Gesetz über das Inkasso und die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (850.3)
CH - VS

Gesetz über das Inkasso und die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen

über das Inkasso und die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen (GIBU) vom 11.02.2021 (Stand 01.01.2022) Der Grosse Rat des Kantons Wallis eingesehen die Artikel 31, 42 und 57 Absatz 2 der Kantonsverfassung; eingesehen die Artikel 131 Absatz 1, 131a Absatz 1, 176a, 290 Absatz 1 und 293 Absatz 2 des Schweizerischen Zivilgesetzbuches vom 10. Dezem - ber 1907 (ZGB); eingesehen die Verordnung des Bundes über die Inkassohilfe bei familien - rechtlichen Unterhaltsansprüchen vom 6. Dezember 2019 (InkHV); auf Antrag des Staatsrates, verordnet: 1 )
1 Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Zweck

1 Das vorliegende Gesetz bezweckt, den Alimentengläubiger (nachfolgend: Gläubiger) beim Erhalt seiner Unterhaltsbeiträge zu unterstützen, wenn der Alimentenschuldner (nachfolgend: Schuldner) seine Unterhaltspflicht ver - nachlässigt.
2 Es setzt die Verordnung des Bundes über die Inkassohilfe bei familien - rechtlichen Unterhaltsansprüchen (InkHV) im Bereich Inkassohilfe bei Unter - haltsbeiträgen und Familienzulagen um.
3 Es regelt auch die Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen.
1) Im vorliegenden Gesetz gilt jede Bezeichnung der Person, des Statuts oder der Funktion in gleicher Weise für Mann oder Frau. * Änderungstabellen am Schluss des Erlasses

Art. 2 Zuständige Behörde

1 Die für das Sozialwesen zustände Dienststelle ist über ihre Inkasso- und Bevorschussungsstelle von Unterhaltsbeiträgen (nachfolgend: IBU) für die Anwendung dieses Gesetzes zuständig.
2 Die IBU ist die Fachstelle im Sinne von Artikel 2 Absatz 2 der InkHV.

Art. 3 Vertretung

1 Die IBU kann im Rahmen der Anwendung des vorliegenden Gesetzes im Namen des Staates und im Namen des Gläubigers oder seines gesetzlichen Vertreters handeln. Sie kann alle zum Inkasso der Ansprüche erforderlichen Massnahmen durchführen.
2 Sie kann insbesondere vor Gericht treten, die Zwangsvollstreckung auf dem Betreibungsweg beantragen und einen Strafantrag, namentlich wegen Vernachlässigung der Unterhaltspflicht, einreichen.

Art. 4 Unterhaltsbeiträge und Unterhaltstitel

1 Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 4 InkHV definieren die Begriffe Unterhaltsbei - träge und Unterhaltstitel gemäss dem vorliegenden Gesetz.
2 Andere familienrechtliche Ansprüche fallen nicht unter das vorliegende Ge - setz, insbesondere Ansprüche: a) auf besondere Beiträge für nicht vorhergesehene ausserordentliche Bedürfnisse des Kindes (Art. 286 Abs. 3 ZGB); b) der unverheirateten Mutter (Art. 295 ZGB); c) auf Verwandtenunterstützung (Art. 328 ZGB).

Art. 5 Auftrag und Leistungen

1 Die IBU leistet finanzielle Unterstützung an Gläubiger in schwierigen finan - ziellen Situationen und trägt im Rahmen ihres Handelns zur Förderung der Beziehungen innerhalb der Familie oder zwischen Ex-Ehepartnern bei.
2 Die IBU unterstützt den Gläubiger auf Gesuch hin in angemessener Weise und unentgeltlich dabei, rechtzeitig und regelmässig die Zahlung der auf ei - nem Unterhaltstitel basierenden Unterhaltsbeiträge zu erhalten, wenn der Schuldner seine Pflichten vernachlässigt.
3 Wenn ihr ein Gesuch im Sinne von Absatz 2 eingereicht wird, leistet die IBU auch Inkassohilfe bei den Familienzulagen.
4 Die IBU bietet die in Artikel 12 InkHV vorgesehenen Leistungen an.
5 Sie gewährt dem Gläubiger auf Gesuch hin eine Bevorschussung von Un - terhaltsbeiträgen gemäss Artikel 11 ff. des vorliegenden Gesetzes.

