Einführungsgesetz über die Behörden und das Verfahren in Mietsachen
                            216.3  Einführungsgesetz über die Behörden  und das Verfahren in Mietsachen  v  om 25. Januar 2001  1)  Der Kantonsrat des Kantons Zug,  gestützt auf Art. 274 des Schweizerischen Obligationenrechts vom 30. März  1911  2)  (OR) und auf § 41 Bst. b der Verfassung des Kantons Zug vom 31. Ja-  nuar 1894  3)  ,  beschliesst:  1. Abschnitt  Organisation und Zuständigkeit der Schlichtungsbehörde  § 1  Organisation  Kantonale  Schlichtungsbehörde  gemäss  Art.  274a  OR  ist  die  Schlich-  tungsbehörde in Mietsachen.  § 2  Zusammensetzung  1  Die  Schlichtungsbehörde  besteht  aus  mindestens  13  nebenamtlichen  Mitgliedern:  a)   drei  Mitglieder  sind  Vorsitzende, die  Gewähr  für  eine  unabhängige  Be-  handlung der Verfahren bieten;  1)  GS 27, 81  2)  SR 220  3)  BGS 111.1
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            216.3  b)  mindestens  je  fünf  Mitglieder  vertreten  die  Interessen  der  Mieter-  bzw.  Ve  rmieterschaft.  2  Wählbar sind die in schweizerischen Angelegenheiten Stimmberechtig-  ten. Die Amtsdauer der Mitglieder beträgt vier Jahre.  3  Die Volkswirtschaftsdirektion bestimmt die Präsidentin oder den Präsi-  denten sowie zwei Vizepräsidentinnen bzw. Vizepräsidenten. Je mindestens  fünf Mitglieder werden ihr von den entsprechenden Organisationen als Ver-  tretung der Mieter- bzw. Vermieterschaft zur Wahl vorgeschlagen.  § 3  Zuständigkeit  1  Die Schlichtungsbehörde ist zuständig für die Behandlung aller Streitig-  k  eiten  aus  Miete  und  nichtlandwirtschaftlicher  Pacht  von  Wohn-  und  Ge-  schäftsräumen sowie von unbeweglichen Sachen.  2  Diese Streitigkeiten müssen vor einer gerichtlichen Austragung bei der  Schlichtungsbehörde anhängig gemacht werden.  3  Die Schlichtungsbehörde amtet als Schiedsgericht, wenn es die Parteien  ve  rlangen.  § 4  W  eitere Aufgaben  Die  Schlichtungsbehörde  ist  zusätzlich  zu  den  Aufgaben,  die  ihr  das  Bundesrecht überträgt, für Folgendes zuständig:  a)   sie  genehmigt  die  Formulare  zur  Mitteilung  der  Kündigung  (Art.  266l  Abs. 2 OR und Art. 298 Abs. 2 OR), der Mietvertragsänderung (Art. 269d  OR) und gegebenenfalls des Anfangsmietzinses (Art. 270 Abs. 2 OR);  b)  sie sorgt dafür, dass die amtlichen Formulare gemäss § 26 dieses Gesetzes  in den Gemeindekanzleien aufliegen (Art. 9 Abs. 2 und 19 Abs. 4 der Ver-  ordnung  über  die  Miete  und  Pacht  von  Wohn-  und  Geschäftsräumen  [VMWG])  1)  ;  c)   sie veröffentlicht ihre Zusammensetzung und Zuständigkeit halbjährlich  im Amtsblatt (Art. 22 Abs. 2 VMWG);  d)  sie erstattet dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement halbjähr-  lich Bericht über ihre Tätigkeit (Art. 23 Abs. 1 VMWG);  e)   sie übernimmt weitere ihr von der Volkswirtschaftsdirektion zugewiesene  Aufgaben.  1)  SR 221.213.11
                        
                        
                    
                    
                    
