Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung
vom 27. September 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf ¹ einer Änderung des Unfallversicherungsgesetzes.
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
2014 | M | 11.3811 | Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen (N 11.9.2013, Darbellay; S 19.3.2014 ) |
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
27. September 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Mit dieser Vorlage soll die von eidgenössischen Räten 2014 angenommene Motion 11.3811 Darbellay «Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen» umgesetzt werden. Sie soll sicherstellen, dass Taggelder nach dem Bundesgesetz über die Unfallversicherung (UVG) auch bei Rückfällen oder Spätfolgen eines Unfalls bezahlt werden, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Jugendalter erlitten haben, als sie noch nicht über das UVG versichert waren.
Ausgangslage
Sämtliche in der Schweiz beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind obligatorisch nach dem BUVG gegen Unfälle versichert. Erwerbstätige UVG-versicherte Personen, die in ihrer Jugend verunfallt waren, bevor sie berufstätig wurden, haben heute keinen Anspruch auf Leistungen des UVG, wenn sie einen Rückfall oder Spätfolgen im Zusammenhang mit dem Unfall erleiden. Da sie zum Zeitpunkt des Unfalls über keine UVG-Deckung verfügten, müssen sich diese Personen an ihre Krankenkasse wenden. Diese übernimmt die medizinischen Kosten zu den Bedingungen des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG). Der Verdienstausfall wird vom Arbeitgeber versichert, allerdings nur für eine bestimmte Zeit. Ein Taggeld nach dem UVG erhalten diese Personen nicht.
Im Jahr 2014 nahmen die eidgenössischen Räte die am 22. September 2011 eingereichte Motion 11.3811 Darbellay «Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen» an. Ursprünglich beauftragte die Motion den Bundesrat mit einer Änderung des UVG; nach Abschluss der Beratung überwiesen die eidgenössischen Räte die Motion aber in angepasster Form, die auch die Möglichkeit der Anpassung anderer Erlasse als des UVG zulässt. Gemäss dem geänderten Wortlaut wird der Bundesrat beauftragt, «eine Änderung des UVG und/oder gegebenenfalls anderer einschlägiger Bestimmungen vorzunehmen, um zu garantieren, dass Taggelder auch in solchen Fällen bezahlt werden, in denen die Erwerbsunfähigkeit durch Rückfälle oder Spätfolgen einer Verletzung begründet ist, welche die versicherte Person als Jugendlicher erlitten hat».
Der Bundesrat hat die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung der Motion in allen Sozialversicherungszweigen, die das Prinzip des Taggelds kennen, detailliert analysiert. Er ist dabei zum Schluss gekommen, dass die Umsetzung der Motion zu einer Abweichung von grundlegenden Prinzipien des Versicherungsrechts führen, systemische Widersprüche in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen einführen und zudem neue Ungleichheiten schaffen würde. Dementsprechend empfahl er den eidgenössischen Räten in seinem ausführlichen Bericht vom 28. März 2018, die Motion abzuschreiben.
Da sowohl der Nationalrat (am 19. März 2019) als auch der Ständerat (am 2. März 2022) die Abschreibung der Motion ablehnten, wurde dem Willen der eidgenössischen Räte entsprechend diese Vorlage ausgearbeitet.
Inhalt der Vorlage
Die Motion 11.3811 Darbellay beauftragt den Bundesrat, zu garantieren, dass Taggelder auch in solchen Fällen bezahlt werden, in denen die Erwerbsunfähigkeit durch Rückfälle oder Spätfolgen einer Verletzung begründet ist, welche die versicherte Person als Jugendliche oder Jugendlicher erlitten hat.
Der Bundesrat beantragt, Artikel 8 UVG mit einem Absatz 3 zu ergänzen. Dieser sieht vor, dass Rückfälle und Spätfolgen im Zusammenhang mit einem Unfall, der nicht durch das UVG versichert war und sich vor Vollendung des 25. Altersjahres ereignet hat, als Nichtberufsunfälle gelten. Weiter beantragt der Bundesrat, Artikel 16 UVG mit einem neuen Absatz 2bis zu ergänzen, wonach im obenerwähnten Fall von Rückfällen und Spätfolgen Anspruch auf Taggeld besteht. Diese neue Bestimmung regelt auch die konkrete Ausgestaltung des Taggeldanspruchs.
Das mit dieser Vorlage eingeführte Taggeld ist subsidiär zu allen anderen Arten von Erwerbsausfallentschädigungen. Es wird nur ausgerichtet, wenn die Lohnzahlungspflicht des Arbeitgebers erlischt und die Person keinen Anspruch auf ein Taggeld einer Verdienstausfallversicherung mehr hat. Die Finanzierung wird über eine geringfügige Anpassung der Prämien erfolgen; diese müssen von Gesetzes wegen risikogerecht sein.
Die beantragte Lösung erreicht das mit der Motion verfolgte Ziel und gewährleistet die Auszahlung von Taggeldern zur Deckung des Verdienstausfalls infolge einer Arbeitsunfähigkeit, die auf ein ursprünglich nicht versichertes Ereignis zurückgeht. Damit schliesst sie die von der Motion 11.3811 Darbellay bemängelte Rechtslücke.
Botschaft
¹ BBl 2024 2558
1 Ausgangslage
1.1 Handlungsbedarf und Ziele
2011 zeigte der Fernsehsender der französischen Schweiz RTS einen Beitrag über einen 18-jährigen Lernenden, der als 15-Jähriger bei einem Unfall eine Schulterluxation erlitten hatte. Während seiner Lehre kam es zu einem Rückfall. Da der Jugendliche bei seinem Unfall nicht nach dem Bundesgesetz vom 20. März 1981 ² über die Unfallversicherung (UVG) versichert war, fiel dieser Rückfall in den Zuständigkeitsbereich der Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 ³ über die Krankenversicherung (KVG). Der Arbeitgeber kam aufgrund seiner Lohnfortzahlungspflicht nach den Artikeln 324 a und 324 b des Obligationenrechts (OR) ⁴ für eine begrenzte Zeit für den Lohn auf. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte jedoch länger, sodass der Lernende während vier Monaten ohne Lohn auskommen musste, da die im betreffenden Fall zuständige Krankenversicherung kein obligatorisches Taggeld vorsieht. Auf diesen Umstand wurde die Politik aufmerksam.
Interpellation Comte (11.3474)
Am 31. Mai 2011 reichte Ständerat Raphaël Comte (FDP/NE) die Interpellation 11.3474 «Unfallversicherung greift nicht bei Rückfällen nach einer früheren Verletzung. Gesetzeslücke schliessen» ein. Weil der Bundesrat der Ansicht war, die bestehende Lücke lasse sich mit dem Abschluss einer Kollektiv-Taggeldversicherung durch die Arbeitgeber schliessen, sah er keinen Handlungsbedarf.
