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DE - Landesrecht Berlin

Berliner Mobilitätsgesetz Vom 5. Juli 2018

Berliner Mobilitätsgesetz Vom 5. Juli 2018
*
Zum 07.06.2023 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
Stand: letzte berücksichtigte Änderung: zuletzt geändert durch Artikel 7 des Gesetzes vom 27.09.2021 (GVBl. S. 1117)
Fußnoten
*)
Verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung vom 5. Juli 2018 (GVBl. S. 464)

Nichtamtliches Inhaltsverzeichnis

TitelGültig ab
Berliner Mobilitätsgesetz vom 5. Juli 201818.07.2018
Inhaltsverzeichnis24.02.2021
Eingangsformel24.02.2021
Abschnitt 1: - Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin18.07.2018
Unterabschnitt 1: - Verkehrsmittelübergreifende Ziele18.07.2018
§ 1 - Zweck des Gesetzes18.07.2018
§ 2 - Begriffsbestimmungen24.02.2021
§ 3 - Mobilität für alle18.07.2018
§ 4 - Menschen- und stadtgerechter Verkehr24.02.2021
§ 5 - Umweltverbund und Inter- sowie Multimodalität24.02.2021
§ 6 - Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr18.07.2018
§ 7 - Förderung der Stadtentwicklung18.07.2018
§ 8 - Klima- und Umweltschutz18.07.2018
§ 9 - Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen18.07.2018
§ 10 - Verkehrssicherheit18.07.2018
§ 11 - Sicherheit im öffentlichen Raum18.07.2018
§ 11a - Bildung24.02.2021
§ 12 - Gewährleistung von Mobilität bei Großveranstaltungen18.07.2018
§ 13 - Berücksichtigung der Hauptstadtfunktionen18.07.2018
§ 14 - Berücksichtigung der Metropolregion Berlin-Brandenburg18.07.2018
§ 15 - Optimale Anbindung des Fernverkehrs24.02.2021
Unterabschnitt 2: - Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung18.07.2018
§ 16 - Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr18.07.2018
§ 17 - Verkehrssicherheitsprogramm24.02.2021
§ 17a - Schulisches Mobilitätsmanagement24.02.2021
§ 18 - Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept18.07.2018
§ 19 - Beteiligung bei Erstellung und Umsetzung der Planwerke dieses Gesetzes24.02.2021
Unterabschnitt 3: - Umsetzung der Ziele und Planwerke sowie Konfliktlösungsprozesse18.07.2018
§ 20 - Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln24.02.2021
§ 21 - Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit07.10.2021
§ 22 - Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen24.02.2021
§ 23 - Aufgaben und Befugnisse der Berliner Verkehrsbetriebe bei der Verkehrsüberwachung07.10.2021
§ 24 - Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken18.07.2018
§ 25 - Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen18.07.2018
Abschnitt 2: - Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)18.07.2018
§ 26 - Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV24.02.2021
§ 27 - Aufgabenträger für den ÖPNV18.07.2018
§ 28 - Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)18.07.2018
§ 29 - Nahverkehrsplan18.07.2018
§ 30 - Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Verkehrsverträge)18.07.2018
§ 31 - Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV24.02.2021
§ 32 - Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur18.07.2018
§ 33 - Anforderungen des ÖPNV an die Straßenverkehrsinfrastruktur24.02.2021
§ 34 - Vermeidung von Störungen bei Bus und Straßenbahn18.07.2018
§ 35 - Finanzierung des ÖPNV18.07.2018
Abschnitt 3: - Entwicklung des Radverkehrs18.07.2018
§ 36 - Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs07.10.2021
§ 37 - Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr24.02.2021
§ 38 - Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr24.02.2021
§ 39 - Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen24.02.2021
§ 40 - Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan18.07.2018
§ 41 - Berliner Radverkehrsnetz18.07.2018
§ 42 - Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf18.07.2018
§ 43 - Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen18.07.2018
§ 44 - Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz18.07.2018
§ 45 - Radschnellverbindungen18.07.2018
§ 46 - Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr18.07.2018
§ 47 - Fahrradabstellanlagen18.07.2018
§ 48 - Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz18.07.2018
§ 49 - Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs18.07.2018
Abschnitt 4: - Entwicklung des Fußverkehrs24.02.2021
§ 50 - Besondere Ziele der Entwicklung des Fußverkehrs24.02.2021
§ 50a - Erhalt und Sanierung Fußverkehrsnetz24.02.2021
§ 51 - Aufgaben und Zuständigkeiten für den Fußverkehr24.02.2021
§ 52 - Fußverkehrsplan24.02.2021
§ 53 - Planung und Verkehrsführung bei Baumaßnahmen24.02.2021
§ 54 - Bezirkliche Fußverkehrsnetze24.02.2021
§ 55 - Querungen24.02.2021
§ 56 - Fußverkehrsfreundliche Nebenstraßen24.02.2021
§ 57 - Informations- und Wegeleitsystem24.02.2021
§ 58 - Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs24.02.2021
§ 59 - Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs24.02.2021
Abschnitt 5 - Übergangsbestimmungen24.02.2021
§ 60 - Übergangsbestimmungen24.02.2021
Inhaltsübersicht
Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin
Unterabschnitt 1: Verkehrsmittelübergreifende Ziele
§ 1Zweck des Gesetzes
§ 2Begriffsbestimmungen
§ 3Mobilität für alle
§ 4Menschen- und stadtgerechter Verkehr
§ 5Umweltverbund und Inter- sowie Multimodalität
§ 6Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr
§ 7Förderung der Stadtentwicklung
§ 8Klima- und Umweltschutz
§ 9Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen
§ 10Verkehrssicherheit
§ 11Sicherheit im öffentlichen Raum
§ 11aBildung
§ 12Gewährleistung von Mobilität bei Großveranstaltungen
§ 13Berücksichtigung der Hauptstadtfunktionen
§ 14Berücksichtigung der Metropolregion Berlin-Brandenburg
§ 15Optimale Anbindung des Fernverkehrs
Unterabschnitt 2: Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung
§ 16Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr
§ 17Verkehrssicherheitsprogramm
§ 17aSchulisches Mobilitätsmanagement
§ 18Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept
§ 19Beteiligung bei Erstellung und Umsetzung der Planwerke dieses Gesetzes
Unterabschnitt 3: Umsetzung der Ziele und Planwerke sowie Konfliktlösungsprozesse
§ 20Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln
§ 21Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
§ 22Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen
§ 23Aufgaben und Befugnisse der Berliner Verkehrsbetriebe bei der Verkehrsüberwachung
§ 24Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken
§ 25Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen
Abschnitt 2: Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)
§ 26Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV
§ 27Aufgabenträger für den ÖPNV
§ 28Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)
§ 29Nahverkehrsplan
§ 30Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Verkehrsverträge)
§ 31Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV
§ 32Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur
§ 33Anforderungen des ÖPNV an die Straßenverkehrsinfrastruktur
§ 34Vermeidung von Störungen bei Bus und Straßenbahn
§ 35Finanzierung des ÖPNV
Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs
§ 36Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs
§ 37Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr
§ 38Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr
§ 39Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen
§ 40Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan
§ 41Berliner Radverkehrsnetz
§ 42Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf
§ 43Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen
§ 44Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz
§ 45Radschnellverbindungen
§ 46Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr
§ 47Fahrradabstellanlagen
§ 48Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz
§ 49Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs
Abschnitt 4: Entwicklung des Fußverkehrs
§ 50Besondere Ziele der Entwicklung des Fußverkehrs
§ 50aErhalt und Sanierung Fußverkehrsnetz
§ 51Aufgaben und Zuständigkeiten für den Fußverkehr
§ 52Fußverkehrsplan
§ 53Planung und Verkehrsführung bei Baumaßnahmen
§ 54Bezirkliche Fußverkehrsnetze
§ 55Querungen
§ 56Fußverkehrsfreundliche Nebenstraßen
§ 57Informations- und Wegeleitsystem
§ 58Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs
§ 59Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs
Abschnitt 5: Übergangsbestimmungen
§ 60Übergangsbestimmungen
Präambel
Dieses Gesetz schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine in allen Teilen Berlins gleichwertige, an den Mobilitätsbedürfnissen von Stadt und Umland ausgerichtete, individuelle Lebensgestaltung, unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit. Die durch dieses Gesetz geregelte Mobilität umfasst die besonderen Anforderungen aller Mobilitätsgruppen, diejenigen der Fußgängerinnen und Fußgänger und Fahrradfahrerinnen und Fahrradfahrer, des öffentlichen Personennah- sowie des Wirtschaftsverkehrs und des motorisierten Individualverkehrs, und sichert dabei den Vorrang des Umweltverbundes. Das Gesetz regelt für alle Mobilitätsgruppen die besonderen Ziele der Entwicklung, die Aufgaben und Zuständigkeiten, die Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, die Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen, die Vorrangnetze sowie Erhalt, Sanierung und Finanzierung der jeweiligen Anlagen.