                § 5 Sekretariat
                            Die Schlichtungsbehörde führt ein Sekretariat, das die juristische und ad-  ministrative Geschäftsführung besorgt.  § 6  Au  fsicht  Die  Schlichtungsbehörde  untersteht  der  Aufsicht  der  Volkswirtschafts-  direktion.  2. Abschnitt  V  erfahren vor der Schlichtungsbehörde  § 7  Einleitung des Verfahrens  1  Das Gesuch um ein Schlichtungsverfahren ist schriftlich bei der Schlich-  tungsbehörde einzureichen.  2  In besonderen Fällen kann das Gesuch mündlich gestellt werden. Dabei  ist das Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbu-  ches für den Kanton Zug (EG ZGB)  1)  sinngemäss anzuwenden.  3  Das  Gesuch  muss  die  Bezeichnung  der  Parteien,  das  Rechtsbegehren  und eine kurze Begründung enthalten. Dem Gesuch sind die erforderlichen  Unterlagen beizulegen.  § 8  Schriftenwechsel und Vorladung  1  Zur Vorbereitung der Schlichtungsverhandlung ist ein Schriftenwechsel  durchzuführen. Die Behörde kann die Parteien auffordern, innert Frist ergän-  zende Unterlagen einzureichen.  2  Die  Schlichtungsbehörde  lädt  die  Parteien  zur  Verhandlung  vor  und  macht sie auf die Säumnisfolgen gemäss § 13 dieses Gesetzes aufmerksam.  § 9  Ve  rtretung  1  Zur Schlichtungsverhandlung müssen die Parteien in der Regel persön-  lich  erscheinen.  Ist  einer  Partei  das  Erscheinen  aus  triftigen  Gründen  nicht  möglich, kann sie sich vertreten lassen.  1)  BGS 211.1  216.3
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            216.3  2  Der  Beizug  einer  Rechtsvertretung  ist  der  Gegenpartei  so  rechtzeitig  mitzuteilen, damit  auch  sie  eine  Vertretung  beiziehen  kann.  Die  Ansetzung  einer neuen Verhandlung zu diesem Zweck ist nicht zulässig.  § 10  Schlichtungsverhandlung  1  Die Verhandlung ist nicht öffentlich.  2  Die  Behörde  amtet  in  Dreierbesetzung,  bestehend  aus  der  oder  dem  Vo  rsitzenden und je einer Vertreterin oder einem Vertreter der Mieter- bzw.  Ve  rmieterschaft.  3  Die oder der Vorsitzende leitet die Verhandlung. Die Vertreterin oder der  Ve  rtreter des Sekretariats hat beratende Stimme.  4  Die Mitglieder sind verpflichtet, ihr Stimmrecht auszuüben und an allen  Abstimmungen teilzunehmen. Die Mehrheit der Stimmen entscheidet.  § 11  Ermittlung des Sachverhalts  1  Die Behörde stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest.  2  Sie würdigt die eingereichten Unterlagen und kann die Parteien formlos  befragen. Weitere Beweismittel sind nicht zulässig.  § 12  Protokoll  Über  die  Verhandlung  wird  ein  Protokoll  geführt,  welches  mindestens  Aufschluss gibt über das Datum der Verhandlung, die Besetzung der Behör-  de, die Parteien sowie das Ergebnis der Verhandlung.  § 13  A  usbleiben einer Partei  1  Bleibt die gesuchstellende Partei der Verhandlung ohne genügende Ent-  schuldigung fern, so wird das Verfahren infolge Rückzugs am Protokoll ab-  geschrieben.  2  Bleibt  die  gesuchgegnerische  Partei  ohne  genügende  Entschuldigung  fern, so gilt die Verhandlung als gescheitert.  3  Ist die Behörde zum Entscheid befugt und erscheint eine Partei ohne ge-  nügende Entschuldigung nicht zur Verhandlung, so entscheidet die Behörde  aufgrund der vorliegenden Unterlagen und der Ausführungen der erschiene-  nen Partei.