Motion Darbellay (11.3811)
Am 22. September 2011 reichte Nationalrat Christophe Darbellay (CVP/VS) die Motion 11.3811 «Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen» ein. Mit dieser wurde der Bundesrat beauftragt, eine Änderung des UVG vorzunehmen, um zu garantieren, dass Taggelder auch in Fällen bezahlt werden, in denen die Erwerbsunfähigkeit auf einen Rückfall oder Spätfolgen eines Unfalles zurückgehen, den die versicherte Person als Jugendlicher oder Jugendliche erlitten hatte.
In seiner Stellungnahme führte der Bundesrat aus, diese Lücke könne vom Arbeitgeber auf freiwilliger Basis durch den Abschluss einer Kollektiv-Taggeldversicherung nach dem KVG oder nach dem Versicherungsvertragsgesetz vom 2. April 1908 ⁵ (VVG) geschlossen werden. Zudem sei der Arbeitgeber gemäss den zwingenden arbeitsvertraglichen Bestimmungen des OR verpflichtet, den Lohn während einer begrenzten Zeit weiterzubezahlen. Entsprechend beantragte der Bundesrat die Ablehnung der Motion.
Änderung des Motionstextes
Aufgrund der Einwände des Bundesrates hat der Ständerat am 19. März 2014 eine Änderung des Wortlauts der Motion beschlossen, so dass diese nicht auf eine Änderung des UVG beschränkt ist. Gemäss dem geänderten Motionstext wird der Bundesrat beauftragt, «eine Änderung des UVG und/oder gegebenenfalls anderer einschlägiger Bestimmungen vorzunehmen, um zu garantieren, dass Taggelder auch in solchen Fällen bezahlt werden, in denen die Erwerbsunfähigkeit durch Rückfälle oder Spätfolgen einer Verletzung begründet ist, welche die versicherte Person als Jugendlicher erlitten hat». Der Nationalrat hat sich diesem Beschluss am 3. Juni 2014 angeschlossen.
Bericht zur Abschreibung der Motion 11.3811 Darbellay
Der Bundesrat hat die verschiedenen Möglichkeiten der Umsetzung der Motion in allen Sozialversicherungszweigen, die das Prinzip des Taggelds kennen, detailliert analysiert. Seine Analyse legte er in seinem Bericht vom 28. März 2018 ⁶ zur Abschreibung der Motion 11.3811 Darbellay (18.037) dar. Er kam dabei zum Schluss, dass die Umsetzung der Motion zu einer Abweichung von grundlegenden Prinzipien des Versicherungsrechts führen, systemische Widersprüche in den verschiedenen Sozialversicherungszweigen mit sich bringen und neue Ungleichheiten schaffen würde. Namentlich wies er auf folgende Punkte hin:
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Die Notwendigkeit einer Kausalitätsbeurteilung kombiniert mit einer schwierigen Ausgangslage, was die medizinischen Vorakten betrifft, würde unweigerlich zu einer zusätzlichen administrativen Belastung, Schwierigkeiten, die für den Entscheid relevanten Unterlagen zu erhalten, und einer Zunahme von gerichtlichen Verfahren führen.
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Der Wille, eine Lücke zu schliessen, würde zur Schaffung anderer Ungleichheiten führen, zum Beispiel für Hausfrauen und Hausmänner oder Personen, die ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend unterbrochen haben.
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Die Übernahme von Rückfällen und Spätfolgen von Unfällen aus der Jugendzeit würde zu einer Erweiterung der Versicherungsdeckung und einer Ausnahme vom Rückwärtsversicherungsverbot führen, da Folgen eines Ereignisses versichert würden, das sich zu einem Zeitpunkt ereignete, in dem noch kein entsprechender Versicherungsschutz begründet war.
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Da die Arbeitsunfähigkeit in der Regel mit einer Behandlungsbedürftigkeit einhergeht, wären immer zwei verschiedene Sozialversicherungszweige für die unterschiedlichen Leistungen (Taggeld, Heilungskosten) gleichzeitig in denselben Schadenfall involviert, was zusätzlichen administrativen Aufwand und Koordinationsschwierigkeiten verursachen würde.
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Der Leistungsausbau setzt zusätzliche Einnahmen voraus, was eine Belastung der Wirtschaft oder der Arbeitnehmenden zur Folge hat.
Seine Analyse zu den verschiedenen Sozialversicherungszweigen führte den Bundesrat zum Schluss, dass es keine überzeugende Lösung für die Umsetzung der Motion gibt. Vielmehr käme es zu Abweichungen von grundlegenden Prinzipien des Versicherungs- und des Sozialversicherungsrechts sowie zu Systemwidrigkeiten. Abschliessend weist der Bericht darauf hin, dass nur wenige Einzelfälle betroffen sind und also eine Regulierung geschaffen würde, die potenziell einen grossen Teil der Bevölkerung betrifft, dann aber nur in Einzelfällen effektiv zu Leistungen führt. Aufgrund der durchgeführten Analyse und der aufgezeigten Inkompatibilitäten beantragte der Bundesrat die Abschreibung der Motion.
Ablehnung der Abschreibung der Motion
Am 19. März 2019 lehnte der Nationalrat die Abschreibung der Motion 11.3811 Darbellay ab. Der Ständerat folgte dem Nationalrat am 2. März 2022.
² SR 832.20
³ SR 832.10
⁴ SR 220
⁵ SR 221.229.1
⁶ BBl 2018 2353
1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung
Um dem Willen des Parlaments zu entsprechen, hat der Bundesrat erneut geprüft, wie sich die Motion 11.3811 umsetzen liesse, beschränkte sich dabei aber auf zwei Lösungsansätze: eine Änderung des Erwerbsersatzgesetzes vom 25. September 1952 ⁷ (EOG) und eine Änderung des UVG.
Lösung über eine Änderung des Erwerbsersatzgesetzes
Als Erstes wurde die Umsetzung der Motion über eine Änderung des EOG geprüft. Dieser Sozialversicherungszweig gleicht einen Teil des Verdienstausfalls von Personen aus, die Militär-, Zivilschutz- oder Zivildienst leisten. Darüber hinaus kompensiert er den Lohnausfall während eines Mutterschafts- oder Vaterschaftsurlaubs. Seit 2021 haben Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit zur Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kinds unterbrechen oder reduzieren müssen, die Möglichkeit, einen 14-wöchigen Urlaub zu beziehen, der ebenfalls über die Erwerbsersatzordnung entschädigt wird. Und schliesslich kompensiert diese Sozialversicherung seit dem 1. Januar 2023 den Verdienstausfall während eines zweiwöchigen Urlaubs, der bei Adoption eines weniger als vier Jahre alten Kinds bezogen werden kann. Da der Bericht des Bundesrats vom 28. März 2018 zum Schluss kam, dass eine Regelung im UVG systemwidrig wäre, wurde die Möglichkeit untersucht, Fälle einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Rückfällen oder Spätfolgen eines nicht UVG-versicherten Unfalls über die Erwerbsersatzordnung zu übernehmen. Dies würde allerdings zu folgenden Problemen führen:
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Die Erwerbsausfallentschädigungen sind Entschädigungen zum Ausgleich des Verdienstausfalls von Personen, die zwar arbeitsfähig sind, aber aufgrund der Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht (Militär-, Zivilschutz- oder Zivildienstleistung) an der Arbeitsleistung verhindert sind, oder welche die Anspruchsvoraussetzungen für einen bezahlten Urlaub erfüllen (Mutterschaft, Vaterschaft, Adoption oder Betreuung eines gesundheitlich schwer beeinträchtigten Kinds). Sie werden während einer befristeten Dauer ausbezahlt und sind keine generelle Verdienstausfallversicherung bei Arbeitsunfähigkeit. Eine Regelung im EOG für zum Unfallzeitpunkt nicht in der Unfallversicherung versicherte Personen würde nicht in die Systematik des Gesetzes passen.