Art. 6 Abtretung

1 Voraussetzung für die Tätigkeit der IBU ist grundsätzlich die Abtretung der Forderung durch den Gläubiger an den Staat. Es handelt sich um eine treu - händerische Abtretung zu Inkassozwecken.
2 Diese Abtretung bezieht sich auf den Teil der Forderung, die nicht Gegen - stand eines Vorschusses war.

Art. 7 Subrogation

1 Der Staat tritt bis zur Höhe der gewährten Vorschüsse in die Rechte des Gläubigers ein.
2 Inkasso der Unterhaltsbeiträge

Art. 8 Inkassobeginn

1 Die IBU wird für die im Gesuchsmonat fällig werdenden und die künftigen Forderungen tätig.
2 Die IBU kann auch für das Inkasso der in den 6 Monaten vor Gesuchsein - reichung fällig gewordenen Beiträge tätig werden.
3 In Ausnahmefällen, insbesondere bei der Vaterschaftsanerkennung, kann die IBU das Inkasso der Unterhaltsrückstände für mehr als 6 Monate über - nehmen.
4 Das Gesuch gilt an dem Tag als eingereicht, an dem der IBU alle erforderli - chen Dokumente vorliegen.

Art. 9 Beizug von Inkassounternehmen

1 Die IBU ist für das Inkasso zuständig. Sie kann jedoch Inkassounterneh - men beiziehen.
2 Der Staatsrat legt die Voraussetzungen für den Beizug von Inkassounter - nehmen durch die IBU sowie die Bedingungen fest, welche die Inkassoun - ternehmen erfüllen müssen.

Art. 10 Anrechnung eingehender Zahlungen

1 Von der IBU eingetriebene Unterhaltsrückstände werden vorrangig zur De - ckung der gewährten Vorschüsse und der aufgewandten Kosten verwendet.
2 Der Staatsrat regelt die Ausnahmen im Falle eines Beizugs von Inkassoun - ternehmen.
3 Vorschüsse

Art. 11 Anspruch auf Bevorschussung

1 Gläubiger mit einem offenen Inkassodossier, die ihre durch einen Unter - haltstitel festgelegten Unterhaltsbeiträge nicht, nicht vollständig oder unre - gelmässig erhalten, können, wenn sie sich in einer schwierigen wirtschaftli - chen Situation befinden, auf ihr Gesuch hin einen Vorschuss auf die Unter - haltsbeiträge erhalten.
2 Die Vorschüsse werden Ex-Ehepartnern ab dem auf die Einreichung des Gesuchs um Inkassohilfe folgenden Monat während 2 Jahren oder bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres des letzten gemeinsamen Kindes mit dem Schuldner gewährt.
3 Die Vorschüsse werden volljährigen Kindern maximal bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt.
4 Grundsätzlich werden die Vorschüsse nicht rückwirkend gewährt.
5 Wenn der Unterhaltsanspruch ungewiss ist, kann die IBU die Gewährung der Vorschüsse verweigern oder aussetzen.
6 Die IBU entscheidet mittels Verfügung über den Anspruch auf Bevorschus - sung.

Art. 12 Vorschüsse und Unterhaltstitel

1 Die Vorschüsse werden auf der Grundlage eines klaren und bedingungs - freien Unterhaltstitels, der die Erwirkung der Rechtsöffnung im Sinne der Ar - tikel 80 und 82 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) ermöglicht, ausgerichtet.
2 Der Vorschuss kann verweigert oder verringert werden, wenn im Unter - haltstitel ein offensichtlich nicht im Verhältnis zu den aktuellen Ressourcen des Schuldners stehender Beitrag festgelegt ist und dieser keine Schritte zu dessen Anpassung unternommen hat, sich die IBU nicht vergewissern kann, dass der Unterhalt noch geschuldet wird, oder dass eine Vereinbarung mit dem alleinigen Zweck, einen Vorschuss vom Staat zu erhalten, abgeschlos - sen wurde.

Art. 13 Wohnsitz und Aufenthaltstitel

1 Die Vorschüsse werden gewährt, solange die Person ihren Wohnsitz im Wallis hat und sich nicht dauerhaft im Ausland aufhält. Der Aufenthalt zu Ausbildungszwecken ist vorbehalten.
2 Gläubiger mit ausländischer Staatsangehörigkeit müssen über einen Auf - enthaltstitel verfügen, der es ihnen erlaubt, im Kanton wohnhaft zu sein.
3 Der Staatsrat sieht die Ausnahmen vor für die Fälle, bei denen die Verlän - gerung des Aufenthaltstitels noch hängig ist.