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            4  In  gleicher  Weise  wird  verfahren,  wenn  die  gesuchgegnerische  Partei  unbekannt abwesend ist oder sich im Ausland aufhält, ohne in der Schweiz  eine Vertretung bestellt zu haben.  5  Die ausgebliebene Partei hat in der Regel keinen Anspruch auf Wieder-  aufnahme des Schlichtungsverfahrens.  § 14  Ve  r  gleich  1  K  ommt an der Verhandlung ein Vergleich zu Stande, so wird dieser den  Pa  rteien mit Beschluss schriftlich mitgeteilt.  2  Eine vor der Schlichtungsbehörde zu Stande gekommene Einigung gilt  als gerichtlicher Vergleich.  § 15  Entscheid  K  ommt  keine  Einigung  zu  Stande,  so  fällt  die  Behörde  in  den  vom  Bundesrecht vorgesehenen Fällen einen Entscheid, der den Parteien schrift-  lich zu eröffnen ist.  § 16  Übrige Fälle  In den übrigen Fällen stellt die Behörde mit Beschluss das Scheitern der  V  erhandlung fest. Weitere prozesserledigende Verfügungen bleiben vorbehal-  ten.  § 17  Beschluss und Entscheid  Der Beschluss oder Entscheid ist mit den Unterschriften der oder des Vor-  sitzenden und der Sekretärin oder des Sekretärs zu versehen und den Parteien  in der Regel innert 14 Tagen nach erfolgter Verhandlung mit eingeschriebe-  ner Post zuzustellen.  § 18  K  osten  1  Das Verfahren vor der Schlichtungsbehörde ist kostenlos. Parteientschä-  digungen werden nicht zugesprochen.  2  Bei  mutwilliger  Prozessführung  und  trölerischem  Verhalten  kann  die  fehlbare Partei zur gänzlichen oder teilweisen Übernahme der Verfahrenskos-  ten  und  zur  Leistung  einer  Entschädigung  an  die  Gegenpartei  verpflichtet  werden.  216.3
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            216.3  3  Amtet  die  Schlichtungsbehörde  als  Schiedsgericht,  so  werden  Kosten  und Parteientschädigungen auferlegt. Im Übrigen gelangen die Bestimmun-  gen des Konkordats über die Schiedsgerichtsbarkeit  1)  zur Anwendung.  § 19  Ergänzendes Recht  Soweit dieses Gesetz keine Regelung enthält, sind die Bestimmungen der  Zivilprozessordnung für den Kanton Zug  2)  und des Gesetzes über die Organi-  sation der Gerichtsbehörden  3)  sinngemäss anwendbar.  3. Abschnitt  Gerichtliches Verfahren  § 20  Einleitung erstinstanzlicher Prozesse  1  Die unterlegene Partei ist berechtigt, innert 30 Tagen ab Eröffnung des  Entscheids  der  Schlichtungsbehörde  beim  Kantonsgerichtspräsidium  (Ein-  zelrichter  im  summarischen  Verfahren)  Klage  einzureichen.  Sinngemäss  anwendbar sind die Bestimmungen über das summarische Verfahren gemäss  §§ 126 ff. ZPO.  2  In den andern Fällen ist diejenige Partei, die auf ihrem Begehren beharrt,  berechtigt, innert 30 Tagen nach dem gescheiterten Einigungsversuch vor der  Schlichtungsbehörde bei der zuständigen gerichtlichen Instanz Klage einzu-  reichen. Anwendbar sind die Bestimmungen über das beschleunigte Verfah-  ren gemäss § 58 ZPO.  4. Abschnitt  W  eitere Bestimmungen  § 21  Au  sweisung  Das Kantonsgerichtspräsidium ist Ausweisungsbehörde gemäss Art. 274g  und Art. 301 OR.  1)  BGS 222.4, Anhang  2)  BGS 222.1  3)  BGS 161.1
                        
