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DE - Landesrecht Mecklenburg-Vorpommern

Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder

Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder
Zum 15.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Staatsvertrag über die Einrichtung einer Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder23.02.2012
Eingangsformel23.02.2012
Artikel 1 - Einrichtung der Gemeinsamen Stelle23.02.2012
Artikel 2 - Aufgaben und Befugnisse im Falle einer Weisung der Führungsaufsicht23.02.2012
Artikel 3 - Datenschutzrechtliche Bestimmungen23.02.2012
Artikel 4 - Weitere Einsatzzwecke23.02.2012
Artikel 5 - Besetzung der GÜL23.02.2012
Artikel 6 - Ausstattung23.02.2012
Artikel 7 - Finanzierung23.02.2012
Artikel 8 - Geltungsdauer, Kündigung23.02.2012
Artikel 9 - Beitritt weiterer Länder23.02.2012
Artikel 10 - Inkrafttreten23.02.2012
Das Land Baden-Württemberg, vertreten durch den Ministerpräsidenten, dieser vertreten durch den Justizminister,
der Freistaat Bayern, vertreten durch den Ministerpräsidenten, dieser vertreten durch die Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz,
das Land Hessen, vertreten durch den Ministerpräsidenten, dieser vertreten durch den Minister der Justiz, für Integration und Europa,
und
das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch die Ministerpräsidentin, diese vertreten durch den Justizminister,
schließen folgenden Staatsvertrag:
Präambel
I.
Die Führungsaufsicht dient der Unterstützung entlassener Straftäter mit einer ungünstigen Sozialprognose bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und gleichzeitig ihrer Überwachung zur Verhinderung von neuen Straftaten. Die in § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuchs geschaffene Möglichkeit, unter Führungsaufsicht stehende verurteilte Personen einer elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu unterwerfen, ist ein Instrument, mit dem der Schutz der Bevölkerung vor rückfallgefährdeten Straftätern in Ergänzung zu anderen Maßnahmen verbessert werden soll. Zugleich kann sie der Resozialisierung von Straffälligen dienen. Das System der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ist keine Straftaten ausschließende Fesselung und ermöglicht nach der gesetzlichen Regelung auch keine anlassunabhängige permanente Echtzeitbeobachtung der Verurteilten. Daher ist sie kein Ersatz für eine geschlossene Unterbringung.
Für die Durchführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung ist eine Überwachungsstelle erforderlich, die eingehende Ereignismeldungen (beispielsweise über Weisungsverstöße oder Funktionsbeeinträchtigungen des Überwachungssystems) entgegennimmt und im Hinblick auf möglicherweise notwendige Maßnahmen der Gefahrenabwehr oder der Führungsaufsicht bewertet. Abhängig vom Ergebnis dieser Bewertung wird sie die jeweils zuständigen polizeilichen und justiziellen Stellen der Länder unterrichten oder eine Überprüfung der Funktion oder einen Austausch der Geräte bei der verurteilten Person veranlassen. Für diese Aufgaben soll eine gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder eingerichtet werden.
Bei der elektronischen Aufenthaltsüberwachung handelt es sich um eine Maßnahme der Führungsaufsicht, für die die Zuständigkeit bei den Ländern liegt.
II.
Darüber hinaus kann die elektronische Aufenthaltsüberwachung - gegebenenfalls mit Einwilligung der überwachten Person - bei Außervollzugsetzung eines Haftbefehls, im Rahmen einer Bewährungsweisung, bei Gnadenerweisen, zur Vermeidung der Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen oder von Ersatzfreiheitsstrafen, zur Überwachung vollzugsöffnender Maßnahmen oder im Rahmen der Führungsaufsicht in Fällen, die von § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuchs nicht umfasst sind, eingesetzt werden. Es bleibt den einzelnen Ländern überlassen, inwieweit sie von diesen Einsatzmöglichkeiten Gebrauch machen. Für die Durchführung der elektronischen Aufenthaltsüberwachung zu diesen Zwecken können die betroffenen Länder der Gemeinsamen elektronischen Überwachungsstelle der Länder zusätzlich Aufgaben übertragen.
III.
Die Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder arbeitet eng mit der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) zusammen, die aufgrund einer Verwaltungsvereinbarung der Länder über den Betrieb und die Nutzung eines Systems der elektronischen Aufenthaltsüberwachung vom 19. Mai 2011/29. August 2011 die Bereitstellung und den Betrieb eines technischen Systems zur elektronischen Aufenthaltsüberwachung übernommen hat. Soweit Bestimmungen dieses Staatsvertrags einer Konkretisierung bei der Umsetzung bedürfen, wird auf Regelungen in der Verwaltungsvereinbarung der Länder - insbesondere zum eingerichteten Lenkungsausschuss und vorgesehenen Abstimmungsverfahren - zurückgegriffen.