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Die Durchführungsstellen der Erwerbsersatzordnung verfügen weder über das medizinische Wissen noch über die Expertise im Unfallversicherungsbereich, um im Fall einer Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Rückfällen oder Spätfolgen eines Unfalls im Jugendalter medizinische Situationen prüfen und Abklärungen treffen zu können. Auch fehlen ihnen die nötigen Kompetenzen für die Beurteilung von Kausalitätsfragen, die Fallführung und die Begleitung von Gerichtsverfahren. Aufgrund dieses Mangels an spezifischen Kenntnissen sind sie nicht in der Lage, die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung zu prüfen, was ein erhebliches Missbrauchsrisiko birgt.
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Die Erwerbsersatzordnung wird ausschliesslich über paritätische Beiträge finanziert. Eine neuerliche Leistungsausweitung würde eine Erhöhung des Beitragssatzes bedeuten, und damit eine Belastung für die Wirtschaft.
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Die Umsetzung eines solchen neuen, systemwidrigen Versicherungstyps in der Erwerbsersatzordnung würde zu hohen und unverhältnismässigen administrativen Kosten führen. Zahlreiche unfallversicherungsspezifische Strukturen und Prozesse müssten grundlegend überarbeitet werden, und es müsste sichergestellt werden, dass das benötigte Fachwissen in 74 Durchführungsstellen der Erwerbsersatzordnung (AHV-Ausgleichskassen) vorhanden wäre. Dasselbe gälte für die IT-Anwendungen der Ausgleichskassen, das EO-Register bei der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) und die Buchführung in der Erwerbsersatzordnung.
Lösung über eine Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung
Wie der Bericht des Bundesrates vom 28. März 2018 gezeigt hat, bedeutet die Umsetzung der Motion im UVG eine Ausnahme zum in den Sozialversicherungen geltenden Rückwärtsversicherungsverbot - umso mehr, als für dieses Risiko keine UVG-Prämie bezahlt worden wäre -, führt systemische Widersprüche ein und schafft neue Ungleichheiten.
Da die eidgenössischen Räte es abgelehnt haben, die Motion abzuschreiben, wird mit dieser Vorlage trotzdem beantragt, die Motion 11.3811 Darbellay entsprechend dem Willen des Parlaments über eine Änderung des UVG umzusetzen, da die Rückfälle und Spätfolgen eines wenn auch ursprünglich nicht UVG-versicherten Unfalls materiell dem in diesem Gesetz geregelten Gegenstand nahestehen.
⁷ SR 834.1
1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates
Der Entwurf ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ⁸ zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 ⁹ über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt.
⁸ BBl 2024 525
⁹ BBl 2024 1440
1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse
Die Motion 11.3811 Darbellay «Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen» kann abgeschrieben werden, da mit dieser Vorlage gewährleistet wird, dass Taggelder auch in Fällen bezahlt werden, in denen die Arbeitsunfähigkeit durch Rückfälle oder Spätfolgen einer Verletzung begründet ist, welche die versicherte Person erlitten hat, als sie aufgrund ihres Alters noch nicht UVG-versichert war.
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
Vom 15. September bis zum 15. Dezember 2023 wurde das Vernehmlassungsverfahren durchgeführt, mit einer Verlängerung bis zum 21. Januar 2024 für neun interessierte Organisationen. 63 Behörden und Institutionen wurden angeschrieben. Insgesamt sind 43 Rückmeldungen eingegangen. Mit Ausnahme des Kantons Genf haben sich alle Kantone im Vernehmlassungsverfahren geäussert. Von elf angeschriebenen politischen Parteien haben fünf Stellung genommen (SVP, SP, FDP, Die Mitte, Grüne). Von den Dachverbänden der Gemeinden, Städten und Berggebieten sind keine Stellungnahmen eingegangen. Sechs Dachverbände der Wirtschaft haben eine Stellungnahme abgegeben, ebenso zwei Versicherer und ein Verband der Privatversicherer. Von den neun weiteren interessierten Organisationen haben sich drei geäussert. 1⁰
Die Vorlage zur Änderung des UVG wurde sehr unterschiedlich aufgenommen. Die Rückmeldungen der Kantone teilen sich in drei fast gleich grosse Drittel: diejenigen, welche die Vorlage begrüssen, diejenigen, die sie ablehnen, und diejenigen, die keine Bemerkungen dazu haben. Mit Ausnahme der SVP sprechen sich alle Parteien, die an der Vernehmlassung teilgenommen haben, für die vorgeschlagene Änderung des UVG aus. Die Dachverbände der Wirtschaft sind geteilter Meinung: Die Arbeitgebervertreter sind gegen die Vorlage, während die Arbeitnehmervertreter es begrüssen, dass die Lücke geschlossen wird. Die Versicherer und ihre Verbände stellen sich geschlossen gegen die Vorlage. Die Organisationen schliesslich, welche die Interessen von Personen mit Behinderungen vertreten, begrüssen die Vorlage, während der Ombudsman der Privatversicherung und der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) sehr skeptisch ist hinsichtlich der praktischen Umsetzung der vorgeschlagenen Gesetzesänderung.
1⁰ Die Vernehmlassungsunterlagen sind einsehbar unter
: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > EDI >
Vernehm
lassung > 2023/19.
3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht
Das EU-Recht enthält keinerlei Norm zum Gegenstand dieser Revision. Die Nachbarländer der Schweiz sind mit dem vom Motionär aufgeworfenen Problem nicht konfrontiert, da sie, im Gegensatz zur Schweiz, alle ein System der obligatorischen Versicherung kennen, in dem der Verdienstausfall im Krankheitsfall gedeckt ist.