                        
                    
                    
                    
                § 22 Retentionsrecht
                            Die Betreibungsämter der Gemeinden sind zuständige Amtsstellen für die  Geltendmachung des Retentionsrechts gemäss Art. 268b Abs. 1 OR und Art.  299c OR.  § 23  Hinterlegung  1  Die   Zuger   Kantonalbank   ist   Hinterlegungsstelle   gemäss   Art. 259g  Abs. 1 und Art. 288 Abs. 1 OR.  2  Nach  rechtskräftiger  Erledigung  des  Verfahrens  hat  die  Bank  den  Par-  teien  gegen  Vorweisung  des  Beschlusses  über  den  Vergleich  oder  des  Ent-  scheids denjenigen Betrag zu erstatten, der ihnen von der Schlichtungsbehör-  de oder vom Gericht zugesprochen wurde.  § 24  Bekanntgabe richterlicher Urteile  1  Die  zuständigen  kantonalen  Gerichte  haben  gemäss  Art.  23  Abs.  2  VMWG ein Doppel der Urteile über angefochtene Mietzinse und andere For-  derungen der Vermieterschaft dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdeparte-  ment zuzustellen.  2  Die  kantonalen  Gerichte  stellen  der  Schlichtungsbehörde  die  miet-  rechtlichen Urteile und Entscheide regelmässig und in geeigneter Form zu.  § 25  Beratung in Mietsachen  Die  Volkswirtschaftsdirektion  organisiert  eine  kantonale  Beratung  in  Mietsachen, welche ihre Dienste unabhängig von der Schlichtungsbehörde in  Mietsachen anbietet. Ort und Zeit der Beratung werden öffentlich bekanntge-  macht. Die Kosten gehen zu Lasten des Kantons.  § 26  Amtliche Formulare  Die Volkswirtschaftsdirektion erlässt die amtlichen Formulare zur Mittei-  lung  der  Kündigung  (Art.  266 l  Abs.  2  OR  und  Art.  298  Abs.  2  OR)  sowie  Mietvertragsänderung/Anfangsmietzins  (Art.  269d  OR  und  Art.  270  Abs.  2  OR) und legt allfällige Abgabepreise fest.  216.3
                        
                        
                    
                    
                    
                
                            216.3  § 27  Fo  rmular Anfangsmietzins  1  Im Fall von Wohnungsmangel ist die Verwendung des Formulars gemäss
                        
                        
                    
                    
                    
                Art. 269d OR beim Abschluss eines neuen Mietvertrages obligatorisch. 2 W ohnungsmangel gemäss Art. 270 Abs. 2 OR liegt vor, wenn im ganzen Kanton der offizielle Leerwohnungsbestand, welcher im Auftrag des Bun- desamts für Statistik von der zuständigen kantonalen Amtsstelle ermittelt und halbjährlich im Amtsblatt publiziert wird, 1,5 % oder weniger beträgt. 5. Abschnitt
                            Übergangs- und Schlussbestimmungen  § 28  Änderung bisherigen Rechts  1.   Das Gesetz betreffend die Einführung des Schweizerischen Obligationen-  rechts für den Kanton Zug vom 30. Juni 1938  1)  wird wie folgt geändert:  –§ 1  bis  :  aufgehoben  2.   Die Zivilprozessordnung für den Kanton Zug vom 3. Oktober 1940  2)  wird  wie folgt geändert:  2)  § 29  V  ollzug  1  Die Volkswirtschaftsdirektion kann weitere zum Vollzug dieses Gesetzes  erforderliche Weisungen erlassen.  2  Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes gelten dessen Bestimmungen für alle  v  or der Schlichtungsbehörde hängigen Verfahren.  § 30  Inkrafttreten  Dieses Gesetz bedarf der Genehmigung des Bundes. Es tritt nach Geneh-  migung  durch  den  Bund  und  nach  unbenützter  Referendumsfrist  (§ 34  der  Kantonsverfassung) oder nach der Annahme durch das Volk am Tag nach der  V  eröffentlichung im Amtsblatt in Kraft  3)  .  V  om Bund genehmigt am 14. März 2001  1)  GS 13, 577 (BGS 216.1)  2)  Die Änderungen sind in der ZPO publiziert.  3)  Inkrafttreten am 7. April 2001