Abschnitt 1: Zielorientierte integrierte Mobilitätsgewährleistung für Berlin

Unterabschnitt 1: Verkehrsmittelübergreifende Ziele

§ 1 Zweck des Gesetzes
(1) Zweck dieses Gesetzes ist die Bewahrung und Weiterentwicklung eines auf die Mobilitätsbedürfnisse in Stadt und Umland ausgerichteten und dabei stadt-, umwelt-, sozial- sowie klimaverträglich ausgestalteten, sicheren, barrierefreien Verkehrssystems als Beitrag zur individuellen Lebensgestaltung und zur inklusiven Lebensraumgestaltung sowie als unverzichtbarer Bestandteil einer funktionierenden zukunftsfähigen Metropolregion. Zweck des Gesetzes ist zudem die Gewährleistung gleichwertiger Mobilitätsmöglichkeiten in allen Teilen Berlins. Damit soll für alle Personen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abgesichert werden.
(2) Zur Erreichung des in Absatz 1 genannten Zweckes sollen die verschiedenen Verkehrsmittel mit ihren spezifischen Stärken zum Einsatz kommen, um das Gesamtsystem im Hinblick auf die Anforderungen der Zukunft zu optimieren.
(3) Das Land Berlin verfolgt das Ziel, sich weiter als Innovations- und Entwicklungsraum zu etablieren und innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote zu erproben und zu nutzen.
(4) Das Land Berlin verfolgt im Rahmen des geltenden Rechts die in den nachfolgenden §§ 3 bis 15 formulierten Ziele bei der Aufstellung und Umsetzung der in diesem Gesetz geregelten Planwerke.
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Für die Zwecke dieses Gesetzes gelten die in den nachfolgenden Absätzen geregelten Begriffsbestimmungen.
(2) Berechtigungsausweise sind papiergebundene oder digitale Fahrausweise nach den Tarifen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) sowie entsprechende Zugangsmedien für Angebote geteilter Mobilität.
(3) Geteilte Mobilität („Sharing“) im Sinne dieses Gesetzes bezeichnet
1.
die privat organisierte oder durch Dritte vermittelte Nutzung von Fahrzeugen durch mehrere Personen unterschiedlicher Haushalte, ohne dass durch die nutzenden Personen Eigentumsrechte an dem Fahrzeug erworben werden müssten;
2.
die private oder durch Dritte vermittelte Bildung von Fahrgemeinschaften nicht gewerblicher Art, die für die beförderten Personen unentgeltlich sind oder für die von den beförderten Personen ein Entgelt bis zur Grenze der Betriebskosten der Fahrt im Sinne des § 1 Absatz 2 Nummer 1 des Personenbeförderungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990 (BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 14 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung geleistet wird.
(4) Intermodalität bezeichnet die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel im Personen- oder Güterverkehr in Bezug auf den Weg zwischen zwei Aktivitäten.
(5) Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind Personen, die auf Grund einer dauerhaften oder zeitweiligen motorischen, sensorischen, geistigen oder seelischen, alternsbedingten oder sonstigen Form der Beeinträchtigung in Wechselwirkung mit verschiedenen, insbesondere einstellungs- und umweltbedingten, Barrieren in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.
(6) Barrierefrei im Sinne dieses Gesetzes sind bauliche Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Sinne von Absatz 5 in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Eine besondere Erschwernis liegt insbesondere auch dann vor, wenn Menschen mit Behinderungen die Mitnahme oder der Einsatz benötigter Hilfsmittel verweigert oder erschwert wird oder ihre Reaktions-, Geh- oder Fahrgeschwindigkeit im Verkehr nicht in geeigneter Weise berücksichtigt wird.
(7) Modal Split ist die Aufteilung der Wege auf die verschiedenen Verkehrsmittel.
(8) Motorisierter Individualverkehr (MIV) ist die Fortbewegung mit motorisierten Fahrzeugen, bei denen Nutzende in der Bestimmung der Zeit und der Route der Fahrt frei sind.
(9) Multimodalität bezeichnet die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel im Personen- oder Güterverkehr in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum.
(10) Verkehrsmittel sind öffentlich zugänglich, wenn sie bestimmungsgemäß von der Allgemeinheit durch Mitführen von vorher erworbenen Berechtigungsausweisen oder durch unmittelbare Bezahlung der Fahrt genutzt werden können.
(11) Öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) umfasst die öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel gemäß § 8 Absatz 1 des Personenbeförderungsgesetzes einschließlich flexibler Bedarfsverkehre nach § 8 Absatz 2 oder § 2 Absatz 6 des Personenbeförderungsgesetzes (ÖPNV nach Personenbeförderungsgesetz) sowie den Schienenpersonennahverkehr (SPNV). Zum ÖPNV gehören auch der Fähr- sowie Seilbahnverkehr, soweit in Umsetzung der Ziele der §§ 3 bis 15 die Sicherung eines bestimmten Angebotes im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
(12) Schienenpersonennahverkehr (SPNV) ist die allgemein zugängliche Beförderung in Zügen gemäß § 2 Absatz 12 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396; 1994 I S. 2439), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2808; 2018 I S. 472) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung.
(13) Umweltverbund umfasst die Verkehrsmittel Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV.
(14) Verkehrsangebote umfassen die Angebote öffentlich zugänglicher Verkehrsmittel.
(15) Verkehrsinfrastruktur umfasst alle Einrichtungen, die Voraussetzungen für den Einsatz von Verkehrsmitteln sind (zum Beispiel: Straßen, Wege, Plätze, Schienen, Tunnel, Haltestellen, Parkplätze).
(16) Verkehrssystem umfasst die für den Verkehr notwendigen Infrastrukturen, Verkehrsmittel sowie Leitsysteme für die Koordinierung der Verkehrsmittel.
(17) Wirtschaftsverkehr ist die Ortsveränderung von Personen oder Gütern, die mit geschäftlicher oder dienstlicher Zielsetzung erfolgen. Wirtschaftsverkehr umfasst sowohl Personenwirtschaftsverkehr als auch den Güterverkehr zwischen Wirtschaftseinheiten. Personenwirtschaftsverkehr ist Verkehr in Ausübung des Berufes wie zum Beispiel bei Dienstreisen, Handwerkern oder Pflegediensten.
(18) Fußverkehr bezeichnet das Zufußgehen sowie die Fortbewegung unter Nutzung besonderer Fortbewegungsmittel nach § 24 der Straßenverkehrs-Ordnung.
§ 3 Mobilität für alle
Mobilität in Berlin soll bezogen auf die wesentlichen Wegezwecke
1.
an allen Tagen des Jahres und rund um die Uhr
2.
in allen Teilen Berlins gleichwertig und
3.
unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft oder individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit
gewährleistet werden.
§ 4 Menschen- und stadtgerechter Verkehr
(1) Die Mobilitätsangebote, die Verkehrsinfrastruktur sowie die verkehrsorganisatorischen Abläufe werden unter Beachtung des Nutzungsverhaltens an den Mobilitätsbedürfnissen der Menschen und den Verkehrsbedürfnissen des Wirtschaftsverkehrs ausgerichtet. Es wird sichergestellt, dass Einwohnerinnen und Einwohner in allen Teilen Berlins über ein gleichwertiges ÖPNV-Angebot verfügen.
(2) Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote sollen zur Gewährleistung gleichwertiger Lebensbedingungen, insbesondere für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, barrierefrei im Sinne von § 2 Absatz 6 gestaltet werden.
(3) Durch die Gestaltung der Verkehrsinfrastruktur und durch möglichst geringe Rauminanspruchnahme des fließenden und ruhenden Verkehrs soll die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums und die Lebensqualität in der Stadt verbessert werden. In der Stadt werden weitere Räume geschaffen, in denen der motorisierte Individualverkehr keine oder nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.
(4) Bei der Umgestaltung vorhandener Verkehrsinfrastruktur soll neben ihrer funktionalen die soziale, stadtkulturelle, architektonische, denkmalpflegerische, historische oder klimawirksame Bedeutsamkeit berücksichtigt werden.
(5) Zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität werden geeignete Straßen und Plätze nach Zweckbestimmung und Ausgestaltung als Orte der Begegnung, des Verweilens, der Erholung, der Kommunikation und des Spielens nutzbar gemacht. Insbesondere soll bei Neuanlage und grundlegender Umgestaltung von Straßen und Plätzen geprüft werden, ob und inwieweit dieses Ziel umgesetzt werden kann.
(6) Die Beleuchtung von Straßen, Wegen und Plätzen soll an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sein. Insbesondere soll eine ausreichende Beleuchtung von Geh- und Radwegen, auch abseits von Straßen, dazu anregen, Wege auch bei Dunkelheit im Fuß- und Radverkehr zurückzulegen. Bei der Umsetzung ist auf eine ressourcenschonende Beleuchtung zu achten.
§ 5 Umweltverbund und Inter- sowie Multimodalität
(1) Durch Steigerung der Leistungsfähigkeit und Attraktivität der Verkehre des Umweltverbundes soll dessen Anteil an den zurückgelegten Wegen gesteigert werden.
(2) Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind verlässliche und bezahlbare Mobilitätsangebote insbesondere bei wachsenden Einwohnerzahlen und steigender Beschäftigung von besonderer Bedeutung. Daher sollen attraktive Job-Tickets für den ÖPNV gefördert sowie Initiativen unterstützt werden, die sich dafür einsetzen, dass für Wege vom und zum Arbeitsplatz das Fahrrad genutzt wird.
(3) Die verschiedenen Verkehrsmittel des Umweltverbundes einschließlich ihrer Infrastruktur sollen so gestaltet werden, dass sie einander optimal ergänzen. Dieses betrifft insbesondere die Ausgestaltung der Haltestellen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) und ihres Umfeldes, vor allem in Bezug auf Auffindbarkeit, Zugänglichkeit, Nutzbarkeit, Beschilderung, Information sowie Abstellmöglichkeiten.
(4) Bei der Planung für die Verkehrsmittel des Umweltverbundes sollen künftig auch Maßnahmen zur Anpassung an klimatische Veränderungen berücksichtigt werden.
(5) Öffentlich zugängliche Verkehrsmittel des Umweltverbundes sowie den Umweltverbund ergänzende öffentlich zugängliche Angebote geteilter Mobilität sollen möglichst mit einheitlichen, multimodal nutzbaren Berechtigungsausweisen nutzbar sein. Eine weitergehende tarifliche und vertriebliche Integration der öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel des Umweltverbundes ist anzustreben.
(6) Die Verfügbarkeitsdaten aller öffentlich zugänglichen Verkehrsmittel sollen in Echtzeit für eine nicht kommerzielle Nutzung kostenlos zur Verfügung stehen und für internetbasierte, nicht kommerzielle Anwendungen nutzbar sein. Die kommerzielle Nutzung setzt voraus, dass im Gegenzug der Nutzer selbst generierte oder zur Verfügung stehende Verfügbarkeitsdaten seinerseits ebenfalls in Echtzeit kostenlos für alle und maschinenlesbar zur Verfügung stellen muss.
§ 6 Stadtverträglicher Wirtschaftsverkehr
(1) Die Stadtverträglichkeit und Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsverkehrs wird gewährleistet und verbessert. Dies schließt die Sicherung des Zugangs zu Quellen und Zielen des Wirtschaftsverkehrs, das Vorhalten von Verkehrsnetzen und die Bereitstellung einer modernen Infrastruktur ein, welche die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt befördert.
(2) Verkehrsbedingte Beeinträchtigungen von Klima, Umwelt und Gesundheit sollen reduziert und der Wirtschaftsverkehr für das jeweilige Umfeld verträglich abgewickelt werden. Dazu sind logistische, fahrzeugseitige, regulatorische und verkehrsorganisatorische Maßnahmen vorzusehen.
(3) Strecken und Infrastrukturen für Groß- und Schwerlasttransporte sollen gemäß der Aufkommensschwerpunkte und der erforderlichen Routen vorgehalten werden. Großraum- und Schwerlastverkehr ist dabei stadtverträglich abzuwickeln. Bei der Ansiedlung von Industrieproduktion ist die Realisierbarkeit einer Schienen- oder Wasserstraßenanbindung zu prüfen. Die Prüfung umfasst die Umweltverträglichkeit der verschiedenen Anbindungsalternativen.
§ 7 Förderung der Stadtentwicklung
(1) Stadtplanung soll darauf hinwirken, dass gemischte Stadtquartiere erhalten und weiter ausgebaut werden, um räumliche Nähe von Einrichtungen und damit die Integration der Lebens-, Arbeits-, Bildungs-, Sozial- und Freizeitzusammenhänge innerhalb der Metropolregion Berlin-Brandenburg zu unterstützen und den Verkehrsaufwand zu verringern. Die Erfordernisse des Wirtschaftsverkehrs sind bei der Entwicklung von neuen Stadtquartieren, Verkehrsangeboten und Verkehrsinfrastrukturen zu berücksichtigen.
(2) Mobilitätsangebote und Verkehrsinfrastruktur sollen im Einklang mit den Erfordernissen der nachhaltigen Stadtentwicklung gestaltet werden. Dabei sind folgende Aspekte besonders zu berücksichtigen:
1.
Die polyzentrische Stadtstruktur Berlins ist zu sichern und weiter zu entwickeln.
2.
Die Erreichbarkeit bestehender Quartiere und Zentren sowie deren innere Erschließung ist zum Zwecke sozialer Teilhabe in ganz Berlin mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes zu sichern.
3.
Bei Erweiterung und Neubau von Quartieren ist mit dem Ziel einer lebenswerten, verkehrssicheren, klimaneutralen Stadt die vorrangige Erschließung mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes zu sichern.
4.
Förmlich beschlossene Entwicklungsmaßnahmen sowie vom Senat beschlossene städtebauliche Entwicklungen sind in den Planwerken nach diesem Gesetz prioritätsgerecht zu berücksichtigen.
§ 8 Klima- und Umweltschutz
(1) Verkehrsbedingte Beeinträchtigungen von Klima und Umwelt sollen durch Verlagerung von Nachfrage auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes sowie durch den Einsatz umweltfreundlicher Technologien so reduziert werden, dass die verkehrsspezifischen Umweltziele sowie die Klimaschutzziele des Landes Berlin zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris vom 12. Dezember 2015 (BGBl. 2016 II S. 1082) erreicht werden. Die vorstehenden Maßnahmen sollen somit einen angemessenen Beitrag dazu leisten, den globalen Temperaturanstieg gemäß dem Pariser Klimaabkommen zu begrenzen.
(2) Verkehr und Verkehrsinfrastruktur sollen ressourcenschonend und stadtökologisch nachhaltig gestaltet werden.
(3) Bei Maßnahmen innerhalb des öffentlichen Straßenlands soll der Erhalt und die Ausweitung des Bestandes von Bäumen, Sträuchern, Grün- und Blühstreifen sowie nicht versiegelter Flächen angestrebt werden.
§ 9 Minimierung von Gesundheitsbeeinträchtigungen
Verkehrsbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen sollen vermieden werden. Dieses betrifft insbesondere Luftschadstoff- und Lärmbelastungen.
§ 10 Verkehrssicherheit
(1) Alle Menschen sollen unabhängig vom gewählten Verkehrsmittel sicher an ihrem Ziel ankommen.
(2) Gegenseitige Rücksichtnahme und Respekt zwischen allen am Verkehr Teilnehmenden sind als wesentliche Grundlagen der Verkehrssicherheit zu fördern.
(3) Ziel ist, dass sich im Berliner Stadtgebiet keine Verkehrsunfälle mit schweren Personenschäden ereignen. Diese „Vision Zero“ ist Leitlinie für alle Planungen, Standards und Maßnahmen mit Einfluss auf die Entwicklung der Verkehrssicherheit.
§ 11 Sicherheit im öffentlichen Raum
Bei Planung und Ausgestaltung von Verkehrsangeboten und Verkehrsinfrastruktur ist das Sicherheitsempfinden der Menschen zu beachten und deren persönliche Sicherheit zu verbessern. Die besonderen Schutzbedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind zu berücksichtigen. Zur Vermeidung von Unsicherheitsgefühlen sollen die subjektiven Wahrnehmungen der Menschen durch Mittel der Kriminalprävention und durch planerische Gestaltungen unter Sicherheitsaspekten positiv beeinflusst werden.
§ 11a Bildung
Das Land Berlin fördert eine umfassende Mobilitätsbildung. Ziel ist es, alle Bewohnerinnen und Bewohner Berlins durch Angebote der Mobilitätsbildung dazu zu befähigen, ihre Mobilitätsbedürfnisse sicher, verantwortungsbewusst, selbstbestimmt, stadt-, umwelt- sowie klimaverträglich ausgestalten zu können.
§ 12 Gewährleistung von Mobilität bei Großveranstaltungen
(1) Die Verkehrsangebote des Umweltverbundes und dabei insbesondere des ÖPNV sollen so ausgelegt werden, dass bei mittelfristig planbaren Veranstaltungen mit besonders hoher Anzahl von Teilnehmenden (Großveranstaltungen) auf Basis geeigneter Konzepte des Veranstalters sowohl die mit der Veranstaltung verbundenen Mobilitätsbedürfnisse als auch die weiterhin vorhandenen Bedürfnisse der Alltagsmobilität zufriedenstellend erfüllt werden können. Dabei soll vermieden werden, dass Veranstalter von Straßenfesten umfangreiche Planungen im Vorfeld durchführen müssen.
(2) Um Großveranstaltungen verkehrssicher und ohne übermäßige Belastungen im fließenden und ruhenden Verkehr zu bewältigen, sollen deren An- und Abreiseverkehre überwiegend mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes erfolgen. Dazu soll den Teilnehmenden von der Veranstalterin oder dem Veranstalter eine möglichst unkomplizierte ÖPNV-Nutzung über die Eintrittskarte, insbesondere in Form von Kombitickets, ermöglicht werden.
(3) Die Konzepte des Veranstalters für den Verkehr bei Großveranstaltungen sollen bei Bedarf besondere Prioritäten hinsichtlich Flächenfreihaltung und Verkehrslenkung vorsehen.
(4) Für kurzfristig angesetzte Großveranstaltungen oder vergleichbare Sondersituationen sollen Maßnahmen zur Absicherung eines ausreichenden Mindestangebotes im Sinne der Zielstellung nach Absatz 1 vorgesehen werden.
§ 13 Berücksichtigung der Hauptstadtfunktionen
Bei der Gestaltung des Verkehrssystems sowie bei der Planung und Kommunikation der Verkehrsangebote sollen die Anforderungen berücksichtigt werden, die sich aus der Funktion Berlins als Hauptstadt sowie aus der Entwicklung als national bedeutender und international wettbewerbsfähiger Wirtschafts-, Messe-, Kongress-, Forschungs-, Hochschul-, Tourismus- und Kulturstandort ergeben.
§ 14 Berücksichtigung der Metropolregion Berlin-Brandenburg
(1) Die Anforderungen, die sich aus der Lage Berlins im gemeinsamen Verkehrsraum der Metropolregion Berlin-Brandenburg und insbesondere aus den Mobilitätsbedürfnissen im Stadt-Umland-Zusammenhang ergeben, sollen im Sinne einer integrierten Angebots- und Netzentwicklung und mit dem Fokus auf die Verkehrsmittel des Umweltverbundes berücksichtigt werden. Insbesondere bei den Wegen von Pendlerinnen und Pendlern sollen die Verkehrsmittel des Umweltverbundes von der Quelle an zum Einsatz kommen. Dazu sollen gemeinsame Strukturen und die Abstimmung von Planungen weiterentwickelt werden. Gemeinsame Anstrengungen und ein abgestimmtes Vorgehen zwischen den beiden Ländern sollen insbesondere bei sich besonders dynamisch entwickelnden Räumen sichergestellt werden.
(2) Den Verkehren des Umweltverbundes soll daher im Stadt-Umland-Bereich bei Ausbau und Finanzierung Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.
§ 15 Optimale Anbindung des Fernverkehrs
Fernbahnhöfe, der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) und Flughäfen sind als Mobilitätsknoten adäquat zu ihrer Mobilitätsbedeutung und zum spezifischen Fernverkehrsfahrgastaufkommen in die Netze des Fußverkehrs, öffentlichen Personennahverkehrs und Radverkehrs einzubinden und mit öffentlich zugänglichen Verkehrsmitteln zu erschließen.