Artikel 1 Einrichtung der Gemeinsamen Stelle

(1) Die vertragsschließenden Länder bilden eine gemeinsame Stelle zur Wahrnehmung einzelner Aufgaben der elektronischen Aufenthaltsüberwachung.
(2) Die gemeinsame Stelle ist bei der „Gemeinsamen IT-Stelle der Hessischen Justiz (GIT)“ mit Sitz in Bad Vilbel angesiedelt. Die gemeinsame Stelle führt die Bezeichnung „Gemeinsame elektronische Überwachungsstelle der Länder (GÜL)“.

Artikel 2 Aufgaben und Befugnisse im Falle einer Weisung der Führungsaufsicht

(1) Die Länder übertragen der GÜL die folgenden Aufgaben im Zusammenhang mit der elektronischen Überwachung des Aufenthaltsorts von verurteilten Personen, die der Führungsaufsicht unterstehen und denen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuchs auferlegt wurde:
1.
die Entgegennahme und Bewertung eingehender Systemmeldungen über einen möglichen Verstoß gegen eine Weisung nach § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 2 oder 12 des Strafgesetzbuchs oder über eine Beeinträchtigung der Datenerhebung;
2.
die Ermittlung der Ursache einer solchen Meldung. Hierzu kann die GÜL mit der verurteilten Person Kontakt aufnehmen, sie befragen, sie auf einen Verstoß hinweisen und ihr mitteilen, wie sie dessen Beendigung bewirken kann;
3.
die Unterrichtung der Führungsaufsichtsstelle und des Bewährungshelfers über einen möglichen Verstoß gegen eine Weisung der in Nummer 1 genannten Art. Die Befugnis, Strafantrag wegen Verstoßes gegen Weisungen in der Führungsaufsicht zu stellen (§ 145a Satz 2 des Strafgesetzbuchs), steht der GÜL nicht zu;
4.
die Unterrichtung der Polizei über einen möglichen Weisungsverstoß oder eine Beeinträchtigung der Datenerhebung, soweit eine erhebliche gegenwärtige Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter (§ 463a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 der Strafprozessordnung) zu besorgen ist;
5.
die Weitergabe von Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person an die Polizei zur Abwehr einer erheblichen gegenwärtigen Gefahr für das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung Dritter (§ 463a Absatz 4 Satz 2 Nummer 4 der Strafprozessordnung);
6.
die Weitergabe von Daten über den Aufenthaltsort der verurteilten Person an Strafverfolgungsbehörden zur Verfolgung einer Straftat der in § 66 Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuchs genannten Art (§ 463a Absatz 4 Satz 2 Nummer 5 der Strafprozessordnung);
7.
die Initiierung einer Überprüfung der bei der verurteilten Person vor Ort vorhandenen technischen Geräte auf ihre Funktionsfähigkeit oder Manipulationen und der zu Behebung einer Funktionsbeeinträchtigung erforderlichen Maßnahmen, insbesondere des Austausches eines Geräts oder Geräteteils;
8.
die Beantwortung von Anfragen der verurteilten Person zum Umgang mit den bei ihr vor Ort vorhandenen technischen Geräten.
(2) Die GÜL handelt bei der Wahrnehmung der ihr nach Absatz 1 übertragenen Aufgaben im Auftrag der Aufsichtsstelle, der die Führungsaufsicht über die verurteilte Person obliegt. Sie beachtet die Vorgaben und Weisungen der Führungsaufsichtsstelle sowie die Anweisungen der Strafvollstreckungskammer (§ 68a Absatz 5 des Strafgesetzbuchs).

