Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Lettlan... (0.360.487.1)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Lettland über die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Kriminalität

Abgeschlossen am 23. Mai 2005 Von der Bundesversammlung genehmigt am 24. März 2006¹ In Kraft getreten durch Notenaustausch am 26. Juli 2006 (Stand am 3. Januar 2007) ¹ AS 2007 17
Die Schweizerische Eidgenossenschaft und die Republik Lettland,
nachfolgend die Vertragsparteien genannt,
in der Absicht, einen Beitrag zur Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen zu leisten,
in der Überzeugung, dass die polizeiliche Zusammenarbeit bei der Bekämpfung und effektiven Verhinderung der Kriminalität, insbesondere der organisierten Kriminalität, des illegalen Handels mit Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und Vor­läuferchemikalien sowie des Terrorismus, von wesentlicher Bedeutung ist,
im Bestreben, die bestehende polizeiliche Zusammenarbeit zwischen den schweizerischen und lettischen Behörden zu konkretisieren und zu ergänzen,
in der Achtung der Rechte und Pflichten der Angehörigen beider Vertragsparteien sowie
in Beachtung der internationalen Verpflichtungen und der nationalen Rechtsvorschriften,
sind wie folgt übereingekommen:

Titel I Zweck des Abkommens

Art. 1
Dieses Abkommen dient der Verstärkung der bilateralen Polizeizusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien bei der Verhinderung, Entdeckung und Aufklärung von strafbaren Handlungen, insbesondere durch den Austausch von strategischen und operativen Informationen sowie durch regelmässige Kontakte zwischen den Vertragsparteien auf allen Ebenen.

Titel II Anwendungsbereich

Art. 2 Vom Abkommen erfasste Kriminalitätsbereiche
Die Zusammenarbeit nach Massgabe dieses Abkommens bezieht sich auf alle Kriminalitätsbereiche, vorwiegend jedoch auf:
a. organisierte Kriminalität;
b. Terrorismus und andere damit zusammenhängende Straftaten;
c. Menschenhandel und Menschenschmuggel;
d. sexuelle Straftaten gegen Kinder;
e. illegalen Handel mit Betäubungsmitteln, psychotropen Stoffen und Vor­läuferchemikalien;
f. illegale Beschaffung, illegalen Besitz und Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen, chemischen, biologischen, radioaktiven und nuklearen Materialien, Gütern und Technologien von strategischer Wichtigkeit oder mit militärischer Technologie;
g. Straftaten gegen Objekte von kulturhistorischer Bedeutung;
h. Fälschung oder Verfälschung von Geld, Zahlungsmitteln und Dokumenten;
i. Wirtschaftskriminalität;
j. Geldwäscherei;
k. Straftaten im Zusammenhang mit Motorfahrzeugen;
l. Korruption;
m. Computerkriminalität.
Art. 3 Ausschluss der Zusammenarbeit
1.  Ist eine Vertragspartei der Auffassung, dass die Erfüllung eines Hilfeersuchens oder eine sonstige Massnahme auf Grund dieses Abkommens ihre Souveränität beeinträchtigen, ihre Sicherheit oder andere wesentliche Interessen gefährden oder ihre Rechtsvorschriften sowie ihre Verpflichtungen aus internationalen Übereinkünften verletzen könnte, so kann die betreffende Vertragspartei die Hilfe oder die Durchführung der Massnahme im konkreten Fall ganz oder teilweise verweigern oder an die Erfüllung bestimmter Bedingungen knüpfen, an welche die andere Vertragspartei gebunden ist.
2.  Wird ein Ersuchen ganz oder teilweise abgelehnt, so informiert die ersuchte Vertragspartei die ersuchende Vertragspartei unverzüglich schriftlich und unter kurzer Angabe der Gründe.
Art. 4 Anwendbares Recht
Die Zusammenarbeit nach diesem Abkommen erfolgt auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts der Vertragsparteien sowie nach Massgabe der Vorschriften des internationalen Rechts.

