Verfassung der christkatholischen Kirche der Schweiz
1 Verfassung der christkatholischen Kirche der Schweiz Beschluss des schweizerischen Vereins freisinniger Katholiken vom
14. Juni/21. September 1874
A. Grundbestimmungen
§ 1. Die christkatholische Kirche der Schweiz beruht auf den Kirchgemein-
den beziehungsweise Ortsvereinen, welche in der katholischen National- synode das einheitliche Organ ihrer Gemeinschaft besitzen.
§ 2. Innerhalb dieser Gemeinschaft und unter Vorbehalt der diesfalls be-
stehenden kantonalen Gesetzgebung können besondere Verbindungen zu Kantonal- oder Kreissynoden stattfinden. B. Besondere Bestimmungen I. Die Gemeinden respektive Ortsvereine
§ 3. Als Kirchgemeinden werden sowohl die bestehenden Kirchgemeinden
und Genossenschaften mit ständiger Seelsorge, die sich gegenwärtiger Verfassung unterziehen, als auch gleichgesinnte Minderheiten anerkannt, sofern die letzteren einen regelmässigen öffentlichen Gottesdienst aus- üben.
§ 4. Jede Gemeinde ordnet die Angelegenheiten ihrer innern Einrichtung,
wie zum Beispiel die Ernennung ihrer Behörden, der Pfarrer und Hülfs- geistlichen und der Delegierten an die Synoden, die Verwaltung der Ge- meindegüter undsoweiter, innerhalb der durch die staatlichen Gesetze und Verordnungen und diese Verfassung aufgestellten Schranken in selb- ständiger Weise.
§ 5. Die Ortsvereine konstituieren sich in denjenigen Ortschaften, wo die
Ausübung eines regelmässigen öffentlichen Gottesdienstes nicht möglich ist, durch Annahme vorliegender Verfassung; sie geniessen im übrigen die den Kirchgemeinden zugesicherte Selbständigkeit.
§ 6.
1 Die Gemeinden und Vereine sind gehalten, dem Synodalrat zuhan- den der Nationalsynode von ihrer Konstituierung Kenntnis zu geben.
2 Alljährlich vor dem 1. Mai haben sie dem Synodalrat ein Verzeichnis ihrer Mitglieder einzusenden.
2 II. Die Kantonal- oder Kreis-Synoden
§ 7. Die Kantonal- oder Kreis-Synoden bilden sich durch freie Vereinigung
mehrerer Gemeinden respektive Vereine eines und desselben oder ver- schiedener Kantone zur Beratung und Erledigung gemeinsamer Angele- genheiten. III. Die National-Synode
§ 8. Zur Bewahrung der Einheit des kirchlichen Lebens wird alljährlich
mindestens einmal eine National-Synode zusammentreten.
§ 9.
1 Die National-Synode ist das oberste gesetzgebende und entschei- dende Organ der christkatholischen Kirche der Schweiz.
2 Ihr steht insbesondere zu: a) die Aufstellung allgemeiner Grundsätze über Kultus und Disziplin der Kirche; b) die Abnahme und Prüfung des Jahresberichts und der Jahresrechnung des Synodalrates; c) die Bischofswahl, nach einer noch näher festzusetzenden Wahlordung und unter Vorbehalt der Mitwirkung der beteiligten Kantonsregierun- gen; d) die Amtsenthebung des Bischofs nach Massgabe von § 24; e) die Wahl ihres Präsidenten; f) die Wahl des Synodalrates und seines Präsidenten.
§ 10. Mitglieder der Synode sind:
a) der oder die Inhaber des bischöflichen Amtes; b) die Mitglieder des Synodalrates während ihrer Amtsdauer; c) die laut Verzeichnis der christkatholischen Geistlichen im aktiven Kir- chendienst stehenden und die emeritierten Priester der christkatholi- schen Kirche der Schweiz;
1 ) d) auf je 400 Seelen wird ein Mitglied gewählt; eine Bruchzahl berechtigt zu einem weiteren Delegierten. Jede Gemeinde hat Anspruch zum mindesten auf einen Delegierten. Wählbar sind christkatholische Schweizerbürger und Schweizerbürgerinnen, die das zwanzigste Al- tersjahr zurückgelegt haben und die in bürgerlichen Ehren und Rech- ten stehen. Für die Bestimmung der Seelenzahl sind die Kirchgemein- deregister massgebend.
2 ) e) ...
3 ) _______________
1 ) Lit. c Fassung von 1956 (82. Synode).
