Suchthilfegesetz (835.41)
CH - SO

Suchthilfegesetz

1 Suchthilfegesetz Vom 26. September 1993 (Stand 20. Januar 2006) Der Kantonsrat von Solothurn gestützt auf Artikel 22, 40 Absatz 2, 71, 94, 95, 100 Absatz 2, 101 der Kan- tonsverfassung vom 8. Juni 1986
1 ) und Artikel 34 des Bundesgesetzes über die Betäubungsmittel vom 3. Oktober 1951
2 ) nach Kenntnisnahme von Botschaft und Entwurf des Regierungsrates vom

2. März 1993

beschliesst:

1. Grundsätze

§ 1. Ziel

Kanton und Einwohnergemeinden a) fördern eine suchtarme Lebensweise, die auch befähigt, sinnvoll und vernünftig mit Suchtmitteln umzugehen; b) bauen eine Suchthilfe auf, welche Abhängigkeiten vorbeugt und süch- tig machende Einflüsse eindämmt; c) sorgen dafür, dass die individuellen, sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen des Suchtmittelmissbrauchs vermindert werden.

§ 2. Zweck

Das Gesetz bezweckt: a) Menschen vorbeugend vor schädlichen Folgen der Sucht hauptsächlich in den Bereichen Alkohol, Betäubungsmittel, Lösungsmittel, Nikotin, Medikamente und Polytoxikomanie (Kombination abhängigkeitsbil- dender Suchtmittel) zu bewahren; b) suchtgefährdete Menschen, die Suchtmittel konsumieren, früh zu erfassen und ihnen die Folgen ihres Tuns bewusst zu machen; c) süchtigen und suchtkranken Menschen Hilfen zu bieten, ihre Sucht zu überwinden oder mit ihrer Sucht menschenwürdig zu leben; d) die Hilfe zur Selbsthilfe zu verstärken; e) das eidgenössische Betäubungsmittelgesetz (BG Btm) zu vollziehen.

§ 3. Massnahmen

1 Es gilt insbesondere: a) die Suchthilfe zu koordinieren; ________________
1 ) BGS 111.1.
2 ) SR 812.121.
2 b) die Bevölkerung vorbeugend zu informieren, aufzuklären und zu bera- ten; c) betroffene Menschen individuell zu beraten, zu betreuen, zu behan- deln, nachzubetreuen und wieder einzugliedern; d) entsprechende Organisationen zu unterstützen; e) entsprechende begleitende Einrichtungen anzubieten; f) Personal für die Suchthilfe fort- und weiterzubilden; g) beratende Fachkommissionen für Sucht- und Gesundheitsfragen einzu- setzen.
2 Kanton und Einwohnergemeinden können die Aufgaben und Massnah- men mit eigenen Institutionen erfüllen oder sie weiteren öffentlichen oder privaten Organisationen übertragen.

2. Vorsorge und Fürsorge

§ 4. Vorsorgende Suchthilfe (primäre Suchtprophylaxe)

1 In der Vorsorge geht es darum, die Menschen zu bewusster Lebensfüh- rung anzuregen, von der Sucht abzuhalten und suchtgefährdete Personen vor der Sucht zu bewahren.
2 Das Departement des Innern ist verantwortlich, dass die Bevölkerung über die Auswirkungen der Sucht informiert wird.
3 Das Erziehungs-Departement bietet Lehrkräften, Eltern, Jugendlichen und Kindern Hilfe an. Es sorgt im Rahmen des Lehrplanes und der Eltern- bildung dafür, dass sie über die Folgen der Sucht und die Wirkung sucht- bildender Mittel aufgeklärt und befähigt werden, sich mit Suchtproble- men auseinanderzusetzen und dabei suchtfördernde Verhaltensweisen zu vermeiden.
4 Vorsorgeeinrichtungen sind insbesondere: a) Bildungsinstitutionen; b) Prophylaxe- und Beratung sstellen; c) Jugend- und Begegnungszentren; d) Schulärztliche, -psychiatrische und -psychologische Dienste.