Titel III Formen der Zusammenarbeit

Art. 5 Informationsaustausch
Die Vertragsparteien unterstützen einander durch den Austausch personenbezogener und nicht personenbezogener Daten und Materialien, insbesondere durch:
a. die Übermittlung von Informationen über strafbare Handlungen, Täter und weitere mit einer Straftat im Zusammenhang stehende Personen sowie über die Tatbegehungsweise und die getroffenen Massnahmen;
b. den Austausch von Beweismitteln oder Informationen über Gegenstände, die einen Zusammenhang mit einer Straftat aufweisen;
c. die Übermittlung von Erfahrungen und Erkenntnissen über neue Formen der Kriminalität;
d. den regelmässigen Austausch allgemeiner Lageanalysen;
e. die Unterrichtung über vorgesehene Aktionen und Spezialeinsätze, die für die andere Vertragspartei von Interesse sind;
f. die gegenseitige Unterrichtung über die für die Zusammenarbeit relevanten Vorschriften des innerstaatlichen Rechts.
Art. 6 Gemeinsame Arbeitsgruppen
Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können bei Bedarf operative Arbeitsgruppen bilden, in denen Beamte der einen Vertragspartei bei Einsätzen auf dem Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ohne Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse beratend und unterstützend tätig werden.
Art. 7 Koordination der Zusammenarbeit
1.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien stellen, soweit erforderlich, ein koordiniertes Vorgehen bei der Planung oder Umsetzung besonderer Ermittlungstechniken und operativer Einsätze wie kontrollierte Lieferung, Observation und verdeckte Ermittlung auf ihren jeweiligen Hoheitsgebieten sicher.
2.  Im Rahmen ihrer Zuständigkeiten koordinieren die Behörden Massnahmen zur Gewährleistung des Zeugen- und Opferschutzes sowie des Schutzes anderer Personen, um eine im Einzelfall bestehende Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit, Willensbildung und -betätigung abzuwehren.
3.  Die zuständigen Behörden koordinieren die Planung und Durchführung gemeinsamer Programme der Verbrechensprävention.
4.  Die zuständigen Behörden legen im Einzelfall gemeinsam fest, ob die Umsetzung dieses Artikels eine besondere Kostenaufteilung rechtfertigt.
Art. 8 Aus- und Weiterbildung
1.  Die Vertragsparteien unterstützen einander bei Massnahmen im Bereich der Aus- und Weiterbildung, insbesondere durch:
a. die Durchführung gemeinsamer Seminare, Übungen und Trainingskurse;
b. die Schulung von Spezialistinnen und Spezialisten;
c. den Austausch von Fachleuten und Schulungskonzepten;
d. die Teilnahme von Beobachtern an Übungen.
2.  Die Vertragsparteien organisieren die Aus- und Weiterbildung soweit möglich in der Sprache der anderen Vertragspartei oder in englischer Sprache.
Art. 9 Verfahren und Kosten
1.  Ersuchen um Information, um Koordination von Massnahmen oder andere Ersuchen um Hilfeleistung sind in schriftlicher Form zu stellen und zu begründen. In dringenden Fällen kann ein Ersuchen auch mündlich mit anschliessender unverzüglicher schriftlicher Bestätigung gestellt werden.
2.  Die Hilfeleistung erfolgt direkt zwischen den zuständigen Behörden, sofern ein Ersuchen oder dessen Erledigung nach dem nationalen Recht nicht den Justizbehörden vorbehalten ist. Ist die ersuchte Polizeibehörde für die Erledigung nicht zuständig, so leitet sie das Ersuchen an die zuständige Behörde weiter.
3.  Die zuständigen Behörden können einander auf eigene Initiative im Einzelfall Informationen zukommen lassen, die für den Empfänger zur Unterstützung bei der Abwehr von konkreten Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder zur Bekämpfung von Straftaten notwendig erscheinen.
4.  Die zuständigen Behörden der ersuchten Vertragspartei beantworten ein Ersuchen nach Absatz 1 so rasch wie möglich. Die ersuchte Behörde kann soweit erforderlich weitere Informationen anfordern.
5.  Die Kosten für die Bearbeitung und Erledigung eines Ersuchens werden von der ersuchten Vertragspartei getragen, sofern nach Artikel 7 Absatz 4 nichts anderes vereinbart wird.