4 Grundzüge der Vorlage
4.1 Die beantragte Neuregelung
Zur Umsetzung der Motion 11.3811 Darbellay «Rechtslücke in der Unfallversicherung schliessen» wird beantragt, Artikel 8 UVG mit einem Absatz 3 zu ergänzen, der vorsieht, dass Rückfälle und Spätfolgen im Zusammenhang mit einem Unfall, der nicht durch das UVG versichert war und sich vor Vollendung des 25. Altersjahres ereignet hat, ebenfalls als Nichtberufsunfälle gelten.
Zudem soll Artikel 16 UVG mit einem neuen Absatz 2bis ergänzt werden. Dieser sieht vor, dass die erwähnten Rückfälle und Spätfolgen einen Anspruch auf Taggeld nach Artikel 16 UVG begründen. Die neue Bestimmung regelt auch, wie der Anspruch auf Taggeld konkret ausgestaltet wird. Namentlich sieht sie vor, dass der Anspruch befristet ist und spätestens 720 Tage nach seiner Entstehung erlöscht.
4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen
Der Entwurf (E-UVG) schafft die erforderlichen Rechtsgrundlagen zur Umsetzung der Motion 11.3811 Darbellay. Diese ermöglichen die gesetzliche Verankerung einer Ausnahme vom Grundsatz des Rückversicherungsverbots. Ohne eine solche Norm ist es den UVG-Versicherern unmöglich, Leistungen auszurichten und somit die Auszahlung von Taggeld an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Rückfällen oder Spätfolgen eines Unfalls zu gewährleisten, der sich im Jugendalter ereignet hat, als sie noch nicht über das UVG gedeckt waren.
4.3 Umsetzungsfragen
Die Vorlage sieht vor, den Anspruch auf Taggeld nach dem UVG für eine neue Personenkategorie zu öffnen, nämlich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Rückfälle oder Spätfolgen eines Unfalls erleiden, der sich im Jugendalter ereignet hat, als sie noch nicht UVG-versichert waren. Die beantragte Änderung setzt die Motion 11.3811 Darbellay um, welche die eidgenössischen Räte 2014 angenommen haben. Der Bundesrat wird beauftragt, die Modalitäten zu regeln, was er über die Verordnung vom 20. Dezember 1982 1¹ über die Unfallversicherung (UVV) tun wird.
1¹ SR 832.202
5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln
5.1 Änderungen des UVG
Art. 8 Abs. 3
Rückfälle und Spätfolgen im Zusammenhang mit einem Unfall, der nicht durch das UVG versichert war und sich vor Vollendung des 25. Altersjahres ereignet hat, sollen künftig als Nichtberufsunfälle gelten. Daraus ergibt sich, dass alle Unfälle, die ursprünglich nicht von einem Schweizer Unfallversicherer übernommen worden waren, in Betracht fallen, unabhängig davon, ob sie von einem schweizerischen oder ausländischen Krankenversicherer oder über das 1996 aufgehobene Bundesgesetz vom 13. Juni 1911 über die Kranken- und Unfallversicherung übernommen worden waren.
Betroffener Versicherungszweig
Da zum Unfallzeitpunkt kein Arbeitsverhältnis bestand, können Rückfälle und Spätfolgen logischerweise nicht als Berufsunfälle betrachtet werden. Wäre dies der Fall, so könnten die Arbeitgeber überdies im Rahmen der Prämienberechnung nach dem System der sogenannten Erfahrungstarifierung, dem sogenannten Bonus-Malus-System, benachteiligt werden, obschon zwischen ihnen und dem ursprünglichen Unfall keinerlei Zusammenhang besteht. Rückfälle und andere Spätfolgen müssen daher als Nichtberufsunfälle betrachtet werden, und dies ist explizit zu erwähnen.
Definition Jugendalter
Analog zu den anderen Gesetzen im Sozialversicherungsbereich (AHV, Familien- oder Ausbildungszulagen) wurde die Altersgrenze bei 25 Jahren festgelegt. Der Unfall muss sich also vor dem Tag des 25. Geburtstags ereignet haben.
Versicherter Personenkreis
Leistungen in Zusammenhang mit den betroffenen Ereignissen nur Personen zu gewähren, die auch gegen Nichtberufsunfälle versichert sind, die also mindestens acht Stunden pro Woche beim selben Arbeitgeber beschäftigt sind, liefe der Motion zuwider. Die Lücke würde damit nicht vollständig geschlossen. Aus diesem Grund ist vorgesehen, dass ausschliesslich gegen Berufsunfälle versicherte Personen ebenfalls ein Taggeld nach dem neuen Recht beanspruchen können sollen. Diese Lösung verstösst zwar gegen das Äquivalenzprinzip zwischen Prämie und Leistung, entspricht jedoch dem Willen des Parlaments. Im Bereich der Unfallversicherung existieren weitere Ausnahmen vom Äquivalenzprinzip, namentlich wenn das Arbeitsverhältnis weniger als ein ganzes Jahr gedauert hat. In diesem Fall wird der in dieser Zeit bezogene Lohn auf ein volles Jahr umgerechnet und der versicherte Verdienst entspricht dann nicht mehr den bezahlten Prämien. Folgerichtig wird in der neuen Bestimmung präzisiert, dass Artikel 8 Absatz 2 UVG nicht anwendbar ist; dieser sieht vor, dass Teilzeitbeschäftigte nach Artikel 7 Absatz 2 UVG gegen Nichtberufsunfälle nicht versichert sind. Die in Artikel 7 Absatz 2 UVG vorgesehene Ausnahme, wonach für Personen, die weniger als acht Stunden pro Woche arbeiten, auch Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle gelten, kommt im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zur Anwendung, da sie Berufsunfälle betrifft.
Leistungen
Absatz 3 dritter Satz präzisiert, dass, dem Willen des Motionärs entsprechend, nur Versicherungsleistungen nach Artikel 16 Absatz 2bis E-UVG, also Taggelder, gewährt werden. Die Motion verlangt nämlich, dass garantiert wird, «dass Taggelder in solchen Fällen bezahlt werden, in denen die Erwerbsunfähigkeit durch Rückfälle oder Spätfolgen einer Verletzung begründet ist, welche die versicherte Person als Jugendlicher erlitten hat», als sie also noch nicht UVG-versichert war. Der Entwurf beschränkt sich daher auf die Einführung einer Pflicht zur Ausrichtung von Taggeld - und keiner anderen Leistung aus dem Leistungskatalog des UVG. Die medizinische Versorgung wird demnach wie in den meisten Fällen schon beim ursprünglichen Unfall weiterhin zu den Bedingungen des KVG von der Krankenversicherung übernommen. Eine allfällige Rente wiederum fiele in die Zuständigkeit der Invalidenversicherung.
Art. 16 Abs. 2bis
Die versicherte Person soll neu bei Rückfällen und Spätfolgen im Zusammenhang mit einem Unfall, der nicht durch das UVG versichert war und sich vor Vollendung des 25. Altersjahres ereignet hat, ebenfalls Anspruch auf Taggeld haben. Der Anspruch entsteht mit dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder sobald der Verdienstausfall aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht mehr durch den Arbeitgeber oder eine Versicherung ausgeglichen wird. Er erlischt mit der Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit oder mit dem Tod der versicherten Person, spätestens aber nach 720 Tagen.