Unterabschnitt 2: Integrierte Verkehrsentwicklungsplanung

§ 16 Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr
(1) Der Stadtentwicklungsplan Mobilität und Verkehr (StEP Mobilität und Verkehr) ist Grundlage aller verkehrsspezifischen Planungen. Er bewältigt insbesondere die in den §§ 3 bis 15 benannten Ziele der Mobilitätsgewährleistung in integrierter, verkehrsmittel-übergreifender Betrachtung. Entsprechend dem in § 1 Absatz 1 geregelten Zweck des Gesetzes und dem in § 3 geregelten Ziel, Mobilität für alle Menschen zu gewährleisten, inkludieren der StEP Mobilität und Verkehr und die in Absatz 6 genannten Planwerke die Sicherung der Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen.
(2) Der StEP Mobilität und Verkehr konkretisiert verkehrsmittelspezifische Handlungsziele unter anderem für
1.
den Modal Split,
2.
die Verkehrssicherheit sowie
3.
den Gesundheits-, Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz.
Die verkehrsmittelspezifische Konkretisierung der Handlungsziele kann vom StEP Mobilität und Verkehr unter Vorgabe der Planungsannahmen auch den separaten Planwerken gemäß Absatz 6 vorbehalten werden.
(3) Der StEP Mobilität und Verkehr entwickelt Qualitätsziele insbesondere für Erhalt, Modernisierung und Erweiterung der Verkehrsinfrastruktur und legt ein Vorrangnetz des Straßenverkehrs fest.
(4) Der StEP Mobilität und Verkehr wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben.
(5) Alle zwei Jahre ist ein Fortschrittsbericht zur Umsetzung vorrangiger Maßnahmen zu erarbeiten. Mit Vorliegen quantitativer Erkenntnisse aus regelmäßig durchzuführenden Befragungen der Wohnbevölkerung und Zählungen ist ein Evaluationsbericht zu fertigen, der über die Erreichung der mit dem StEP Mobilität und Verkehr beschlossenen Qualitäts- und Handlungsziele und die Umsetzung der in ihm enthaltenen Maßnahmen berichtet. Auf Grundlage des Fortschritts- oder des Evaluationsberichts ist über den Bedarf einer Fortschreibung des StEP Mobilität und Verkehr zu entscheiden. Die Fortschreibung hat spätestens nach zehn Jahren zu erfolgen.
(6) Auf Basis der vom StEP Mobilität und Verkehr gesetzten Qualitäts- und Handlungsziele sind in separaten verkehrsspezifischen Planwerken Maßnahmen, Anforderungen, Standards und Vorgaben zur Erreichung dieser Ziele zu entwickeln. Soweit der StEP Mobilität und Verkehr keine weitergehenden Festlegungen trifft, handelt es sich um folgende separate Planwerke:
1.
den Fußverkehrsplan,
2.
den Radverkehrsplan,
3.
den Nahverkehrsplan.
In den separaten Planwerken werden zudem Handlungsziele und Finanzierungsbedarfsschätzungen für die für das jeweilige Verkehrsmittel systemrelevanten Modernisierungs- und Erweiterungsmaßnahmen der Verkehrsinfrastruktur entwickelt. Diese unterscheiden kurz-, mittel- und langfristige Zielhorizonte. Der Senat kann gemäß § 13a des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes in der Fassung vom 22. Juli 1996 (GVBl. S. 302, 472), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bei Bedarf Maßnahmen, Anforderungen, Standards und Vorgaben im StEP Mobilität und Verkehr sowie in den separaten Planwerken ausweisen, deren Umsetzung im dringenden Gesamtinteresse Berlins liegt. In dem Beschluss des betreffenden Planwerks ist darauf gesondert hinzuweisen.
§ 17 Verkehrssicherheitsprogramm
(1) Im Verkehrssicherheitsprogramm sind die weitergehenden Qualitäts- und Handlungsziele zu benennen, die aus den Zielen zur Verkehrssicherheit nach § 10 und dem StEP Mobilität und Verkehr abzuleiten sind.
(2) Zur Erreichung der Ziele nach Absatz 1 sind im Verkehrssicherheitsprogramm auf Grundlage einer Analyse von Unfallursachen und Risikogruppen Handlungsschwerpunkte mit nachfolgenden Maßnahmen aufzuführen:
1.
Organisatorische und ordnungsrechtliche Maßnahmen,
2.
Maßnahmen zur Schulung, Information und Aufklärung,
3.
infrastrukturelle Maßnahmen sowie bauliche Standards.
Hierbei sind die jeweiligen Zuständigkeiten zu benennen.
(3) Das Verkehrssicherheitsprogramm hat in jedem Fall geeignete Maßnahmen festzulegen, die
1.
der Herstellung der Verkehrssicherheit nach wiederholt aufgetretenen schweren Unfällen,
2.
der Herstellung der Schulwegsicherheit und der Sicherheit im Umfeld von Einrichtungen zur Kinderbetreuung bei konkreten Gefährdungen von Kindern, und
3.
der Herstellung der Verkehrssicherheit und der Sicherheit im Umfeld von Einrichtungen, in denen besonders schutzbedürftige Personen verkehren, insbesondere Krankenhäuser und Pflegeheime,
dienen und von den für Verkehrssicherheit zuständigen Stellen umzusetzen sind. Zu diesen Maßnahmen zählen unter anderem die Prüfung von temporären Sperrungen und eines Park- und Halteverbots im Umfeld von Schulen und Kitas.
(4) Bei Aufstellung und Umsetzung des Verkehrssicherheitsprogramms ist eine Einbeziehung der für Verkehrssicherheit zuständigen Stellen sowie relevanter Fachkreise und Verbände sicherzustellen. Übergreifende Maßnahmen sind zu koordinieren und Erkenntnisse aus Evaluationen von umgesetzten Maßnahmen sind einzubeziehen.
(5) Das Verkehrssicherheitsprogramm ist hinsichtlich Umsetzung und Zielerreichung mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre.
§ 17a Schulisches Mobilitätsmanagement
(1) Das Land Berlin fördert einen umfassenden Ansatz des schulischen Mobilitätsmanagements.
(2) Die für Bildung zuständige Senatsverwaltung entwickelt gemeinsam mit der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung und in Abstimmung mit den Bezirken ein umsetzungsbezogenes Konzept. Das Konzept definiert unter anderem Unterrichtsinhalte, Öffentlichkeitsarbeit und Maßnahmen zur Veränderung des Mobilitätsverhaltens von Schulkindern hin zur selbstständigen Mobilität sowie zur Umsetzung einer sicheren Infrastruktur im Schulumfeld. Die Jugendverkehrsschulen als außerschulische Lernorte nach § 124a des Schulgesetzes werden in das Konzept einbezogen.
(3) Das Konzept für schulisches Mobilitätsmanagement soll erstmalig innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des ersten Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz aufgestellt werden. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre.
(4) Die für Bildung zuständige Senatsverwaltung benennt eine hauptamtlich für die Koordination des schulischen Mobilitätsmanagements zuständige Person (Vollzeitäquivalent), die auch Ansprechpartnerin für Bezirke, Eltern und Lehrerinnen und Lehrer ist und den Erfahrungsaustausch zwischen den Bezirken fördert.
(5) An allen Schulen, an denen es Hinweise auf Probleme mit der Schulwegsicherheit gibt, sollen Gremien für Mobilität geschaffen werden. Die Gremien, die aus Schülerinnen oder Schülern, Eltern und Schulpersonal bestehen, sollen sich mit den Anforderungen des schulischen Mobilitätsmanagements auseinandersetzen und in die schulkonkrete Umsetzung des Konzeptes nach Absatz 2 einbezogen werden. Insbesondere im Grundschulbereich ist die Perspektive der Kinder bei der Bewältigung der Schulwege zu berücksichtigen. Die Gremien sollen sich bei Bedarf vernetzen und relevante Akteure wie Verwaltung, Polizei, Politik oder Verbände einbinden. Bei der Prüfung von Vorschlägen der Gremien durch zuständige Stellen des Landes Berlin ist in Abwägungsentscheidungen der Schulwegsicherheit grundsätzlich die höchste Priorität einzuräumen.
(6) Das Land Berlin unterstützt auf Anforderung der Bezirke konkrete Projekte zur Förderung der Schulwegsicherheit. Jährlich sollen mindestens zehn Gefahrenstellen pro Bezirk so verändert werden, dass die Gefahrenquellen bestmöglich beseitigt werden und eine Erhöhung der Schulwegsicherheit sichergestellt ist.
(7) Zur Förderung der selbstständigen Mobilität von Schulkindern wird das Projekt „Kinderstadtplan Berlin“ verstetigt.
§ 18 Integriertes Wirtschaftsverkehrskonzept
(1) Im Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept (IWVK) sind Qualitäts- und Handlungsziele zu benennen, die aus den Zielen zum Wirtschaftsverkehr nach § 6 abzuleiten sind.
(2) Zur Erreichung der Ziele nach § 6 sind im Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept bezogen auf die unterschiedlichen Handelnden sowie Problem- und Einflussbereiche des Wirtschaftsverkehrs Handlungsschwerpunkte mit folgenden Maßnahmen zu benennen:
1.
Maßnahmen, die die öffentliche Hand beeinflussen kann,
2.
Maßnahmen, die durch Verbände und Innungen umgesetzt oder begleitet werden,
3.
Maßnahmen, die in der Verantwortung von Wirtschaftsunternehmen liegen.
(3) Bei der Aufstellung und Umsetzung des Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzeptes ist eine Einbeziehung zuständiger Stellen und Handelnder sicherzustellen. Die Akteure sind durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung zu benennen und unter anderem mit den Kammern, Innungen oder Verbänden abzustimmen.
(4) Das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept ist alle zwei Jahre hinsichtlich der Umsetzung und spätestens nach fünf Jahren hinsichtlich der Zielerreichung zu überprüfen. Eine Fortschreibung erfolgt nach Bedarf, spätestens alle zehn Jahre.
(5) Das Integrierte Wirtschaftsverkehrskonzept wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Es ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben.
§ 19 Beteiligung bei Erstellung und Umsetzung der Planwerke dieses Gesetzes
(1) Zur Erhöhung der Transparenz und Akzeptanz der Planwerke und der daraus resultierenden Maßnahmen beteiligt die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung die Öffentlichkeit in geeigneter Weise bei Erstellung und Umsetzung des StEP Mobilität und Verkehr sowie der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6, dem Verkehrssicherheitsprogramm und dem Integrierten Wirtschaftsverkehrskonzept. Anforderungen, die sich aus § 14 zur Metropolregion ergeben, sind bei der Beteiligung zu berücksichtigen.
(2) Die Beteiligung der Öffentlichkeit ist auf Mitwirkung auszurichten. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, dass die Interessen aller in Berlin lebenden Menschen unabhängig von Alter, Geschlecht, Einkommen und persönlichen Mobilitätsbeeinträchtigungen sowie von Lebenssituation, Herkunft und individueller Verkehrsmittelverfügbarkeit in die Verfahren eingebracht und berücksichtigt werden.
(3) Alltägliches Mobilitätswissen und Mobilitätserfahrungen der Bevölkerung sollen in die Erarbeitung der Planwerke Eingang finden. Fachwissen aus Politik, Verwaltung, Hochschulen, Wirtschaft, Kammern und Verbänden soll wirksam in die Planung einbezogen werden.
(4) Die verwaltungsinterne Zusammenarbeit zwischen den Senatsverwaltungen, den Bezirken sowie weiteren in Planung und Planungsumsetzung eingebundenen Handelnden ist im Sinne einer höheren Effizienz bei der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen zu intensivieren.
(5) Hinsichtlich der Beteiligung der Öffentlichkeit ist die Zusammensetzung der Beteiligten sowie die Eignung der eingesetzten Formate und Medien regelmäßig zu prüfen.
(6) Die Regelungen zur Beteiligung nach anderen Rechtsvorschriften bleiben von den Regelungen dieses Gesetzes unberührt.

Unterabschnitt 3: Umsetzung der Ziele und Planwerke sowie Konfliktlösungsprozesse

§ 20 Umsetzung der Ziele und Planwerke durch Verwaltungshandeln
(1) Die für Verkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin fördern die Erreichung der in diesem Gesetz geregelten Ziele sowie die Qualitäts- und Handlungsziele des StEP Mobilität und Verkehr. Sie setzen die im StEP Mobilität und Verkehr sowie in den separaten Planwerken gemäß § 16 Absatz 6 enthaltenen Maßnahmen um und beachten die in diesen Planwerken enthaltenen Anforderungen, Standards und Vorgaben. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung kann hierzu die erforderlichen Ausführungsvorschriften erlassen. § 4 des Gesetzes zur Ausführung des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. November 1999 (GVBl. S. 578), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 6. Dezember 2017 (GVBl. S. 664) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt hiervon unberührt.
(2) Die zuständigen Stellen des Landes Berlin prüfen vorhandene Ausführungsvorschriften sowie sonstige verwaltungsinterne Regelwerke und Arbeitshilfen auf ihre Konformität mit den Vorgaben dieses Gesetzes und passen sie bei Bedarf an. Für die Umsetzung dieses Gesetzes relevante verwaltungsinterne Regelwerke und Arbeitshilfen sind unter Beachtung der urheberrechtlichen Bestimmungen allgemein zugänglich zu machen und im Internet (insbesondere auf den Open-Data Plattformen des Landes Berlin) zu veröffentlichen.
(3) Die im StEP Mobilität und Verkehr festgelegten Inhalte sind bei sämtlichen raumbezogenen Planwerken des Landes Berlin zu berücksichtigen. Der StEP Mobilität und Verkehr legt fest, ob und inwieweit sich dieses Berücksichtigungsgebot auch auf die separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 erstreckt.
(4) Für die im ÖPNV-Bedarfsplan gemäß § 29 Absatz 8 dargestellten Infrastrukturvorhaben sind, sofern diese raumwirksam sind, die Trassen in Bauleitplanverfahren freizuhalten beziehungsweise bei durch andere Bedarfsträger im Straßenraum durchgeführten Planungen zu berücksichtigen. Bei Änderungen des Flächennutzungsplans sind Straßenbahntrassen in die Darstellungssystematik aufzunehmen.
(5) Die regionale Planung, die Stadtentwicklungsplanung sowie Planungen und Entscheidungen über verkehrsrelevante Einrichtungen und Standorte haben die Erfordernisse der Verkehrsmittel des Umweltverbundes und die mit diesen verknüpften Ziele im gesamten Planungsprozess einzubeziehen und zu berücksichtigen. Für die Bauleitplanung hat eine Berücksichtigung in der Abwägung nach § 1 Absatz 7 des Baugesetzbuchs in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. November 2017 (BGBl. I S. 3634), in der jeweils geltenden Fassung, zu erfolgen. Die für die Erstellung von sonstigen Planwerken und Konzepten mit Verkehrsbezug zuständigen Stellen des Landes Berlin berücksichtigen bei deren Aufstellung in Abstimmung mit der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung
1.
die Folgen der geplanten Maßnahmen auf Verkehrsaufkommen und -leistung,
2.
die daraus entstehenden Anforderungen an die Gestaltung des Verkehrssystems und der Verkehrsangebote und
3.
die Konsequenzen für die Umsetzung der Ziele, Vorgaben, Anforderungen, Standards und Maßnahmen der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 sowie von StEP Mobilität und Verkehr und Integriertem Wirtschaftsverkehrskonzept.
Sonstige Planwerke und Konzepte mit Verkehrsbezug im Sinne von Satz 3 sind insbesondere Planungen zur Weiterentwicklung Berlins als national bedeutender und international wettbewerbsfähiger Wirtschafts-, Messe-, Kongress-, Forschungs-, Hochschul- und Tourismusstandort sowie Planungen zur Weiterentwicklung der Berliner Hauptstadtfunktionen.
(6) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung informiert die Öffentlichkeit über die in den §§ 3 bis 15 und in den verkehrsspezifischen Planwerken formulierten Ziele, über die zur Umsetzung dieser Ziele vorgesehenen Maßnahmen und über die erreichten Ergebnisse. Mit Kommunikationsmaßnahmen unterstützt sie die Erreichung der Ziele und Maßnahmen. Die entsprechenden Planwerke können Vorgaben zu derartigen Kommunikationsmaßnahmen enthalten.
(7) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung ermittelt regelmäßig die wesentlichen Eckwerte zur Entwicklung des Verkehrs und ergänzt diese um kontinuierlich erhobene Zählungen zur Verkehrsentwicklung des Radverkehrs und des motorisierten Verkehrs. Über entsprechende Vorgaben in den Verkehrsverträgen gemäß § 30 ist sicherzustellen, dass möglichst kontinuierlich Informationen über die Nachfrageentwicklung im ÖPNV verfügbar sind.
(8) Die für die Verkehrssicherheit zuständigen Stellen berücksichtigen die Ziele der §§ 10 und 11 und setzen die Maßnahmen des Verkehrssicherheitsprogrammes um. Ergänzende Vorgaben ergeben sich aus den §§ 21 und 22 sowie § 38.
(9) Maßnahmen der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 und weitere den Verkehrsraum beanspruchende Maßnahmen von Trägern öffentlicher Belange sind möglichst in koordinierter Weise umzusetzen. Träger öffentlicher Belange, die durch die Umsetzung einzelner Maßnahmen betroffen sein können, sind rechtzeitig über die Maßnahmen zu informieren. Zuständig dafür ist diejenige Stelle, die die Maßnahmen durchführt. Die Träger öffentlicher Belange können eigene Vorschläge für die Realisierung der Maßnahmen unterbreiten.
(10) Für das Straßennetz und Ingenieurbauwerke wird ein gesondertes Erhaltungsmanagement aufgebaut und betrieben.
(11) Werden durch Handeln oder Unterlassen der Bezirke bei Umsetzung der Inhalte der in § 16 Absatz 6 Satz 5 benannten verkehrsspezifischen Planwerke dringende Gesamtinteressen Berlins beeinträchtigt, kann die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung unter Beachtung der Vorgaben von § 13a Absatz 1 Satz 1 des Allgemeinen Zuständigkeitsgesetzes die Gesamtinteressen Berlins mit Hilfe ihrer Informations-, Weisungs- oder Eintrittsrechte durchsetzen. Zur aufsichtlichen Prüfung der Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 20 Absatz 1 Satz 1 kann die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung von den Bezirken Auskünfte, Berichte und die Vorlage von Akten und sonstigen Unterlagen fordern. Sie kann im Einvernehmen mit der Bezirksaufsichtsbehörde Prüfungen anordnen.
(12) Zur Umsetzung der in Vollzug dieses Gesetzes erforderlichen Aufgaben stellt das Land Berlin Ressourcen nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung.
§ 21 Besondere Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit
(1) Anzustreben ist eine selbsterklärende und verkehrssichere Verkehrsinfrastruktur, die regelkonformes Verhalten fördert und voraussetzt.
(2) Nach jedem Unfall mit Verkehrstoten an einem Knotenpunkt soll von der für Verkehrssicherheit im betreffenden Fall zuständigen Stelle unverzüglich geprüft werden, ob Maßnahmen kurz-, mittel- und langfristig ergriffen werden können, um weitere Unfälle mit Personenschaden zu vermeiden. Dasselbe gilt für Unfälle mit schwer verletzten Personen an einem nach polizeilicher Unfallstatistik bekannten Unfallschwerpunkt oder einem Knoten, der durch diesen zusätzlichen Unfall per Definition zu einem Unfallschwerpunkt würde. Das Ergebnis der Prüfung ist im Internet zu veröffentlichen.
(3) Im ersten Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes sollen mindestens zehn, im Folgejahr mindestens 20 und danach jährlich mindestens 30 der nach dem Merkblatt der Unfallkommission ermittelten gefährlichsten Knotenpunkte mit den höchsten Häufungen an Unfällen mit verletzten beziehungsweise schwerverletzten Personen so verändert werden, dass die Gefahrenquellen bestmöglich beseitigt werden und eine Erhöhung der Verkehrssicherheit sichergestellt ist. Die Auswahl der Knotenpunkte bestimmt sich nach der Verkehrsunfallstatistik der Polizei Berlin zu Verkehrsunfällen sowie nach weiteren objektiven Erkenntnisquellen. Die Knotenpunkte mit den auffälligsten Erhebungsergebnissen gemäß § 38 Absatz 1 sind bei der Bestimmung der zu verändernden Knotenpunkte zu berücksichtigen. Bei der Auswahl der umzubauenden Knotenpunkte soll außerdem die Verteilung auf mehrere Bezirke berücksichtigt werden.
(4) Die für die Verkehrsüberwachung im Land Berlin zuständigen Behörden und Dienststellen haben Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr konsequent zu verfolgen sowie zu ahnden und auf eine Regeleinhaltung hinzuwirken. Dabei sind über die Ziele gemäß § 22 Absatz 1 und 2 hinaus insbesondere
1.
Regelverstöße zu verfolgen, die die Sicherheit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden gefährden,
2.
Verkehrsteilnehmende für die Verkehrssicherheit der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmenden zu sensibilisieren
3.
die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Interesse einer stets möglichst zügigen Beendigung von rechtswidrigen Zuständen regelmäßig auf ihre Anwendbarkeit zu prüfen.
(4a) Als Einsatzmittel für die Verkehrsüberwachung sind verstärkt Fahrräder einzusetzen. Die Fahrradstaffel der Polizei Berlin wird weiter ausgebaut. Sie wird in allen Teilen Berlins tätig.
(5) Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen die Verkehrssicherheit über alle Verkehrsmittel insbesondere durch Information über die geltenden Verkehrsregeln verbessern. Die Schwerpunkte werden in Abstimmung mit den betroffenen Verbänden und Gremien festgelegt. Die Wirksamkeit dieser Informationsarbeit ist regelmäßig zu evaluieren und das Ergebnis zu veröffentlichen.
§ 22 Störungsfreie Nutzbarkeit der Verkehrswege des Umweltverbundes sowie von Liefer- und Ladezonen
(1) Eine möglichst sichere sowie behinderungs- und störungsfreie Nutzbarkeit von Gehwegen, Fahrwegen des Radverkehrs und von Fahrwegen und Haltestellen des ÖPNV sowie von Liefer- und Ladezonen soll gewährleistet werden. Hierzu sind in Zusammenarbeit der zuständigen Stellen der Verwaltung und der im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen unter Berücksichtigung der nachfolgenden Bestimmungen und ausgerichtet auf die Ziele dieses Gesetzes die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.
(2) Die Nutzbarkeit der Vorrangnetze der Verkehrsmittel des Umweltverbundes hat eine besondere Bedeutung. Dieses betrifft insbesondere die Konzeption, Koordination und Umsetzung wirksamer Maßnahmen
1.
zur Überwachung und Freihaltung von Geh- und Radwegen sowie von Haltestellen des ÖPNV,
2.
zur Überwachung und Freihaltung der Fahrwege von Straßenbahnen mit straßenbündigem Bahnkörper sowie von Bussonderfahrstreifen,
3.
zur Sicherung der Fahrplantreue des ÖPNV bei attraktiver Durchschnittsgeschwindigkeit sowie generell
4.
zur Verhinderung und Beseitigung von verkehrsbehinderndem oder verkehrssicherheitsgefährdendem Halten und Parken.
In gleicher Priorität sind Liefer- und Ladezonen in den Vorrangnetzen bei der Konzeption, Koordination und Umsetzung der vorstehenden Maßnahmen zu berücksichtigen.
(3) Temporäre Eingriffe in die von den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes genutzte Verkehrsinfrastruktur, insbesondere durch Bauarbeiten, sind durch die Infrastrukturbetreiber, Straßenbaulastträger und Träger der jeweils die Eingriffe auslösenden Vorhaben hinsichtlich Zeitraum und Dauer so abzustimmen, dass die Behinderungen und Gefährdungen für die Nutzerinnen und Nutzer minimiert werden und eine sichere barrierefreie Führung und Nutzbarkeit auch während des Eingriffs gewährleistet ist. Gleichzeitige Eingriffe in Alternativrouten sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland sollen Beschränkungen des verfügbaren Straßenraums nicht zu Lasten des Umweltverbundes erfolgen.
(4) Zur Gewährleistung einer behinderungs- und störungsfreien Nutzbarkeit erfolgt ein regelmäßiges Monitoring der von den Verkehrsmitteln des Umweltverbundes genutzten Straßeninfrastruktur inklusive der Funktionsfähigkeit der technischen Anlagen zur Verkehrslenkung sowie der Einhaltung der für die Nutzung dieser Infrastruktur maßgeblichen ordnungs- und verkehrsrechtlichen Vorgaben. Die Ergebnisse von Kontrollen der zuständigen Behörden oder die Ergebnisse der von Dritten nach vorgegebenen Standards auf Basis von Internetanwendungen übermittelten Störungsangaben sind im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar zu machen, die einen barrierefreien Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht.
(5) Die gemäß Absatz 4 erfassten Daten sind mit Blick auf die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu evaluieren. Maßstab für diese Evaluation sind die in den verkehrsspezifischen Planwerken definierten Vorgaben für die Qualität des Verkehrsangebots. Die Ergebnisse dieser Analyse werden in einem Evaluationsbericht zu Qualität und Nutzbarkeit der Verkehrsinfrastruktur generell sowie speziell in Bezug auf die verschiedenen Vorrangnetze der Verkehrsmittel des Umweltverbundes zusammengefasst. Bis 2022 ist alle zwei Jahre ein Evaluationsbericht vorzulegen. Danach geschieht dieses bei Bedarf, das heißt insbesondere in Vorbereitung der Planwerke, für die das Thema relevant ist.
(6) Die Daten gemäß Absatz 4 sowie die Erkenntnisse aus der Evaluation gemäß Absatz 5 sind insbesondere bei der Erstellung der verkehrsspezifischen Planwerke, bei der Konzeption von Maßnahmen im Straßenraum sowie bei der Aufgabenerfüllung nach den Absätzen 1 und 2 und bei Entscheidungen gemäß § 24 und § 25 zu berücksichtigen.
(7) Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland ist der Verkehrszeichenplan vor Ort öffentlich einsehbar durch die Bauherrin oder den Bauherrn oder die beauftragte Unternehmerin oder den beauftragten Unternehmer auszuhängen oder im Internet zu veröffentlichen. Über Beginn und Ende der Baumaßnahmen ist im Internet fortlaufend zu informieren. Dies gilt nicht für Maßnahmen nach § 12 Absatz 7 des Berliner Straßengesetzes.
§ 23 Aufgaben und Befugnisse der Berliner Verkehrsbetriebe bei der Verkehrsüberwachung
(1) Unbeschadet der Aufgaben und Befugnisse von Polizei und Ordnungsbehörden überwachen die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) den ruhenden Verkehr zur Abwehr von Gefahren, die von einer den Verkehrsregeln oder Verkehrszeichen widersprechenden Nutzung der Verkehrsflächen des ÖPNV ausgehen.
(2) Zur Wahrnehmung der Aufgabe nach Absatz 1 ist die BVG berechtigt, Fahrzeuge zur Räumung von Bussonderfahrstreifen (Zeichen 245 der Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung), Haltestellenbereichen sowie Wendeanlagen (Wendekreise und Wendeschleifen) im Bereich von Endhaltestellen (Zeichen 224, Zeichen 283 oder Zeichen 299 der Anlage 2 zu § 41 Absatz 1 der Straßenverkehrs-Ordnung), einschließlich der dort befindlichen Gehwege und Radwege, und von Straßenbahngleisen (§ 12 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Ordnung) umzusetzen. Dies gilt auch für die temporär angeordneten Bussonderfahrstreifen, Haltestellenbereiche und Wendeanlagen und im Zusammenhang mit Baumaßnahmen von Infrastruktur- und Verkehrsunternehmen. Zu diesem Zweck finden die §§ 11 bis 16, 17, 18, 42 bis 44, 46, 48 bis 51 und 59 bis 65 des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. Oktober 2006 (GVBl. S. 930), das zuletzt durch Artikel 5 des Gesetzes vom 16. März 2018 (GVBl. S. 186) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, entsprechende Anwendung.
(3) Verkehrsrechtlich besonders ausgebildete Beschäftigte der BVG dürfen zum Zweck des Absatzes 2 vor Ort ausschließlich die folgenden Befugnisse ausüben:
1.
entsprechend dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz:
a)
§ 15, Unmittelbare Ausführung einer Maßnahme,
b)
§ 17, Allgemeine Befugnisse,
c)
§ 18, Ermittlungen, Befragungen, Datenerhebungen,
d)
§ 37a, Umsetzung von Fahrzeugen,
e)
§ 42, Datenspeicherung, -veränderung und -nutzung,
f)
§ 44, Datenübermittlung innerhalb des öffentlichen Bereichs;
2.
auf Grund des Verwaltungs-Vollstreckungsgesetzes in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 201-4, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2094) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung:
a)
§ 10, Ausübung der Ersatzvornahme,
b)
§ 12, Ausübung des unmittelbaren Zwanges gegen Sachen.
(4) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung erlässt im Einvernehmen mit der für Inneres zuständigen Senatsverwaltung die zur Ausführung der Absätze 1, 2 und 3 erforderlichen Verwaltungsvorschriften, die insbesondere die Anforderungen an die verkehrsrechtliche Ausbildung im Sinne des Absatzes 3 und das Verfahren der Zusammenarbeit der BVG mit der Polizei Berlin festlegen.
(5) Für die Erhebung von Gebühren für Maßnahmen nach Absatz 3 durch die BVG gilt das Gesetz über Gebühren und Beiträge vom 22. Mai 1957 (GVBl. S. 516), das zuletzt durch Artikel IV des Gesetzes vom 18. November 2009 (GVBl. S. 674) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung; die Gebührenordnung erlässt der Senat durch Rechtsverordnung.
§ 24 Bewältigung von Konfliktlagen zwischen verschiedenen Planwerken
(1) Die Anforderungen anderer Verkehrsmittel sind bei der Ausarbeitung der separaten Planwerke gemäß § 16 Absatz 6 sowie insbesondere bei den dort getroffenen Festlegungen zu Vorrangnetzen zu berücksichtigen.
(2) Dabei soll im Wege planerischer Konfliktbewältigung vermieden werden, dass sich die in den Planwerken und insbesondere in deren Vorrangnetzen (Straße und Umweltverbund) für unterschiedliche Verkehrsmittel vorgesehenen Maßnahmen wechselseitig ausschließen (Realisierungskonflikt). Erkannte Realisierungskonflikte sind in den separaten Planwerken gemäß § 16 Absatz 6 aufzuzeigen und vorzubewerten, damit diese in der Umsetzung gemäß Absatz 3 bewältigt werden können.
(3) Gemäß Absatz 2 vorbewertete oder in der Umsetzung der separaten Planwerke erkannte Realisierungskonflikte löst die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung im Rahmen einer Abwägungsentscheidung. Hierbei berücksichtigt sie die konkurrierenden Anforderungen und die Zielsetzungen der Planwerke. Sie überprüft die Vorgaben der Planwerke dahingehend, ob sich die insoweit abwägungsrelevanten Belange bis zum Beginn der Umsetzungsplanung in entscheidungserheblichem Umfang im Verhältnis zu den Annahmen bei Beschluss des Planwerks geändert haben. In Bezug auf einzelne Verkehrsmittel und betroffene Nutzungsansprüche berücksichtigt sie insbesondere folgende Aspekte:
1.
Auswirkungen der betroffenen Maßnahmen auf die Zielerreichung der in den §§ 3 bis 15 sowie der im StEP Mobilität und Verkehr definierten Ziele,
2.
Bedeutung der Maßnahmen innerhalb der jeweiligen Netze,
3.
Vorhandensein und Eignung alternativer Maßnahmen,
4.
Möglichkeiten und Wirkung einer partiellen Berücksichtigung von Anforderungen oder partiellen Umsetzung von Maßnahmen.
(4) Der Abwägungsprozess und das Abwägungsergebnis sind unter Nennung der einzelnen Prüfschritte zu dokumentieren. Insbesondere ist zu dokumentieren, inwieweit den Anforderungen und Zielsetzungen der Planwerke und Vorrangnetze entsprochen werden kann. Soweit auf alternative Maßnahmen verwiesen wird, sind diese darzustellen.
(5) Die Dokumentation ist auf Anforderung allen betroffenen Trägern öffentlicher Belange offenzulegen. Das Ergebnis ist den separaten Planwerken als Ergänzung beizufügen, wenn deren Maßnahmen von einem Realisierungskonflikt betroffen waren.
§ 25 Bewältigung von Konfliktlagen bei der Umsetzung von Maßnahmen
(1) Konflikte zwischen zwei oder mehr Verkehrsmitteln, bei denen es sich nicht um Realisierungskonflikte im Sinne von § 24 Absatz 2 handelt, sind durch planerische Abwägungsentscheidungen aufzulösen. Derartige Konflikte entstehen bei der Umsetzung von Maßnahmen insbesondere dann, wenn Anforderungen des fließenden und des ruhenden Verkehrs nicht gleichzeitig realisierbar sind oder die Anforderungen eines Verkehrsmittels mit denen eines anderen Verkehrsmittels konkurrieren. Der Bedarf nach einer planerischen Abwägungsentscheidung besteht unabhängig vom Anlass der Maßnahme und daher auch unabhängig davon, ob die zur Umsetzung anstehende Maßnahme in einem nach Maßgabe dieses Gesetzes erstellten Planwerk enthalten ist oder nach Soll-Bestimmungen dieses Gesetzes im Regelfall verpflichtend vorgegeben ist.
(2) Bei der Abwägungsentscheidung sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
1.
die Konvergenz mit den Zielen dieses Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Verkehrssicherheit sowie der Bedeutung der Maßnahmen innerhalb der jeweiligen Netze,
2.
die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Verkehrssystems in seiner Gesamtheit,
3.
der Vorrang des fließenden vor dem ruhenden Verkehr,
4.
die verkehrsmittelspezifischen Ausweichmöglichkeiten im Sinne partieller Umsetzung von Maßnahmen oder der Umsetzung alternativer Maßnahmen.
(3) Liegt der in einem verkehrsspezifischen Planwerk enthaltenen Maßnahme ein Abwägungsfehler zu Grunde oder haben sich die abwägungsrelevanten Belange bis zum Beginn der Umsetzungsplanung in entscheidungserheblichem Umfang im Verhältnis zu den Annahmen bei Beschluss des Planwerks geändert, so ist über Art und Umfang der Realisierung der Maßnahme in einer Abwägungsentscheidung zu befinden. § 24 Absatz 3 Satz 4 sowie Absatz 4 und 5 gelten entsprechend.
(4) Aspekte des Landschafts-, Natur-, und Artenschutzes sind zu berücksichtigen.

