das Verbot und unverzügliche Massnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999);
-
Übereinkommen Nr. 183 vom 15. Juni 2000 ¹4 über den Mutterschutz, 2000;
-
Seearbeitsübereinkommen, 2006, vom 23. Februar 2006 ¹5 in der geänderten Fassung (MLC, 2006);
-
Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006 ¹6 ;
-
Übereinkommen Nr. 188 über die Arbeit im Fischereisektor, 2007 ¹7 ;
-
Übereinkommen Nr. 189 vom 16. Juni 2011 ¹8 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011;
-
Protokoll vom 11. Juni 2014 zum Übereinkommen Nr. 29 vom 28. Juni 1930 ¹9 über Zwangs- oder Pflichtarbeit (Protokoll zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930);
-
Übereinkommen Nr. 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, 2019. 2⁰
Das Übereinkommen Nr. 191 hat zwei rechtliche Hauptwirkungen. Erstens muss nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens jeder Mitgliedstaat, der eines der oben erwähnten acht Instrumente ratifizieren will, dieses in der geänderten Form ratifizieren. Zweitens: Wenn das Übereinkommen Nr. 191 in Kraft ist und ein Mitgliedstaat es ratifiziert, ist er an die geänderten Versionen der Übereinkommen gebunden, die er bereits ratifiziert hat.
Die Schweiz hat die Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, Nr. 183 über den Mutterschutz, 2000, das MLC, 2006, das Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, und das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930, ratifiziert.
In der Mehrheit der Fälle ist es die Präambel dieser Instrumente, die geändert wird. Dies führt zu keiner zusätzlichen rechtlichen Verpflichtung und hat keine Auswirkungen auf das schweizerische Recht.
Das Übereinkommen Nr. 191 ist ein völkerrechtlicher Vertrag, der einer Ratifizierung bedarf. Er umfasst acht Artikel. Substanziell sind die Artikel 1 Absatz 3, 2 und 5, während sich die übrigen Artikel auf die Präambeln der 15 Instrumente beziehen oder übliche Schlussbestimmungen enthalten.
Die Empfehlung Nr. 207 über ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld (Folgeänderungen), 2023, vervollständigt das Übereinkommen Nr. 191. Die IAK hat diese Empfehlung gleichzeitig mit dem Übereinkommen - mit Unterstützung der Schweiz - angenommen.
Die Empfehlungen sind nicht rechtlich bindend; sie dienen als Richtschnur für politisches Handeln. Die Empfehlung Nr. 207 ändert die folgenden Empfehlungen, um bestimmte Änderungen einzufügen, die sich infolge der Annahme der Entschliessung, 2022, ergeben: Empfehlungen Nr. 193 betreffend die Förderung der Genossenschaften, 2002, Nr. 195 betreffend die Entwicklung der Humanressourcen, 2004, Nr. 198 betreffend das Arbeitsverhältnis, 2006, Nr. 200 betreffend HIV und Aids, 2010, Nr. 202 betreffend den sozialen Basisschutz, 2012, Nr. 204 betreffend den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft, 2015, und Nr. 205 betreffend Beschäftigung und menschenwürdige Arbeit für Frieden und Resilienz, 2017.
Die Empfehlung Nr. 207 ist kein rechtlich bindendes Instrument und bedarf keiner Ratifizierung. Sie wird der Bundesversammlung der Vollständigkeit halber vorgelegt.
¹3 SR 0.822.728.2
¹4 SR 0.822.728.3
¹5 SR 0.822.81
¹6 www.ilo.org > Normes du travail > Convention (no 187) sur le cadre promotionnel pour la sécurité et la santé au travail, 2006 > Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz.
¹7 www.ilo.org > Normes du travail > Convention (no 188) sur le travail dans la pêche, 2007 > Übereinkommen Nr. 188 über die Arbeit im Fischereisektor.
¹8 SR 0.822.728.9
¹9 BBl 2016 7039
2⁰ www.ilo.org > Normes du travail > Convention (no 190) sur la violence et le harcèlement, 2019 > Übereinkommen Nr. 190 über Gewalt und Belästigung.