Beginn der Leistungspflicht
Der Anspruch entsteht mit Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder sobald der Verdienstausfall aufgrund von Arbeitsunfähigkeit nicht mehr durch den Arbeitgeber oder eine Versicherung ausgeglichen wird. Artikel 324 a OR sieht vor, dass im Fall, dass die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert wird, der Arbeitgeber ihr oder ihm für eine beschränkte Zeit den darauf entfallenden Lohn zu entrichten hat, sofern das Arbeitsverhältnis mehr als drei Monate gedauert hat oder für mehr als drei Monate eingegangen ist. Bei einer obligatorischen Versicherung muss er auch die Entrichtung von vier Fünfteln des Lohnes gewährleisten, wenn die Versicherungsdeckung geringer ist oder eine Wartefrist vorgesehen ist
(Art. 324
b
OR).
Der Lohn ist also nicht in jedem Fall garantiert. Auch haben nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen allfälligen Lohnausfall versichert. Um eine Lücke in der Deckung zu verhindern, wird der Beginn der Leistungspflicht des UVG-Versicherers auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder auf den Moment, in dem der Verdienstausfall nicht mehr ausgeglichen wird, festgelegt. In Fällen, in denen der Ausgleich des Verdienstausfalls durch einen Versicherer bei voller Arbeitsunfähigkeit nicht 80 Prozent des versicherten Verdienstes im Sinne von Artikel 17 UVG entspricht, richtet der UVG-Versicherer die Differenz zwischen dem Betrag des von der Versicherung ausgerichteten Taggelds und 80 Prozent des versicherten Verdienstes aus. Die traditionelle Karenzfrist des UVG (Art. 16 Abs. 2 UVG) ist im Übrigen nicht auf ursprünglich nicht versicherte Rückfälle und weitere Spätfolgen anwendbar, was der aktuellen Praxis für versicherte Rückfälle und weitere Spätfolgen entspricht. Da manchmal zwischen dem eigentlichen Rückfall und der Arztkonsultation, dem Behandlungsbeginn und der Arbeitsunfähigkeit mehrere Tage vergehen können, drängt sich diese Lösung auf.
Subsidiarität
Der neugeschaffene Anspruch ist subsidiär zu den anderen Erwerbsersatzquellen. Die versicherte Person kann ihren Taggeldanspruch nur dann geltend machen, wenn der Verdienstausfall nicht mehr durch den Arbeitgeber nach Artikel 324 a OR oder eine Verdienstausfallversicherung ausgeglichen wird. Vorbehalten bleibt der allfällige Ausgleich einer Differenz zwischen dem durch eine Verdienstausfallversicherung ausgerichteten Verdienstausfall und 80 Prozent des versicherten Verdienstes durch den UVG-Versicherer.
Zeitliches Ende der Deckung
Zur Bestimmung des Alters, bis zu dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Rückfällen oder Spätfolgen einer Verletzung aus der Jugendzeit Leistungen beanspruchen können, kommen die allgemeinen Regeln des UVG zur Anwendung. Demnach kann jede erwerbstätige versicherte Person solche Leistungen in Anspruch nehmen, auch wenn sie nach Erreichen des Referenzalters für die Pensionierung angestellt ist. Der von dieser Lösung betroffene Personenkreis entspricht folglich den Erwerbstätigen gemäss den allgemeinen Regeln des UVG.
Ende der Leistungspflicht
Die geltenden allgemeinen Regeln des UVG (Art. 16 Abs. 2 UVG) sehen vor, dass der Anspruch auf Taggeld mit der Wiedererlangung der vollen Arbeitsfähigkeit, mit dem Beginn einer Rente oder mit dem Tod des Versicherten erlischt. Allerdings kann hier nicht auf diese allgemeinen Regeln verwiesen werden. Denn der Entwurf beschränkt sich, wie es die Motion verlangt, auf die Einführung der Ausrichtung von Taggeld. Für ursprünglich nicht versicherte Rückfälle und Spätfolgen wird keine UVG-Rente ausbezahlt. Der Anspruch auf Taggeld kann entsprechend nicht mit dem Beginn einer Rente erlöschen. Allerdings erscheint es unvorstellbar, dass der Versicherer, wenn die versicherte Person die volle Arbeitsfähigkeit nicht wiedererlangt, bis zu ihrem Tod ein Taggeld auszahlt. Daher sieht die neue Bestimmung vor, dass die Leistungen während einer beschränkten Dauer ausgerichtet werden, nämlich höchstens 720 Tage pro gemeldeten Fall. Diese Befristung bei anhaltender Arbeitsunfähigkeit ist an die geltenden Grundsätze im Bereich des Taggelds bei Krankheit nach KVG angelehnt. Wenn der Verdienstausfall ursprünglich durch den Arbeitgeber oder eine andere Versicherung gedeckt ist, wird die Dauer von 720 Tagen nicht ab dem Zeitpunkt des Beginns der Arbeitsunfähigkeit berechnet, sondern ab dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber oder die Verdienstausfallversicherung keine Leistungen mehr ausrichtet. In Fällen, in denen der UVG-Versicherer die Differenz zwischen dem Betrag des Taggelds der Verdienstausfallversicherung und 80 Prozent des versicherten Verdienstes auszurichten hat, wird die Dauer von 720 Tagen ab dem Zeitpunkt berechnet, ab dem der UVG-Versicherer die Differenz ausrichtet. Es wird somit effektiv während maximal 720 Tagen pro gemeldeten Fall ein Taggeld ausbezahlt.
Massgebender versicherter Verdienst
Der massgebende Verdienst für die Ausrichtung von Taggeld nach Artikel 16 Absatz 2bis E-UVG entspricht demjenigen der allgemeinen Regeln des UVG (Art. 15 UVG). Bei einem Rückfall ist der massgebende Verdienst also der Lohn, den die versicherte Person unmittelbar vor dem Rückfall bezogen hat. Artikel 23 Absatz 8 UVV sieht vor, dass mindestens ein Tagesverdienst von 10 Prozent des Höchstbetrags des versicherten Tagesverdienstes massgebend ist, ausgenommen bei Rentnerinnen und Rentnern der Sozialversicherung. Die Ausführungsverordnung wird präzisieren, dass diese Bestimmung analog für die Fälle nach Artikel 8 Absatz 3 E-UVG anwendbar ist.
Kausalitätsbeurteilung
Die Kausalitätsbeurteilung muss, analog zur allgemeinen Anwendung im UVG, durch den UVG-Versicherer erfolgen, dem der Fall gemeldet wurde. Mit dieser klassischen Beurteilung soll bestimmt werden können, ob der Versicherer für die Übernahme des Falls zuständig ist.