Art. 14 Verpflichtungen des Empfängers

1 Die Person, welche Vorschüsse beantragt, ist verpflichtet, alle zweckmäs - sigen Unterlagen sowie vollständige Auskünfte zu ihrer persönlichen und fi - nanziellen Situation bereitzustellen, aber auch der IBU zu erlauben, Aus - künfte über sie einzuholen. Sie hat jede Veränderung ihrer Situation, die zu einer Änderung der gewährten Leistungen führen kann, unverzüglich zu mel - den.

Art. 15 Delegation

1 Der Staatsrat legt die Bedingungen, Modalitäten und Grenzen der Vor - schüsse fest.
2 Der Höchstbetrag der Vorschüsse für Kinder wird unter Bezug auf den Höchstbetrag der einfachen Waisenrente gemäss der Bundesgesetzgebung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung festgelegt.

Art. 16 Ausrichtung der Vorschüsse

1 Die IBU kann den Vorschuss auf der Grundlage einer vom Gläubiger oder seinem Vertreter unterzeichneten Vollmacht an Dritte, insbesondere an einen Sozialdienst, an eine Person mit Erwachsenen- oder Kindesschutz - mandat zugunsten des Gläubigers oder an seine Pflegefamilie, ausrichten.

Art. 17 Beginn der Vorschüsse

1 Die Bevorschussung wird ab dem Folgemonat der Gesucheinreichung gewährt. Der Staatsrat sieht die Ausnahmen vor.
2 Das Gesuch gilt an dem Tag als eingereicht, an dem der IBU alle erforderli - chen Dokumente vorliegen.

Art. 18 Dauer und Ende der Vorschüsse

1 Die Vorschüsse werden grundsätzlich für eine Dauer von 12 Monaten gewährt. Sie sind anschliessend auf Gesuch hin jährlich erneuerbar.
2 Die IBU kann die Bevorschussung verweigern oder streichen, wenn der Empfänger ihr die geforderten Informationen nicht zur Verfügung stellt.
3 Der Bevorschussungsanspruch endet, wenn die Anspruchsvoraussetzun - gen nicht mehr erfüllt sind, insbesondere: a) wenn der Inkassoauftrag endet; b) wenn der Unterhaltsanspruch erlischt; c) wenn der Empfänger die Einkommens- und Vermögensgrenzen über - schreitet; d) wenn der Empfänger ausserhalb des Kantons Wohnsitz bezieht; e) wenn der Empfänger sich dauerhaft im Ausland aufhält. Der Aufenthalt zu Ausbildungszwecken ist vorbehalten.

Art. 19 Änderung des Anspruchs auf Bevorschussung

1 Die IBU erlässt in allen Situationen, die eine Änderung erfordern, eine neue Verfügung, insbesondere, wenn dies aufgrund einer neuen Tatsache oder eines Sachverhalts, von dem die IBU zu einem späteren Zeitpunkt Kenntnis erhalten hat, gerechtfertigt ist.

Art. 20 Rückerstattung

1 Die als Vorschüsse gewährten Beträge sind vom Empfänger nicht zurück - zuerstatten, ausser wenn sie unberechtigterweise bezogen wurden.

Art. 21 Rückerstattung unberechtigterweise bezogener Vorschüsse

1 Wenn Vorschüsse unberechtigterweise geleistet wurden, sind sie zurück - zuerstatten, insbesondere im Falle einer Verletzung der Verpflichtungen des Empfängers.
2 Die Rückerstattung kann ebenfalls gefordert werden, wenn die Leistung ohne Verschulden des Empfängers unberechtigterweise erbracht wurde, na - mentlich infolge eines Irrtums der IBU oder aufgrund einer rückwirkenden Änderung des Unterhaltstitels.
3 Die IBU fordert die Rückerstattung von unberechtigterweise bezogenen Vorschüssen mittels Verfügung ein.
4 Die in Kraft getretene Verfügung ist einem vollstreckbaren gerichtlichen Entscheid im Sinne von Artikel 80 SchKG gleichgesetzt.