Titel IV Polizeiattachés

Art. 10
1.  Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können in gegenseitigem Einvernehmen befristet oder unbefristet Polizeiattachés auf dem Gebiet der anderen Vertragspartei stationieren, wo sie den Status von diplomatischen Vertretern im Sinne des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961² über diplomatische Beziehungen haben.
2.  Die Entsendung von Polizeiattachés hat zum Ziel, die Zusammenarbeit zu fördern und zu beschleunigen, insbesondere durch die Unterstützung bei polizeilicher und justizieller Rechtshilfe in Strafsachen.
3.  Die Polizeiattachés sind ohne Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse beratend und unterstützend tätig. Sie sind nicht zur selbständigen Durchführung von polizei­lichen Massnahmen berechtigt. Sie erteilen Informationen und erledigen ihre Aufträge im Rahmen der von der entsendenden Vertragspartei erteilten Weisungen.
² SR 0.191.01

Titel V Datenschutz, Klassifizierung und Weitergabe von Daten an Drittstaaten

Art. 11 Datenschutz
Der Schutz der auf Grund dieses Abkommens übermittelten personenbezogenen Daten richtet sich unter Beachtung der für die Vertragsparteien jeweils geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter Berücksichtigung der internationalen Verpflichtungen nach den folgenden Bestimmungen:
a. Sensitive Daten über Einzelpersonen und Persönlichkeitsprofile im Sinne von Artikel 6 des Übereinkommens zum Schutz des Menschen bei der auto­matischen Verarbeitung personenbezogener Daten (Strassburg, 28. Januar 1981³) können nur übermittelt werden, wenn es unbedingt erforderlich ist, und nur gemeinsam mit anderen Daten.
b. Die Verwendung der Daten durch die empfangende Vertragspartei ist nur zu den in diesem Abkommen aufgeführten Zwecken und nur unter den von der übermittelnden Vertragspartei vorgegebenen Bedingungen zulässig. Die empfangende Vertragspartei darf die Daten nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei für andere Zwecke verwenden.
c. Die empfangende Vertragspartei unterrichtet die übermittelnde Vertragspartei auf Ersuchen über die Verwendung der übermittelten Daten und über die damit erzielten Ergebnisse.
d. Daten dürfen ausschliesslich von Justiz- oder Polizeibehörden oder einer anderen von den Vertragsparteien bezeichneten Behörde zur Bekämpfung der Kriminalität verwendet werden. Die Vertragsparteien übermitteln einander entsprechende Listen. Für die Weitergabe an andere Stellen ist die vorgän­gige schriftliche Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei erforderlich.
e. Die übermittelnde Vertragspartei ist verpflichtet, auf die Richtigkeit der zu übermittelnden Daten sowie auf die Notwendigkeit und Verhältnismässigkeit unter Berücksichtigung des verfolgten Zweckes zu achten. Erweist sich, dass unrichtige Daten oder Daten, die nicht hätten übermittelt werden dürfen, übermittelt worden sind, so ist dies dem Empfänger unverzüglich mitzuteilen. Dieser ist verpflichtet, die Daten sofort zu berichtigen oder zu vernichten.
f. Die von der Datenübermittlung betroffene Person hat das Recht, Auskunft über die sie betreffenden Daten und deren Verwendungszweck zu verlangen. Für die Auskunftserteilung gilt das innerstaatliche Recht der Vertragspartei, bei der der Antrag gestellt wird. Einem Begehren wird nur nach schriftlicher Einwilligung der anderen Vertragspartei entsprochen.
g. Die übermittelnde Vertragspartei kann, soweit erforderlich, bei der Übermittlung auf die nach ihrem innerstaatlichen Recht geltenden Löschungsfristen hinweisen. Unabhängig von diesen Fristen sind die übermittelten Daten zu löschen, sobald sie für den Zweck, für den sie übermittelt worden sind, nicht mehr benötigt werden. Die empfangende Vertragspartei informiert die übermittelnde Vertragspartei über die Löschung von Daten und deren Gründe. Im Falle einer Beendigung dieses Abkommens sind alle auf Grund dieses Abkommens übermittelten Daten zu löschen.
h. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die Übermittlung, den Empfang und die Löschung von Daten aktenkundig festzuhalten.
i. Im Rahmen ihrer Haftung nach Massgabe des innerstaatlichen Rechts kann sich eine Vertragspartei im Verhältnis zum Geschädigten zu ihrer Entlastung nicht darauf berufen, dass die andere Vertragspartei unrichtige Daten oder Daten rechtswidrig übermittelt hat. Leistet die Vertragspartei Schadenersatz wegen eines Schadens, der durch die Verwendung unrichtiger oder rechtswidrig übermittelter Daten verursacht wurde, so erstattet die übermittelnde Vertragspartei der empfangenden Vertragspartei den Gesamtbetrag des geleisteten Ersatzes.
j. Die Vertragsparteien sind verpflichtet, die übermittelten Daten wirksam gegen unbefugten Zugang sowie gegen unbefugte Veränderung und Bekanntgabe zu schützen.
³ SR 0.235.1
Art. 12 Schutz klassifizierter Informationen und Weitergabe an Drittstaaten
1.  Die übermittelnde Vertragspartei legt bei der Weitergabe von Informationen, die nach Massgabe ihrer Rechtsvorschriften klassifiziert sind, Bedingungen für den Umgang mit diesen fest. Die andere Vertragspartei gewährleistet den verlangten Schutz.
2.  Klassifizierte Informationen dürfen nur mit vorgängiger schriftlicher Zustimmung der übermittelnden Vertragspartei an Drittstaaten weitergegeben werden.