Abschnitt 2: Entwicklung des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV)

§ 26 Besondere Ziele der Entwicklung des ÖPNV

(1) Die Sicherung und Ausgestaltung eines attraktiven öffentlichen Personennahverkehrs inklusive des Regionalverkehrs ist eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Das Land Berlin soll eine an der Erfüllung der Ziele der §§ 3 bis 15, der auf den öffentlichen Personennahverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des ÖPNV nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 11 ausgerichtete Bedienung mit ÖPNV sicherstellen. Die Maßnahmen zum Ausbau des ÖPNV bewirken insgesamt, dass der ÖPNV-Anteil am Gesamt-Modal-Split deutlich ansteigt.
(2) Der ÖPNV soll insbesondere Wohngebiete, Arbeits- und Ausbildungsstätten, Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, Einkaufsgelegenheiten, Sportzentren, kulturelle und soziale Einrichtungen sowie Erholungsgebiete verkehrlich erschließen und verknüpfen. Das Strecken- und Liniennetz des ÖPNV ist unter Beachtung der längerfristigen Mobilitätsentwicklung, der nachhaltigen Wirtschaftlichkeit und Effizienz der Infrastrukturerstellung und -nutzung sowie der Leistungserbringung an den Anforderungen der vorhandenen und potenziellen Fahrgäste auszurichten und zu entwickeln. Das ÖPNV-Angebot soll eine häufige, regelmäßige, pünktliche, schnelle, bequeme, umweltfreundliche, barrierefreie und sichere Verkehrsbedienung bieten und einen optimierten Übergang zu anderen Verkehrsmitteln im Sinne einer multimodalen Verknüpfung ermöglichen. Das Verkehrs- und Tarifangebot und die Information über dieses Angebot sind an den Bedürfnissen der Fahrgäste auszurichten.
(3) Die Tarife für die Nutzung des ÖPNV sind einfach, nachvollziehbar und übersichtlich zu gestalten. Durch Bemessung der Höhe und der Struktur der Tarife sind einerseits die Bindung der Kundinnen und Kunden an den ÖPNV zu honorieren sowie die Zahl der Fahrgäste zu erhöhen und andererseits ist der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, dass auch die Fahrgäste einen angemessenen Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebots leisten. Freifahrtregelungen für bestimmte Nutzergruppen sind damit nicht ausgeschlossen. Die Bedürfnisse von Menschen mit geringem Einkommen sind zu berücksichtigen und für diese ein angemessen niedriger Beitrag zur Finanzierung des Nahverkehrsangebotes vorzusehen. Die Vertriebswege sind leicht zugänglich und barrierefrei zu gestalten und so zu konzipieren, dass der Aufwand für den Fahrausweiserwerb für die Fahrgäste minimiert wird. Alternative Formen der Finanzierung des ÖPNV insbesondere über Bürgertickets oder die Heranziehung der Nutznießer des ÖPNV sind zu prüfen.
(4) Der verkehrsmittel- und unternehmensübergreifenden Integration der Verkehrsbedienung im öffentlichen Personennahverkehr sowie der Verknüpfung mit dem ÖPNV im Brandenburger Umland kommen besondere Bedeutung in der Umsetzung insbesondere der Ziele gemäß § 7 Absatz 1 sowie § 14 zu. Verknüpfung und Integration sind insbesondere durch abgestimmte Liniennetze, Fahrpläne, Anschlusssicherung, integrierten Tarif, zielgruppenspezifische Angebote, Vertrieb und bei der Kundenkommunikation umzusetzen.
(5) Zur Absicherung eines verlässlichen und pünktlichen Angebotes sowie zur Realisierung attraktiver Reisezeiten wird dem ÖPNV als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt. Im erforderlichen Umfang ist dieser Vorrang insbesondere bei der Straßenraumaufteilung sowie bei der Schaltung von Lichtzeichenanlagen umzusetzen.
(6) Bei der Planung und Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur, der Fahrzeuge sowie des Angebots des ÖPNV soll insbesondere in Umsetzung der Ziele gemäß § 3 und § 4 Absatz 2 und 3 den spezifischen Bedürfnissen der unterschiedlichen Gruppen von Nutzenden Rechnung getragen werden.
(7) Der ÖPNV soll die Mobilität von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sichern und die Barrierefreiheit im Sinne des Landesgleichberechtigungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. September 2006 (GVBl. S. 957), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 19. Dezember 2017 (GVBl. S. 695) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, gewährleisten, sowohl hinsichtlich der Ausstattung von Fahrzeugen und fahrgastbezogener Infrastruktur als auch bei Informationen, Vertrieb und Orientierungshilfen sowie dem Betrieb und der Wartung der entsprechenden Infrastruktur. Im Nahverkehrsplan sind hierfür Standards und Maßnahmen zur Zielerreichung für den fahrplanmäßigen Verkehr zu konkretisieren sowie angemessene Vorkehrungen für den Umgang mit Störungsfällen zu entwickeln. Zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen, die der Zielerreichung entsprechend § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes entgegenstehen, werden bis spätestens 31. Dezember 2021 individuelle Beförderungsangebote zur Überwindung von Barrieren beziehungsweise Nutzungseinschränkungen im Sinne angemessener Vorkehrungen entwickelt. Bei Neuanschaffungen von Fahrzeugen und Neubau von Verkehrsinfrastruktur ist die Barrierefreiheit gemäß dem anerkannten Stand der Technik zu gewährleisten; bei Umrüstungen von Fahrzeugen sowie beim Ersatz und Umbau der Verkehrsinfrastruktur oder sonstiger Einrichtungen soll eine entsprechende Gestaltung erfolgen.
(8) Bei der Planung und Ausgestaltung des ÖPNV ist der Fahrgastsicherheit Rechnung zu tragen. Die zuständigen Dienststellen der Polizei sind zu beteiligen.
(9) Zur Verringerung der verkehrstechnischen Beeinträchtigungen von Klima und Umwelt, zur Vermeidung von Gesundheitsbeeinträchtigungen (Luftschadstoffe und Lärm) sowie unter Berücksichtigung der Anforderungen der Energieeffizienz soll die Leistungserbringung im ÖPNV auf Schiene und Straße über geeignete Anforderungen und Maßnahmen bei Planung und Bau von Infrastruktur sowie Beschaffung und Ausgestaltung von Fahrzeugen schrittweise bis spätestens 2030 auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien umgestellt werden. Hierbei ist ein aus dem Bedarf abgeleitetes, integriertes Konzept unter Berücksichtigung von gegebenenfalls notwendig werdender zusätzlicher Infrastruktur zu erstellen. Grundsätzlich ist ein Systemwechsel von Bus auf Schienenverkehrsmittel Teil der Migrationsstrategie.
(10) Damit der ÖPNV seiner Vorreiterfunktion gerecht wird, soll bis spätestens 2030 schrittweise auf einen vollständigen Betrieb mit alternativen Antrieben beziehungsweise nicht fossilen Antriebsenergien inklusive der Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen umgestellt werden. Die Erprobung neuer, dem Stand der Wissenschaft entsprechender Techniken auf ihre Einsatzreife soll Teil dieses Umstellungsprozesses sein.
(11) Innovative Mobilitätskonzepte und Verkehrsangebote des ÖPNV sind mit Blick auf die verbesserte Erfüllung der Ziele dieses Gesetzes zu erproben. Sie sind zu nutzen, um auf neue Rahmenbedingungen und strukturelle Umbrüche, insbesondere im Kontext der zunehmenden Digitalisierung und des Aufkommens neuer, intelligenter Technologien, entsprechend reagieren zu können.

