Gesetz über die Flurhüter
- 1 - Gesetz über die Flurhüter vom 1. September 1864 Der Grosse Rat des Kantons Wallis Auf den Antrag des Staatsrats, verordnet:
Art. 1 Jede Gemeindeverwaltung ist, in ihrem Gebiete, verpflichtet, für die Erhaltung
der Feldfrüchte, des Eigentums, des Vie hs und des im Allgemeinen der öffen t- lichen Treue Anheimgestellten zu sorgen.
Art. 2 Der Gemeinderat wählt in - oder ausserhalb seiner Mitte einen eigens mit der
Feldpolizei beladenen Beamten.
Art. 3 Jede Gemeinde hat wenigstens einen, vom Gemeinderat gewä hlten Flurhüter.
Während der Erntezeit oder im Notfalle können die Gemeinderäte den g e- wöhnlichen Flurhüter zeitweilig einen oder mehrere Gehilfen beigeben.
Art. 4 Mehrere Gemeinden können zusammen den gleichen Flurhüter haben.
Art. 5 In den Gemeinden, di e mehrere Flurhüter haben, werden dieselben, unter der
Aufsicht und Leitung des mit der Polizei beauftragten Ratsmitgliedes oder Beamten, zu einem Korps organisiert.
Art. 6 Die Flurhüter werden aus den Bürgern gewählt, die wenigstens 23 Jahre alt,
anerkan nt von guten Sitten, im Genusse ihrer bürgerlichen und politischen Rechte sind, und schreiben und lesen können. Sie dürfen keine andern, als die in Artikel 7 erwähnten, öffentlichen Anste l- lungen haben. Sie dürfen weder Schenken halten, noch im Kleinen Getr änke verkaufen. Die Jagd und der Fischfang ist ihnen verboten. Sie dürfen sich ohne Bewilligung nicht entfernen. Die Bestimmungen dieses letzten Absatzes sind auf die Flurhüter - Gehilfen nicht anwendbar.
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Art. 7 Sie können zugleich Bannwärter (Waldhüter) un d Viehinspektor sein.
Art. 8 Die Flurhüter können durch den Rat zu jeder Zeit abgesetzt werden, falls ihr
Dienst oder ihr Betragen gegründete Klagen veranlasst.
Art. 9 Die Flurhüter legen vor versammeltem Rate in die Hände des Präsidenten das
eidliche V ersprechen ab, die ihnen anvertrauten Amtsverrichtungen getreulich zu erfüllen.
Art. 10 Ihre Amtsverrichtungen beginnen mit der Eidesleistung. Sie werden durch den
mit der Polizei beladenen Ratsherren oder Beamten jährlich versammelt, um von den ihren Die nst betreffenden Gesetzen und Reglementen Kenntnis zu erhalten.
Art. 11 Die Flurhüter sind die Angestellten der Gerichts - und Verwaltungspolizei, und
haben folgende Pflichten und Befugnisse: a) Sie wachen für die Erhaltung der Baum - und Feldfrüchte, der B äume, Ei n- friedungen, Marken und im Allgemeinen für die Erhaltung alles öffentl i- chen und Privat - Eigentums sowohl im Innern der Ortschaften, als auf den Feldern; b) Sie sorgen, nach Form und Inhalt der Polizei - Gesetze und Reglemente, für die Polizei der Stra ssen, der öffentlichen Wege, der Wuhren, für die Rei n- lichkeit, für die Offenhaltung und Erhaltung der Gassen in Städten und Dörfern, der öffentlichen Plätze und Spaziergänge, der Brunnenbecken, der Wasserführen, der Wasserleitungen und der Ableitungskanäle ; c) Sie haben jedes entdeckte Verbrechen und Vergehen bezüglich Diebstahls von Vieh, Ackerbauwerkzeugen, Baum - u- zeigen; so auch den Weidgang von Vieh auf fremden Boden, die Marode (Obststehlen), den an öffentlichen oder privat em, der öffentlichen Treue überlassenem Eigentum verursachten Schaden, die Beschädigungen der Gebäude und Einfriedungsmauern, der Häge (Zäune), Marken, Strassen und öffentlichen Wege durch Niederlagen, Übergriffe oder auf andere Weise, der Dammbauten, Kanä le und Wasserfuhren; d) Sie geben die Besitzer gefährlicher oder von einer ansteckenden Krankheit ergriffener Tiere an, die Übertretung der Viehsperre; die, welche den B e- schlüssen über Ausrottung schädlicher Insekten nicht nachkommen; das Vorhandensein abg estandener Tiere, die nicht verschart oder ins Wasser geworfen wurden; e) Sie geben ferner an die Übertretungen des Verbots bezüglich Vertilgung der kleinen Vögel, des Gesetzes über Jagd, Fischfang, Feuerpolizei und der Reglemente der ihrer Aufsicht anvert rauten Ortspolizei;