Artikel 3 Datenschutzrechtliche Bestimmungen

(1) Die Führungsaufsichtsstelle übermittelt der GÜL personenbezogene Daten über die verurteilte Person, soweit dies zur Erfüllung der in Artikel 2 genannten Aufgaben erforderlich ist. Die GÜL kann zu diesem Zweck nach den für die Führungsaufsicht geltenden Regelungen auch bei anderen Stellen personenbezogene Daten über die verurteilte Person erheben. Die GÜL speichert diese Daten und nutzt sie zur Erfüllung der in Artikel 2 genannten Aufgaben.
(2) Die GÜL erhebt und speichert automatisiert Daten über den Aufenthalt der verurteilten Person sowie über etwaige Beeinträchtigungen der Datenerhebung nach Maßgabe des § 463a Absatz 4 der Strafprozessordnung. Sie übermittelt diese Daten nach Maßgabe der genannten Bestimmung an andere öffentliche Stellen.
(3) Die GÜL stellt sicher, dass die bei ihr gespeicherten Daten gegen den Zugriff unbefugter Dritter geschützt sind. Sie stellt ferner sicher, dass Dritte, derer sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedient, nur die Daten zur Kenntnis erhalten, die zur Erledigung der Aufgaben erforderlich sind, die Daten nicht unbefugt weitergeben und die Aufgaben in diskriminierungsfreier Weise erfüllen.
(4) Die GÜL bedient sich bei der Erhebung und Verarbeitung der Daten der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD) nach Maßgabe der Verwaltungsvereinbarung über den Betrieb und die Nutzung eines Systems der elektronischen Aufenthaltsüberwachung (EAÜ) vom 19. Mai 2011/29. August 2011. Personenbezogene Daten im Sinne von Absatz 1 werden der HZD nur übermittelt, soweit dies für die der HZD übertragenen Aufgaben ausnahmsweise erforderlich ist oder die verurteilte Person zur Klärung technischer Fragen einwilligt.
(5) Im Übrigen findet auf die Tätigkeit der GÜL das Hessische Datenschutzgesetz in der jeweils geltenden Fassung Anwendung. Die GÜL unterliegt der Aufsicht durch den Hessischen Datenschutzbeauftragten nach Maßgabe des Hessischen Datenschutzgesetzes.

Artikel 4 Weitere Einsatzzwecke

Jedes Land kann der GÜL durch gesonderte Vereinbarung mit dem Land Hessen Aufgaben der elektronischen Überwachung des Aufenthaltsorts von Personen auch zu anderen Zwecken übertragen, insbesondere
1.
bei Außervollzugsetzung eines Haftbefehls,
2.
im Rahmen einer Bewährungsweisung,
3.
bei Gnadenerweisen,
4.
zur Vermeidung der Vollstreckung von kurzen Freiheitsstrafen oder von Ersatzfreiheitsstrafen,
5.
zur Überwachung vollzugsöffnender Maßnahmen oder
6.
im Rahmen der Führungsaufsicht in Fällen, die von § 68b Absatz 1 Satz 1 Nummer 12 des Strafgesetzbuchs nicht umfasst sind.

Artikel 5 Besetzung der GÜL

(1) Die GÜL wird mit einer Leiterin oder einem Leiter, einer Stellvertreterin oder einem Stellvertreter und weiteren Überwachungsbediensteten in der erforderlichen Zahl besetzt. Sie sollen Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet der Führungsaufsicht, der Bewährungshilfe, des Strafvollzugs oder der polizeilichen Aufgaben besitzen.
(2) Die Leiterin oder der Leiter der GÜL und die Stellvertreterin oder der Stellvertreter werden vom Land Hessen nach Anhörung des durch die Verwaltungsvereinbarung vom 19. Mai 2011/29. August 2011 eingesetzten Lenkungskreises ernannt.

Artikel 6 Ausstattung

Das Land Hessen stellt die Räumlichkeiten und die Sachausstattung zur Verfügung, die für den Betrieb der GÜL erforderlich sind. Hierzu zählt auch unterstützendes Personal.