§ 5. Beratung, Betreuung (sekundäre und tertiäre Suchtprophylaxe) und

Behandlung
1 Die ambulante oder stationäre Suchthilfe berät, betreut und behandelt fachkundig suchtgefährdete und -abhängige Personen und vermittelt Therapien sowie flankierende Massnahmen.
2 Ambulante Suchthilfeeinrichtungen sind insbesondere: a) Beratungsstellen; b) Auffangstationen; c) Notschlafstellen; d) Betreuungs- und Nachbetreuungsgruppen; e) sozialmedizinische und -psychiatrische Dienste; f) Selbsthilfegruppen.
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3 Stationäre Suchthilfeeinrichtungen sind insbesondere: a) therapeutische Betreuungs- und Nachbetreuungs-Wohngemeinschaf- ten; b) Familiennetze; c) Psychiatrische Klinik; d) Klinik für körperlichen Suchtentzug; e) halboffene oder geschlossene Stationen.
4 Stationäre Suchthilfeeinrichtungen benötigen eine Betriebsbewilligung.

§ 6. Flankierende Massnahmen

1 Weitere soziale, pflegerische und medizinische Angebote sollen verhin- dern, dass süchtige Menschen verelenden.
2 Dazu gehören insbesondere: a) Institutionen mit Tagesstrukturen; b) Gassenküchen und Gassenarbeit; c) Notwohnungsnetze; d) geschützte Arbeitsplätze und Taglöhnereiprojekte; e) Behandlungsangebote mit Betäubungsmitteln; f) Hilfen, welche Folgeprobleme der Sucht mildern (Aids-Hilfe usw.).

§ 7. Behandlung betäubungsmittelabhängiger Personen mit

Betäubungsmitteln
1 Ärzte und Ärztinnen dürfen betäubungsmittelabhängige Personen mit Betäubungsmitteln behandeln, damit die soziale Integration erleichtert wird.
2 Die Behandlung (Betäubungsmittel verschreiben, abgeben, verabreichen) ist vom Kantonsarzt oder von der Kantonsärztin zu bewilligen.
3 Apotheker und Apothekerinnen können vom Sanitä ts-Departement er- mächtigt werden, bei Programmen mit Betäubungsmitteln mitzuwirken.
4 Das Sanitäts-Departement legt die Voraussetzungen und Bedingungen fest.
5 Wissenschaftlich begleitete Behandlungen können finanziell unterstützt werden.

§ 8. Zwangseinweisung

Suchtmittelabhängige Personen können nach dem Einführungsgesetz zur fürsorgerischen Freiheitsentziehung zwangshospitalisiert oder in eine geeignete Institution eingewiesen werden.

3. Koordination und Organisation

§ 9. Sozialregionen

Die Einwohnergemeinden können kantonal und interkantonal zusammen- arbeiten.
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§ 10. Konzept

1 Der Regierungsrat legt in Zusammenarbeit mit den Einwohnergemeinden die Organisation und den Massnahmenplan der Suchthilfe in einem Kon- zept fest. Die jeweiligen Trägerschaften wirken in geeigneter Art mit.
2 Das Konzept enthält insbesondere Angaben über: a) Ziele und Massnahmen; b) Ist- und Sollzustand vorsorgender, ambulanter und stationärer Einrich- tungen; c) Bedarfszahlen und regionale Bedürfnisse; d) notwendige regionale Trägerschaften; e) Möglichkeiten, bestehende soziale und medizinische Institutionen mit der Suchthilfe zu betrauen oder Suchthilfestellen zusammenzulegen; f) notwendige rechtliche, finanzielle und weitere organisatorische Mass- nahmen.
3 Das Departement des Innern bezeichnet die Einrichtungen der vorsor- genden Suchthilfe, der Beratung, Betreuung und Behandlung, sowie die flankierenden Massnahmen und legt die Leistungsaufträge fest.

§ 11. Aufsicht, federführendes Departement

1 Der Regierungsrat übt die Aufsicht aus.
2 Das Departement des Innern vollzieht in Zusammenarbeit mit weiteren beteiligten Departementen das Gesetz und das eidgenössische Betäu- bungsmittelgesetz, soweit weder das eidgenössische noch das kantonale Recht etwas anderes vorschreiben.
3 Dem Sanitäts-Departement stehen alle Befugnisse in der Betäubungsmit- telkontrolle zu, die nicht ausdrücklich andern Organen übertragen sind.

§ 12. Fachstelle

1 Die dem Departement des Innern unterstellte Fachstelle für Suchthilfe plant und koordiniert die Massnahmen und bereitet sie vor.
2 Sie ist für Institutionen und Organisationen kantonale Informations- und Auskunftsstelle.