§ 27 Aufgabenträger für den ÖPNV

(1) Das Land Berlin ist Aufgabenträger für den gesamten ÖPNV. Zuständig ist die für den öffentlichen Personennahverkehr zuständige Senatsverwaltung.
(2) Die nach Absatz 1 zuständige Senatsverwaltung ist zuständige Behörde im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. L 315 vom 3.12.2007, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung. Die zuständige Behörde ist befugt, nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 ausschließliche Rechte und andere Ausgleichsleistungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Rahmen öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu gewähren.
(3) Der Aufgabenträger kann sich zur Wahrnehmung seiner Aufgaben Dritter bedienen, insbesondere Aufgabenträgerorganisationen einrichten oder sich an aufgabenträgerübergreifenden Organisationen beteiligen.

§ 28 Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB)

(1) Das Land Berlin hat zusammen mit dem Land Brandenburg und dessen Landkreisen und kreisfreien Städten zur Sicherstellung verkehrsmittel- und unternehmensübergreifender einheitlicher Tarife und eines integrierten Verkehrsangebots einen Verkehrsverbund gebildet und eine Verbundgesellschaft gegründet. Die Verbundgesellschaft wirkt im Rahmen ihrer Aufgaben nach den verbundvertraglichen Vereinbarungen an der Planung, Organisation, und Ausgestaltung einer angemessenen Verkehrsbedienung im ÖPNV gemäß den nachfolgenden Bestimmungen mit.
(2) Der Aufgabenträger soll die Verbundgesellschaft mit der Vergabe von Leistungen im Schienenpersonennahverkehr sowie mit dem Vollzug entsprechender öffentlicher Dienstleistungsaufträge beauftragen. Ferner soll sich der Aufgabenträger der Verbundgesellschaft für die Aufteilung der Fahrgeldeinnahmen gemäß den zugrundeliegenden Verkehrs- und Einnahmenaufteilungsverträgen und die Weiterentwicklung der entsprechenden Verträge und Verfahren bedienen. Der Aufgabenträger kann die Verbundgesellschaft mit weiteren Tätigkeiten zur Unterstützung insbesondere im SPNV beauftragen.
(3) Die Verbundgesellschaft wirkt unterstützend und koordinierend an der Weiterentwicklung der Fahrplanangebote im Stadt-Umland-Verkehr in Abstimmung mit den im Land Brandenburg zuständigen Aufgabenträgern mit. Das Land Berlin wirkt darauf hin, dass Kombitickets für die Nutzung des ÖPNV bei An- und Abreise für Flugreisen angeboten werden. Der Aufgabenträger bezieht seinerseits die Verbundgesellschaft in die Aufstellung und Fortschreibung des Nahverkehrsplans gemäß § 29 ein, insbesondere zur Abstimmung und Koordination mit den Nahverkehrsplänen der benachbarten Aufgabenträger des SPNV und des ÖPNV nach dem Personenbeförderungsgesetz.

§ 29 Nahverkehrsplan

(1) Der Aufgabenträger stellt einen Nahverkehrsplan für den öffentlichen Personennahverkehr auf. Bei der Aufstellung sind die in § 26 Absatz 1 benannten Ziele und Vorgaben sowie die für den ÖPNV maßgeblichen Ziele der Stadtentwicklungs- und Regionalplanung und deren Konkretisierung in entsprechenden aktuellen Planwerken zugrunde zu legen und umzusetzen.
(2) Im Nahverkehrsplan werden die politischen Ziele des Landes Berlin für den ÖPNV festgelegt. Diese umfassen die gemäß Absatz 1 zu berücksichtigenden Ziele und Vorgaben, deren strategische Bewertung vor dem Hintergrund der vorhandenen und der zu erwartenden Ausgangsbedingungen und die Festlegung der strategischen Stoßrichtung der zur Zielerreichung zu realisierenden Maßnahmen. Zu den vorhandenen und den zu erwartenden Ausgangsbedingungen gehören insbesondere die betrieblichen und infrastrukturellen Gegebenheiten des ÖPNV, die finanziellen Möglichkeiten des Landes Berlin sowie die vorhandene und geplante Siedlungs- und Verkehrsstruktur, Prognosen der zu erwartenden Verkehrsentwicklung sowie Befragungsergebnisse zu den wichtigsten Anforderungen der vorhandenen und potenziellen Fahrgäste an den ÖPNV.
(3) Im Nahverkehrsplan werden unter Berücksichtigung der nachfolgenden Absätze Verpflichtungen, Anforderungen und Maßnahmen spezifiziert, um in Umsetzung der strategischen Stoßrichtung die ausreichende Verkehrsbedienung entsprechend den in Absatz 2 Satz 2 genannten politischen Zielen sicherzustellen.
(4) Im Nahverkehrsplan sind insbesondere Anforderungen an Umfang und Qualität des Verkehrsangebotes sowie die Vorgaben für die verkehrsmittel- und unternehmensübergreifende Integration der Verkehrsleistungen im ÖPNV darzustellen. Dazu gehören insbesondere Anforderungen an Erschließung und Betriebszeiten, an Taktfolgen und Anschlussbeziehungen, an die einzusetzenden Fahrzeuge, zur Fahrgastinformation im Regel- und im Störungsfall, zur Struktur und Fortentwicklung der gemeinschaftlichen Beförderungsentgelte und -bedingungen (Tarife), zur Ausgestaltung von Fahrgastrechten sowie zur Ausgestaltung der Verkehrsinfrastruktur des ÖPNV.
(5) Im Nahverkehrsplan ist festzulegen, ob und wie Einfluss auf die tarifliche und vertriebliche Integration der Verkehrsangebote des ÖPNV mit anderen Mobilitätsdienstleistungen genommen werden soll.
(6) Für die Berücksichtigung der Belange von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen ist mit dem Ziel der vollständigen Barrierefreiheit § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes maßgeblich. Der Nahverkehrsplan konkretisiert entsprechend den Vorgaben aus § 26 Absatz 7 die dafür erforderlichen Standards, Maßnahmen und Prioritäten. Diese berücksichtigen auch Orientierungshilfen und Informationsangebote nach dem Zwei-Sinne-Prinzip, nach dem Informationen mindestens über zwei der drei Sinne (Hören, Sehen, Tasten) vermittelt werden, sowie ein ausreichendes Platzangebot für den in Satz 1 genannten Personenkreis einschließlich seiner gegebenenfalls erforderlichen Hilfsmittel zur persönlichen Mobilität. Die im Nahverkehrsplan zu setzenden Standards gewährleisten grundsätzlich eine eigenständige Auffindbarkeit, Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des ÖPNV durch alle Fahrgäste, soweit nicht im Nahverkehrsplan in begründeten Fällen Ausnahmen benannt sind. Im Nahverkehrsplan sind zudem angemessene Vorkehrungen gemäß § 26 Absatz 7 Satz 2 festzulegen, mit denen möglichst auch im Störungsfall oder bei baulich oder fahrzeugseitig noch nicht hergestellter Barrierefreiheit barrierefreie Mobilitätsalternativen zur Verfügung gestellt werden sollen.
(7) Zur Erfüllung der Ziele aus § 8 Absatz 1 sowie § 26 Absatz 9 und 10 sind im Nahverkehrsplan die Schritte zur Umstellung des ÖPNV auf nicht fossile Antriebsenergie planerisch abzuleiten und darzustellen. In Umsetzung der Ziele aus § 8 Absatz 2 sowie § 9 sind im Nahverkehrsplan entsprechende Standards und Anforderungen an den ÖPNV hinsichtlich seiner Schadstoff- und Lärmemissionen sowie ressourcenschonender Material- und Energieverbräuche zu entwickeln.
(8) Als Teil des Nahverkehrsplans ist ein ÖPNV-Bedarfsplan aufzustellen. Unter Berücksichtigung insbesondere der Vorgaben aus § 16 Absatz 6 Satz 3 und 4 sowie § 32 Absatz 4 beinhaltet dieser Aussagen zu Maßnahmen der Infrastrukturentwicklung sowie zur Entwicklung von Investitionen in weitere für den Betrieb des ÖPNV wesentliche Anlagegüter. Die Maßnahmen sind zu priorisieren und ihre Kosten für die Investitionsplanung des Landeshaushalts abzuschätzen.
(9) Die Beteiligung von Verkehrsunternehmen sowie die Anhörung von Verbänden ist unter Berücksichtigung der Vorgaben des Bundesrechts so auszugestalten, dass ein möglichst umfassendes Bild über die von den verschiedenen Akteuren vertretenen Interessen gewonnen wird. Der oder die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderungen und der Landesbeirat für Menschen mit Behinderungen sind anzuhören.
(10) Der Nahverkehrsplan ist unter Beachtung von § 28 Absatz 3 mit den Aufgabenträgern im Land Brandenburg abzustimmen.
(11) Der Nahverkehrsplan hat Aussagen zu seiner Evaluation und zum Monitoring zu treffen.
(12) Der Nahverkehrsplan wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben. Der Nahverkehrsplan soll alle fünf Jahre fortgeschrieben werden. Die Absätze 1 bis 11 sowie Satz 1 und 2 gelten hierfür entsprechend.

§ 30 Abschluss öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Verkehrsverträge)

(1) Der Aufgabenträger gewährt die zum Ausgleich gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen der Verkehrsunternehmen erforderlichen finanziellen Leistungen und/oder ausschließlichen Rechte auf Grundlage öffentlicher Dienstleistungsaufträge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 (Verkehrsverträge).
(2) Der Nahverkehrsplan stellt die Grundlage für die in den Verkehrsverträgen zu regelnden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen dar. Dies umfasst auch Festlegungen zur Gesamtleistung gemäß § 8a Absatz 2 Satz 4 des Personenbeförderungsgesetzes. Verkehrsverträge sind so auszugestalten, dass ihre Nachsteuerung auf Basis eines während ihrer Laufzeit fortgeschriebenen Nahverkehrsplans möglich ist.
(3) Bei der Vergabe von Verkehrsverträgen ist zu prüfen, ob ergänzend zu den Pflichten des Berliner Ausschreibungs- und Vergabegesetzes auf Tariftreue und Mindestentlohnung weitere Möglichkeiten der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Sicherung von Sozialstandards für die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bestehen. Diese sind bei Bedarf zu nutzen.
(4) Verkehrsverträge sind so auszugestalten, dass die Sanktionsmechanismen der Verträge im Falle von Schlechtleistungen für die Unternehmen wirtschaftlich unattraktiver sind, als die Erbringung dieser Leistung.

§ 31 Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV

(1) Der Nahverkehrsplan soll regeln, welche Anforderungen an Haltestellen und Stationen des ÖPNV im Interesse der Fahrgäste sowie möglichst störungsfreier Betriebsabläufe zu stellen sind. Dieses betrifft insbesondere die unbehinderte An- und Abfahrt, barrierefreie Gestaltung sowie kurze und sichere Zugangs- und Umsteigewege, gute Auffindbarkeit, Einsehbarkeit und Beleuchtung, ausreichend dimensionierte Aufstellflächen, witterungsgeschützte Warte- und Sitzmöglichkeiten sowie Vorgaben zur Fahrgastinformation.
(2) Die öffentlichen Baulastträger sind für die barrierefreie Ausgestaltung der Haltestellen von Bus und Straßenbahn verantwortlich, soweit diese nicht in der Zuständigkeit der Verkehrsunternehmen liegen. Die konkreten Anforderungen in Umsetzung der Vorgaben aus § 26 Absatz 6 und 7 an die barrierefreie Ausgestaltung, zeitliche Vorgaben und mögliche Ausnahmen gemäß § 8 Absatz 3 des Personenbeförderungsgesetzes werden im Nahverkehrsplan definiert.
(3) Bei der Umgestaltung, Verlegung und Neueinrichtung von Haltestellen des ÖPNV im Straßenraum sind durch die öffentlichen Baulastträger die betrieblichen Anforderungen der Verkehrsunternehmen, die Anforderungen aus Absatz 1 sowie die Anforderungen gemäß § 33 Absatz 4 und § 38 Absatz 6 zu berücksichtigen.

§ 32 Erhalt, Modernisierung und Ausbau der Schienenverkehrsinfrastruktur

(1) Die Schienenverkehrsinfrastruktur im Eigentum des Landes Berlin oder im Eigentum landeseigener oder in der Gewährträgerschaft des Landes stehender Betreiber ist von diesen dem Stand der Technik entsprechend aufrechtzuerhalten und deren Qualität, Kapazität und Verfügbarkeit ist mindestens gleichbleibend zu gewährleisten. Abweichende Vorgaben können sich aus den Zielen gemäß § 16 Absatz 3, § 26 sowie aus dem ÖPNV-Bedarfsplan ergeben.
(2) Die zur Umsetzung der Vorgaben aus Absatz 1 erforderlichen Maßnahmen sind in Verkehrsverträgen zu regeln. Dabei ist auch im Rahmen eines Monitorings die Erfassung und Evaluierung des Zustands der Infrastruktur in Bezug auf den Erhalt des betrieblichen Nutzwertes und zur Verhinderung von Substanzverlust der Infrastrukturanlagen sowie zur Vermeidung eines übermäßigen Investitionsrückstaus vorzugeben. Kennzahlen zur Überprüfung des Infrastrukturzustandes werden vom Aufgabenträger in Abstimmung mit dem jeweiligen Betreiber der Infrastruktur festgelegt.
(3) Das Land Berlin hat auf die Betreiber oder Eigentümer der nicht unter Absatz 1 fallenden für den Personenverkehr genutzten Schienenverkehrsinfrastruktur auf dem Gebiet des Landes Berlin in geeigneter Weise hinzuwirken, um auch für diese die Ziele und Vorgaben des Absatzes 1 umzusetzen.
(4) Maßnahmen zur Modernisierung sowie zum Aus- und Neubau von Schienenverkehrsinfrastruktur sollen zur Erreichung der besonderen Ziele der Entwicklung des ÖPNV gemäß § 26 umgesetzt werden, wenn dieses zur Bereitstellung eines attraktiven, kapazitativ ausreichenden und mit nicht fossilen Antriebsenergien betriebenen Verkehrsangebotes oder aus Gründen der betrieblichen Optimierung erforderlich ist.
(5) Die mit den Maßnahmen zu Erhalt, Modernisierung, Aus- und Neubau der Schienenverkehrsinfrastruktur verbundenen Beeinträchtigungen des laufenden Betriebs sind durch Koordination und Terminierung der Maßnahmen sowie durch Schienenersatzverkehr von angemessener Qualität zu reduzieren. Nähere Vorgaben dazu soll der Nahverkehrsplan unter Berücksichtigung von § 22 Absatz 3 sowie § 26 Absatz 6 und 7 setzen.

§ 33 Anforderungen des ÖPNV an die Straßenverkehrsinfrastruktur

(1) In Ausgestaltung der Ziele gemäß § 26 Absatz 2 und 5 legt der Nahverkehrsplan ein Vorrangnetz für den ÖPNV fest. Das Vorrangnetz dient der effektiven und wirtschaftlichen Sicherung der Qualität der Angebote des ÖPNV im Oberflächenverkehr. Es umfasst Strecken mit einem dichten ÖPNV-Angebot oder einer hohen Fahrgastnachfrage. Das Vorrangnetz kann bei Bedarf auch vor Erlass eines neuen Nahverkehrsplanes vom Aufgabenträger fortgeschrieben werden. Es ist in diesem Fall im Gesamtbericht nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zu veröffentlichen.
(2) Der Straßenverkehrsraum der Strecken des Vorrangnetzes ist unter Berücksichtigung von infrastrukturellen, verkehrsordnenden und verkehrsregelnden Maßnahmen zugunsten des ÖPNV zu gestalten. Dies umfasst insbesondere die Einrichtung von dem ÖPNV vorbehaltenen Fahrwegen, von Haltestellenkaps sowie die Beeinflussung von Lichtzeichenanlagen. Nähere Festlegungen können im Nahverkehrsplan getroffen werden.
(3) Die gemeinsame Nutzung der ÖPNV-Fahrwege mit Carsharingfahrzeugen, Elektrofahrzeugen oder anderen Verkehrsmitteln des motorisierten Individualverkehrs soll im Rahmen des geltenden Rechts vermieden werden. Satz 1 gilt nicht für Krankenfahrzeuge und Taxen. Bei gemeinsamer Nutzung von ÖPNV-Fahrwegen mit Fahrrädern soll eine ausreichende Mindestbreite sichergestellt werden. Eine separierte Infrastruktur für ÖPNV und Radverkehr ist zu bevorzugen.
(4) Dauerhafte Eingriffe und Veränderungen der Straßenverkehrsinfrastruktur sollen grundsätzlich keine Verschlechterung der verkehrlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen für den ÖPNV herbeiführen. Bei temporären Eingriffen sind Beeinträchtigungen des ÖPNV möglichst zu vermeiden, der grundsätzliche Vorrang des ÖPNV gemäß § 26 Absatz 5 ist bei allen begleitenden verkehrsregelnden und verkehrsordnenden Maßnahmen zu beachten. Bei Eingriffen im Bereich des gemäß Absatz 1 festgelegten Vorrangnetzes für den ÖPNV sind die Belange des ÖPNV besonders zu berücksichtigen. Im Falle unvermeidbarer Einschränkungen des ÖPNV sollen geeignete Maßnahmen ergriffen werden, um die im Ergebnis auftretenden Störeinflüsse auszugleichen oder zu minimieren.