Titel VI Schlussbestimmungen

Art. 13 Zuständige Behörden
1.  Zuständig für den Vollzug dieses Abkommens sind in der Schweizerischen Eidgenossenschaft das Bundesamt für Polizei des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements und in der Republik Lettland das Innenministerium. Diese Behörden sind entsprechend ihren Zuständigkeiten befugt, direkt und operativ zusammenzuarbeiten.
2.  Die zuständigen Behörden übermitteln einander 30 Tage nach Inkrafttreten dieses Abkommens die relevanten Adressen, Telefon- und Faxnummern sowie andere Verbindungen und benennen soweit möglich Kontaktpersonen mit Kenntnissen der Sprache der anderen Vertragspartei.
3.  Die zuständigen Behörden zeigen einander Änderungen der Zuständigkeiten oder Bezeichnungen der Behörden nach den Absätzen 1 und 2 an.
Art. 14 Sprache
Beim Vollzug dieses Abkommens wird die englische Sprache verwendet, wenn nichts anderes vereinbart wird.
Art. 15 Zusammenkunft von Expertinnen und Experten
Eine gemeinsame Expertengruppe aus hochrangigen Vertretern der Vertragsparteien tritt regelmässig zusammen und überprüft die Umsetzung dieses Abkommens, die Qualität der Zusammenarbeit, erörtert neue Strategien und stellt fest, ob Ergänzungs- oder Weiterentwicklungsbedarf besteht.
Art. 16 Zusatzvereinbarungen
Die zuständigen Behörden der Vertragsparteien können auf der Grundlage und im Rahmen dieses Abkommens weitere Absprachen treffen, welche die Durchführung und die Förderung der Zusammenarbeit zum Ziel haben.
Art. 17 Verhältnis zu anderen internationalen Übereinkommen
Durch dieses Abkommen werden die Verpflichtungen der Vertragsparteien aus anderen völkerrechtlichen bilateralen und multilateralen Übereinkommen, deren Partei sie sind, nicht berührt.
Art. 18 Inkrafttreten und Kündigung
1.  Dieses Abkommen tritt am Tag des Erhalts der letzten Notifikation in Kraft, in der sich die Parteien mitteilen, dass rechtlich die innerstaatlichen Voraussetzungen für das Inkrafttreten erfüllt sind.
2.  Dieses Abkommen wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Es kann von jeder Vertragspartei jederzeit durch schriftliche Mitteilung auf diplomatischem Weg gekündigt werden. Es tritt sechs Monate nach Empfang einer solchen Mitteilung ausser Kraft.
So geschehen in Riga, am 23. Mai 2005, in zwei Urschriften in deutscher und lettischer Sprache, wobei jeder Wortlaut in gleicher Weise verbindlich ist.

Für die
Schweizerische Eidgenossenschaft:

Für die
Republik Lettland:

Christoph Blocher

Ēriks Jēkabsons

Markierungen
Leseansicht