§ 13. Fachkommission für Suchthilfe

1 Der Regierungsrat wählt eine Fachkommission von 7-13 Mitgliedern.
2 Die Fachkommission berät den Regierungsrat und prüft die von der Ver- waltung, der Fachstelle oder von Fachgruppen vorbereiteten Geschäfte über die Suchthilfe.
3 Sie bereitet Konzepte vor, schlägt Massnahmen vor und erarbeitet Grundlagen für die Öffentlichkeitsarbeit.
4 Die Mitglieder können Kanton und Einwohnergemeinden in anerkannten und subventionierten Institutionen vertreten.
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4. Finanzierung

§ 14. A. Grundsatz

1 Die Einwohnergemeinden
1 ) richten Bau-, Einrichtungs- und Betriebsko- stenbeiträge aus an Institutionen, die im Rahmen des vorgesehenen Kon- zeptes eine vom Departement des Innern anerkannte Suchthilfe anbieten.
2 Die Beiträge können einseitig oder vertraglich an Bedingungen geknüpft und mit Auflagen verbunden werden, die den Zweck und den Leistungs- auftrag gewährleisten.

§ 15. B. Bau- und Einrichtungsbeiträge

1 Beiträge werden an die anrechenbaren Kosten geleistet, welche sich ergeben, wenn eine anerkannte Institution neu errichtet, ausgebaut, er- neuert oder eingerichtet wird.
2 Anrechenbar sind angemessene Kosten für Landerwerb, Bauvorberei- tung, Gebäude, Betriebseinrichtungen, Ausstattung, Umgebungsarbeiten und Baunebenkosten.
3 Das Departement des Innern bestimmt die anrechenbaren Kosten und berechnet die Beiträge aufgrund des Kostenvoranschlages.
4 Die Einwohnergemeinden
2 ) leisten höchstens 80% der nicht mit Bundes- beiträgen oder Beiträgen Dritter gedeckten anrechenbaren Kosten. In Härtefällen kann ausnahmsweise von diesem Prozentsatz abgewichen werden.
5 Der Kantonsrat bewilligt die notwendigen Mittel bis zu zwei Millionen Franken.

§ 16. C. Betriebskosten

a) Stationäre Einrichtungen
1 Stationäre Einrichtungen verlangen für ihre Leistungen in der Regel kostendeckende Taxen oder Honorare.
2 Für hilfebedürftige Personen, welche die kostendeckenden Taxen oder Honorare nicht tragen können, sind Sozialhilfeleistungen anzubegehren.

§ 17. b) Teilstationäre und ambulante Einrichtungen

1 An die Betriebskosten sichern die Einwohnergemeinden
3 ) aufgrund des Voranschlages eine Restdefizitgarantie zu, sofern die Empfänger und Empfängerinnen der Beiträge alle zweckmässigen und den Umständen nach zumutbaren Selbsthilfemassnahmen (insbesondere Eigenleistungen der Trägerschaft, Bundesbeiträge, Sozialversicherungsleistungen, weitere Beiträge, organisatorische Vorkehren) für die Eigenfinanzierung getroffen haben.
2 Das Departement berechnet den Beitrag. Der Kantonsrat bewilligt die notwendigen Mittel. ________________
1 ) Fassung vom 7. Juni 1998.
2 ) Fassung vom 7. Juni 1998.
3 ) Fassung vom 7. Juni 1998.
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§ 18. c) Starthilfe

Ausnahmsweise kann der Regierungsrat Beiträge als Starthilfe gewähren, wenn eine Einrichtung neu eröffnet wird oder ihr Konzept ändert.

§ 19. D. Kantonseigene Einrichtungen

Der Kantonsrat beschliesst, ob kantonseigene Einrichtungen errichtet, ausgebaut, erneuert oder aufgehoben werden. Er bewilligt die entspre- chenden Kredite bis zu zwei Millionen Franken.

§ 20.

1 ) E. Verteilungsschlüssel
1 Die Kostenanteile nach den §§ 15 bis und mit 18 werden nach Abzug des Anteils aus dem Alkoholzehntel von der Gesamtheit der Einwohnerge- meinden getragen.
2 Das Departement des Innern besorgt den Lastenausgleich.

§ 21. F. Rückerstattung

1 Unrechtmässig bezogene, zweckentfremdete oder nicht verwendete Beiträge werden mit Zinsen zurückgefordert. Der Rückforderungsanspruch verjährt 20 Jahre nach Ausrichtung der Beiträge.
2 Die Rückerstattungspflicht für Baukostenbeiträge ist als öffentlich- rechtliche Eigentumsbeschränkung im Grundbuch anzumerken.