Finanzierung
Nach Artikel 92 Absatz 1 UVG bestehen die Prämien aus einer dem Risiko entsprechenden Nettoprämie und verschiedenen Zuschlägen. Die UVG-Versicherer müssen demnach das Risiko, das sich aus dem neuen Anspruch ergibt, in ihre Bemessung einbeziehen, um eine Prämie festzusetzen, die dem aktuellen Risikostand entspricht. Die Prämie wird angesichts dessen geringfügig steigen (vgl. Ziff. 6.2).
Koordination mit der Invaliden- und der Arbeitslosenversicherung
Die Entstehung des mit diesem Entwurf eingeführten neuen Anspruchs stellt die geltenden allgemeinen Regeln des UVG in Bezug auf die Koordination zwischen den verschiedenen Sozialversicherungszweigen nicht infrage. So wird das Taggeld der Unfallversicherung nicht gewährt, wenn ein Anspruch auf Taggeld der Invalidenversicherung oder auf eine Mutterschaftsentschädigung, eine Vaterschaftsentschädigung, eine Betreuungsentschädigung oder eine Adoptionsentschädigung nach dem EOG besteht (Art. 16 Abs. 3 UVG). Was die Koordination mit dem Arbeitslosenversicherungsgesetz vom 25. Juni 1982 ¹2 (AVIG) anbelangt, erbringt die Unfallversicherung die ganze Leistung, wenn die Arbeitsunfähigkeit einer arbeitslosen versicherten Person mehr als 50 Prozent beträgt, und die halbe Leistung, wenn die Arbeitsunfähigkeit mehr als 25, aber höchstens 50 Prozent beträgt. Bei einer Arbeitsunfähigkeit von 25 und weniger Prozent besteht kein Taggeldanspruch (Art. 25 Abs. 3 UVV).
Art. 97 Abs. 1 Bst. bter
Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe b UVG sieht vor, dass die Organe, die mit der Durchführung, der Kontrolle oder der Beaufsichtigung der Durchführung des UVG betraut sind, Daten in Abweichung von Artikel 33 des Bundesgesetzes vom 6. Oktober 2000 ¹3 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) Organen einer anderen Sozialversicherung bekannt geben dürfen, wenn sich in Abweichung von Artikel 32 Absatz 2 ATSG eine Pflicht zur Bekanntgabe aus einem Bundesgesetz ergibt. Eine solche Pflicht ergibt sich im vorliegenden Fall aus keinem Bundesgesetz. Es kann aber sein, dass die Unfallversicherer Informationen benötigen, um über Fälle nach Artikel 8 Absatz 3 E-UVG zu entscheiden. Möglicherweise ist also eine Koordination notwendig zwischen dem Unfallversicherer, der das Taggeld gemäss den Bestimmungen des UVG zahlen muss, und der Krankenkasse, die für die Rückerstattung der medizinischen Behandlung nach den Bestimmungen des KVG zuständig ist. Der neue Buchstabe bter in Artikel 97 Absatz 1 UVG ermächtigt daher die Organe, die mit der Durchführung des UVG betraut sind, mit der Durchführung des KVG betrauten Organen Daten bekannt zu geben, um die Informationen zu erhalten, die für Entscheide zu Fällen nach Artikel 8 Absatz 3 E-UVG erforderlich sind. Diese Formulierung respektiert den Grundsatz der Zweckbindung des Datenschutzgesetzes vom 25. September 2020 ¹4 (DSG). Dieser Grundsatz sieht vor, dass Personendaten nur zu einem bestimmten und für die betroffene Person erkennbaren Zweck beschafft und nur so bearbeitet werden dürfen, dass es mit diesem Zweck vereinbar ist (Art. 6 Abs. 3 DSG).
Art. 115b
Das UVG enthält - im Gegensatz etwa zum KVG - keine allgemeine Bestimmung gibt, die dem Bundesrat die Kompetenz zum Erlass von Ausführungsbestimmungen gibt. Mit diesem Entwurf soll die Gelegenheit genutzt werden, eine Delegationsnorm einzuführen, die es dem Bundesrat künftig ermöglicht, Ausführungsbestimmungen zum UVG zu erlassen.
Übergangsbestimmungen zur Änderung vom …
Bei Rückfällen, die ab dem Inkrafttreten der Änderungen in Zusammenhang mit Artikel 8 Absatz 3 und 16 Absatz 2bis E-UVG eintreten, besteht Anspruch auf das Taggeld (1. und 2. Zeile der nachfolgenden Tabelle).
Dasselbe gilt bei Rückfällen oder Spätfolgen, die vor dem Inkrafttreten der Änderung eintreten, bei denen der Ausgleich des durch die Arbeitsunfähigkeit verursachten Verdienstausfalls durch den Arbeitgeber oder eine Verdienstausfallversicherung aber erst nach dem Inkrafttreten der Änderung endet. In dieser Konstellation entsteht der Anspruch auf Taggeld, sobald der Verdienstausfall nicht mehr durch den Arbeitgeber oder eine Verdienstausfallversicherung ausgeglichen wird, und erlischt spätestens 720 Tage nach Ende dieses Ausgleichs (3. Zeile der Tabelle).
In Fällen, in denen der Ausgleich des Verdienstausfalls aufgrund von Arbeitsunfähigkeit durch den Arbeitgeber oder eine Verdienstausfallversicherung vor dem Inkrafttreten der Änderung geendet hat, die Arbeitsunfähigkeit aber andauert, entsteht der Anspruch auf Taggeld mit dem Inkrafttreten der Änderung und erlischt spätestens nach 720 Tagen (5. Zeile der Tabelle unten).
Dasselbe gilt, wenn es keinen Ausgleich des Verdienstausfalls gab (4. Zeile der Tabelle unten).
Rückfälle, die zu einer Arbeitsunfähigkeit und damit zu einem Ausgleich des Verdienstausfalls durch den Arbeitgeber oder eine Verdienstausfallversicherung führen, die vor dem Inkrafttreten der Änderungen enden, begründen keinen Anspruch auf Taggeld (6. Zeile der Tabelle unten).
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Vor Inkraftsetzung | Nach Inkraftsetzung | Anspruch | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit / Ausgleich des Verdienstausfalls | Ja | ||||
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit / Ausgleich des Verdienstausfalls | Ja | ||||
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit / Ausgleich des Verdienstausfalls | Ja, ab Inkrafttreten, während max. 720 Tagen ab Ende des Ausgleichs des Verdienstausfalls. | ||||
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit | Ja, ab Inkrafttreten, während max. 720 Tagen ab Inkrafttreten der Änderung. | ||||
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit | Ja, ab Inkrafttreten, während max. 720 Tagen ab Inkrafttreten. | ||||
Ausgleich des Verdienstausfalls | |||||||
Unfall | Rückfall | Arbeitsunfähigkeit / Ausgleich des Verdienstausfalls | Nein |
¹2 SR 837.0
¹3 SR 830.1
¹4 SR 235.1
5.2 Änderung des KVG
Art. 84a Abs. 1 Bst. bter
Die Änderung dieser Bestimmung erfolgt aus denselben Gründen wie die Änderung von Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe bter E-UVG (vgl. Erläuterungen weiter oben).
