Botschaft zur Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (Verlängerung der Übergangsfrist und Änderung der Entschädigungsregelung nach Artikel 99 Absatz 1)
Botschaft zur Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes (Verlängerung der Übergangsfrist und Änderung der Entschädigungsregelung nach Artikel 99 Absatz 1)
vom 26. Juni 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, eine Änderung des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes ¹ .
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
26. Juni 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Die Vorlage sieht die Verlängerung der Übergangsfrist für die Übernahme von Betrieb und Unterhalt der stationären Sirenen durch den Bund vor. Bund und Kantone wollen sich damit Zeit verschaffen, um die Zuständigkeitsordnung im Bereich der Sirenen zu überprüfen. Da die aktuelle Übergangsfrist nur noch bis Ende Jahr läuft, wird die Vorlage dem Parlament im dringlichen Verfahren unterbreitet.
Ausgangslage
Mit dem Inkrafttreten der Totalrevision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 2019 (BZG; SR 520.1) per 1. Januar 2021 wurde die Zuständigkeit für die stationären und mobilen Sirenen von den Kantonen auf den Bund übertragen. Bei der Planung der Umsetzung des neuen Rechts hat sich nun aber gezeigt, dass die neue zentrale Lösung für ein dezentrales Mittel in der Praxis zu grösseren Herausforderungen und insbesondere auch zu höheren Kosten führt als ursprünglich angenommen. Eine Lösung, wonach der Bund diese Aufgaben gegen eine pauschale Abgeltung den Kantonen übertragen hätte, war von den Kantonen im Rahmen der Vernehmlassung abgelehnt worden bzw. wäre nur mit hohen Mehrkosten zustande gekommen. Die vierjährige Übergangsfrist nach Artikel 99 Absatz 1 BZG läuft noch bis Ende 2024. Dies ist sehr knapp, um die Zuständigkeit gemäss geltendem Recht umzusetzen, und reicht vor allem nicht aus, um die Zuständigkeitsordnung grundsätzlich zu überdenken. Die Frist soll daher um vier Jahre verlängert werden. Mit dieser befristeten Regelung verschaffen sich Bund und Kantone Zeit, um das Konzept ganz grundsätzlich zu überprüfen, die gesetzlichen Grundlagen anzupassen und die Rahmenbedingungen für eine spätere Lösung strukturiert erarbeiten zu können
Inhalt der Vorlage
Die Vorlage sieht vor, die Übergangsfrist von Artikel 99 Absatz 1 BZG um weitere vier Jahre bis zum 31. Dezember 2028 zu verlängern und die Pauschale, die den Kantonen für die Sicherstellung von Betrieb und Unterhalt der Sirenen ausgerichtet wird, von 400 Franken pro Jahr und Sirene auf 600 Franken zu erhöhen.
Botschaft
¹ BBl 2024 1651
1 Ausgangslage
In der Schweiz sind zurzeit rund 5050 ferngesteuerte stationäre Sirenen in Betrieb. Nach dem alten Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetz vom 4. Oktober 2002 ² (in Kraft bis 31. Dezember 2020) lag die Zuständigkeit für die Sirenen bei den Kantonen. Mit dem Inkrafttreten der Totalrevision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 2019 ³ (BZG) per 1. Januar 2021 wurde die Zuständigkeit einschliesslich Finanzierung auf den Bund übertragen (Art. 9 Abs. 2 und 24 Abs. 1 BZG). Man erhoffte sich so Synergieeffekte aufgrund des Mengengerüsts, insbesondere bei der Beschaffung der Sirenen. Für Betrieb und Unterhalt wurden in der Botschaft jährliche Kosten von rund 3 Millionen Franken ausgewiesen. Während der Übergangsfrist bis Ende 2024 stellen die Kantone Betrieb und Unterhalt der Sirenen gegen eine Betriebspauschale von höchstens 400 Franken pro Jahr und Sirene sicher (Art. 99 Abs. 1 BZG i. V. m. Art. 63 Abs. 1 der Bevölkerungsschutzverordnung vom 11. November 2020 ⁴ [BevSV]). Bis zum Ende der Übergangsfrist sollen Verwaltung und Eigentum der Sirenen vom Bund übernommen werden (Art. 63 Abs. 2 und 3 BevSV).
