Beschluss über Arbeitsentgelt und Vergütungen für die in den Konkordatsanstalten eingewiesenen Gefangenen
Beschluss vom 25. September 2008 über Arbeitsentgelt und Vergütungen für die in den Konkordatsanstalten eingewiesenen Gefangenen Die lateinische Konferenz der in Straf - und Massnahmenvollzugsfragen zuständigen Behörden gestützt auf die Artikel 74, 75, 83, 90 Abs. 3, 372 Abs. 3 und 380 des Schweizerischen Strafgesetzbuches vom 21. Dezember 1937 (StGB); gestützt auf die Verordnung vom 19. September 2006 zum Strafgesetzbuch und zum Militärstrafgesetz (V -StGB -MStG); gestützt auf Artikel 29 des Konkordats vo m 10. April 2006 über den Vollzug der Freiheitsstrafen und Massnahmen an Erwachsenen und jungen Erwachsenen in den Kantonen der lateinischen Schweiz (Konkordat über den strafrechtlichen Freiheitsentzug an Erwachsenen); in Erwägung: Das neue Sanktionsrecht ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Es führt einige Neuheiten ein. So wurde beispielsweise der Begriff Verdienstanteil gestrichen und durch Arbeitsentgelt (Art. 83 und 90 Abs. 3 StGB) ersetzt, das nach mehreren Kriterien (erbrachte Leistungen, Arbeits qualität, Produktionsergebnis, Motivation, Schwierigkeitsgrad und Mühsamkeit der zu erfüllenden Aufgabe usw.), nicht jedoch aufgrund des Benehmens und des Verhaltens festgesetzt wird. Das Bundesrecht legt zudem den Grundsatz fest, dass die gefangene Person Anspruch auf ein Arbeitsentgelt hat. Das StGB behält für Personen, die zu einer Strafe verurteilt wurden, die Arbeitsverpflichtung bei (Art. 81 StGB), lockert diese jedoch für Verwahrte, da einige von ihnen überhaupt nicht arbeitsfähig sind (Art. 90 Abs. 3 StGB). Ausserdem ist der Gesetzgeber der Auffassung, dass die Arbeit nicht nur eine lukrative Tätigkeit im engeren Sinne, sondern auch eine Beschäftigung im weiteren Sinne darstellt (z.B. Kinderbetreuung, Haus - und Pflegearbeiten). Die Arbeit wird daher als geeignetes und notwendiges Instrument dafür betrachtet, dass die gefangene Person berufliche Fähigkeiten erwerben oder beibehalten kann; die Kantone werden die notwendigen Massnahmen zu treffen haben, damit im Rahmen des Möglichen Arbeitsplätze zur Ver fügung stehen. Was die Ausbildung
anbelangt, verankert die vorgesehene angemessene Vergütung (Art. 83 Abs.
3 StGB) die seit mehreren Jahren in der lateinischen Schweiz eingeführte Praxis, gemäss der eine anerkannte und bewilligte Ausbildung (z.B. Grundausb ildung oder Zusatzausbildung) Anrecht auf ein Arbeitsentgelt bzw. eine angemessene Vergütung verleiht. Die Kosten des Straf - und Massnahmenvollzugs gehen zu Lasten der Kantone; diese haben sie aber nicht mehr in vollem Umfang zu übernehmen; es steht ihnen frei, von den gefangenen Personen, die ein regelmässiges Entgelt beziehen, eine Beteiligung in angemessenem Umfang zu verlangen (Art. 380 StGB). Deshalb hat das Bundesrecht für die verurteilte Person die Verpflichtung vorgesehen, sich wie folgt zu beteilig en: – durch Verrechnung mit ihrer Arbeitsleistung; – nach Massgabe ihres Einkommens und Vermögens, wenn sie eine ihr zugewiesene Arbeit verweigert; – durch Abzug eines Teils des Einkommens, das sie auf Grund einer Tätigkeit im Rahmen der Halbgefangenschaft , des Arbeitsexternats oder des Arbeits - und Wohnexternats erzielt. Demnach kann für die Gefangenen im ordentlichen Strafvollzug ein Betrag von 8 Franken pro Arbeitstag als teilweise Kompensation für Unterkunft, Verpflegung und für die anderen von der Anst alt erbrachten Leistungen berechnet werden. Die gefangene Person erhält somit ein Nettoentgelt in Höhe von 25 Franken pro Arbeitstag. Diese Lösung mit der teilweisen Kompensation, dem Betrag dieses Entgelts und der Aufteilung auf drei Teile ist ebenfalls in den beiden anderen Strafvollzugskonkordaten getroffen und vom Bundesamt für Justiz nicht beanstandet worden. Das übergeordnete Organ des Konkordats hat demnach die per 1. Januar
2007 die Ausführungsbestimmungen zum geänderten Strafgesetzbuch erlassen; es hat hierfür am 27. Oktober 2006 die Empfehlung Nr. 3 erlassen, die es nun aufgrund der gemachten Erfahrungen anzupassen gilt. Auf Antrag der Konkordatskommission und der Westschweizer Kommission der Schutzaufsichtsämter vom 20. Juni 2008, beschliesst:
Art. 1 Grundsätze
1 Jede in eine Konkordatsanstalt eingewiesene gefangene Person erhält nebst der Naturalleistung (Unterkunft, Verpflegung und Betreuung) für ihre
Arbeit ein Nettoentgelt. Dasselbe gilt, wenn die gefangene Person eine von der Direktion dieser Anstalt organisierte Tätigkeit innerhalb oder ausserhalb der Anstalt verrichtet.