§ 34 Vermeidung von Störungen bei Bus und Straßenbahn

(1) In die Zusammenarbeit nach § 22 bringen die im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen insbesondere Erfassungen und Auswertungen der Nutzbarkeit der Verkehrswege des ÖPNV auf der Basis technischer Pünktlichkeits- und Fahrzeitanalysewerkzeuge ein. Die zuständigen Stellen werten diese in Bezug auf Störungsfreiheit des straßengebundenen ÖPNV aus.
(2) Außerordentliche Umstände, die zu einer massiven Störung der Leistungserbringung führen, werden von den im straßengebundenen ÖPNV tätigen Verkehrsunternehmen den für die Verkehrslenkung zuständigen Stellen umgehend angezeigt.
(3) Die zuständigen Stellen ergreifen bei Bedarf unverzüglich verkehrsordnende, -regelnde oder -organisatorische Maßnahmen für eine Beseitigung oder Minimierung von Störungen im Sinne von Absatz 2.

§ 35 Finanzierung des ÖPNV

(1) Zur Finanzierung von Verkehrs- und Infrastrukturleistungen, deren Planung, Vergabe und Controlling, von gesetzlichen Ausgleichsleistungen, zur Förderung von Investitionen in den öffentlichen Personennahverkehr sowie für die Tätigkeiten der Verbundgesellschaft soll das Land Berlin Mittel insbesondere nach § 5 des Regionalisierungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2395), das zuletzt durch Artikel 19 Absatz 23 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234) geändert worden ist, nach den §§ 1 und 3 Absatz 1 des Entflechtungsgesetzes vom 5. September 2006 (BGBl. I S. 2098, 2102), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 1. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2755) geändert worden ist beziehungsweise in Nachfolge des Entflechtungsgesetzes ab 2020 in äquivalenter Höhe sowie nach Maßgabe des Haushaltsplanes zur Verfügung stellen. Die Regionalisierungsmittel sind vorrangig für Zwecke des SPNV zu verwenden.
(2)
1)
Ein Ausgleich für die Anwendung ermäßigter Zeitfahrausweise des Ausbildungsverkehrs wird ausschließlich auf Basis von Verkehrsverträgen geleistet. Die Einzelheiten des Ausgleichs werden in den Verkehrsverträgen festgelegt. Die Sätze 1 und 2 ersetzen § 45a des Personenbeförderungsgesetzes und die §§ 6a, 6c und 6f des Allgemeinen Eisenbahngesetzes.
(3) Die Gewährung bundesgesetzlicher Ausgleichsleistungen gemäß den §§ 228 bis 234 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234), das zuletzt durch Artikel 23 des Gesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2541) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung, erfolgt unabhängig von diesem Gesetz.
(4) Die Förderung von Investitionen kann im Rahmen von Verkehrsverträgen nach § 30 Absatz 1 oder über Zuwendungsbescheid erfolgen.
Fußnoten
1)
[Entsprechend Artikel 4 Satz 2 des Gesetzes zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mobilitätsgewährleistung vom 5. Juli 2018 (GVBl. S. 464) tritt § 35 Abssatz 2 am 01.01.2020 in Kraft.]

Abschnitt 3: Entwicklung des Radverkehrs

§ 36 Besondere Ziele der Entwicklung des Radverkehrs

(1) Das Land Berlin hat eine an den Zielen der §§ 3 bis 15, der auf den Radverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des Radverkehrs nach Maßgabe der folgenden Absätze 2 bis 7 ausgerichtete Förderung eines attraktiven, leistungsfähigen und sicheren Radverkehrs sicherzustellen.
(2) Die Förderung des Radverkehrs ist daran auszurichten, die Mobilitätsbedürfnisse in Berlin im Zusammenspiel mit den anderen Verkehrsmitteln auch bei wachsender Bevölkerungszahl erfüllen zu können.
(3) Die Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs sollen bewirken, dass der Radverkehrsanteil im öffentlichen Raum wahrnehmbar deutlich ansteigt. Ziel ist ein dauerhaft nach Maßgabe der Ziele dieses Gesetzes und unter Berücksichtigung saisonaler Schwankungen optimaler Anteil des Radverkehrs am Modal Split. Konkrete Ziele sind im Radverkehrsplan festzulegen.
(4) Um das Radfahren in Berlin auf kurzen wie längeren Wegen attraktiver und sicher zu gestalten, sind Qualität und Quantität der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs auf ein dem angestrebten Stellenwert des Radverkehrs angemessenes Niveau zu heben.
(5) Durch geeignete infrastrukturelle, verkehrsorganisatorische sowie kommunikative Maßnahmen ist eine objektive und möglichst hohe subjektive Sicherheit für die Radfahrenden zu erreichen. Dabei ist die vollständige Vermeidung von Verkehrsunfällen, die zu getöteten und schwer verletzten Radfahrenden führen, langfristiges Ziel und Leitlinie der Ausgestaltung von Maßnahmen zur Förderung der Sicherheit des Radverkehrs.
(6) Ein den Zielen dieses Gesetzes entsprechendes und am Nachfragepotenzial orientiertes Angebot an Mietfahrrädern ist in ganz Berlin durch geeignete Maßnahmen zu unterstützen. Beim Ausbau des Angebotes ist auf die Aufnahme von Rädern für die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen hinzuwirken.
(7) Die umweltschonende Nutzung von Lastenrädern für private oder gewerbliche Zwecke soll ausgeweitet werden. Entsprechende Maßnahmen zur Förderung von Lastenrädern sollen sowohl deren Angebot stärken als auch die Möglichkeiten zum Abstellen von Lastenrädern erweitern.

§ 37 Aufgaben und Zuständigkeiten für den Radverkehr

(1) Die für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin fördern den Radverkehr unter Beachtung und in Umsetzung des Radverkehrsplanes gemäß § 40 sowie der Regelungen der §§ 41 bis 48.
(2) Bei der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung wird eine Koordinierungsstelle Radverkehr eingerichtet, die als Stabsstelle unmittelbar der Leitung untersteht.
(3) Das Land Berlin kann Aufgaben der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung der Koordinierung, Planung, Umsetzung und dem Betrieb von Projekten sowie entsprechende Aufgaben der Bezirke an ein landeseigenes Unternehmen übertragen. Dieses gehört insoweit zu den für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes.
(4) Das Land Berlin stellt gegenüber dem landeseigenen Unternehmen sicher, dass dieses seine Tätigkeit transparent und nachvollziehbar gestaltet. Entsprechende Tätigkeitsberichte sind im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar zu machen, die einen Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht. Gleiches gilt für die durch das Unternehmen betreuten Projekte und Maßnahmen, zu denen fortlaufend und aktuell im Internet zu informieren ist. Das landeseigene Unternehmen unterliegt darüber hinaus uneingeschränkt den Vorgaben und Anforderungen des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes.
(5) Jeder Bezirk benennt eine für die Koordinierung der Radverkehrsangelegenheiten zuständige Person. In jedem Bezirk sollen mindestens zwei hauptamtlich Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) für den Radverkehr tätig sein. Ihre Aufgaben sind Planung und Umsetzung der bezirklichen Maßnahmen zur Radverkehrsförderung; dabei arbeiten sie mit den anderen für den Radverkehr zuständigen Stellen des Landes Berlin zusammen.
(6) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung initiiert und koordiniert ein Bündnis für den Radverkehr, das der Abstimmung der Maßnahmen sowie der Koordinierung der Umsetzung von baulichen und organisatorischen Maßnahmen mit dem Ziel der beschleunigten Umsetzung der Maßnahmen aus dem Radverkehrsplan dient. Neben den Bezirken und dem landeseigenen Unternehmen nach Absatz 3 sollen insbesondere die für die Umsetzung der prioritären Maßnahmen nach § 42 Absatz 3 zuständigen Einrichtungen jeweils mit entscheidungsbefugten Personen am Lenkungskreis des Bündnisses teilnehmen. Größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken sollen im Bündnis für Radverkehr abgestimmt und die Koordinierungsstelle über den Stand der Umsetzung auf dem Laufenden gehalten werden.
(7) Auf Landesebene besteht ein Gremium, das die Senatsverwaltung in allen Fragen der Radverkehrspolitik unterstützt und Vorschläge und Anregungen unterbreitet („FahrRat“). Der FahrRat soll sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Kammern, Bezirken und zivilgesellschaftlichen und weiteren Handelnden zusammensetzen. Er wirkt auf transparente und offene Verfahrensabläufe sowie die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen durch geeignete Beteiligungsverfahren zu einzelnen Themen der Radverkehrspolitik hin. Der FahrRat wirkt bei der Erarbeitung und Fortschreibung des Radverkehrsplans mit. Er soll vor wesentlichen Entscheidungen und Planungen mit Auswirkungen auf die gesamtstädtische Ebene gehört werden. Über die Zusammensetzung des Gremiums entscheidet das Abgeordnetenhaus auf Vorschlag des Senats.
(8) In den Bezirken sollen bezirkliche FahrRäte das zuständige Bezirksamt beraten. Die Zusammensetzung der bezirklichen FahrRäte wird durch die für die Planung von Straßen zuständigen Bezirksstadträtinnen oder Bezirksstadträte festgelegt. Absatz 7 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Die Sitzungen der Gremien finden grundsätzlich öffentlich statt, Unterlagen und Sitzungsprotokolle werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Größere Radverkehrsmaßnahmen in den Bezirken werden mit den bezirklichen FahrRäten beraten.
(9) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung berichtet der Öffentlichkeit jährlich über die Umsetzung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs und regelmäßig über den Stand der Erreichung der Ziele.

§ 38 Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit im Radverkehr

(1) Über das Sicherheitsempfinden von Radfahrenden an Knotenpunkten sind mindestens alle fünf Jahre, erstmals innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes, Erhebungen durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung oder das landeseigene Unternehmen nach § 37 Absatz 3 durchzuführen.
(2) Bei der Umgestaltung eines Knotenpunktes sollen Radverkehrsanlagen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit nach dem Stand der Technik eingerichtet oder angepasst werden; Maßnahmen nach Radverkehrsplan sollen umgesetzt werden. Bei der Einrichtung der Radverkehrsanlagen sollen Knotenpunkte so gestaltet werden, dass optimale Sichtbeziehungen bestehen.
(3) Für Mitarbeitende im Außendienst der bezirklichen Ordnungsämter sollen bei Bedarf Dienstfahrräder bereitgestellt werden, wenn diese im Verkehrsüberwachungsdienst oder für Einsätze im Allgemeinen Ordnungsdienst eingesetzt werden sollen.
(4) Die Themen Radverkehrsförderung und Gleichstellung von Radfahrenden sind Teil von Fortbildungsprogrammen, die ausdrücklich auch für Beschäftigte mit Vorgesetzten- und Leitungsfunktionen im allgemeinen Polizei- und Ordnungsdienst sowie in sonstigen Verwaltungen vorzusehen sind.
(5) Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen den Radverkehr fördern. Die Schwerpunkte werden in Abstimmung mit dem FahrRat nach § 37 Absatz 7 dieses Gesetzes festgelegt. Die Wirksamkeit dieser Informationsarbeit ist regelmäßig zu evaluieren und das Ergebnis zu veröffentlichen.
(6) Radverkehrsanlagen im Haltestellenbereich sind möglichst konfliktarm zu führen, vorzugsweise hinter den Haltestellen. Ihre Gestaltung soll besondere Vorsicht und Rücksichtnahme fördern. An Haltestellen des ÖPNV, an denen der Radverkehr über die Geh-, Warte- und Ein- und Ausstiegsbereiche geführt wird, sind Radfahrende vor dem Haltestellenbereich auf geeignete Weise auf den Vorrang der ÖPNV-Nutzenden beim Zu- und Ausstieg aus dem Fahrzeug hinzuweisen.

§ 39 Planung, Verkehrsführung und Information bei Baumaßnahmen

(1) Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland soll eine sichere Radverkehrsführung sichergestellt werden. Müssen Abschnitte von Straßen oder anderen Elementen im Radverkehrsnetz vollständig gesperrt werden, so ist für ausgewiesene Umfahrungsstrecken zu sorgen.
(2) Bei der Planung von Baumaßnahmen im Straßenland ist zu prüfen und bei relevanten Vorhaben zu dokumentieren und unverzüglich im Internet zu veröffentlichen, inwieweit mit dem Abschluss der Baumaßnahme eine Radverkehrsanlage im Sinne dieses Gesetzes und der weiteren Regelwerke geschaffen werden kann. Bei jeder Planung und Baumaßnahme des Landes Berlin müssen die Bedürfnisse des Radverkehrs für künftige Planungen berücksichtigt werden.

§ 40 Aufstellung und Fortschreibung Radverkehrsplan

(1) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stellt einen Radverkehrsplan auf. Bei der Aufstellung des Radverkehrsplanes sind die in § 36 Absatz 1 benannten Ziele und Vorgaben sowie die für den Radverkehr maßgeblichen Ziele der Stadtentwicklungs- und Regionalplanung und deren Konkretisierung in entsprechenden aktuellen Planwerken zugrunde zu legen und umzusetzen.
(2) Der Radverkehrsplan dient insbesondere zur Sicherung und Verbesserung der für den Radverkehr notwendigen Infrastruktur. Der Radverkehrsplan enthält konkrete Ausbauvorgaben insbesondere zur Errichtung des Radverkehrsnetzes unter Angabe von Jahresausbauzielen (Quantitäten) und Schritten zur Verwirklichung der Ziele (Ausbaupfade) sowie zu den Qualitäten der geplanten Radverkehrsanlagen. Im Radverkehrsplan sind auf Grundlage der vorhandenen und geplanten Siedlungs- und Verkehrsstrukturen Ziele und Rahmenvorgaben für die Entwicklung des Radverkehrs und der dazu notwendigen Radverkehrsinfrastruktur festzulegen. Dazu gehören Mindestanforderungen an Sicherheit, Qualität und Quantität der Radverkehrsinfrastruktur und insbesondere der Weiterentwicklung des Radverkehrsnetzes.
(3) Der Radverkehrsplan wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist als Rechtsverordnung zu erlassen und dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung ist zum Erlass gemäß Satz 2 ermächtigt. Eine Beteiligung des Rats der Bürgermeister ist dabei sicherzustellen.
(4) Bei der Aufstellung und Fortschreibung des Radverkehrsplans werden die Partner des Bündnisses für den Radverkehr, die FahrRäte sowie die Öffentlichkeit einbezogen.
(5) Die Datengrundlagen des Radverkehrs sollen so ausgeweitet werden, dass Radverkehrsbewegungen als valide Eingangsgröße für die Aufstellung und Evaluation des Radverkehrsplans oder von Maßnahmen genutzt werden können. Hierbei sollen unter anderem weitere automatische Zählstellen zum Einsatz kommen. Die gezählten Radverkehrsbewegungen sind im Internet öffentlich verfügbar und auf digitaler Basis nutzbar zu machen.
(6) Der Radverkehrsplan hat Aussagen zu seiner Evaluation und zum Monitoring zu treffen. Die Ergebnisse von Evaluation und Monitoring werden dem Abgeordnetenhaus von Berlin jeweils vor der nächsten Fortschreibung des Radverkehrsplans vorgelegt. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung lässt die Wirkungen der Maßnahmen nach diesem Gesetz evaluieren. Dabei ist die Anzahl der mit dem Rad zurückgelegten längeren Wege als ein Indikator für die Wirksamkeit der Radverkehrsförderung zu berücksichtigen.
(7) Der Radverkehrsplan soll erstmalig innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes aufgestellt und spätestens alle fünf Jahre fortgeschrieben werden.
(8) Im Vorgriff auf die erstmalige Aufstellung des Radverkehrsplans legt die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung Vorgaben in Bezug auf Handlungsziele und Maßnahmen vor, die Inhalt des ersten Radverkehrsplans werden. Diese Vorgaben für die Radverkehrsplanung werden vom Senat beschlossen, der sie dem Abgeordnetenhaus zur Kenntnis gibt.
(9) Aus den Vorgaben für die Radverkehrsplanung ist durch die für den Verkehr zuständige Senatsverwaltung der Radverkehrsplan zu entwickeln, der die Inhalte der Vorgaben konkretisiert. Bis dahin treten die Vorgaben für die Radverkehrsplanung an die Stelle des Radverkehrsplans. Sie sind auch für die Bezirke bindend.