Die Änderung von Artikel 84 a KVG wurde zudem dazu genutzt, in Absatz 1 der italienischen Fassung des Textes ein Element einzufügen, das in der deutschen und französischen Fassung enthalten ist («o la LVAMal»). Diese Änderung ist rein redaktionell.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Die Unfallversicherung wird durch die Prämien der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeber finanziert. Die beantragten Änderungen haben nur geringe Auswirkungen auf den Bund. Dieser ist nur in seiner Rolle als Arbeitgeber von der Vorlage betroffen. 2023 hat die Suva, der UVG-Versicherer der Bundesangestellten, 31,6 Millionen Franken an Prämien für Nichtberufsunfälle für das Bundespersonal vereinnahmt. Rund 40 Prozent davon, das heisst knapp 13 Millionen Franken, hat der Bund als Arbeitgeber bezahlt, da Artikel 91 Absatz 2 UVG Arbeitgebern die Möglichkeit gibt, sich an der Prämie für Nichtberufsunfälle zu beteiligen. Gemäss den Prognosen, die von Mehrkosten von rund 0,5 Prozent der Nettoprämien ausgehen (vgl. Ziff. 6.4), ist mit jährlichen Kosten von 63 000 Franken an zusätzlichen Prämien für den Bund als Arbeitgeber zu rechnen.
6.2 Auswirkungen auf die Unfallversicherung
Es ist schwierig zu schätzen, wie viele neu zu entschädigende Fälle sich aus der Öffnung des Anspruchs auf Taggeld für Versicherte bei Rückfällen oder Spätfolgen eines Unfalls im Jugendalter, als noch keine UVG-Deckung bestand, ergeben. Naturgemäss kann diese Zahl nur auf einer Schätzung basieren, da die potenziellen Fälle heute angesichts dessen, dass kein Anspruch auf Taggeld besteht, nicht gemeldet werden.
Auf der Basis der heutigen Statistiken, nämlich der Anzahl gemeldeter Rückfälle und weiterer Spätfolgen, für welche die Suva eine Ausrichtung von Leistungen aufgrund fehlender ursprünglicher Deckung verweigert hat, und einer Hochrechnung auf alle UVG-Versicherer wird geschätzt, dass pro Jahr allen UVG-Versicherern zusammen 1380 zusätzliche Fälle gemeldet werden könnten. Würden alle Fälle übernommen, so würden pro Jahr insgesamt 17 Millionen Franken als Taggeld für Rückfälle und Spätfolgen eines ursprünglich nicht gedeckten Unfalls ausbezahlt. Dieses Szenario erscheint allerdings unwahrscheinlich, da die Versicherer ihre Leistungszuständigkeit bei einem hohen Anteil der Fälle aufgrund des Erfordernisses eines Kausalitätszusammenhangs zwischen dem ursprünglichen Unfall und dem Rückfall verneinen dürften.
Die Nettoprämien für Nichtberufsunfälle betrugen 2023 insgesamt 3,26 Milliarden Franken. Mehrkosten in Höhe von 17 Millionen entsprächen einer Prämienerhöhung um rund 0,52 Prozent. Hierbei handelt es sich um eine Höchstzahl, die auf Basis des für die Versicherer ungünstigsten Szenarios geschätzt wurde.
6.3 Auswirkungen auf die anderen Sozialversicherungen
Artikel 91 Absatz 4 UVG sieht in Verbindung mit Artikel 22 a Absatz 4 AVIG vor, dass die Arbeitslosenkasse der Suva die Prämien für die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen entrichtet. Bei den Prämien für Nichtberufsunfälle gehen maximal zwei Drittel der Prämien zulasten der versicherten Person, den restlichen Drittel trägt die Arbeitslosenversicherung. 2023 übernahm die Arbeitslosenversicherung so 44,1 Millionen Franken an Prämien für Nichtberufsunfälle. Eine Erhöhung um rund 0,5 Prozent entspräche demnach Mehrkosten von 220 500 Franken pro Jahr zulasten der Arbeitslosenversicherung.
Schliesslich sieht Artikel 91 Absatz 5 UVG vor, dass die Invalidenversicherung die Prämie für die obligatorische Versicherung der Nichtberufsunfälle der versicherten Personen übernimmt, die in einer Anstalt oder Werkstätte nach Artikel 27 Absatz 1 des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1959 ¹5 über die Invalidenversicherung (IVG) oder in einem Betrieb an Massnahmen der Invalidenversicherung teilnehmen, sofern sie in einem arbeitsvertragsähnlichen Verhältnis stehen. Für 2023 beliefen sich diese Prämien auf 6,4 Millionen Franken. Die Verabschiedung der Artikel 8 Absatz 3 und 16 Absatz 2bis E-UVG hätte somit eine Erhöhung von höchstens 32 000 Franken pro Jahr zulasten der Invalidenversicherung zur Folge
.
¹5 SR 831.20
6.4 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete
Die Unfallversicherung wird durch die Prämien der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der Arbeitgeber finanziert. Die beantragten Änderungen haben keine direkten Auswirkungen auf die Kantone und die Gemeinden. Diese sind ausschliesslich in ihrer Rolle als Arbeitgeber von der Vorlage betroffen, sofern sie einen Teil der Prämie für Nichtberufsunfälle übernehmen. Die urbanen Zentren, die Agglomerationen und die Berggebiete sind von der Vorlage nicht direkt betroffen. Wenn mehr Fälle von der Unfallversicherung übernommen werden, ist es im Übrigen möglich, dass die Sozialhilfe entlastet wird, die allenfalls zuständig werden könnte, wenn kein anderer Akteur Leistungen ausrichtet.
6.5 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Die zusätzlichen Leistungen, welche die Unfallversicherer künftig ausrichten müssten, werden zwangsläufig durch eine leichte Prämienerhöhung kompensiert. Die maximale Zusatzbelastung wird auf 17 Millionen pro Jahr geschätzt (vgl. Ziff. 6.2).
6.6 Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft
Die Vorlage hat keine Auswirkung auf die Gesellschaft. Da sie lediglich vorsieht, den Kreis der Personen, die UVG-Taggelder beziehen, zu erweitern, ohne direkt oder indirekt medizinische Versorgungsleistungen zu berühren, hat sie auch keine gesundheitsbezogenen Auswirkungen.
6.7 Auswirkungen auf die Umwelt
Die Vorlage hat keine direkte Auswirkung auf die Umwelt.