5. Kontrolle der Betäubungsmittel

§ 22. Sanitäts-Departement

Das Sanitäts-Departement a) erteilt Bewilligungen an:

1. Personen, Fabrikations- und Handelsfirmen zum Verkehr mit Be-

täubungsmitteln (Art. 4 BG Btm);

2. Medizinalpersonen und verantwortliche Leiter oder Leiterinnen

von öffentlichen oder Spitalapotheken mit anderen als eidgenössi- schen Diplomen (Art. 9 Abs. 2 lit. a BG Btm);

3. Krankenhäuser und Institute (Art. 14 BG Btm);

b) entzieht Befugnisse (Art. 12 BG Btm).

§ 23. Kantonsapotheke

Der Kantonsapotheker oder die Kantonsapothekerin a) beaufsichtigt die Vorräte verbotener Betäubungsmittel (Art. 8 Abs. 4 BG Btm); b) sperrt den Bezug von Betäubungsmitteln (Art. 15a Abs. 4 BG Btm); c) kontrolliert die dem Betäubungsmittelgesetz unterstehenden Perso- nen, Firmen, Anstalten und Institute (Art. 16-18 BG Btm); d) verwahrt, verwendet und vernichtet Betäubungsmittel (Art. 33 BG Btm); e) beschlagnahmt Betäubungsmittel. ________________
1 ) § 20 Fassung vom 7. Juni 1998.
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§ 24. Belege für Lieferungen

Der Kantonsapotheker oder die Kantonsapothekerin verlangt die Belege für Lieferungen von Betäubungsmitteln periodisch ein (Art. 49 Abs. 3 VO BG Btm).

§ 25. Bestandeskontrolle

1 Selbstdispensierende Ärzte und Ärztinnen, Zahnärzte und Zahnärztinnen, Tierärzte und Tierärztinnen, Apotheker und Apothekerinnen, Krankenan- stalten und wissenschaftliche Institute haben für jede einzelne Art von Betäubungsmitteln eine laufende Bestandeskontrolle zu führen.
2 Sie haben dem Kantonsapotheker oder der Kantonsapothekerin jährlich ihren Bestand an Betäubungsmitteln per 1. Januar zu melden und die Unterlagen (Kontrollblätter, Belege) einzureichen.
3 Betäubungsmittel sind verschlossen und einbruchsicher aufzubewahren. Der Kantonsapotheker oder die Kantonsapothekerin erlä sst Weisungen.

6. Gebühren

§ 26. Die Gebühren werden im Gebührentarif festgelegt.

7. Strafbestimmungen

§ 27. Wer gegen die Vorschriften dieses Gesetzes als Einführungsgesetz

zum Bundesgesetz über die Betäubungsmittel verstösst, wird nach Artikel
22 BG Btm bestraft.

8. Rechtsmittel

§ 28.

1 Verfügungen des Kantonsapothekers oder der Kantonsapotheke- rin und des Kantonsarztes oder der Kantonsärztin können mit Beschwerde an das Sanitäts-Departement weitergezogen werden.
2 Verfügungen der Departemente können mit Beschwerde an das Verwal- tungsgericht weitergezogen werden.
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9. Schlussbestimmungen

§ 29. A. Änderung bisherigen Rechts

Das Einführungsgesetz zur fürsorgerischen Freiheitsentziehung vom 2. Dezember 1984
1 ) wird wie folgt geändert:

1. § 3 ist aufgehoben.

2. § 32 lautet neu:

§ 32. Beratungs- und Betreuungsstellen, die im Sinne dieses Gesetzes

Hilfe anbieten, werden nach den Bestimmungen der Gesundheits- und Sozialgesetzgebung unterstützt und gefördert.

§ 30. B. Aufhebung bisherigen Rechts

Die kantonsrätliche Vollzugsverordnung zum Bundesgesetz über die Be- täubungsmittel vom 8. Oktober 1952
2 ) ist aufgehoben.

§ 31. C. Vollzugsverordnung

Der Regierungsrat kann eine Vollzugsverordnung erlassen.

§ 32. D. Inkrafttreten

Das Gesetz unterliegt dem obligatorischen Referendum. Der Regierungsrat bestimmt das Inkrafttreten.

§ 33.

3 ) Das Gesetz tritt nach Inkrafttreten eines Sozialgesetzes ausser Kraft. Inkrafttreten am 15. Oktober 1993.
4 ) ________________
1 ) GS 89, 613 (BGS 212.233.1).
2 ) GS 79, 45 (BGS 813.22).
3 ) § 33 Fassung vom 28. September 2005.
4 ) Inkrafttreten der Änderungen vom: - 7. Juni 1998 am 1. Januar 1999; - 5. September 2001 am 1. Januar 2002 - 28. September 2005 am 20. Januar 2006.
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