Ursprünglich war geplant, dass der Bund eine Generalunternehmung mit der gesamten Bewirtschaftung der Sirenen betraut. Bei der Planung der Umsetzung zeigte sich jedoch, dass diese Lösung in der Praxis teurer und aufwendiger wird als vorhergesehen und nicht sicher ist, ob das Kostendach von 3 Millionen Franken eingehalten werden kann. Da die Kantone von Beginn an der neuen Regelung gegenüber skeptisch waren, versuchte der Bund, mit ihnen eine Lösung zu finden, wonach sie während der Übergangsfrist gegen eine Abgeltung die meisten Aufgaben im Zusammenhang mit den Sirenen übernehmen. Die Kantone unterstützten dieses Bestreben grundsätzlich.
Im Rahmen der laufenden Teilrevision des BZG zur Umsetzung des Berichts «Alimentierung Armee und Zivilschutz (erster Teil)» ⁵ sollten die rechtlichen Grundlagen entsprechend angepasst werden. In der Vernehmlassungsvorlage wurde eine Pauschale von 450 Franken vorgeschlagen. Die Kantone forderten jedoch einstimmig eine Pauschale von mindestens 800 Franken, was zu Gesamtkosten von jährlich rund 4 Millionen Franken geführt und den zur Verfügung stehenden Kostenrahmen von 3 Millionen Franken pro Jahr überstiegen hätte. Auf die Anpassung der rechtlichen Grundlagen im Rahmen der BZG-Teilrevision wurde daher verzichtet.
Die Arbeiten zur Umsetzung des geltenden Rechts und die Diskussion mit den Kantonen geben Anlass, die geltende, in der Praxis aber noch nicht umgesetzte Zuständigkeitsordnung im Bereich der Sirenen nochmals ganz grundsätzlich zu überprüfen. Die bis Ende Jahr laufende Übergangsfrist reicht dazu jedoch nicht aus. Sie soll daher um weitere vier Jahre verlängert werden. Mit dieser befristeten Regelung verschaffen sich Bund und Kantone Zeit, um das Konzept zu überprüfen, die gesetzlichen Grundlagen anzupassen und die Rahmenbedingungen für eine spätere Lösung strukturiert erarbeiten zu können.
1.1 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates
Die Vorlage ist in der Botschaft vom 25. Januar 2024 ⁶ zur Legislaturplanung 2023-2027 nicht angekündigt. Ein funktionierendes, qualitativ hochstehendes Alarmierungs- und Informationssystem trägt aber zur Umsetzung von Ziel 18 «Die Schweiz erhöht ihre Kompetenzen zur Führung bei der Bewältigung von Krisen, stärkt ihre Widerstandsfähigkeit und verfügt über die notwendigen Instrumente und Mittel, um die Gefahren und Bedrohungen ihrer Sicherheit abzuwenden» bei.
⁶ BBl 2024 525
1.2 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Mit der Vorlage werden keine parlamentarischen Vorstösse erledigt.
² AS 2003 4187 , 4327 ; 2005 2881 ; 2006 2197 ; 2009 6617 ; 2010 6015 ; 2011 5891 ; 2012 335 ; 2014 3545 ; 2015 187 ; 2016 4277 ; 2018 5343 ; 2020 4995
³ SR 520.1
⁴ SR 520.12
⁵ Bericht «Alimentierung von Armee und Zivilschutz; Teil 1: Analyse und kurz- und mittelfristige Massnahmen» vom 30.6.2021, BBl 2021 1555 ; zit. Alimentierungsbericht (Teil 1).