2 Der gefangenen Person, die an einem anerkannten Ausbildungsprogramm (z.B. Grund - oder Weiterbildung) teilnimmt, das der Strafvollzugsplan an Stelle einer Arbeit vorsieht, wird eine angemessene Vergütung entrichtet. Die f ür die Befolgung dieses Studienprogramms aufgewendete Zeit muss mindestens der täglichen Arbeitszeit entsprechen.
3 Das Entgelt und die angemessene Vergütung werden nach Massgabe der erbrachten Leistungen gemäss qualitativen und quantitativen Kriterien festgesetzt; sie werden den Umständen angepasst.
4 Vorbehalten bleiben die Situationen von gefangenen Personen im Genuss der Halbgefangenschaft, des Arbeitsexternats oder des Arbeits - und Wohnexternats (Art. 380 Ab s. 2 Bst. c StGB).
5 Die Bestimmungen des Artikels 380 Abs. 2 Bst. b StGB bleiben vorbehalten.
Art. 2 Zweck
Das der gefangenen Person entrichtete Arbeitsentgelt oder die angemessene Vergütung ve rfolgt folgende Zwecke: – Die qualitativ guten regelmässigen Leistungen für Arbeiten oder Tätigkeiten, die eines der positiven Elemente des Gefängnisregimes darstellen, sollen aufgewertet werden. – Der gefangenen Person soll ermöglicht werden, während ihre r Inhaftierung ihre persönlichen Ausgaben zu decken, ihre sozialen Verpflichtungen wahrzunehmen, ihre Familie oder ihre Angehörigen zu unterstützen, die als Wiedergutmachung zu leistenden Entschädigungen zurückzubezahlen (z.B. OHG), Ersparnisse anzulegen z ur Vorbereitung auf die Zeit des Arbeits - und Wohnexternats, der Entlassung und gegebenenfalls des Wegzugs aus der Schweiz. – Die gefangene Person soll an die Regeln der Arbeitswelt und des Lebens in der Gesellschaft gewöhnt werden. Straf - und Massnahmenvollzugs angemessen zu beteiligen.
Art. 3 Festsetzung des Arbeitsentgelts und der Vergütung
1 Das Arbeitsentgelt und die Verg ütung werden von der Anstaltsdirektion nach der Arbeitsdauer und den effektiven Leistungen im Verhältnis zur Arbeitsfähigkeit (Produktivität, Haltung am Arbeitsplatz, Zuverlässigkeit, Arbeitsmotivation, Schwierigkeitsgrad und Mühsamkeit der zu erfüllenden
Aufgabe usw.) festgesetzt. Diese Beträge können stunden - oder leistungsabhängig berechnet werden.
2 Die Gefangenen, die an Feiertagen nach kantonalem oder Bundesrecht arbeiten müssen, erhalten ein Arbeitsentgelt oder eine Vergütung, die den Umständen angep asst sind.
3 Arbeitsentgelt und Vergütung werden nicht gekürzt, wenn die gefangene Person während der ordentlichen Arbeitszeit an Unterredungen oder Zusammenkünften im Hinblick auf ihre Sozialisierung teilnehmen muss (z.B. medizinische Folgebetreuung, ther apeutische Betreuung, Besuche von Behörden oder Drittbeteiligten).