6.8 Andere Auswirkungen
Die Vorlage sollte keine weiteren Auswirkungen als die genannten nach sich ziehen.
7 Rechtliche Aspekte
7.1 Verfassungsmässigkeit
Die Vorlage stützt sich auf die Verfassungsbestimmungen, die dem Bund die Kompetenz geben, Vorschriften im Bereich der Unfallversicherung zu erlassen (Art. 117 der Bundesverfassung [BV] ¹6 ).
¹6 SR 101
7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz
Seit am 1. Juni 2002 das Abkommen vom 21. Juni 1999 ¹7 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (Freizügigkeitsabkommen, FZA) in Kraft getreten ist, wendet die Schweiz die Regeln der EU zur Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit an, worauf Artikel 115 a UVG verweist.
Diese Regeln sehen keine Harmonisierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Unter Berücksichtigung der Koordinationsgrundsätze des europäischen Rechts können die Mitgliedstaaten die Modalitäten ihres Systems der sozialen Sicherheit selber festlegen, namentlich die Leistungen eines Sozialversicherungssystems und die Voraussetzungen für die Ausrichtung von Leistungen. Dieselben Regeln gelten für die Schweiz und die anderen Länder der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) nach dem Übereinkommen vom 4. Januar 1960 ¹8 zur Errichtung der EFTA (EFTA-Übereinkommen). Ausserdem sieht das Abkommen vom 9. September 2021 ¹9 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland, das seit dem 1. Oktober 2023 anwendbar ist, ein ähnliches Koordinationssystem vor wie das FZA und das EFTA-Übereinkommen.
Gemäss dem FZA und dem EFTA-Übereinkommen wendet die Schweiz namentlich die Verordnung (EU) Nr. 883/2004 2⁰ an. Diese bezweckt einzig die Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit; dabei stützt sie sich auf die internationalen Koordinationsgrundsätze, darunter insbesondere die Gleichbehandlung der Staatsangehörigen einer Vertragspartei mit den eigenen Staatsangehörigen. Indirekte Formen der Diskriminierung, die über die Anwendung anderer Unterscheidungskriterien als der Staatsangehörigkeit de facto zum gleichen Ergebnis führen und im Wesentlichen Personen betreffen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit zwischen der EU oder der EFTA und der Schweiz Gebrauch gemacht haben, sind grundsätzlich auch untersagt.
Die im UVG vorgesehenen Geldleistungen gehören in den Geltungsbereich der vorgenannten Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Im Sinne des europäischen Rechts gehören die Leistungen im Falle von Nichtberufsunfällen zu den Leistungen im Krankheitsfall. Um das Verbot von indirekten Diskriminierungsformen umzusetzen, sieht die Verordnung (EU) Nr. 883/2004 namentlich in Artikel 5 den Grundsatz der Gleichstellung von in einem anderen Staat, der die europäischen Regeln zur Koordinierung anwendet, eingetretenen Sachverhalten vor. Gemäss diesem Grundsatz ist die Schweiz gehalten, bei Personen, die durch das FZA oder das EFTA-Übereinkommen gedeckt sind, einen Unfall, der sich in einem EU- oder einem EFTA-Staat ereignet hat, einem Unfall, der sich in der Schweiz ereignet hat, gleichzustellen. Somit haben auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in der Schweiz einen Rückfall oder Spätfolgen eines Unfalls erleiden, den sie in ihrer Jugend in einem EU- oder EFTA-Staat erlitten haben, Anspruch auf das Taggeld des UVG. Artikel 8 Absatz 3 E-UVG deckt auch Rückfälle und Spätfolgen eines Unfalls ab, den die Versicherten im Jugendalter im Ausland erlitten haben, als sie noch nicht dem Schweizer Sozialversicherungssystem unterstanden. Die im FZA und im EFTA-Übereinkommen vorgesehene Gleichbehandlung ist garantiert. Die in Artikel 8 Absatz 3 E-UVG vorgesehene Änderung ist mit dem für die Schweiz basierend auf dem FZA und dem EFTA-Übereinkommen geltenden EU-Recht vereinbar. Sie ist auch mit dem Abkommen vom 9. September 2021 zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland kompatibel, das seit dem 1. Oktober 2023 anwendbar ist.
Im Übrigen ist die Schweiz durch verschiedene internationale normative Instrumente im Bereich der sozialen Sicherheit gebunden, namentlich die Europäische Ordnung der Sozialen Sicherheit des Europarats vom 16. April 1964 2¹ und das Übereinkommen Nr. 102 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 28. Juni 1952 2² über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit. Der Teil zum Krankengeld ist in der Schweiz nicht anwendbar. Die Pflichten aus dem Teil zu den Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sind sie im vorliegenden Fall nicht relevant, da diese Vorlage die Folgen eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nicht betrifft.
Aus den oben stehenden Ausführungen ergibt sich, dass die Vorlage mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar ist.
¹7 SR 0.142.112.681
¹8 SR 0.632.31
¹9 AS 2021 818
2⁰ Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der für die Schweiz gemäss Anhang II FZA jeweils verbindlichen Fassung (eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1 ) sowie in der für die Schweiz gemäss Anlage 2 Anhang K des EFTA-Übereinkommens jeweils verbindlichen Fassung.
2¹ SR 0.831.104
2² SR 0.831.102
7.3 Erlassform
Nach Artikel 164 Absatz 1 BV sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form eines Bundesgesetzes zu erlassen. Dies ist mit dieser Vorlage gewährleistet.
7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse
Artikel 159 Absatz 3 Buchstabe b BV sieht zum Zweck der Ausgabenbegrenzung vor, dass die Subventionsbestimmungen sowie Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen, in jedem der beiden Räte der Zustimmung der Mehrheit aller Mitglieder bedürfen. Die Vorlage umfasst weder Subventionsbestimmungen noch Finanzierungsbeschlüsse. Sie ist somit nicht der Ausgabenbremse unterstellt.
7.5 Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und des Prinzips der fiskalischen Äquivalenz
Die Vorlage bringt keine Änderung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen oder der Aufgabenerfüllung mit sich. Die vorgesehenen Anpassungen bringen auch keine Kompetenzverlagerungen mit sich.
7.6 Einhaltung der Grundsätze des Subventionsgesetzes
Die Vorlage sieht keine Finanzhilfen oder Abgeltungen im Sinne des Subventionsgesetzes vom 5. Oktober 1990 ²3 vor.
²3 SR 616.1
7.7 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen
Die zur gesetzmässigen Durchführung der obligatorischen Unfallversicherung zusätzlich erforderlichen Regelungskompetenzen werden wie üblich an den Bundesrat delegiert. Im Einzelnen kann er neu auch zu den Anwendungsmodalitäten von Artikel 16 Absatz 2bis E-UVG Bestimmungen erlassen.
7.8 Datenschutz
Auf das Datenschutzrecht hat die Vorlage keine Auswirkungen.
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Unfallversicherung
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