Art. 22 Rückerstattung unberechtigter Vorschüsse bei Tod des Empfän -

gers
1 Im Falle des Todes des Empfängers wird die Rückerstattung unberechtig - ter Vorschüsse von den Erben bis zur Höhe des Wertes des von ihnen angenommenen Nachlasses eingefordert.

Art. 23 Rückerstattungsmodalitäten

1 Die IBU kann unberechtigterweise bezogene Beträge mit künftigen Vor - schüssen verrechnen.

Art. 24 Verjährung

1 Der Anspruch auf Rückerstattung verjährt 10 Jahre nach dem Tag der Zah - lung der letzten Vorschussleistung.
2 Im Falle eines Irrtums der IBU gilt die Verjährungsfrist gemäss Artikel 40 Absatz 2 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren und die Verwal - tungsrechtspflege (VVRG).
3 Für Erben des Empfängers verjährt der Rückerstattungsanspruch 2 Jahre nach dem Nachlassanfall.
4 Hat eine zur Rückerstattung verpflichtete Person die IBU bezüglich ihrer persönlichen oder finanziellen Situation in die Irre geführt, beginnt die Ver - jährungsfrist mit der Aufdeckung des Irrtums zu laufen. Die Verjährung tritt jedoch in jedem Fall 20 Jahre nach dem Tag der Zahlung der letzten Leis - tung ein.
5 Ausserdem gelten die Artikel 127 bis 142 des Obligationenrechts analog.

Art. 25 Strafbestimmung

1 Mit einer Busse bis zu 10'000 Franken wird auf Antrag bestraft, wer: a) durch falsche oder unvollständige Angaben, das Verschweigen von Tatsachen oder auf irgendeine andere Weise unberechtigterweise für sich selbst oder für einen anderen Vorschüsse erwirkt; b) für sich selbst oder sein Kind Vorschüsse bezieht und es vorsätzlich unterlässt, die IBU über wesentliche Informationen über den Schuld - ner, die das Inkasso der Vorschüsse ermöglichen würden, in Kenntnis zu setzen.

Art. 26 Inkasso der Vorschüsse bei Tod des Schuldners

1 Im Falle des Todes des Schuldners werden die Vorschüsse bei den Erben bis zur Höhe des Wertes des von ihnen angenommenen Nachlasses einge - trieben.
4 Inkassohilfe bei Familienzulagen

Art. 27 Inkassohilfe bei Familienzulagen

1 Ist die IBU mit einem Dossier zum Inkasso von Unterhaltsbeiträgen betraut, unterstützt sie die berechtigte Person bei den Vorkehrungen zur Veranlas - sung der direkten Auszahlung der in Artikel 9 des Bundesgesetzes über die Familienzulagen vorgesehenen Familienzulagen.
5 Datenschutz und Informationsaustausch

Art. 28 Auskunftspflicht Dritter

1 Folgende Stellen sind verpflichtet, den mit der Anwendung des vorliegen - den Gesetzes beauftragten Personen die zu dessen Ausführung erforderli - chen schriftlichen oder mündlichen Auskünfte unentgeltlich zu erteilen: a) Verwaltungsbehörden; b) Behörden und Gerichte in Straf- und Zivilsachen; c) Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen; d) Sozialversicherungen und private Einrichtungen, die finanzielle Leis - tungen gewähren;
e) im Haushalt einer Person, die Vorschüsse bezieht oder beantragt, lebende Personen; f) Arbeitgeber von Personen, die Vorschüsse beziehen oder beantragen; g) Arbeitgeber und sonstige Schuldner regelmässiger Leistungen von Un - terhaltsschuldnern; h) Vermieter, die Wohnungen an Personen, die Vorschüsse beziehen oder beantragen, vermieten; i) Bank- und Postunternehmen.
2 Der Informationspflicht unterliegen insbesondere: a) die Kantonale Steuerverwaltung und Steuerbehörden anderer Kantone in Bezug auf Steuerdaten:
1. der Personen, die Vorschüsse beziehen, beantragen oder bezo - gen haben,
2. der bei der Berechnung des Anspruchs auf Vorschüsse zu be - rücksichtigenden Personen,
3. der Unterhaltsschuldner, für die ein Dossier eröffnet wurde; b) für Betreibung und Konkurs zuständige Behörden; c) für Kindes- und Erwachsenenschutz zuständige Behörden; d) Einwohnerkontroll- und Zivilstandsbehörden; e) in Migrationssachen zuständige Behörden; f) Ausgleichskassen; g) Familienausgleichskassen; h) für die Sozialversicherung zuständige Dienststellen; i) für Arbeitnehmerschutz und Bekämpfung von Schwarzarbeit zuständi - ge Behörden; j) für den Strassenverkehr zuständige Behörden; k) für Grundbücher zuständige Behörden; l) Dienststellen, die Studienbeihilfen, -stipendien und -kredite gewähren; m) Sozialhilfeorgane.
3 Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Personen und Behörden sind na - mentlich zur Erteilung der zur Überprüfung folgender Sachverhalte erforderli - chen Auskünfte verpflichtet: a) persönliche und wirtschaftliche Bedingungen der Personen, die Vor - schüsse beziehen oder beantragen; b) Bestehen oder Nichtbestehen eines Anspruchs dieser Personen auf Vorschüsse;
c) Bestehen einer Unterhaltspflicht des Schuldners; d) persönliche und wirtschaftliche Situation des Schuldners; e) Anspruch des Unterhaltsgläubigers auf direkten Bezug der Familienzu - lagen.
4 Es sind nur die für den betreffenden Zweck erforderlichen Daten zu über - mitteln.