4 Erläuterungen zu den Bestimmungen des Übereinkommens

Art. 1
In Absatz 1 wird bestimmt, dass die Worte «Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit und ihre Folgemassnahmen, 1998» oder jede Variante hiervon durch die Worte «Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998) in der geänderten Fassung von 2022» ersetzt werden, und zwar in der Präambel des Übereinkommens Nr. 182 über das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, des Übereinkommens Nr. 183 über den Mutterschutz, 2000, des Seearbeitsübereinkommens, 2006, in der geänderten Fassung, des Übereinkommens Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, des Übereinkommens Nr. 188 über die Arbeit in der Fischerei, 2007, des Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, und des Protokolls von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930.
Der zweite Absatz sieht vor, dass die Worte «dem Übereinkommen Nr. 155 über den Arbeitsschutz, 1981» und «dem Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006» in chronologischer Reihenfolge im dritten Präambelabsatz des Seearbeitsübereinkommens, 2006, in der geänderten Fassung, im fünften Präambelabsatz des Übereinkommens Nr. 188 über die Arbeit in der Fischerei , 2007, und im zwölften Präambelabsatz des Protokolls von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit hinzugefügt werden.
Der Hauptzweck der Präambeln der IAO-Normen besteht darin, den Kontext des jeweiligen Instruments zu erläutern. Die Präambeln sind nicht rechtlich bindend. Die Schweiz hat die Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, Nr. 183 über den Mutterschutz, 2000, das MLC, 2006, Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, und das Protokoll von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930, ratifiziert. Die Änderungen an den Präambeln dieser Instrumente haben keine Auswirkungen auf das Schweizer Recht.
Die zwei ersten Absätze können folglich angenommen werden.
Gemäss dem dritten Absatz werden die Worte «ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld» jeweils als ein neuer Buchstabe e) in Artikel III des Seearbeitsübereinkommens, 2006, in der geänderten Fassung, und in Artikel 3 Absatz 2 des Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, hinzugefügt, und dieselben Worte werden in Artikel 5 des Übereinkommens Nr. 190 über Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt, 2019, nach den Worten «Beschäftigung und Beruf» eingefügt.
Die Schweiz hat das MLC, 2006, und das Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, ratifiziert.
Gemäss Artikel III des MLC, 2006 hat sich jeder Mitgliedstaat zu vergewissern, dass die Bestimmungen seiner Gesetzgebung im Rahmen dieses Übereinkommens die grundlegenden Rechte und Prinzipien achten.
In der schweizerischen Rechtsetzung und -anwendung gelten hohe Standards betreffend den Gesundheitsschutz und die Sicherheit für alle Arbeitnehmenden; dies trifft auch auf die unter den Geltungsbereich des MLC fallenden Bereiche zu. Das grundlegende Prinzip eines gesunden und sicheren Arbeitsumfelds sowie das Recht darauf wird im Kontext des MLC also bereits eingehalten. Dennoch geht die Schweiz mit der Aufnahme dieses neuen grundlegenden Prinzips und Rechts in das MLC die völkerrechtliche Verpflichtung ein, es einzuhalten.
Artikel 3 des Übereinkommens Nr. 198 sieht seinerseits vor, dass jeder Mitgliedstaat die in diesem Übereinkommen festgelegten Massnahmen zugunsten der Hausangestellten ergreift, um die grundlegenden Rechte und Prinzipien bei der Arbeit einzuhalten, zu fördern und zu verwirklichen.
Der Ausdruck «wie in diesem Übereinkommen festgelegt» (im englischen Original: «as set out in this Convention») meint, dass dieser Paragraf selbst keine neue Verpflichtung schafft, welche die in den übrigen Bestimmungen des Übereinkommens festgelegten Bestimmungen übersteigt.
Das Hinzufügen des neuen Rechts und Prinzips zur Liste in Artikel 3 des Übereinkommens Nr. 189 hat keine eigene materielle Tragweite, zumal in Artikel 13 dieses Übereinkommens bereits bestimmt wird, dass jede und jeder Hausangestellte das Recht auf ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld hat.
Der dritte Absatz kann folglich angenommen werden.
Der vierte Absatz des Übereinkommens Nr. 191 besagt, dass in der Präambel des Übereinkommens Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, und des Protokolls von 2014 zum Übereinkommen über Zwangsarbeit, 1930, jeweils die Worte «Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung» oder jede Variante hiervon durch die Worte «Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008) in der geänderten Fassung von 2022» ersetzt werden.
Da diese Präambeln keine rechtliche Verpflichtung nach sich ziehen, kann der vierte Absatz angenommen werden.
Der erste Artikel kann somit angenommen werden.
Art. 2
Artikel 2 führt die rechtlichen Folgen des Übereinkommens Nr. 191 aus.
Absatz 1 bestimmt, dass jede förmliche Ratifikation eines der in Artikel 1 genannten Übereinkommen oder des dort genannten Protokolls von einem Mitgliedstaat nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Übereinkommens Nr. 191 als Ratifikation des betreffenden Übereinkommens beziehungsweise des Protokolls in der durch das Übereinkommen Nr. 191 geänderten Fassung gilt.
Von den genannten Übereinkommen hat die Schweiz die Übereinkommen Nr. 187 über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, Nr. 188 über die Arbeit im Fischereisektor, 2007, und Nr. 190 über Gewalt und Belästigung, 2019, nicht ratifiziert.
Wenn die Schweiz zukünftig eines dieser Übereinkommen ratifizieren möchte, so ist sie verpflichtet, diese in ihrer geänderten Form zu ratifizieren. Diese Rechtswirkung unterliegt der Bedingung, dass das Übereinkommen Nr. 191 in Kraft getreten ist.
Absatz 2 bestimmt, dass jedes Mitglied der Organisation anerkennt, dass es nach Ratifizierung des vorliegenden Übereinkommens weiterhin durch die Bestimmungen des betreffenden Übereinkommens beziehungsweise des Protokolls, nunmehr in der durch das Übereinkommen Nr. 191 geänderten Fassung, gebunden ist.
Sollte die Schweiz das Übereinkommen Nr. 191 ratifizieren, so werden damit die in Artikel 1 erwähnten Änderungen an den von der Schweiz ratifizierten Instrumenten angenommen. Die Instrumente müssten sodann in der systematischen Rechtssammlung auf den neuesten Stand gebracht werden.
Dieser Artikel erklärt die Rechtswirkungen einer Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 und kann angenommen werden.
Art. 3
Es handelt sich um eine übliche Schlussbestimmung, die keiner besonderen Erläuterungen bedarf.
Art. 4
Artikel 4 legt die Modalitäten des Inkrafttretens des Übereinkommens fest.
Absatz 1 sieht vor, dass vorbehaltlich von Absatz 3 dieses Artikels das Übereinkommen an dem Tag in Kraft tritt, an dem die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation durch die Generaldirektorin oder den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eingetragen worden sind.
Absatz 2 bestimmt, dass das Übereinkommen für jedes Mitglied an dem Tag in Kraft tritt, an dem seine Ratifikation eingetragen worden ist.
Absatz 3 präzisiert, dass das Übereinkommen in Bezug auf das MLC, 2006, in der geänderten Fassung, nach Massgabe von dessen Artikel XIV in Kraft tritt.
Das Inkrafttreten der aufgrund des vorliegenden Übereinkommens verlangten Änderungen im MLC, 2006 ist in Artikel XIV des MLC, 2006 geregelt. Dieser bestimmt, dass die IAK Änderungen gemäss Artikel 19 der Verfassung der IAO annehmen kann. Der Wortlaut der Änderungen wird den Mitgliedsaaten zur Ratifizierung übermittelt. Die entsprechenden Änderungen treten - Ausnahmen vorbehalten - zwölf Monate nach dem Datum der Annahme in Kraft. Letzteres entspricht dem Tag, an dem die Ratifikationen der Änderung oder des Übereinkommens in der geänderten Fassung von mindestens 30 Mitgliedern, die zusammen über eine Bruttoraumzahl von mindestens 33 Prozent der Welthandelsflotte verfügen, eingetragen worden sind.
In der Schweiz sieht Artikel 9 Abstatz 1 Buchstabe h der Seeschifffahrtsverordnung vom 20. November 1956 2¹ vor, dass das MLC, 2006, in seiner neuesten Fassung gilt.
Sollte die Schweiz das Übereinkommen Nr. 191 ratifizieren, so würden die Änderungen am MLC, 2006, in Kraft treten, wenn die Voraussetzungen nach Artikel XIV des MLC, 2006, erfüllt sind.
Dieser Artikel über das Inkrafttreten des Übereinkommens bedarf, auch wenn er eine Sonderregelung für das MLC vorsieht, keiner besonderen Bemerkungen und kann akzeptiert werden.
Art. 5
Artikel 5 führt aus, dass das Inkrafttreten dieses Übereinkommens die weitere Ratifizierung der nicht abgeänderten Fassung eines der in Artikel 1 genannten Übereinkommen oder des dort genannten Protokolls ausschliesst.
Dieser Artikel präzisiert Artikel 2 Absatz 1 und bedarf keiner besonderen Erläuterungen.
Art. 6-8
Die Artikel 6-8 enthalten die üblichen Schlussbestimmungen und bedürfen keiner weiteren Erläuterungen.
2¹ SR 747.301