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
Aufgrund der Dringlichkeit des Geschäfts soll das BZG im Rahmen der dringlichen Gesetzgebung (Art. 165 der Bundesverfassung [BV] ⁷ ) geändert werden. Auf eine Vernehmlassung wurde daher verzichtet (Art. 3 a Abs. 1 Bst. c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ⁸ [VlG]). Da die Vorlage auf ausdrücklichen Wunsch der Kantone und in Absprache mit ihnen erarbeitet wurde und keine anderen Kreise von der Vorlage in erheblichem Mass betroffen sind, wurde auf die Konsultation in dringlichen Fällen nach Artikel 10 VlG verzichtet.
⁷ SR 101
⁸ SR 172.061
3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht
Die Vorlage betrifft ausschliesslich Bereiche des nationalen Rechts, sodass keine Vorgaben des europäischen Rechts zu berücksichtigen sind.
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
Aufgrund der Ergebnisse der Vernehmlassung im Rahmen der BZG-Revision zur Umsetzung des Alimentierungsberichts (Teil 1) wird auf die geplante Anpassung der rechtlichen Grundlagen im Zusammenhang mit den Sirenen verzichtet. Grundsätzlich ist nun das geltende Recht umzusetzen, d. h., Betrieb und Unterhalt der Sirenen müssen vom Bund sichergestellt werden. Die ursprüngliche Übergangsfrist von vier Jahren (Art. 99 Abs. 1 BZG) läuft noch bis Ende 2024. Sie soll um weitere vier Jahre verlängert werden. Während dieser Übergangsfrist werden Betrieb und Unterhalt der Sirenen wie bisher von den Kantonen sichergestellt. Die entsprechende Pauschale wird von höchstens 400 Franken pro Jahr und Sirene auf höchstens 600 Franken erhöht, um der Teuerung sowie den von den Kantonen ausgewiesenen Kosten in diesem Bereich Rechnung zu tragen.
Mit dieser befristeten Regelung verschaffen sich Bund und Kantone Zeit, um das Konzept zu überprüfen, die gesetzlichen Grundlagen anzupassen und die Rahmenbedingungen für eine spätere Lösung strukturiert erarbeiten zu können.
4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen
Für den Betrieb und Unterhalt des Alarmierungssystems wurden im Rahmen der Totalrevision des BZG per 1. Januar 2021 3 Millionen Franken pro Jahr bewilligt. Mit der beantragten Pauschale von 600 Franken pro Jahr und Sirene wird dieser Rahmen um 30 000 Franken - also nur minimal - überschritten. Diese Mehrkosten werden im Rahmen des ordentlichen Sirenenbudgets ausgeglichen. Zusätzliche Mittel werden nicht beantragt.
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
Art. 99 Abs. 1bis
Die Vorlage sieht eine Verlängerung der Übergangsfrist um weitere vier Jahre vor. Damit soll dem Bund und den Kantonen ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, um die Zuständigkeiten im Bereich der Sirenen grundsätzlich nochmals zu überprüfen und gegebenenfalls erforderliche Umsetzungsmassnahmen (z. B. Übertragung des Eigentums an den Sirenen von den Kantonen auf den Bund) durchzuführen oder die rechtlichen Grundlagen anzupassen.
Zusätzlich wird die Pauschale, die der Bund den Kantonen für die Sicherstellung von Betrieb und Unterhalt ausrichtet, von höchstens 400 Franken pro Jahr und Sirene auf höchstens 600 Franken angehoben. Damit wird der Kostensteigerung in diesem Bereich sowie dem von den Kantonen ausgewiesenen Aufwand Rechnung getragen.