- 3 - f) Im Allgemeinen haben sie die Misshandlungen der Tiere, und andere in den Artikeln 340, 341 und 342 des Strafgesetzbuches vorgesehene einf a che Polizeiübertretungen anzugeben; g) Bei Feuersbrünsten oder Überschwemmungen geben sie das Warnungsze i- chen und stellen sich der Ortsbehörde zur Verfügung; h) Sie sollen, im Notfalle, der Landjägerei zur Unterstützung dienen, und in deren Abgang, die denselben übertragene Aufsicht für Entdeckung der Vergehen und Übertretungen üben; i) Sie machen täglich, und zu unbestimmter Stunde, Runden auf den Heerstrassen, in den Gassen und auf den Nebenwegen, und den ihrer Hut anvertrauten Gütern, um Vergehen und Frevel zu verhindern und zu entd e- cken, die verdächtigen Personen zu überwachen, entwendete Gegens tände aufzusuchen, deren Spuren nach den Orten, wo sie versteckt wurden, zu verfolgen; in Gebäude, Werkstätten und geschlossene Häuser jedoch dü r- fen sie sich nur in Begleitung des Ortsrichters oder eines Gemeinderat s- mitglieds begeben; k) Wenn ein Schuldige r auf frischer Tat ergriffen wird, so nimmt er nach Form und Inhalt des Artikels 67 der Strafprozessordnung dessen Verha f- tung vor; bei Feldfrevel aber werden nur Unbekannte, oder Solche zum Präsidenten oder Polizeibeamten geführt, die mit Wort oder Tat Wid e r- stand geleistet. Sie hinterziehen die entwendeten Gegenstände und die au f- sichtslosen Tiere, um sie in Sicherheit zu bringen; Es ist aufs Ausdrücklichste verboten, die verhafteten Personen zu b e- schimpfen oder zu misshandeln; l) Wenn abwesende oder zufäll ig verhinderte Landbauer ihre Ernte nicht einheimsen können, und dieselbe dadurch leidet oder zu Grunde geht, so haben sie dem Gemeindepräsidenten davon Meldung zu machen.
Art. 12 Die Präsidenten sind gehalten, über alle erwiesenen Vergehen oder Frevel, d ie
auf dem ihrer Hut anvertrauten Gebiete vorkommen, ein Verbal aufzunehmen und dem Präsidenten oder Polizeibeamten einzuhändigen.
Art. 13 Sie sind gegenüber dem Eigentümer bis auf den Betrag von 10 Franken ve r-
antwortlich, wenn sie versäumen, das Vergehen oder den Frevel innert 48 Stunden zu melden, oder wenn sie deren Urheber nicht entdecken können, es wäre denn bekannt, da sie ihr Möglichstes zu dieser Entdeckung getan. Diese Verantwortlichkeit ist nach Verlauf eines Monats, von Verübung des Vergehens od er der Übertretung an, verjährt.
Art. 14 Ohne Rücksicht auf ihre Kompetenz im Gebiet ihrer Hut sollen sie über jedes
Vergehen, das in der Gemeinde, für die sie beeidet sind, vorkommt, ein Ve r- bal aufnehmen, was sie selbst für jedes in einer Nachbargemeinde begangene Vergehen zu tun haben, wenn dasselbe durch den Hüter jenes Gebiets nicht konstatiert wird, für diesen letzteren Fall aber haben sie nicht die vorgehenden
Artikel aufgestellte Verantwortlichkeit und das Verbal wird an den Präside n-
ten dieser letzt ern Gemeinde gerichtet.
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Art. 15 Das Verbal meldet Gattung, Umstände, Zeit und Ort des Vergehens oder des
Frevels, die Beweise und Indizien, die sich der Hüter verschaffen konnte, und die beiläufige Schätzung des Schadens; es wird vom Hüter numeriert, dati ert und unterzeichnet. Die Gemeindebehörden werden den Hütern gedruckte und gestempelte Formulare zur Verfügung stellen. Jeder Hüter hält ein summarisches Verzeichnis der jährlich aufgenommenen und eingereichten Verbalen, welches die Gattung des Vergehens, die Schuld i- gen, falls sie bekannt sind, und das Datum enthält.
Art. 16 Das Verbal gilt für alle Feldfrevel und einfache Polizeivergehen als Beweis,
so lange kein Gegenbeweis geleistet wird; die Parteien können durch bestellte Sachkundige der Gemeinde den Schaden, nach den Bestimmungen der bürge r- lichen Gerichtsordnung wertigen lassen.