Art. 4 Streichung oder Kürzung von Arbeitsentgelt und Vergütung
1 Es wird kein Arbeitsentgelt und keine Vergütung entrichtet: – während höchstens 7 Arbeitstagen nach Eintritt in die Strafanstalt, die dem Beginn der Beurteilung und der Integration der gefangenen Person in der Anstalt zu widmen sind; – für die Zeiten im Ausgang und die Besuchszeiten mit privatem Charakter; – wenn di e gefangene Person die Arbeit verweigert oder auf Grund ihres Verhaltens keinem Arbeitsplatz zugeteilt werden kann oder eine Disziplinarsanktion verbüsst; – wenn die gefangene Person eine Krankheit simuliert oder sie die Krankheit oder den Unfall absichtli ch oder grobfahrlässig herbeigeführt hat.
2 Das Arbeitsentgelt oder die angemessene Vergütung wird nur zum Teil bzw. zur Hälfte des zuletzt festgesetzten Betrages entrichtet: – bei ärztlich bescheinigter Arbeitsunfähigkeit bzw. verminderter Arbeitsfähigkei t infolge von Krankheit oder Unfall, die länger als drei Tage dauert; – wenn der Anstalt die Möglichkeiten für eine Beschäftigungszuweisung fehlen, ohne dass dies von der gefangenen Person zu verantworten ist.
3 Ereignen sich Krankheit oder Unfall während der Zeit der Inhaftierung der gefangenen Person, so werden das reduzierte Arbeitsentgelt oder die reduzierte Vergütung während höchstens einem Jahr entrichtet, sofern sich die Person immer noch im Strafvollzug befindet.
Art. 5 Betrag des Arbeitsentgelts und der angemessenen Vergütung
1 Die Konferenz beschliesst periodisch einen Höchstbetrag pro Arbeitstag für eine gefangene Person. Am 1. Januar 2007 beläuft sich der
Bruttohöchstbetrag auf 33 Franken pro Arbeitstag. Davon sind 8 Franken pro Arbeitstag als Teilkompensation der Naturalleistungen (Unterkunft und Verpflegung, Betreuung usw.) abzuziehen.
2 Gefangene, die an Stelle von Arbeit an einem im Straf - und Massnahmenvollzugsplan vorgesehenen Aus - oder Weiterbildungsprogramm teilnehmen, erhalten eine angemessene Vergütung. In der Regel entspricht dieser Betrag dem Arbeitsentgelt, mindestens jedoch der Hälfte davon. Die Zeit, die für die Aus - und Weiterbildung aufgewendet wird, muss mindestens so l ang sein wie die tägliche Arbeitszeit.
3 Für Arbeiten, die während den Wochenenden und den Feiertagen verrichtet werden, sowie für auf Verlangen geleistete Überstunden müssen besondere Zuschläge gewährt werden. Diese Beträge werden von der Anstaltsdirektion festgesetzt.
4 Sonderzuschläge können auch denjenigen Gefangenen entrichtet werden, die verantwortungsvollere oder mühsamere Arbeiten verrichten.
5 Die Anstaltsdirektion kann bei ungenügender Arbeitsleistung oder negativer Einstellung auf dem Arbeitsentgelt oder auf der angemessenen Vergütung Abzüge vornehmen.
Art. 6 Berechnung des Arbeitsentgelts, der Vergütung und der
Zuschläge
1 Das Nettoentgelt, die Vergütung und die Zuschläge werden jeden Tag von der Anstaltsdirektion festgesetz t.
2 Arbeitsentgelt, Vergütung und Zuschläge werden in drei Teile aufgeteilt: – verfügbar (65 %); – gebunden (20 %); – gesperrt (15 %).
Art. 7 Verwendung des Arbeitsentgelts, der Vergütung und der
Zuschläge durch die gefangene Person
1 Der verfügbare Teil (65 %) kann frei verwendet werden, namentlich für: – persönliche Bedarfsartikel (gängige Gebrauchsartikel, Lebensmittel, Getränke, Tabakwaren usw.), Zeitungsabonnemente, Freizeitartikel usw.; d asselbe gilt für die Unterstützung der Familie, der Angehörigen oder für Rückzahlungen; – die Kosten und Ausgaben für Ausgangsbewilligungen; – die Radio - und Fernsehgebühren sowie die verschiedenen Kommunikationsmittel;
– die Kosten für Sondermassnahmen be i der Ausbildung (z.B. Grund - oder Weiterbildung), die nicht im Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen vorgesehen sind; – die Kosten für Beschädigungen oder Schäden, die die gefangene Person absichtlich oder grobfahrlässig angerichtet hat; dasselbe gi lt für Massnahmen, die mit Kosten verbunden sind (z.B. bei Flucht).