5 Auswirkungen

Die Ratifizierung des Übereinkommens erfordert weder die Annahme neuer noch die Änderung bestehender Bestimmungen im Schweizer Recht. Daher hat die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf Bund, Kantone oder Gemeinden. Durch die Ratifizierung des Übereinkommens Nr. 191 erkennt die Schweiz das grundlegende Prinzip eines gesunden und sicheren Arbeitsumfelds sowie das Recht darauf an.

6 Rechtliche Aspekte

6.1 Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) 2² , der vorsieht, dass auswärtige Angelegenheiten Sache des Bundes sind. Daneben weist Artikel 184 Absatz 2 BV dem Bundesrat die Zuständigkeit zu, völkerrechtliche Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Schliesslich kommt gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV der Bundesversammlung die Rolle zu, diese zu genehmigen, ausser bei Verträgen, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 24 Abs. 2 ParlG und Art. 7 a Abs. l des Regierungs- und Verwaltungsorganisationgesetzes vom 21. März 1997 ²3 ).
2² SR 101
²3 SR 172.010

6.2 Vereinbarkeit mit anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Das Übereinkommen Nr. 191 hat keine Auswirkungen auf die anderen internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

6.3 Erlassform

Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffern 1-3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge dem fakultativen Referendum, wenn sie unbefristet und unkündbar sind, den Beitritt zu einer internationalen Organisation vorsehen, wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten oder wenn deren Umsetzung den Erlass von Bundesgesetzen erfordert.
Das Übereinkommen Nr. 191 kann wie alle Übereinkommen der IAO frühestens zehn Jahre nach seiner Ratifikation gekündigt werden. Der Beitritt zu einer internationalen Organisation ist nicht vorgesehen. Die Übereinkommen erfordern für ihre Umsetzung weder die Annahme von neuen Bestimmungen noch die Änderung von bestehenden Gesetzesbestimmungen, sie enthalten jedoch wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 164 Absatz 1 BV. Das Übereinkommen Nr. 191 erfüllt damit die Bedingungen von Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV, wonach der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Übereinkommens dem fakultativen Referendum untersteht.