§ 41 Berliner Radverkehrsnetz

(1) Das Berliner Radverkehrsnetz soll gleichwertig in allen Teilen Berlins insbesondere Wohngebiete, Arbeitsstätten, Bildungsstätten, Einkaufsgelegenheiten, kulturelle, soziale und Gesundheitseinrichtungen, Sportzentren sowie Erholungsgebiete verkehrlich miteinander verknüpfen. Auf geeignete Anschlusspunkte zum Berliner Umland wird geachtet. Es soll den verkehrlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen entsprechende schnelle, bequeme und sichere Verbindungen bieten. Das Radverkehrsnetz besteht aus allen Radverkehrsanlagen und für den Radverkehr ausgewiesenen Straßen und Wegen.
(2) Standards und Ausnahmen zur Erschließung durch das Radverkehrsnetz werden zunächst in den Vorgaben der Radverkehrsplanung festgelegt und dann in den folgenden Radverkehrsplänen fortgeschrieben.
(3) Das Berliner Radverkehrsnetz wird durch einen Netzplan als Bestandteil des Radverkehrsplanes beschrieben. Der Netzplan ist von der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes zu erarbeiten.
(4) Die Herstellung des Radverkehrsnetzes und dessen Beschilderung soll bis zum Jahr 2030 erfolgen.

§ 42 Vorrangnetz und prioritärer Umsetzungsbedarf

(1) Innerhalb des Berliner Radverkehrsnetzes sind die für den Radverkehr besonders wichtigen Verbindungen, insbesondere Verbindungen von gesamtstädtischer Bedeutung, zu definieren (Vorrangnetz). Bei im Vorrangnetz ausgewiesenen Straßen soll im Rahmen des geltenden Rechts dem Radverkehr als Teil des Umweltverbundes Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt werden.
(2) Die Qualitäten der Radverkehrsanlagen im Vorrangnetz sollen den in den Vorgaben der Radverkehrsplanung und in dem Radverkehrsplan festgelegten Standards für das Vorrangnetz entsprechen. Im Vorrangnetz Radverkehr sollen im Rahmen des geltenden Rechts die Lichtzeichenanlagen für einen fließenden Radverkehr koordiniert werden.
(3) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stimmt im Bündnis für Radverkehr einen Zweijahresmaßnahmenplan ab, der die Projekte mit prioritärem Umsetzungsbedarf enthält. Dazu zählen neben dem Vorrangnetz auch wichtige Verbindungen, die noch ohne Radverkehrsinfrastruktur und ohne Alternativrouten sind, sowie stark genutzte Routen in schlechtem Zustand.

§ 43 Radverkehrsanlagen an oder auf Hauptverkehrsstraßen

(1) Auf oder an allen Hauptverkehrsstraßen sollen Radverkehrsanlagen mit erschütterungsarmem, gut befahrbarem Belag in sicherem Abstand zu parkenden Kraftfahrzeugen und ausreichender Breite eingerichtet werden. Diese sollen so gestaltet werden, dass sich Radfahrende sicher überholen können. Aus Sicherheitsgründen sollte sowohl auf gemeinsam geführte Geh- und Radwege als auch auf zur Nutzung durch den Radverkehr freigegebene Gehwege möglichst verzichtet werden. Bei Radwegen auf Gehwegniveau ist auf eine für alle klar erkennbare Trennung von Radweg und Gehweg zu achten.
(2) Im Sinne vorausschauender Planung ist die in Umsetzung der Planung zu erwartende Radverkehrsnutzung bei der Dimensionierung zu berücksichtigen. Die Radverkehrsanlagen sollen so gestaltet werden, dass unzulässiges Befahren und Halten durch Kraftfahrzeuge unterbleibt. Näheres wird im Radverkehrsplan und in den Vorgaben für die Radverkehrsplanung geregelt.

§ 44 Fahrradstraßen und Nebenstraßen im Radverkehrsnetz

(1) Fahrradstraßen dienen als Teil des Radverkehrsnetzes der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Fahrradverkehrs sowie der Entflechtung der Verkehre. Eine Ausweisung von Nebenstraßen im Radverkehrsnetz als Fahrradstraßen wird angestrebt. Die übergeordnete, stadtweite Bedeutung ist bei der Prüfung zur Einrichtung von Fahrradstraßen zu Grunde zu legen.
(2) Fahrradstraßen und Nebenstraßen sollen so gestaltet werden, dass motorisierter Individualverkehr, außer Ziel- und Quellverkehr, im jeweiligen Straßenabschnitt unterbleibt.
(3) Die Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sind mit geeigneten Maßnahmen so zu gestalten, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht überschritten wird. Die Knotenpunkte sind so zu gestalten, dass alle am Verkehr Teilnehmenden gute Sichtbeziehungen haben und beim Abbiegen sicherheitsverträgliche Geschwindigkeiten eingehalten werden. Im Rahmen der geltenden Gesetze ist eine Vorfahrtberechtigung durch bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen gegenüber einmündenden Nebenstraßen zu prüfen.
(4) Nebenstraßen im Radverkehrsnetz sind für alle am Verkehr Teilnehmenden gut erkennbar als Teil des Radverkehrsnetzes zu kennzeichnen.

§ 45 Radschnellverbindungen

(1) Radschnellverbindungen sind Verbindungen im Radverkehrsnetz, die wichtige Quell- und Zielbereiche mit entsprechend hohen Potenzialen über größere Entfernungen verknüpfen und durchgängig ein sicheres und attraktives Befahren auch mit hohen Reisegeschwindigkeiten ermöglichen.
(2) Es sollen mindestens 100 km Radschnellverbindungen errichtet werden. Die Mindestlänge von Radschnellverbindungen soll möglichst fünf Kilometer betragen. Sie kann in mehreren Bauabschnitten erreicht werden.
(3) Radschnellverbindungen sollen getrennt vom Fußverkehr geführt werden. Sie sind auf eigenständigen Sonderwegen, in Fahrradstraßen oder vom motorisierten Verkehr getrennt in Straßen zu führen. Der eigenständige Sonderweg ist die bevorzugte Führungsform. Bei der Konzeption von Radschnellverbindungen muss eine sichere Führung des Fußverkehrs berücksichtigt werden. Sofern erforderlich, sind gesicherte Querungen in zumutbaren Entfernungen für den Fußverkehr einzurichten.
(4) Radschnellverbindungen sind durch besondere Qualitätsstandards der Linienführung, der Netzverknüpfung, der Ausgestaltung und begleitenden Ausstattung sowie der Erkennbarkeit gekennzeichnet. Näheres regelt der Radverkehrsplan.

§ 46 Öffnung von Einbahnstraßen und Sackgassen für den Radverkehr

(1) Alle Einbahnstraßen sollen bei der Erstellung und Fortschreibung des Radverkehrsplans auf Freigabe für das Fahrradfahren in Gegenrichtung geprüft werden. Die zuständigen Stellen orientieren sich dabei an einem von der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung erarbeiteten Leitfaden. Vor der Einrichtung von neuen Einbahnstraßen ist die Freigabe für den Radverkehr in Gegenrichtung zu prüfen und gegebenenfalls mit der Einrichtung der Einbahnstraße herbeizuführen.
(2) Sackgassen sollen, soweit möglich, für Radfahrende passierbar gemacht und dieses durch Beschilderung oder Markierung gekennzeichnet werden.

§ 47 Fahrradabstellanlagen

(1) Der Bedarf nach Fahrradabstellanlagen wird regelmäßig überprüft und das Angebot entsprechend angepasst. Die Auswahl der Standorte sowie die Anzahl und Dimensionierung der Abstellanlagen soll sich am derzeitigen und erwarteten zukünftigen Bedarf des Fahrradverkehrsaufkommens orientieren, in allen Teilen Berlins gleichwertig eingerichtet werden und den Fußverkehr nicht behindern. Die Verortung und Gestaltung berücksichtigt das Sicherheitsempfinden der Nutzenden. Näheres regelt der Radverkehrsplan.
(2) Die Abstellmöglichkeiten sollen regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob sie nutzbar sind. Zerstörte oder offensichtlich nicht mehr zum Fahren geeignete Fahrräder sollen entfernt werden.
(3) Diebstahlsichere Abstellmöglichkeiten wie Fahrradboxen sollen im öffentlichen Raum insbesondere in Wohngebieten ermöglicht werden.
(4) Unabhängig von Absatz 1 Satz 1 sollen 50.000 Fahrradstellplätze an den Stationen und Haltestellen des ÖPNV sowie weitere 50.000 Fahrradstellplätze im öffentlichen Raum, insbesondere an sozialen und kulturellen Einrichtungen, an Schulen und Einzelhandelseinrichtungen bis zum Jahr 2025 eingerichtet werden. An wichtigen Regionalbahnhöfen sowie wichtigen Stationen und Haltestellen des ÖPNV sollen innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Gesetzes Fahrradparkhäuser und Fahrradstationen erstellt werden. Fahrradstationen sind Einrichtungen zum gesicherten Abstellen von Fahrrädern in geschlossenen Räumen, mit Vermietung von Fahrrädern sowie Serviceleistungen für Fahrräder. Ein Fahrradparkhaus ist eine überdachte bauliche Anlage zum Abstellen und Anschließen von Fahrrädern.

§ 48 Erhalt und Sanierung Radverkehrsnetz

(1) Der Zustand der Anlagen des Berliner Radverkehrsnetzes soll durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung regelmäßig erhoben werden. Die Ergebnisse der Erhebung sollen im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar gemacht werden, die einen Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht.
(2) Mängel an der Radverkehrsinfrastruktur sollen nachhaltig nach den Qualitätsstandards des Radverkehrsplans und den Vorgaben der Radverkehrsplanung beseitigt werden. Mängel sind Schäden und behebbare Hindernisse, die zu einer Beeinträchtigung oder Unterbrechung von Verbindungen im Berliner Radverkehrsnetz führen. Mängel, die Radfahrende erheblich gefährden, sollen soweit möglich unverzüglich beseitigt werden. Ist dies nicht möglich, sollen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen und alternative Angebote für den Radverkehr hergestellt werden. Sonstige Mängel sollen möglichst innerhalb von sechs Monaten ab Kenntnis beseitigt werden, es sei denn, der Mangel besteht an einer Anlage, für die eine größere Baumaßnahme vorgesehen ist. Für diesen Fall sollen temporäre Sicherheitsmaßnahmen umgesetzt werden. Dazu gehört auch die kurzfristige Anordnung und temporäre Einrichtung von Radfahrstreifen und Schutzstreifen.
(3) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stellt sicher, dass ein Register über die Mängel der Radverkehrsinfrastruktur geführt wird. Registriert werden nicht nur die in eigenen Erhebungen der zuständigen Stellen ermittelten Mängel sondern auch Mängelmeldungen aus der Bevölkerung. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung wird in geeigneter Weise über die Behebung der Mängel und die Verbesserungen der Radverkehrsinfrastruktur berichten.

§ 49 Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs

Zur Finanzierung der Planung, Organisation, Ausgestaltung und Durchführung des Abschnitts Radverkehr dieses Gesetzes stellt das Land Berlin Personal- und Sachmittel nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung. Dabei sind auch Mittel aus Bundes- und europäischen Förderprogrammen zur Förderung heranzuziehen.

Abschnitt 4: Entwicklung des Fußverkehrs

§ 50 Besondere Ziele der Entwicklung des Fußverkehrs

(1) Das Land Berlin hat eine an den Zielen der §§ 3 bis 15, der auf den Fußverkehr bezogenen Ziele und Vorgaben des StEP Mobilität und Verkehr sowie den besonderen Zielen zur Entwicklung des Fußverkehrs der nachfolgenden Absätze 2 bis 8 ausgerichtete Förderung des Fußverkehrs sicherzustellen.
(2) Fußwege erfüllen eine wichtige Funktion als geschützte Räume auch und gerade für die schwächsten Verkehrsteilnehmer. Diese Funktion zu wahren und zu stärken ist Leitlinie für alle Planungen, Standards und Maßnahmen mit Auswirkungen auf Fußwege.
(3) Die Gestaltung, Ausstattung und Unterhaltung der Fußverkehrsnetze im Sinne von § 54 Absatz 1 Satz 1 soll Menschen dazu befähigen und anregen, sowohl kurze als auch längere Strecken zu Fuß zu bewältigen. Es sollen Sitzgelegenheiten, die nicht an kommerzielle Zwecke gebunden sind, errichtet werden.
(4) Jeder Mensch soll in ganz Berlin auf direkten und zusammenhängenden Fußwegen seine Ziele erreichen können. Insbesondere soll das Queren der Fahrbahn grundsätzlich an jedem Arm einer Kreuzung möglich sein. Die Einrichtung von abkürzenden Fußwegen durch geschlossene Bauwerke oder Anlagen (Blockdurchwegungen) soll systematisch gefördert und bei allen Planungen berücksichtigt werden.
(5) Dem Fußverkehr wird als Teil des Umweltverbundes im Rahmen des geltenden Rechts Vorrang vor dem motorisierten Individualverkehr eingeräumt. Dieser Vorrang ist insbesondere bei der Straßenraumaufteilung sowie bei der Schaltung von Lichtzeichenanlagen umzusetzen.
(6) Auf Grund der Rolle des Fußverkehrs als wichtigster Zubringer für den ÖPNV sollen die Wege zu, von und beim Umsteigen zwischen den Haltestellen vorrangig entsprechend den Zielen dieses Gesetzes verbessert und an den Stand der Technik angepasst werden. Dies umfasst insbesondere Maßnahmen zur Herstellung der Barrierefreiheit zur Vermeidung von Umwegen sowie zur erstmaligen Herstellung von Fußwegeverbindungen zu ÖPNV-Haltestellen.
(7) Durch geeignete Maßnahmen soll die Selbstständigkeit von Kindern im Fußverkehr gefördert werden.
(8) Der für den Fußverkehr effektiv nutzbare und ohne Hindernisse zur Verfügung stehende Raum soll einen für die Belange des Fußverkehrs und des Aufenthalts im öffentlichen Raum angemessenen Anteil am Straßenraum erreichen. Dies ist insbesondere bei der Neuanlage und Umgestaltung von Straßen, Wegen und Plätzen umzusetzen.
(9) Die Einrichtung von temporären Spielstraßen wird gefördert. Dafür werden Regelungen entwickelt und umgesetzt.
(10) Die effektiv nutzbare und ohne Hindernisse zur Verfügung stehende Breite der Gehbahn innerhalb der berlintypischen Gehwegstruktur soll ein für das Fußverkehrsaufkommen ausreichendes Maß haben. Dabei soll ein Begegnen von Personen - einschließlich genutzter besonderer Fortbewegungsmittel nach § 24 der Straßenverkehrs-Ordnung - entsprechend den gültigen technischen Regelwerken möglich sein.
(11) Im Bereich von ÖPNV-Haltestellen soll grundsätzlich ausreichend Fläche für den wartenden und den längslaufenden Fußverkehr im Seitenraum vorhanden sein.
(12) Nutzungskonflikte zwischen Fuß- und Radverkehr in Grünanlagen sollen mit geeigneten Mitteln gemindert werden, beispielsweise durch eine Separierung von Fuß- und Radverkehr, ausreichend breite Wege oder Maßnahmen, die den Vorrang des Fußverkehrs auf für den Radverkehr freigegebenen Gehwegen verdeutlichen. Die taktile Unterscheidung der Flächen wird sichergestellt.
(13) Grundsätzlich sollen Rad- und Gehwege getrennt geführt werden.

§ 50a Erhalt und Sanierung Fußverkehrsnetz

(1) Der Zustand der Anlagen des Berliner Fußverkehrsnetzes soll durch die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung erhoben werden. Die Ergebnisse der Erhebung sollen im Internet öffentlich auf eine Weise verfügbar gemacht werden, die einen Zugriff durch internetbasierte Anwendungen ermöglicht.
(2) Mängel an der Fußverkehrsinfrastruktur sollen nachhaltig nach den Qualitätsstandards des Fußverkehrsplans und den Vorgaben der Fußverkehrsplanung beseitigt werden. Mängel, die zu Fuß Gehende erheblich gefährden, sollen soweit möglich unverzüglich beseitigt werden. Ist dies nicht möglich, sollen Sicherungsmaßnahmen vorgenommen werden.
(3) Die Bezirke führen ein einheitliches Register über die Mängel der Fußverkehrsinfrastruktur. Registriert werden nicht nur die in eigenen Erhebungen der zuständigen Stellen ermittelten Mängel sondern auch Mängelmeldungen aus der Bevölkerung.