Artikel 7 Finanzierung

(1) Das Land Hessen verauslagt die Personal- und Sachkosten für die GÜL. Diese werden sodann nach dem relativen Verhältnis der Bevölkerungsanteile der vertragsschließenden Länder in der jeweils aktuellen Fassung (relativer Königsteiner Schlüssel) aufgeteilt. Die Anteilsbeträge werden im Laufe eines jeden Rechnungsjahres in zwei Teilbeträgen zum Juli und November nach den Ansätzen des Finanzplans der GÜL fällig.
(2) Zusätzliche Kosten, die dadurch entstehen, dass die GÜL zu den in Artikel 4 genannten Einsatzzwecken tätig wird, werden unter den Ländern, die die Aufenthaltsüberwachung für diese Zwecke in Anspruch nehmen, nach dem relativen Verhältnis der Bevölkerungsanteile in der jeweils aktuellen Fassung (relativer Königsteiner Schlüssel) verteilt.

Artikel 8 Geltungsdauer, Kündigung

(1) Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jedem Land durch schriftliche Erklärung gegenüber den übrigen Ländern zum Ende eines Kalenderjahres zum Ablauf des folgenden Kalenderjahres gekündigt werden.
(2) Durch das Ausscheiden eines Landes wird die Wirksamkeit des Vertrags zwischen den übrigen Ländern nicht berührt. Dies gilt nicht im Fall einer Kündigung durch das Land Hessen.

Artikel 9 Beitritt weiterer Länder

(1) Andere Länder können diesem Vertrag beitreten. Der Beitritt erfolgt durch schriftliche Erklärung des Beitritts gegenüber dem Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa und, soweit die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft des beitretenden Landes erforderlich ist, mit deren Zustimmung. Über den Eingang der Beitrittserklärung unterrichtet das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa die übrigen vertragsschließenden Länder.
(2) Die Regelungen dieses Vertrags treten für das beitretende Land am Tage nach dem Eingang der Beitrittserklärung beim Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa in Kraft. Soweit die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaft des beitretenden Landes erforderlich ist, treten die Regelungen für das beitretende Land am Tag nach dem Eingang der Anzeige dieser Zustimmung beim Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa in Kraft.
*)
(3) Vom Zeitpunkt der Wirksamkeit des Beitritts an wird das beitretende Land mit Rückwirkung zum Beginn des laufenden Kalenderjahres an den laufenden Personal- und Sachkosten beteiligt. Erfolgt der Beitritt innerhalb von vier Jahren nach Inkrafttreten dieses Vertrags, hat das Land den Anteil an den bisher angefallenen Kosten der Einrichtung und eines Ausbaus der GÜL zu tragen, der ihm bei einer Verteilung der Kosten auf die zum Zeitpunkt des Beitritts beteiligten Länder zukommt. Der Kostenanteil wird bei den dem Beitritt folgenden Abrechnungen der laufenden Kosten berücksichtigt.
Fußnoten
*)
In Kraft getreten am 23. Februar 2012 gemäß Bekanntmachung vom 26. März 2012 (GVOBl. M-V S. 86).

Artikel 10 Inkrafttreten

Der Vertrag bedarf der Ratifikation. Er tritt am Ersten des Monats in Kraft, der auf den Monat folgt, in dem die Ratifikationsurkunden von den vertragsschließenden Ländern beim Hessischen Ministerium der Justiz, für Integration und Europa hinterlegt worden sind. Das Hessische Ministerium der Justiz, für Integration und Europa teilt den übrigen beteiligten Ländern den Zeitpunkt der Hinterlegung der letzten Ratifikationsurkunde mit.
Für das Land Baden-Württemberg:
Der Justizminister Rainer Stickelberger
Für den Freistaat Bayern:
Die Staatsministerin der Justiz und für Verbraucherschutz Dr. Beate Merk
Für das Land Hessen:
Der Minister der Justiz, für Integration und Europa Jörg-Uwe Hahn
Für das Land Nordrhein-Westfalen:
Der Justizminister Thomas Kutschaty
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