Anhang 1

Entschliessung zur Aufnahme eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation, die 2022 zu ihrer 110. Tagung zusammengetreten ist,
unter Hinweis auf die Annahme der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit auf ihrer 86. Tagung (1998), die einen entscheidenden Moment für die Verwirklichung der Ziele der Organisation darstellte;
unter Hinweis auf die Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der IAO für die Zukunft der Arbeit, die 2019 angenommen wurde, um einen am Menschen orientierten Ansatz für die Zukunft der Arbeit zu fördern und die Zukunft der Arbeit so zu gestalten, dass die Gründungsvision der Organisation verwirklicht wird, und in der die Konferenz erklärte, dass sichere und gesunde Arbeitsbedingungen von grundlegender Bedeutung für menschenwürdige Arbeit sind;
in dem Bewusstsein, dass dem Arbeitsschutz entscheidende Bedeutung zukommt, wie die COVID-19-Pandemie und ihre tiefgreifenden und transformativen Folgen für die Arbeitswelt eindringlich unter Beweis gestellt haben;
unter Verweis darauf, dass ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld die aktive Mitwirkung von Regierungen, Arbeitgebern sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen eines Systems festgelegter Rechte, Verantwortlichkeiten und Pflichten sowie sozialen Dialog und Zusammenarbeit erfordert;
in dem Wunsch, ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld in das IAO-Rahmenwerk grundlegender Prinzipien und Rechte bei der Arbeit aufzunehmen, um die Sichtbarkeit und Wirkung der Grundwerte der IAO und ihrer Agenda für menschenwürdige Arbeit zu fördern;
in der Erwägung, dass dies in Form einer Änderung der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit erfolgen sollte,
1.
beschliesst, Absatz 2 der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit dahingehend zu ändern, dass nach den Worten «die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf» die Worte «e) ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld» eingefügt werden, und im Anhang der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit sowie in der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung und im Globalen Beschäftigungspakt die in der Beilage dieser Entschliessung aufgeführten Folgeänderungen vorzunehmen;
2.
beschliesst, dass die oben genannten Instrumente fortan als «Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998), in der geänderten Fassung von 2022», als «Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008), in der geänderten Fassung von 2022» und als «Globaler Beschäftigungspakt (2009), in der geänderten Fassung von 2022» bezeichnet werden sollen;
3.
erklärt, dass das Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, und das Übereinkommen (Nr. 187) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006, als grundlegende Übereinkommen im Sinne der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998), in der geänderten Fassung von 2022, anzusehen sind;
4.
ersucht den Verwaltungsrat, alle geeigneten Schritte zu unternehmen, damit an allen einschlägigen internationalen Arbeitsnormen, der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik sowie der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008), in der geänderten Fassung von 2022, gegebenenfalls bestimmte Folgeänderungen vorgenommen werden, die aufgrund der Annahme dieser Entschliessung erforderlich sind; und
5.
erklärt, dass diese Entschliessung nicht so auszulegen ist, als berühre sie in irgendeiner unbeabsichtigten Weise die Rechte und Pflichten eines Mitglieds, die sich aus bestehenden Handels- und Investitionsabkommen zwischen Staaten ergeben.

Anhang 2

Empfehlung Nr. 208 betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung (Lehrlingsausbildung)

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 5. Juni 2023 zu ihrer 111. Tagung zusammengetreten ist,
weist darauf hin, dass die globalen Arbeitslosen- und Unterbeschäftigungsquoten nach wie vor hoch sind, dass Ungleichheit fortbesteht und dass rasche Veränderungen in der Arbeitswelt wie etwa die mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage sowie Qualifikationsdefizite verschärfen, was die Entwicklung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung erfordert, die Menschen jeden Alters Möglichkeiten zu ständiger Qualifizierung, Neuqualifizierung und Höherqualifizierung bietet,
weist ferner darauf hin, dass diese ständige Qualifizierung, Neuqualifizierung und Höherqualifizierung zur Förderung einer vollen, produktiven und frei gewählten Beschäftigung und menschenwürdigen Arbeit für alle beiträgt,
unterstreicht die Bedeutung einer hochwertigen Bildung und Ausbildung für alle und des Zugangs zu hochwertigem lebenslangem Lernen,
erinnert daran, dass alle Menschen das Recht haben, materiellen Wohlstand und geistige Entwicklung in Freiheit und Würde, in wirtschaftlicher Sicherheit und unter Chancengleichheit anzustreben,
erkennt an, dass die Förderung und Entwicklung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung zu menschenwürdiger Arbeit führen, zu wirksamen und effizienten Antworten auf Herausforderungen der Arbeitswelt beitragen und Möglichkeiten zu lebenslangem Lernen bieten kann, um Produktivität, Widerstandsfähigkeit, Übergänge und Beschäftigungsfähigkeit zu verbessern und den aktuellen und künftigen Erfordernissen der Auszubildenden, der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber und des Arbeitsmarkts gerecht zu werden,
erkennt an, dass die Förderung, Entwicklung und Durchführung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung auch das Unternehmertum, die selbstständige Erwerbstätigkeit, die Beschäftigungsfähigkeit, den Übergang zur formellen Wirtschaft, die Schaffung menschenwürdiger Arbeitsplätze sowie das Wachstum und die Nachhaltigkeit von Unternehmen unterstützen kann,
ist der Auffassung, dass ein wirksamer Rahmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung es erfordert, dass die duale Berufsausbildung gut reguliert, nachhaltig, ausreichend finanziert, inklusiv und frei von Diskriminierung, Gewalt und Belästigung sowie Ausbeutung ist, dass sie die Gleichstellung der Geschlechter und die Vielfalt fördert, eine angemessene Vergütung oder sonstige finanzielle Entschädigung und Sozialschutz bietet, zu anerkannten Qualifikationen führt und die Beschäftigungsergebnisse verbessert,
hebt hervor, dass die duale Berufsausbildung gefördert und reguliert werden sollte, auch durch den sozialen Dialog, um ihre Qualität zu gewährleisten, den Auszubildenden und den Ausbildungsbetrieben Vorteile und Schutz zu bieten und die Attraktivität der dualen Berufsausbildung für potenzielle Auszubildende und für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, einschliesslich kleinster, kleiner und mittlerer Unternehmen, zu steigern,
erinnert an die Bestimmungen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte und des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte,
unterstreicht die Bedeutung, die der Erklärung der IAO über grundlegende Prinzipien und Rechte bei der Arbeit (1998) in der geänderten Fassung von 2022, der Erklärung der IAO über soziale Gerechtigkeit für eine faire Globalisierung (2008) in der geänderten Fassung von 2022, der Dreigliedrigen Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik in der geänderten Fassung von 2022, den Schlussfolgerungen über die Förderung nachhaltiger Unternehmen (2007) und der Erklärung zum hundertjährigen Bestehen der IAO für die Zukunft der Arbeit (2019) hinsichtlich der Förderung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung und des wirksamen Schutzes aller Auszubildenden zukommt, insbesondere angesichts der tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt,
erinnert an die Bestimmungen anderer einschlägiger IAO-Instrumente, insbesondere des Übereinkommens (Nr. 122) über die Beschäftigungspolitik, 1964, und der dazugehörigen Empfehlung (Nr. 122), des Übereinkommens (Nr. 142) über die Erschliessung des Arbeitskräftepotentials, 1975, der Empfehlung (Nr. 169) betreffend die Beschäftigungspolitik (ergänzende Bestimmungen), 1984, des Übereinkommens (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler, 1997, der Empfehlung (Nr. 195) betreffend die Entwicklung der Humanressourcen, 2004, und der Empfehlung (Nr. 204) betreffend den Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft, 2015,
hat beschlossen, verschiedene Anträge betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, anzunehmen, und dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 16. Juni 2023, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend eine hochwertige duale Berufsausbildung, 2023, bezeichnet wird:

I. Begriffsbestimmungen, Geltungsbereich und Mittel zur Durchführung

1. Im Sinne dieser Empfehlung:
a.
bezeichnet der Begriff «duale Berufsausbildung» eine Form der Bildung und Ausbildung, die durch einen Ausbildungsvertrag geregelt ist und es Auszubildenden ermöglicht, die für die Ausübung eines Berufs erforderlichen Kompetenzen durch eine strukturierte und entlohnte oder auf andere Weise finanziell entschädigte Ausbildung zu erwerben, die aus Lernen in und ausserhalb der Arbeitsstätte besteht und zu einer anerkannten Qualifikation führt;
b.
bezeichnet der Begriff «Vermittler» eine Stelle, die eine duale Berufsausbildung koordiniert, unterstützt oder bei ihrer Durchführung behilflich ist und bei der es sich nicht um den Ausbildungsbetrieb oder die Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung handelt;
c.
bezeichnet der Begriff «Vorbereitungsprogramm für duale Berufsausbildung» ein Programm, das dazu bestimmt ist, potenziellen Auszubildenden bei der Entwicklung ihrer Kompetenzen zu helfen, um sie besser auf einen Arbeitsplatz vorzubereiten oder die formalen Zugangsvoraussetzungen für eine duale Berufsausbildung zu erfüllen;
d.
bezeichnet der Begriff «Anerkennung früherer Lernerfahrungen» ein von qualifiziertem Personal durchgeführtes Verfahren, bei dem die von einer Person durch formales, nichtformales oder informelles Lernen erworbenen Kompetenzen auf der Grundlage etablierter Qualifikationsstandards ermittelt, dokumentiert, bewertet und zertifiziert werde.
2. Diese Empfehlung gilt für die duale Berufsausbildung in allen Unternehmen und Wirtschaftszweigen.
3. Die Mitglieder können den Bestimmungen dieser Empfehlung durch innerstaatliche Rechtsvorschriften, Kollektivvereinbarungen, Politiken und Programme oder andere mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis vereinbarte Massnahmen Wirkung verleihen.
4. Die Mitglieder sollten die Bestimmungen dieser Empfehlung in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden umsetzen.

II. Regulierungsrahmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung

5. Die Mitglieder sollten eine hochwertige duale Berufsausbildung in ihre jeweiligen Politiken in den Bereichen allgemeine und berufliche Bildung, lebenslanges Lernen sowie Beschäftigung aufnehmen und fördern.
6. Die Mitglieder sollten einen Regulierungsrahmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung sowie Qualifikationsrahmen oder -systeme festlegen, um die Anerkennung der durch eine duale Berufsausbildung erworbenen Kompetenzen zu erleichtern. Die repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sollten in die Gestaltung, Umsetzung, Überwachung und Evaluierung von Rahmen, Systemen, Politiken und Programmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung einbezogen werden.
7. Die Mitglieder sollten eine oder mehrere für die Regulierung der dualen Berufsausbildung verantwortliche staatliche Stellen einrichten oder benennen, in denen die repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände vertreten sein sollen.
8. Die Mitglieder sollten sicherstellen, dass die zuständigen Stellen klar definierte Verantwortlichkeiten haben, mit angemessenen finanziellen Mitteln ausgestattet sind und eng mit anderen Stellen oder Institutionen zusammenarbeiten, die für die Regulierung oder Bereitstellung von Bildung und Ausbildung, Arbeitsaufsicht, Sozialschutz, Arbeitsschutz sowie öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlungsdiensten verantwortlich sind.
9. Die Mitglieder sollten ein Verfahren einführen, das zum Ziel hat, mit Beteiligung der repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände festzustellen, ob ein Beruf für eine hochwertige duale Berufsausbildung geeignet ist, unter Berücksichtigung:
a.
der für die Ausübung dieses Berufs erforderlichen Kompetenzen;
b.
der Eignung einer dualen Berufsausbildung als Mittel für den Erwerb solcher Kompetenzen;
c.
der für den Erwerb solcher Kompetenzen erforderlichen Dauer der dualen Berufsausbildung;
d.
des derzeitigen und künftigen Qualifikationsbedarfs und Beschäftigungspotenzials in diesem Beruf;
e.
des berufs-, ausbildungs- und arbeitsmarktspezifischen Fachwissens der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände;
f.
des breiten Spektrums neuer Berufsfelder und sich weiter entwickelnder Produktionsverfahren und Dienstleistungen.
10. Die Mitglieder sollten in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden je nach Fall berufsspezifische oder allgemeine Standards für eine hochwertige duale Berufsausbildung festlegen, indem sie Massnahmen ergreifen, die unter anderem Folgendes vorsehen:
a.
das Mindestalter für die Zulassung gemäss dem Übereinkommen (Nr. 138) über das Mindestalter, 1973, und dem Übereinkommen (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999;
b.
Arbeitsschutz gemäss dem Übereinkommen (Nr. 155) über den Arbeitsschutz, 1981, und dem Übereinkommen (Nr. 187) über den Förderungsrahmen für den Arbeitsschutz, 2006;
c.
Bildungsqualifikationen, Bildungsniveau oder frühere Lernerfahrungen, die für die Zulassung erforderlich sind;
d.
die Verantwortlichkeiten der Auszubildenden, der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, der Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen und der Vermittler;
e.
die Beaufsichtigung der Auszubildenden durch qualifiziertes Personal und die Art dieser Beaufsichtigung;
f.
das angemessene Gleichgewicht zwischen Auszubildenden und den Beschäftigten in der Arbeitsstätte, um erfolgreiche duale Berufsausbildungsprogramme und eine angemessene Aufsicht zu gewährleisten und unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, das Ersetzen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu vermeiden und die duale Berufsausbildung in kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen zu fördern;
g.
die vorgesehene Mindest- und Höchstdauer der dualen Berufsausbildung;
h.
inwiefern die vorgesehene Dauer der dualen Berufsausbildung aufgrund früherer Lernerfahrungen oder der während der Ausbildung erzielten Fortschritte verkürzt werden kann;
i.
Lernergebnisse und Ausbildungspläne auf der Grundlage der relevanten beruflichen Kompetenzen, der Bildungs- und Ausbildungserfordernisse der Auszubildenden und der Arbeitsmarktbedürfnisse;
j.
das angemessene Gleichgewicht zwischen dem Lernen in und ausserhalb der Arbeitsstätte;
k.
der Zugang zu Berufs- und Karriereberatung und gegebenenfalls anderen Unterstützungsdiensten vor, während und nach der dualen Berufsausbildung;
l.
die erforderliche Qualifikation und Erfahrung der Lehrkräfte, der Ausbildenden in und ausserhalb der Arbeitsstätte und der anderen an der dualen Berufsausbildung beteiligten sachverständigen Personen;
m.
das angemessene Gleichgewicht zwischen Auszubildenden und Lehrkräften unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, eine hochwertige Bildung und Ausbildung sicherzustellen;
n.
die Verfahren für die Bewertung und Zertifizierung der erworbenen Kompetenzen;
o.
die mit dem erfolgreichen Abschluss der dualen Berufsausbildung erworbene Qualifikation.
11. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass es ein faires und transparentes Verfahren gibt, durch das eine duale Berufsausbildung in mehr als einem Unternehmen durchgeführt werden kann, vorbehaltlich der Zustimmung der Auszubildenden, falls dies für den Abschluss der dualen Berufsausbildung als notwendig angesehen wird.
12. Die Mitglieder sollten die Bedingungen festlegen, unter denen:
a.
Betriebe eine duale Berufsausbildung anbieten können;
b.
Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen eine Ausbildung in und ausserhalb der Arbeitsstätte anbieten können;
c.
Vermittler die duale Berufsausbildung koordinieren, unterstützen oder bei ihrer Durchführung behilflich sein können.
13. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um auf kontinuierliche Weise:
a.
Die Kapazitäten staatlicher Stellen, der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie der Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen weiterzuentwickeln und zu stärken;
b.
die Ausbildungskapazität der Ausbildungsbetriebe zu stärken;
c.
die Kompetenzen der Lehrkräfte, der Ausbildenden in und ausserhalb der Arbeitsstätte und der anderen an der dualen Berufsausbildung beteiligten sachverständigen Personen zu stärken.
14. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Systeme und Programme der dualen Berufsausbildung von den zuständigen Stellen regelmässig überwacht und evaluiert werden. Die Ergebnisse der Überwachung und Evaluierung sollten dazu verwendet werden, die Systeme und Programme entsprechend anzupassen und zu verbessern.

III. Schutz der Auszubildenden

15. Die Mitglieder sollten Massnahmen zur Achtung, Förderung und Verwirklichung der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit in Bezug auf die duale Berufsausbildung ergreifen.
16. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Auszubildende:
a.
eine angemessene Vergütung oder sonstige finanzielle Entschädigung erhalten, die in verschiedenen Phasen der dualen Berufsausbildung erhöht werden kann, um dem fortschreitenden Erwerb beruflicher Kompetenzen Rechnung zu tragen;
b.
nicht zur Überschreitung der maximalen Arbeitszeiten angehalten werden, die durch die innerstaatliche Gesetzgebung und Kollektivvereinbarungen geregelt sind;
c.
Anspruch auf Urlaub mit angemessener Vergütung oder sonstiger finanzieller Entschädigung haben;
d.
Anspruch auf krankheits- oder unfallbedingte Abwesenheit mit angemessener Vergütung oder sonstiger finanzieller Entschädigung haben;
e.
Zugang zu bezahltem Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaub und Elternurlaub haben;
f.
Zugang zu sozialer Sicherheit und Mutterschutz haben;
g.
Vereinigungsfreiheit in Anspruch nehmen können und die effektive Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen gewährleistet ist;
h.
Arbeitsschutz geniessen und vor Diskriminierung, Gewalt und Belästigung geschützt und diesbezüglich geschult werden;
i.
bei arbeitsbedingten Verletzungen und Erkrankungen Anspruch auf Entschädigung haben;
j.
Zugang zu einem wirksamen Beschwerde- und Streitbeilegungsmechanismus haben;
k.
Anspruch auf den Schutz personenbezogener Daten haben.