2 ) Lit. d Fassung von 1954 (80. Synode). Lit. d und e wurden damals zusammenge- fasst
3 ) Lit. d Fassung von 1954 (80. Synode). Lit. d und e wurden damals zusammenge- fasst.
3 f) Nur christkatholische Gemeinden und Ortsvereine, respektive christka- tholische Minderheiten, sind zur Vertretung in die National-Synode be- rechtigt.
1 ) g) Der Synodalrat wird ermächtigt, Wahlen von römisch-katholischen Delegierten sofort ungültig zu erklären.
2 )
§ 11. Das Protokoll der Delegiertenwahlen ist jeweilen spätestens 8 Tage
vor der Eröffnung der Synode an den Synodalrat einzusenden. Dasselbe soll enthalten: a) den Namen der betreffenden Gemeinde oder des betreffenden Ver- eins; b) die Zahl der stimmberechtigten Gemeinde- beziehungsweise Vereins- mitglieder; c) die Zahl der anwesenden Wähler; d) Namen und Wohnort der Gewählten nebst Angabe der auf sie gefalle- nen Stimmenzahl.
2 Die Wahlprotokolle werden durch den Synodalrat geprüft.
3 Über beanstandete Wahlen entscheidet die Synode.
§ 12. Die Delegierten erhalten ihr Mandat jeweilen auf die Dauer von
2 Jahren.
§ 12
bis
. Die Kirchgemeinden sind berechtigt, ihre Delegierten auf die näm- liche Amtsdauer zu wählen, welche das Gesetz der betreffenden Kantone für die kirchlichen Behörden feststellt.
3 )
§ 13.
1 Zu der jährlichen ordentlichen Synodalversammlung erlässt der Synodalrat die Einladung.
2 In der Regel tritt dieselbe in der Pfingstwoche zusammen.
3 Die Mehrheit des Synodalrates ist jederzeit befugt, ausserordentliche Synoden einzuberufen, und dieses muss geschehen, wenn wenigstens der vierte Teil der Synodalmitglieder ein bezügliches schriftliches Begehren an den Synodalrat richtet.
§ 14.
1 Anträge, Petitionen, Beschwerden undsoweiter, welche auf der Synode zur Behandlung kommen sollen, sind spätestens 3 Monate vor dem Beginn derselben dem Synodalrat schriftlich einzureichen und von diesem mit einem Gutachten der Synode vorzulegen.
2 Anträge, welche später dem Synodalrat schriftlich eingereicht werden oder erst an der Synodeversammlung gestellt werden, können nur dann zur Abstimmung gelangen, wenn sie durch eine Mehrheit von 2/3 der Anwesenden dringlich erklärt werden.
4 )
§ 15.
1 Alle Fragen werden durch absolute Majorität sämtlicher Stimmen entschieden. Bei Stimmengleichheit entscheidet der Vorsitzende. ________________
1 ) Lit. f und g Fassung von 1879 (5. Synode).
2 ) Lit. f und g Fassung von 1879 (5. Synode).
3 ) Fassung von 1877 (3. Synode).
4 ) Fassung von 1967 (93. Synode).
4
2 Wird jedoch ein Beschluss mit weniger als 2/3 der Stimmen gefasst, so ist der Gegenstand auf den Antrag von wenigstens 1/3 der Anwesenden der nächsten Synode zur definitiven Entscheidung zu überweisen, weIche dann mit absoluter Stimmenmehrheit gefasst werden muss.
§ 16. Soweit die allgemeinen Kirchenbedürfnisse nicht aus andern Mitteln
gedeckt werden können, hat die Synode die Summe auf die einzelnen Gemeinden beziehungsweise Vereine unter Berücksichtigung ihrer Lei- stungsfähigkeit umzulegen.
§ 17. Die Synode ist gehalten, sich nach erfolgter Konstituierung vor Be-
ginn ihrer weitern Verhandlungen eine Geschäftsordnung zu geben. IV. Der Synodalrat
§ 18. Der Synodalrat ist die vorberatende, vollziehende und verwaltende
Behörde der Kirchengemeinschaft.
§ 19.
1 Der Synodalrat besteht aus 11 Mitgliedern, dem Bischof, 4 andern Geistlichen und 6 Laien..
1 )
2 Über den Wirkungskreis und die innere Einrichtung des Synodalrates sowie über die Befugnisse der Suppleanten wird ein von der Synode zu erlassendes Reglement das Nähere festsetzen.