Art. 29 Ermittlung des Wohnsitzes des Schuldners

1 Die IBU kann das Eingreifen der Kantonspolizei und der kommunalen und interkommunalen Polizeibehörden verlangen, um den Wohnsitz des Schuld - ners ausfindig zu machen. Diese Zuhilfenahme wird nicht entschädigt.

Art. 30 Auskunftsrecht

1 Die mit dem Vollzug des vorliegenden Gesetzes betrauten Personen und Organe sind zur Übermittlung von Informationen zu Tatsachen, von denen sie im Rahmen ihrer Tätigkeit Kenntnis erhalten, berechtigt, wenn: a) die bereitgestellten Daten nicht personenbezogen sind, oder b) die betroffenen Personen ausdrücklich zustimmen, oder c) die Erfüllung der Aufgaben aus dem vorliegenden Gesetz dies unbe - dingt erfordert, oder d) es durch eine ausdrückliche Rechtsgrundlage vorgeschrieben oder ge - nehmigt ist.
2 In Abweichung vom Amtsgeheimnis und soweit kein vorrangiges privates Interesse entgegensteht, können die für die Anwendung oder Kontrolle be - ziehungsweise Überwachung der Anwendung des vorliegenden Gesetzes zuständigen Personen und Organe Daten übermitteln an: a) die Fachstellen für Alimenteninkasso und Bevorschussung anderer Kantone; b) die für Betreibung und Konkurs zuständigen Behörden; c) die kantonale Steuerverwaltung; d) die Dienststelle für Arbeitnehmerschutz und Bekämpfung von Schwarzarbeit; e) die Sozialversicherungen; f) die Vorsorge- und Freizügigkeitseinrichtungen; g) die in Migrationssachen zuständigen Behörden; h) die Einwohnerkontroll- und Zivilstandsbehörden;
i) die Bundesstatistikorgane gemäss dem Bundesstatistikgesetz; j) die Sozialhilfeorgane oder -organisationen; k) die Ausgleichskassen; l) die Strafuntersuchungsbehörden, wenn es sich um die Anzeige eines Verstosses handelt; m) die Straf- und Zivilbehörden; n) die für die Vergabe von Stipendien und Ausbildungsdarlehen zuständi - ge kantonale Dienststelle.
3 Die Informationen dürfen nur weitergegeben werden, wenn die anfragen - den Behörden und Privatpersonen den Gegenstand der gewünschten oder verlangten Informationen genau beschreiben und die Zulässigkeit der Wei - tergabe nachweisen.