IV. Ausbildungsvertrag

17. Die Mitglieder sollten sicherstellen, dass die duale Berufsausbildung durch einen schriftlichen Vertrag geregelt wird, der zwischen der oder dem Auszubildenden und einem Ausbildungsbetrieb oder einer öffentlichen Einrichtung geschlossen wird und der, soweit dies nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften zulässig ist, auch von einer dritten Partei, wie beispielsweise einer Bildungs- oder Ausbildungseinrichtung oder einem Vermittler, unterzeichnet werden kann.
18. Die Mitglieder sollten sicherstellen, dass ein Ausbildungsvertrag:
a.
die jeweiligen Rollen, Rechte und Pflichten der Vertragsparteien klar definiert;
b.
festlegt, wo die duale Berufsausbildung stattfindet;
c.
keine Bestimmung enthält, die dazu führt, dass die Möglichkeiten der Auszubildenden im Hinblick auf die Arbeitsmarktmobilität nach der dualen Berufsausbildung eingeschränkt werden;
d.
Bestimmungen zu Ausbildungsdauer, Vergütung oder sonstiger finanzieller Entschädigung und ihrer Häufigkeit, Arbeitszeit, Ruhezeiten, Pausen, Feiertagen und Urlaub, Arbeitsschutz, sozialer Sicherheit, Streitbeilegungsmechanismen sowie der Beendigung des Ausbildungsvertrags enthält;
e.
die zu erlangenden Kompetenzen, Zertifizierungen oder Qualifikationen und gegebenenfalls ergänzende bildungsbezogene Begleitmassnahmen festlegt;
f.
unter den von der zuständigen Stelle festgelegten Bedingungen registriert wird;
g.
zu Beginn der dualen Berufsausbildung unterzeichnet wird;
h.
bei Minderjährigkeit der beziehungsweise des Auszubildenden von einem Elternteil, Vormund oder den zur gesetzlichen Vertretung Berechtigten oder von der beziehungsweise vom Auszubildenden mit Zustimmung eines Elternteils, Vormunds oder der zur gesetzlichen Vertretung Berechtigten gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften unterzeichnet wird.
19. Die Mitglieder sollten in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden einen Muster-Ausbildungsvertrag ausarbeiten, um für bessere Kohärenz, Einheitlichkeit und Regelkonformität zu sorgen.

V. Gleichheit und Vielfalt in einer hochwertigen dualen Berufsausbildung

20. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um Gleichheit, Vielfalt und soziale Inklusion in der dualen Berufsausbildung zu fördern, indem insbesondere der Situation und den Bedürfnissen von Personen, die einer oder mehreren verletzlichen Gruppen oder Gruppen in Situationen der Verletzlichkeit angehören, Rechnung getragen wird.
21. Die Mitglieder sollten geeignete Massnahmen ergreifen, um die Gleichstellung und Ausgewogenheit der Geschlechter in allen Aspekten der dualen Berufsausbildung, darunter auch beim Zugang zur dualen Berufsausbildung, zu fördern.
22. Die Mitglieder sollten wirksame Massnahmen ergreifen, um jegliche Diskriminierung, Gewalt und Belästigung und Ausbeutung gegenüber Auszubildenden zu verhindern und zu beseitigen und Zugang zu geeigneten und wirksamen Abhilfemassnahmen zu ermöglichen.
23. Die Mitglieder sollten die duale Berufsausbildung für Erwachsene und erfahrene Personen, die die Branche oder den Beruf wechseln, ihre Kompetenzen weiterentwickeln oder ihre Beschäftigungsfähigkeit verbessern möchten, aktiv fördern, um die volle, produktive und frei gewählte Beschäftigung zu fördern.
24. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um den Zugang zu einer hochwertigen dualen Berufsausbildung zu fördern, um den erfolgreichen Übergang von der informellen zur formellen Wirtschaft und von prekärer zu sicherer Beschäftigung, die menschenwürdig ist und Zugang zu sozialer Sicherheit und Arbeitnehmerschutz bietet, zu erleichtern.