2 Falls nötig muss der gebundene Teil ohne Einverständnis der gefangenen Person (20 %) verwendet werden für: – die Zahlung von Entschädigungen, die dem Opfer als Wiedergutmachung zugesproc hen wurden (OHG), im Umfang von höchstens der Hälfte des im Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen festgesetzten Betrages, sowie für die Unterhaltsbeiträge, die Sozialversicherungs - (z.B. AHV/IV) und anderen Versicherungsbeiträge; – die finanzielle Be teiligung an den Kosten der im Vollzugsplan für die Strafen und Massnahmen im ordentlichen und im vorzeitigen Vollzug genehmigten Ausbildung; – die durch die Krankenversicherung nicht gedeckten Gesundheitskosten (z.B. Selbstbehalt, Anschaffung einer Brille, Kosten wegen Nichterscheinens beim Arzttermin); – die zahnmedizinischen Kosten im Umfang der von der Konferenz beschlossenen Aufteilung.
3 Der für den Übergang ins Arbeits - oder Wohnexternat gesperrte Teil (15 %), der im Hinblick auf die bedingte oder de finitive Entlassung oder für den Wegzug aus der Schweiz gespart wurde, kann von der gefangenen Person nicht abgehoben werden. Dieser Betrag wird den Organen der Bewährungshilfe zur Verfügung gestellt, wenn die betreffende Person bei ihrer Entlassung aus de r Anstalt der Betreuung durch die Organe der Bewährungshilfe, durch die Sozialfürsorgedienste oder durch die Einweisungsbehörde unterstellt ist. Letztere verfügt über die Zuteilung und den Betrag.
Art. 8 Überweisung des Arbeitsentgelts oder der angemessenen
Vergütung
1 Die Beträge werden von der Direktion jeden Monat einem für die gefangene Person eingerichteten Konto gutgeschrieben.
2 Die gefangene Person erhält eine monatliche Abrechnung. Sie w ird bei der Verwaltung dieses Geldes während der Inhaftierung durch die Anstalt oder die Organe der Bewährungshilfe oder den gesetzlichen Vertreter beraten.
3 Die gefangene Person kann im ersten Monat einen Vorschuss von höchstens 100 Franken verlangen.
Art. 9 Geld oder Wertsachen im Besitz der gefangenen Person bei
Anstaltseintritt oder im Laufe des Strafvollzugs
1 Die gefangene Person, die bei ihrem Eintritt in ein Gefängnis oder in eine Anstalt über Geld verfügt, das sie nicht für eine vorher in einer anderen Strafvollzugseinrichtung geleistete Arbeit erhalten hat, muss dieses auf einem Depotkonto der Anstalt hint erlegen. Davon abgezogen wird ein Betrag von 1000 Franken, der auf das frei verfügbare Konto einbezahlt wird. Die Anstaltsdirektion setzt die Kriterien und die Modalitäten für die Verwaltung des Depotkontos fest.
2 Diese Regeln gelten auch für die Geldbeträge, die die gefangene Person während ihres Aufenthalts im Gefängnis oder in der Anstalt erwirbt.
3 Das Geld, das eine aus einer anderen Strafvollzugseinrichtung überstellte Person mitbringt und das den Ertrag aus einer in dieser Einrichtung ausgeübten Tätigkeit darstellt, wird auf die in Artikel 6 vorgesehenen Konten aufgeteilt; die Direktion holt die Stellungnahme der betroffenen Person ein.
4 Die Wertpapiere, Aktien oder Kreditkarten, deren Eigentümer die gefange ne Person ist, werden gegen Quittung bei der Anstalt hinterlegt; diese bewahrt sie auf bis zur Überstellung oder Entlassung der betroffenen Person.
Art. 10 Schlussbestimmungen
1 Mit diesem Besc hluss wird die Empfehlung Nr. 3 vom 27. Oktober 2006 über Arbeitsentgelt und Vergütungen für die in die Konkordatsanstalten eingewiesenen Gefangenen aufgehoben.
2 Die Konferenz lädt die Kantonsregierungen der lateinischen Schweiz ein, ihre kantonalen Regel ungen über Arbeitsentgelt und Vergütungen, die den gefangenen Personen entrichtet werden, anzupassen.
3 Dieser Beschluss tritt am 1. November 2008 in Kraft.
4 Er wird auf der Internetseite der Konferenz veröffentlicht.
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