Art. 31 Verarbeitung personenbezogener und sensibler Daten

1 Die für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes zuständigen Organe sind berechtigt, personenbezogene Daten, darunter sensible Daten und Per - sönlichkeitsprofile, die sie zur Erledigung der ihnen durch das vorliegende Gesetz übertragenen Aufgaben benötigen, unter Einhaltung der Daten - schutzbestimmungen zu verarbeiten und verarbeiten zu lassen, namentlich für folgende Zwecke: a) Erfassung der Personen, die ein Gesuch um Inkassohilfe zum Erhalt von Unterhaltsbeiträgen gestellt haben, sowie der Schuldner, die ihnen Unterhalt schulden; b) Ermittlung des Bevorschussungsanspruchs, Berechnung und Gewäh - rung der Vorschüsse; c) Durchführung des Inkassos der Unterhaltsbeiträge; d) Festlegung, an wen die im Rahmen des Unterhaltsinkassos erhaltenen Beträge zu zahlen sind; e) Verhinderung oder Einstellung der Zahlung nicht geschuldeter Leistun - gen; f) Prüfung des Bestehens einer Rückerstattungspflicht; g) Ermöglichung des Transfers des Dossiers bei einem Wegzug aus dem Kanton und Gewährleistung der Kontinuität der Betreuung; h) Kontrolle der Anwendung des vorliegenden Gesetzes; i) Erstellung von Statistiken.
6 Ermittlung

Art. 32 Ermittlungsauftrag

1 Um einen unrechtmässigen Bezug von Vorschüssen zu verhindern, zu be - enden oder nachzuweisen oder um zu belegen, dass der Gesuchsteller oder der Empfänger von Vorschüssen der IBU vorsätzlich wesentliche Informatio - nen zum Schuldner vorenthalten hat, die das Inkasso der Vorschüsse er - möglichen würden, kann die IBU zur Feststellung spezifischer Sachverhalte Fachinspektoren einsetzen, wenn konkrete Hinweise vorliegen, die vermu - ten lassen, dass eine Person: a) unberechtigterweise Vorschüsse bezieht, bezogen hat oder diese zu beziehen versucht, oder b) der IBU vorsätzlich wesentliche Informationen zum Schuldner vorent - halten hat.
2 Die IBU informiert die Gesuchsteller bei der Eröffnung des Dossiers, dass im Falle eines Verdachts auf unrechtmässigen Bezug gegen sie ermittelt werden kann.
3 Die IBU erteilt dem zuständigen Organ einen Ermittlungsauftrag, der sich auf einen ordnungsgemäss begründeten schriftlichen Antrag stützt.
4 Der Staatsrat regelt das Verfahren sowie die Modalitäten des Auftrags und benennt das für die Durchführung der Ermittlungen zuständige Organ sowie die Anforderungen an die Fachinspektoren.

Art. 33 Ermittlung und Erhebung von Beweisen

1 Die Fachinspektoren klären die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstel - lers oder des Empfängers von Vorschüssen ab, und zwar insbesondere hin - sichtlich: a) seines Wohnsitzes; b) der Zusammensetzung seines Haushalts und der Art des Zusammen - lebens; c) seiner finanziellen Mittel und seines Vermögens; d) seiner Kontakte zum Schuldner.
2 Die Fachinspektoren erheben die Beweise gemäss dem VVRG und subsi - diär gemäss der Schweizerischen Zivilprozessordnung (Art. 28 Abs. 1 Bst. a VVRG).
3 Der Gesuchsteller oder der Empfänger von Vorschüssen muss den Inspek - toren auf ihr Ersuchen hin sämtliche für die Feststellung des Sachverhalts erforderlichen Informationen erteilen. Diese Verpflichtung gilt auch für Perso - nen im selben Haushalt sowie Angehörige und Familiengenossen im Sinne von Artikel 110 Absätze 1 und 2 des Schweizerischen Strafgesetzbuches.
4 Die Auskunftspflicht Dritter ermöglicht den Inspektoren, auf begründete Aufforderung hin alle für ihre Untersuchungen erforderlichen Informationen von den in Artikel 28 genannten Stellen einzuholen.
5 Bei Bedarf können die Fachinspektoren folgendermassen Beweise erhe - ben: a) Observation des Gesuchstellers oder des Empfängers von Vorschüs - sen und der mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen sowie des Schuldners ohne deren Wissen; b) unangemeldeter Hausbesuch beim Gesuchsteller oder beim Empfän - ger von Vorschüssen; c) Anhörung der Empfänger und von Dritten; d) Informationsanfrage an Dritte.
6 Zur Wahrung des Verhältnismässigkeitsprinzips dürfen die Inspektoren nur dann Informationen von Dritten anfordern oder Dritte anhören, wenn dies für ihre Ermittlung unbedingt notwendig ist.
7 Bei Bedarf können die Fachinspektoren die Zusammenarbeit mit den kom - munalen und interkommunalen Polizeibehörden in Anspruch nehmen. Diese Zusammenarbeit wird nicht entschädigt.