VI. Förderung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung

25. Die Mitglieder sollten in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden Massnahmen ergreifen, um ein günstiges Umfeld für die Förderung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung zu schaffen, indem unter anderem:
a.
Strategien entwickelt und umgesetzt, nationale Ziele für eine hochwertige duale Berufsausbildung festgelegt und angemessene Ressourcen für diesen Zweck bereitgestellt werden;
b.
eine hochwertige duale Berufsausbildung systematisch in nationale Entwicklungsstrategien sowie in Politiken für Bildung, berufliche Bildung, lebenslanges Lernen und Beschäftigung einbezogen wird;
c.
Stellen für die Entwicklung branchen- oder berufsspezifischer Kompetenzen eingerichtet werden, um die Durchführung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung zu erleichtern;
d.
zuverlässige Mechanismen, etwa Arbeitsmarktinformationssysteme und regelmässige Beratungen mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, eingerichtet und dauerhaft weitergeführt werden, um die gegenwärtige und künftige Nachfrage nach Kompetenzen einzuschätzen und auf dieser Grundlage Programme der dualen Berufsausbildung entsprechend zu gestalten oder anzupassen;
e.
wirksame und nachhaltige Finanzierungsmodelle umgesetzt werden;
f.
Anreize und Unterstützungsdienste bereitgestellt werden;
g.
zuverlässige Überwachungsmechanismen eingerichtet werden, unter anderem für die Datenerhebung durch die zuständige Stelle über Verbleibs-, Abbrecher- und Erfolgsquoten in der dualen Berufsausbildung, um die Wirksamkeit von Finanzierungsmodellen und Anreizsystemen bei der Schaffung einer hochwertigen dualen Berufsausbildung einzuschätzen;
h.
effektive öffentlich-private Partnerschaften erleichtert werden, um eine hochwertige duale Berufsausbildung innerhalb eines innerstaatlichen Regulierungsrahmens zu unterstützen;
i.
sofern angezeigt, Vermittler unterstützt werden, die die Bereitstellung der dualen Berufsausbildung koordinieren, unterstützen oder dabei behilflich sind;
j.
in regelmässigen Abständen Sensibilisierungsmassnahmen und Werbekampagnen durchgeführt werden, um das Ansehen und die Attraktivität einer hochwertigen dualen Berufsausbildung zu verbessern, indem die Vorteile einer dualen Berufsausbildung bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, jungen Menschen, Familien, Lehrkräften, Berufsberatenden, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sowie Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern, insbesondere kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen, hervorgehoben werden;
k.
das Bewusstsein für die Rechte, die Ansprüche und den Schutz von Auszubildenden verbessert wird;
l.
bedarfsbasierte Vorbereitungsprogramme für duale Berufsausbildung eingerichtet werden, die insbesondere darauf abzielen, in der dualen Berufsausbildung die Beteiligungs-, Verbleibs- und Erfolgsquoten von Personen zu erhöhen, die einer oder mehreren verletzlichen Gruppen oder Gruppen in Situationen der Verletzlichkeit angehören;
m.
der Zugang von Auszubildenden zu weiterführender Berufsausbildung und anderen Bildungsmöglichkeiten erleichtert wird;
n.
flexible Lernwege und Berufsberatung geboten werden, um Mobilität, lebenslanges Lernen und die Übertragbarkeit von Kompetenzen und Qualifikationen zu unterstützen;
o.
die Einbindung von Mentoren in duale Berufsausbildungsprogramme konzipiert, unterstützt und gefördert wird;
p.
neue Technologien und innovative Methoden zur Verbesserung der Wirksamkeit und der Qualität der dualen Berufsausbildung eingesetzt werden;
q.
die duale Berufsausbildung in Bereichen mit einem Bezug zu grüner Wirtschaft und einem gerechten Übergang gefördert wird, um Wissen zu verbreiten und Kompetenzen zu entwickeln, die auf die Zukunft der Arbeit ausgerichtet sind.
26. Die Mitglieder sollten eine Kultur des lebenslangen Lernens sowie der Qualifizierung, Neuqualifizierung und Höherqualifizierung fördern, auch im Hinblick auf Kernkompetenzen.
27. Die Mitglieder sollten in Beratung mit den repräsentativen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden im Hinblick auf die Erleichterung des Übergangs von der informellen zur formellen Wirtschaft Massnahmen ergreifen, um:
a.
die Kapazitäten kleinster, kleiner und mittlerer Wirtschaftseinheiten zu stärken, indem der Zugang zu Dienstleistungen für Unternehmensentwicklung und Finanzierung erleichtert wird, das Arbeitsschutzumfeld verbessert wird und die Lehr- und Ausbildungsmethoden sowie die fachlichen und unternehmerischen Kompetenzen von Meisterinnen und Meistern ihres Faches verstärkt werden;
b.
sicherzustellen, dass Auszubildende Zugang zum Lernen ausserhalb der Arbeitsstätte haben und ihr Lernen in der Arbeitsstätte, in anderen Unternehmen oder, sofern angezeigt, durch Vermittler ergänzen können;
c.
die Fähigkeit der Verbände von kleinsten, kleinen und mittleren Wirtschaftseinheiten zu stärken, die Qualität der dualen Berufsausbildung zu verbessern, auch durch finanzielle Unterstützung;
d.
ein Verfahren zur Anerkennung relevanter früherer Lernerfahrungen einzuführen, auch wenn sie in der informellen Wirtschaft erworben wurden, und die Bereitstellung von Brückenkursen zu unterstützen.

VII. Internationale, regionale und nationale Zusammenarbeit für eine hochwertige duale Berufsausbildung

28. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um:
a.
in Bezug auf alle Aspekte einer hochwertigen dualen Berufsausbildung die internationale, regionale und nationale Zusammenarbeit zu verstärken und Informationen über vorbildliche Praktiken auszutauschen;
b.
in Bezug auf das Angebot erweiterter Lernmöglichkeiten für Auszubildende zusammenzuarbeiten und im Rahmen von Programmen der dualen Berufsausbildung oder früherer Lernerfahrungen erworbene Kompetenzen anzuerkennen;
c.
effektive Partnerschaften zur Förderung von Programmen für eine hochwertige duale Berufsausbildung aufzubauen, insbesondere durch dreigliedrige nationale Stellen für branchen- oder berufsspezifische Kompetenzen, globale und regionale Bündnisse und Netzwerke für die duale Berufsausbildung;
d.
die Anerkennung der durch eine duale Berufsausbildung erworbenen Qualifikationen national, regional und international zu fördern.
Bundesrecht
Bericht über die anlässlich der 110. und 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz verabschiedeten Instrumente und Botschaft zur Genehmigung des Übereinkommens Nr. 191 der Internationalen Arbeitsorganisation zur Änderung von Normen infolge der Anerkennung eines sicheren und gesunden Arbeitsumfelds als grundlegendes Prinzip
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