Weitere Änderungen werden nicht vorgenommen. Die Kantone werden längstens bis zum Ende der verlängerten Übergangsfrist wie bisher die Sirenen nach den Vorgaben des Bundes bereitstellen und für deren Unterhalt und ständige Betriebsbereitschaft sorgen. Sie haben Anspruch auf Ausrichtung der Pauschale, solange sie diese Aufgaben wahrnehmen.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Mit der Vorlage soll der Status quo für die Bewirtschaftung der Sirenen um vier Jahre verlängert werden, damit Bund und Kantone die Zuständigkeitsordnung im Bereich der Sirenen nochmals überprüfen können. Der zur Verfügung stehende Kostenrahmen von 3 Millionen Franken wird durch die Erhöhung der Pauschale auf 600 Franken minimal überschritten (um 30 000 Fr.). Diese Mehrkosten werden im Rahmen des ordentlichen Sirenenbudgets ausgeglichen. Es werden weder zusätzliche Mittel noch zusätzliche Stellen beantragt.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden
Die Vorlage wurde auf ausdrücklichen Wunsch der Kantone und in Absprache mit ihnen erarbeitet. Die Kantone werden wie bisher den Unterhalt und die ständige Betriebsbereitschaft der Sirenen sicherstellen. Sie verfügen bereits über Personal mit den erforderlichen Fachkenntnissen und werden daher keine zusätzlichen Stellen benötigen. Die jährliche Pauschale wird erhöht, um der Kostensteigerung in diesem Bereich sowie den von den Kantonen ausgewiesenen Kosten Rechnung zu tragen. Die Kantone werden daher auch keine zusätzlichen Mittel benötigen.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Die Vorlage stützt sich auf die Artikel 57 Absatz 2 und 61 BV.
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Die vorliegend geplanten Änderungen sind mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar. Sie schaffen auch keine neuen Verpflichtungen der Schweiz gegenüber anderen Staaten oder internationalen Organisationen. Sie sind auch mit dem geltenden oder in Ausarbeitung befindlichen EU-Recht sowie mit einschlägigen Empfehlungen im Bereich des Menschenrechtsschutzes (Europarat, UNO) kompatibel.
7.3 Erlassform
Im vorliegenden Fall handelt es sich um wichtige rechtsetzende Normen im Sinne von Artikel 164 BV, die in einem formellen Gesetz (hier BZG) festzuhalten sind.
7.4 Dringliches Verfahren
Die aktuelle Übergangsfrist für die Bewirtschaftung der Sirenen durch die Kantone gilt noch bis Ende 2024. Ohne eine formelle Verlängerung der Übergangsfrist gäbe es ab diesem Zeitpunkt keine entsprechende rechtliche Grundlage mehr dafür. Die Verlängerung der Übergangsfrist muss daher im Verfahren der dringlichen Gesetzgebung (Art. 165 BV) erfolgen. Die Vorlage soll in der Herbstsession 2024 im Parlament behandelt werden und wurde bereits mit Beschluss des Bundesrates vom 8. Mai 2024 für die Zuweisung an die Kommissionen in der Sommersession 2024 angemeldet.
7.5 Unterstellung unter die Ausgabenbremse
Die Verlängerung befristeter Subventionsbestimmungen ist der Ausgabenbremse zu unterstellen, wenn sie einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken zur Folge haben. Da die Abgeltung an die Kantone für Betrieb und Unterhalt der Sirenen Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken pro Jahr zur Folge hat, ist Artikel 99 Absatz 1bis BZG der Ausgabenbremse zu unterstellen.
7.6 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz
Mit dieser befristeten Regelung wollen sich Bund und Kantone Zeit verschaffen, um die Zuständigkeitsordnung im Bereich der Sirenen zu überprüfen und allenfalls die gesetzlichen Grundlagen und die Rahmenbedingungen für eine spätere Lösung strukturiert zu erarbeiten. Die angestrebte Lösung soll insbesondere auch der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz dienen.
7.7 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes
Die für den Betrieb des Alarmierungssystems erforderlichen Mittel wurden bereits im Rahmen der Totalrevision des BZG per 1. Januar 2021 bewilligt. Zusätzliche Mittel werden nicht beantragt.
7.8 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Die Vorlage enthält keine Delegationen.
Bundesrecht
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