§ 20.
1 Die Mitglieder des Synodalrates werden auf 2 Jahre durch die Syn- ode mit absoluter Majorität gewählt.
2 Sie sind wiederwählbar und können innerhalb der Amtsdauer auf moti- vierten Antrag durch die Synode abberufen werden.
3 Scheidet in der Zeit von einer Synode zur andern ein Mitglied aus, so ist durch die nächstfolgende Synode die Ersatzwahl vorzunehmen. V. Die geistlichen Personen
1. Der Bischof
§ 21. Der Bischof hat innerhalb der durch diese Verfassung gezogenen
Grenzen alle Rechte und Pflichten, welche nach christkatholischem Begrif- fe dem Episkopate beigelegt, insbesondere jedoch diejenigen, welche ihm von der Nationalsynode übertragen werden.
§ 22. Sofort nach Annahme der Wahl legt der Gewählte vor der Synode,
beziehungsweise vor seinen Wählern oder ihren Vertretern, das feierliche Gelöbnis gewissenhafter Pflichterfüllung ab, dessen wörtlicher Inhalt durch eine besondere Verordnung der Synode bestimmt werden soll. _______________
1 ) Abs. 1 Fassung von 1956 (82. Synode).
5
§ 23. Über die Wahl von Hilfsbischöfen und deren Befugnisse wird die
Synode zu geeigneter Zeit eine Schlussnahme treffen.
§ 24.
1 Der Bischof kann wegen Verletzung seiner Pflichten von der Natio- nal-Synode zur Verantwortung gezogen und durch eine Mehrheit von 2/3 der Stimmen seines Amtes enthoben werden.
2 Vorbehalten bleiben auch hier die staatlichen Gesetze und Verordnun- gen.
§ 25. Bei Erledigung des bischöflichen Amtes besorgt ein Hilfsbischof oder
in Ermangelung eines solchen ein anderer vom Synodalrat bezeichneter Priester die Funktionen eines Bistumsverwesers.
2. Die Pfarrer und Hilfsgeistlichen
§ 26. Wer zum Priester geweiht werden will, muss im Besitze eines Fähig-
keitszeugnisses sein, das nach den Vorschriften einer kantonalen Gesetz- gebung oder nach Massgabe eines bezüglichen von der Synode zu erlas- senden Reglementes ausgestellt ist.
§ 26
bis
. Die Fähigkeit zur Bekleidung geistlicher Amtsstellen ist nicht davon abhängig, ob der betreffende Priester verheiratet oder unverheiratet sei.
1 )
§ 27. Wahlfähig als Priester ist, wer:
a) die Priesterweihe empfangen hat; b) sich über bürgerliche Rechtsfähigkeit und unbescholtene Sitten auszu- weisen vermag; c) den Nachweis genügender wissenschaftlicher Befähigung leistet.
2 Die Genehmigung des Ausweises über die Wahlfähigkeit steht dem Syn- odedalrate zu.
§ 28.
1 Die Pfarrer werden nach den in der Schweiz bestehenden staatli- chen Gesetzen und Verordnungen gewählt.
2 Der Bischof oder ein Stellvertreter desselben führt den Gewählten zum Zeichen der Kirchengemeinschaft in sein Amt ein; verweigert der Bischof die Einführung, so hat darüber die Synode zu entscheiden. C. Revision der Verfassung
§ 29. Eine Revision dieser Verfassung kann jederzeit auf Beschluss der
Mehrheit der National-Synode vorgenommen werden. ________________
1 ) Fassung von 1876 (2. Synode).
6 D. Übergangsbestimmungen
§ 30. Das Zentralkomitee des Schweizerischen Vereins freisinniger Katholi-
ken wird beauftragt: a) vorliegende Kirchenverfassung der Bundesregierung und den betref- fenden Kantonsregierungen mitzuteilen; b) mit den Kantonsregierungen über ihre Mitwirkung bei der Wahl des Bischofs sowie über die Dotierung desselben zu unterhandeln; c) bei den Regierungen dahin zu wirken, dass für Studierende der katho- lischen Theologie eine gemeinsame Prüfungskommission aufgestellt werde; d) beförderlichst die nötigen Massnahmen zur Vollziehung dieser Verfas- sung, insbesondere zur Vornahme der Synodalwahlen, zu treffen. Vom Regierungsrat des Kantons Solothurn am 7 April 1875 und 14. Sep- tember 1876 genehmigt
Feedback