Art. 17 Wenn die erwiesene Tat einfache Polizeistrafe nach sich zieht, so ist das mit
der Polizei betraute Ratsmitglied oder der Beamte ermächtigt, die Sache nicht vor das P olizeigericht zu bringen, falls der Eigentümer und der Schuldige damit einverstanden, und innert 48 Stunden, die Gebühr und die Busse b e- zahlt, und die Entschädigungen mit dem Eigentümer abgemacht sind.
Art. 18 Widrigen Falls findet das Strafverfahren gege n die in diesem Gesetze vorg e-
sehenen Vergehen innert vierzehn Tagen, von Einreichung des Verbales an, auf dem Antrag der beeinträchtigten Partei, oder des mit der Polizei beauftra g- ten Ratsmitglieds statt.
Art. 19 Die Väter, Mütter, Vormünder, Meister, Unt ernehmer, sind für die von ihren
Kindern, Mündeln, Minderjährigen, Dienstboten und Arbeitern begangenen Vergehen verantwortlich; doch nur innert der vom Artikel 1263 des Zivilg e- setzbuches bestimmten Grenzen. Im Falle von Zahlungsunfähigkeit ist der Übertre ter gehalten, die Gebühr und die Busse durch Gemeindewerke, nach dem Reglement über die öffentlichen Arbeiten, abzutragen. Die Nichtbeza h- lung durch Tagleistungen zieht Verhaft, innert den vom Strafgesetzbuch (Art.
349) vorgesehenen Schranken nach sich. Ar t. 20 Der Gehalt der Flurhüter wird durch den Gemeinderat bestimmt und dem D e- partement des Innern zur Genehmigung unterbreitet. Er besteht: a) Aus einem fixen Gehalt; b) Aus einer Gebühr von 40 Rappen für jedes Verbal. Diese Gebühr, die unter Vorbehalt des Rekurses gegen den Übertreter, von der Gemeinde vorg e- schossen wird, kommt dem Hüter jedoch nur in dem Falle zu, wenn man den Urheber des Vergehens oder der Übertretung entdeckt;
- 5 - c) Aus dem Drittel der von den Gesetzen oder dem Polizeigericht ausgespr o- che nen Bussen.
Art. 21 Die zwei andern Drittel aller Bussen, die kraft früherer Gesetzgebung, nicht
eine eigene Bestimmung haben, fallen der Gemeindekasse zu.
Art. 22 Die Flurhüter tragen zur Auszeichnung ein Armband mit einem Schilde, auf
dem die Worte» «H üter der Gemeinde...» eingeschrieben sind.
Art. 23 Der Regierungsstatthalter kann sie zum Tragen eines mit Schrot geladenen
Gewehres ermächtigen, von dem sie aber nur in den Fällen Gebrauch machen dürfen, wenn Gewalttätigkeiten gegen sie ausgeübt werden.
Art. 24 Der Flurhüter, der ohne rechtliche Ursache seinen täglichen Rundgang unte r-
lässt; der aus Nachlässigkeit oder Unterschleif die Verbale über Frevel, die zu seiner Kenntnis kommen, nicht einreicht, der sich dem Trunke ergibt oder eine schlechte Auffü hrung hat, kann durch das Polizeigericht gebüsst werden und zwar noch ausser der im Artikel 8 erwähnten Absetzung, wenn dieselbe stattfinden sollte.
Art. 25 Die Körperschaften und Privaten können eigene Hüter anstellen, diese Hüter
müssen aber durch den R at der Gemeinde auf deren Gebiet die unter ihrer Aufsicht gestellten Güter liegen, genehmigt werden. Der Gemeinderat kann einen Privat - Hüter, unter Vorbehalt der Berufung an den Regierungsstattha l- ter, absetzen.
Art. 26 Die Gemeindeverwaltung empfängt am S chluss jeden Jahres von dem mit der
Polizei beauftragten Gemeinderat oder Beamten ein Übersichtsverzeichnis (einen Rekapitulativetat) der im Verlaufe des Jahres eingekommenen Verbale; sie setzt die Rechnung über die den Hütern bezahlten Verbale auf, so wie auch derjenigen, die der Übertreter zurückbezahlt; sie fasst das Verzeichnis der Bussen ab und lässt es mit der allgemeinen Verwaltungsrechnung veröffentl i- chen. Gegeben im Grossen Rate zu Sitten, den 1. September 1864. Der zweite Vize - Präsident des Grosse n Rates: Jos. Zermatten Die Schreiber: L. - L. Roten, Ign. Durier Inkrafttreten am 27. November 1864.
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