Art. 34 Observation und Hausbesuch

1 Der Inspektionsauftrag erlaubt es den Inspektoren, einen Empfänger ohne dessen Wissen zu beobachten und dazu Bild- und Tonaufnahmen zu erstel - len. Die Artikel 67 und 68 des Gesetzes über die Eingliederung und die Sozi - alhilfe (GES) gelten entsprechend.

Art. 35 Ermittlungsergebnis

1 Nach Abschluss der Ermittlung: a) informiert das zuständige Organ die IBU über das Ermittlungsergebnis und reicht ihr einen Bericht mit den auswertbaren Beweisen ein; b) zeigt das zuständige Organ von Amtes wegen verfolgte Verstösse bei der zuständigen Behörde an und reicht ihr den Bericht mit den aus - wertbaren Beweisen ein;
c) informiert das zuständige Organ bei Verdacht auf einen auf Antrag ver - folgten Verstoss die übrigen betroffenen Dienststellen; d) vernichtet das zuständige Organ unverzüglich die nicht verwendbaren erhobenen Daten.
2 Nach Abschluss der Ermittlung werden die im Rahmen der Inspektion er - hobenen Daten, die nicht vernichtet werden, in das Dossier der betroffenen Person übertragen, die auf Gesuch hin Einsicht nehmen kann.
3 Werden Verstösse nachgewiesen, informiert die IBU den betroffenen Ge - suchsteller oder Empfänger von Vorschüssen über das Ermittlungsergebnis und ergreift die erforderlichen Massnahmen.
4 Die Ermittlungsergebnisse, der Bericht und die Beweise sind nicht öffent - lich.
5 Der Staatsrat regelt die Aufbewahrung und Vernichtung des zusammenge - tragenen Materials entsprechend den datenschutzrechtlichen Bestimmun - gen.
7 Kostenaufteilung zwischen Kanton und Gemeinden

Art. 36 Kostenaufteilung zwischen Kanton und Gemeinden

1 Die gewährten und nicht eingetriebenen Vorschüsse sind entsprechend den Bestimmungen des Gesetzes über die Harmonisierung der Finanzie - rung der Sozialsysteme sowie der Systeme für die soziale und berufliche Eingliederung von Staat und Gemeinden zu tragen.
8 Betreibungs- und Inkassoverfahren

Art. 37 Betreibungs- und Inkassoverfahren

1 Der Staatsrat regelt die Betreibungs- und Inkassoverfahren für die Ansprü - che aus dem vorliegenden Gesetz.
9 Rechtsweg

Art. 38 Beschwerde

1 Gegen die Verfügungen der IBU kann innerhalb von 30 Tagen ab ihrer Er - öffnung beim Staatsrat Beschwerde eingelegt werden.
2 Es gelten die Bestimmungen des VVRG.
10 Schlussbestimmung

Art. 39 Ausführungsbestimmung

1 Der Staatsrat erlässt die zur Anwendung des vorliegenden Gesetzes erfor - derlichen Bestimmungen. T1 Übergangsbestimmungen
Art. T1-1
1 Die Verjährungsfrist gemäss Artikel 24 gilt für alle Ansprüche, die zum Da - tum des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes nicht verjährt waren. Die Laufzeit der Verjährung vor Inkrafttreten des neuen Rechts wird berücksich - tigt.
2 Die nach altem Recht gefällten Bevorschussungsverfügungen bleiben bis zu ihrem Ablauf in Kraft.
3 Bei Ex-Ehepartnern, die bei Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes Vor - schüsse erhalten, beginnen die in Artikel 11 Absatz 2 vorgesehenen 2 Jahre zum Zeitpunkt seines Inkrafttretens.
Änderungstabelle - Nach Beschluss Beschluss Inkrafttreten Element Änderung Quelle Publikation
11.02.2021 01.01.2022 Erlass Erstfassung RO/AGS 2021-155,
2021-156
Änderungstabelle - Nach Artikel Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Quelle Publikation Erlass 11.02.2021 01.01.2022 Erstfassung RO/AGS 2021-155,
2021-156
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