§ 51 Aufgaben und Zuständigkeiten für den Fußverkehr

(1) Um die Attraktivität des Fußverkehrs nachhaltig und flächendeckend auf ein angemessen hohes Niveau zu heben, sind die Belange des Fußverkehrs bei allen Maßnahmen im öffentlichen Straßenraum seiner jetzigen sowie seiner angestrebten Bedeutung entsprechend zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für die Zuweisung von Flächen, die Lichtzeichensteuerung, die Verkehrsabwicklung von Baustellen, die Verbesserung der Verkehrssicherheit, die Beleuchtung, die Straßenreinigung und den Winterdienst.
(2) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung definiert Standards zur fußverkehrsfreundlichen Gestaltung und Ausstattung von Straßen, Wegen und Plätzen sowie Standards bei der Behebung von Schäden auf Fußverkehrsanlagen.
(3) Bei der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung wird eine Koordinierungsstelle Fußverkehr eingerichtet, die als Stabsstelle unmittelbar der Leitung untersteht. Zu ihren Aufgaben gehört insbesondere die Steuerung der Zusammenarbeit zwischen Hauptverwaltung und Bezirken.
(4) Jeder Bezirk benennt eine für die Koordinierung der Fußverkehrsangelegenheiten zuständige Person. In jedem Bezirk sollen mindestens zwei hauptamtlich Beschäftigte (Vollzeitäquivalente) für den Fußverkehr tätig sein. Ihre Aufgaben sind Planung und Umsetzung der bezirklichen Maßnahmen zur Fußverkehrsförderung; dabei arbeiten sie mit den anderen für den Fußverkehr sowie den für Bildung und Verkehrssicherheit zuständigen Stellen des Landes Berlin zusammen.
(5) Auf Landesebene wird ein Gremium geschaffen, das die Senatsverwaltung in allen Fragen der Entwicklung des Fußverkehrs unterstützt und Vorschläge und Anregungen unterbreitet. Unter Berücksichtigung der Vorgaben in § 19 soll das Gremium sich aus Vertreterinnen und Vertretern von Verbänden, Kammern, Bezirken, Trägern öffentlicher Belange sowie zivilgesellschaftlichen und weiteren relevanten Handelnden zusammensetzen. Über die Zusammensetzung des Gremiums entscheidet das Abgeordnetenhaus auf Vorschlag des Senats. Das Gremium wirkt bei der Erarbeitung und Fortschreibung des Fußverkehrsplans, der Erstellung beziehungsweise Überarbeitung von Standards zur fußverkehrsfreundlichen Gestaltung, Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und Ausstattung von Straßen, Wegen und Plätzen sowie der Kategorisierung und Priorisierung der Fußverkehrsnetze mit. Es wirkt auf transparente Verfahrensverläufe und die Einbindung aller Bevölkerungsgruppen durch geeignete Beteiligungsverfahren im Bereich der Fußverkehrspolitik hin. Es soll vor wesentlichen Entscheidungen und Planungen im Bereich der Fußverkehrspolitik gehört werden.
(6) In den Bezirken sollen bezirkliche Gremien für den Fußverkehr das zuständige Bezirksamt beraten. Die Sitzungen der Gremien finden grundsätzlich öffentlich statt, Unterlagen und Sitzungsprotokolle werden der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Zusammensetzung dieser Gremien wird durch die für die Planung von Straßen zuständigen Bezirksstadträtinnen oder Bezirksstadträte vorgeschlagen und von der Bezirksverordnetenversammlung entschieden. Absatz 5 Satz 2 gilt entsprechend. Bei der Diskussion von Fragestellungen mit Bezug zur Schulwegsicherheit wird die für Bildung zuständige Senatsverwaltung einbezogen. Für die Diskussion von Fragestellungen, die sowohl den Fuß- als auch den Radverkehr betreffen, können die bezirklichen Gremien für den Fußverkehr und die bezirklichen FahrRäte nach § 37 Absatz 8 bei Bedarf gemeinsam tagen.
(7) Die Bezirke erstellen Schulwegpläne für alle Schulen, die Klassen der ersten bis sechsten Stufe führen. Die Schulwegpläne werden an für die Schülerinnen und Schüler sowie Eltern zugänglichen Orten aufgehängt, im Internet veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert. Bei der Erstellung der Pläne sollen mindestens die betroffenen Schulen, hier auch insbesondere die Schülervertretungen, die Elternvertretungen, die zuständigen Verwaltungen sowie die örtlich zuständigen Polizeidirektionen unter Einbeziehung ihrer Verkehrssicherheitsberatenden beteiligt werden. Die zuständigen Stellen definieren geeignete Maßnahmen, um auf Schulwegplänen festgehaltene Gefahrenquellen zu beseitigen. Beim Neubau von Schulen sind notwendige Maßnahmen zur Gewährleistung der Schulwegsicherheit rechtzeitig durch den zuständigen Straßenbaulastträger zu ergreifen. Innerhalb von einem Jahr sind Schulwegpläne zu erstellen.
(8) Der Einsatz von Schülerlotsen und anderen im Rahmen der Schulwegsicherheit eingesetzten Verkehrshelfern wird als wichtiger Bestandteil eines sicheren Fußverkehrs gefördert. Die Verwaltungsvorschriften über den Einsatz von Schülerlotsen werden durch die für Bildung zuständige Senatsverwaltung erlassen, regelmäßig überprüft und bei Bedarf überarbeitet, um insbesondere die Ausbildung, Ausstattung und Sicherheit der Schülerlotsen sicherzustellen.
(9) Das Thema Fußverkehrsförderung ist als Teil von Fortbildungsprogrammen in den betroffenen Verwaltungen vorzusehen; der Fußverkehrsrat ist konzeptionell einzubeziehen.
(10) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung kann mit dem Ziel einer Beschleunigung Aufgaben der Bezirke bei der Koordinierung, Planung und Umsetzung von Fußgängerüberwegen und sonstigen Querungshilfen im Benehmen mit dem jeweiligen Bezirk an Dritte übertragen. Soweit es für die Beschleunigung dieser Aufgaben erforderlich ist, kann die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung diese Aufgaben an sich ziehen.

§ 52 Fußverkehrsplan

(1) Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung stellt einen Fußverkehrsplan auf. Bei der Aufstellung des Fußverkehrsplans sind die in § 50 Absatz 1 benannten Ziele und Vorgaben sowie die für den Fußverkehr maßgeblichen Ziele der Stadtentwicklungs- und Regionalplanung und deren Konkretisierung in entsprechenden aktuellen Planwerken zugrunde zu legen und umzusetzen.
(2) Im Fußverkehrsplan werden verbindliche Kriterien zur Verbesserung des baulichen Zustandes des Fußverkehrsnetzes aufgestellt. Er enthält Aussagen zum Ausbau, der Sanierung und zur Verbesserung der Qualität der Fußverkehrswege, darunter auch der Modernisierung der Lichtsignalanlagen und der Beleuchtung.
(3) Bei der Aufstellung und Fortschreibung des Fußverkehrsplans werden insbesondere die Bezirke und das Gremium für den Fußverkehr nach § 51 Absatz 5 beteiligt.
(4) Die Datengrundlagen des Fußverkehrs sollen so geschaffen und gepflegt werden, dass sie als valide Grundlage für die Aufstellung und Evaluation des Fußverkehrsplans oder von Maßnahmen genutzt werden können. Näheres wird im Fußverkehrsplan geregelt.
(5) Bei der Definition von Vorgaben und Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit wird unter anderem die Verkehrsunfallstatistik der Polizei Berlin zu Unfällen mit Beteiligung von Menschen im Fußverkehr berücksichtigt.
(6) Im Fußverkehrsplan werden Vorgaben zu Blockdurchwegungen entwickelt, die auch bei städtebaulichen Verträgen und bei Verfahren der Bauleitplanung berücksichtigt werden sollen.
(7) Der Fußverkehrsplan wird auf Vorlage der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung vom Senat beschlossen. Er ist als Rechtsverordnung zu erlassen und dem Abgeordnetenhaus von Berlin zur Kenntnis zu geben. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung ist zum Erlass gemäß Satz 2 ermächtigt. Eine Beteiligung des Rats der Bürgermeister ist dabei sicherzustellen.
(8) Der Fußverkehrsplan soll erstmalig innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des ersten Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz dem Senat zur Beschlussfassung vorliegen und spätestens alle fünf Jahre fortgeschrieben werden. Die Absätze 1 bis 6 gelten hierfür entsprechend. Bis zur erstmaligen Erstellung des Fußverkehrsplans bleibt neben den Bestimmungen dieses Gesetzes die existierende Fußverkehrsstrategie die Handlungsgrundlage.

§ 53 Planung und Verkehrsführung bei Baumaßnahmen

Während aller Baumaßnahmen mit Auswirkungen auf das öffentliche Straßenland soll unter Beachtung von § 22 Absatz 3 die Führung des Fußverkehrs weitgehend ohne Umwege, ohne Wechsel der Straßenseite und barrierefrei, gewährleistet werden. Falls ein Wechsel der Straßenseite unabdingbar ist, muss eine sichere Querung gewährleistet werden. Baustellenbedingte Lichtzeichenanlagen müssen mit akustischen Signalgebern ausgestattet sein.

§ 54 Bezirkliche Fußverkehrsnetze

(1) Die Bezirke kategorisieren und priorisieren unter Beteiligung ihrer für den Fußverkehr zuständigen Gremien gemäß § 51 Absatz 6 und mit Unterstützung der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung ihre bezirklichen Fußverkehrsnetze. Dabei sind die für ganz Berlin gemeinsam von den Bezirken und der für Verkehr zuständigen Senatsverwaltung zu erarbeitenden Kriterien zugrunde zu legen. Diese Kriterien werden bis zur Erstaufstellung des Fußverkehrsplans entwickelt; sie werden Bestandteil des Fußverkehrsplans. Bei der Priorisierung werden im Sinne der vorausschauenden Planung unter anderem unterschiedliche Wege- und Aufenthaltszwecke, zum Beispiel die Anbindung zum ÖPNV, zu Stadtteilzentren, zu Grün- und Freiflächen, zu Bildungs- und Senioreneinrichtungen und zu weiteren sozialen Einrichtungen sowie unterschiedliche Nutzergruppen vorrangig mobilitätseingeschränkte, blinde und sehbehinderte Menschen, Seniorinnen und Senioren sowie Kinder berücksichtigt. Netze und Bereiche, für die bei der Kategorisierung und Priorisierung eine besondere Bedeutung für den aktuellen, aber auch zukünftigen Fußverkehr festgestellt wird, gelten als Vorrangnetz im Sinne von § 24 Absatz 2.
(2) Die Netze und Bereiche mit besonderer Bedeutung für den Fußverkehr nach Absatz 1 sollen sich durch eine besonders fußverkehrsfreundliche Gestaltung und Ausstattung sowie eine hohe Aufenthaltsqualität auszeichnen. Insbesondere soll hier über geeignete bauliche und verkehrsrechtliche Maßnahmen im Rahmen des geltenden Rechts dem Fußverkehr Vorrang beim Queren von Straßen eingeräumt werden. Dies gilt insbesondere an Einmündungen von Nebenstraßen in Hauptstraßen. Zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität sollen dort, wo es sinnvoll und möglich ist, verkehrsberuhigte Bereiche eingerichtet und ein Programm zur Errichtung und Erneuerung freier Sitzgelegenheiten ohne Konsumzwang aufgesetzt werden.

§ 55 Querungen

(1) Grundsätzlich sollen zwei hintereinanderliegende Fußgängerfurten, die durch eine Mittelinsel oder einen Fahrbahnteiler getrennt und mit einer Lichtzeichenanlage gesichert sind, in einem Zug gequert werden können. Dabei sollen die hintereinander liegenden Furten grundsätzlich gleichzeitig freigegeben werden.
(2) Grundsätzlich soll die Schaltung von Lichtzeichenanlagen dem Fußverkehr komfortables Queren der Fahrbahn innerhalb der Grünphase ermöglichen. Hiervon kann in begründeten Einzelfällen abgewichen werden, wenn dies zur Bevorrechtigung des ÖPNV oder zur Vermeidung von inakzeptabel langen Umlauf- oder Wartezeiten erforderlich ist.
(3) Die mögliche Verlängerung von Grünphasen auf Anforderung für Blinde und Sehbehinderte soll auch den Bedürfnissen von Gehbehinderten angepasst werden.
(4) Grundsätzlich sollen in ausreichend geringen Abständen barrierefreie Querungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die sicher genutzt werden können. Dabei sollen insbesondere die unterschiedlichen Anforderungen berücksichtigt werden, die sich infolge der Nutzung verschiedener Hilfsmittel ergeben. Um den unterschiedlichen Anforderungen gerecht zu werden, sollen künftig grundsätzlich Doppelquerungen realisiert werden.
(5) Die zu querende Strecke soll nicht länger als nötig sein. Zur Verringerung der Strecke tragen beispielsweise Mittelinseln oder Gehwegvorstreckungen bei.
(6) Durch wirksame Maßnahmen sollen ausreichende Sichtbeziehungen an allen Querungsmöglichkeiten gewährleistet werden. Bei unzureichenden Sichtbeziehungen sollen kurzfristig geeignete Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Dazu zählen auch bauliche Maßnahmen gegen Falschparken an Kreuzungen und Querungsmöglichkeiten.
(7) Bei Neubau oder Erneuerung von Lichtzeichenanlagen ist dafür Sorge zu tragen, dass alle sich an demselben Knotenpunkt befindlichen Lichtzeichenanlagen einheitlich nutzbare Vorrichtungen für blinde und sehbehinderte Personen haben. Die flächendeckende Ausrüstung aller Lichtsignalanlagen mit Blindenakustik und Vibrationstastern soll bis 2030 gewährleistet werden.
(8) Endet ein straßenbegleitender Gehweg auf einer Seite der Fahrbahn, so soll dort eine direkte, sichere und barrierefreie Querungsmöglichkeit eingerichtet werden.
(9) Bei Neubau und Erneuerung von Einmündungen ohne starken Fahrzeugverkehr sollen für den Fußverkehr niveaugleiche Gehwegüberfahrten geschaffen werden. Die Erkennbarkeit für Blinde und Sehbehinderte durch taktile Elemente muss gewährleistet sein.
(10) Bei der Neueröffnung sozialer Einrichtungen soll stets geprüft werden, inwiefern temporäre Querungshilfen bis zur Einrichtung von dauerhaften Querungshilfen eingerichtet werden können.

§ 56 Fußverkehrsfreundliche Nebenstraßen

(1) In Nebenstraßen, in denen das Fußverkehrsaufkommen erhöht ist, Kinderspiel im Straßenraum gefördert werden soll oder motorisierter Verkehr zu Gefährdungslagen für den Fußverkehr führt, soll motorisierter gebietsfremder Verkehr, der weder seine Quelle noch sein Ziel in dem durch Nebenstraßen erschlossenen Gebiet hat, insbesondere durch geeignete straßenrechtliche, verkehrsrechtliche oder bauliche Maßnahmen, wie Quer- und Diagonalsperren, minimiert oder vermieden werden. Im Sinne von § 54 Absatz 2 Satz 1 sollen solche Maßnahmen insbesondere in Bereichen mit besonderer Bedeutung für den Fußverkehr ergriffen werden.
(2) Die bezirklichen Gremien für den Fußverkehr können die Bezirksämter auf Straßenabschnitte im Nebenstraßennetz hinweisen, in denen Radverkehr auf den Gehwegen die Sicherheit oder das Sicherheitsempfinden im Fußverkehr signifikant beeinträchtigt. Die Bezirksämter konzipieren geeignete Maßnahmen und berücksichtigen dabei insbesondere die Vorgaben von § 21 Absatz 1. Dabei beteiligen sie die bezirklichen Gremien für den Fußverkehr und die bezirklichen FahrRäte.

§ 57 Informations- und Wegeleitsystem

(1) An den Bedürfnissen des Fußverkehrs ausgerichtete Beschilderungen und auf mobilen Endgeräten nutzbare digitale Angebote sollen zur Orientierung im Fußverkehr beitragen. Dabei ist entsprechend den in § 26 Absatz 2 benannten Zielsetzungen unter anderem die Verknüpfung mit dem ÖPNV zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nach § 2 Absatz 5 sind besonders zu berücksichtigen.
(2) Die bezirklichen Fußverkehrsnetze nach § 54 Absatz 1 werden in einem gesamtstädtischen routingfähigen Modell für den Fußverkehr berücksichtigt und im Internet veröffentlicht. Die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung führt dafür ein zentrales berlinweit einheitliches Datenbanksystem. Die Bezirke stellen der Senatsverwaltung die dafür benötigten Daten und Informationen in geeigneter Art und Weise zur Verfügung.
(3) Das Land Berlin soll die Verfügbarkeit eines geeigneten Navigationssystems gewährleisten, das die Teilnahme am Fußverkehr in Verknüpfung mit dem ÖPNV für mobilitätseingeschränkte Menschen, insbesondere für blinde und sehbehinderte Personen, möglichst einfach und sicher gestaltet. Bei der Weiterentwicklung sind Menschen mit Mobilitätseinschränkungen in geeigneter Weise zu beteiligen.

§ 58 Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs

(1) Unter Wahrung der Sicherheitsbedürfnisse von mobilitätseingeschränkten Personen können bei Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs provisorische Lösungen eingesetzt werden, um in einem zeitlich und räumlich begrenzten Bereich eine wahrnehmbare Verbesserung der Bedingungen für den Fußverkehr zu bewirken oder um die Wirksamkeit neuer Maßnahmen zu erproben.
(2) Für die in Absatz 1 genannten Zwecke kann der Fußverkehrsplan temporäre Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs definieren. Temporäre Maßnahmen sind zeitlich befristet und können neben einmaligen auch in regelmäßigen Intervallen wiederkehrende Maßnahmen umfassen.
(3) Bis zur Aufstellung des Fußverkehrsplans nach § 52 definiert die für Verkehr zuständige Senatsverwaltung gemeinsam mit jedem Bezirk auf dessen Anforderung jeweils mindestens ein relevantes Projekt, insgesamt mindestens zwölf Projekte zur Förderung des Fußverkehrs in Ergänzung der laufenden Programme. Diese Projekte sollen jeweils innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des ersten Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz umgesetzt oder zumindest fertig geplant werden. Diese Projekte werden innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des ersten Änderungsgesetzes zu diesem Gesetz festgelegt. Sie umfassen unter anderem Umgestaltungen von Straßen oder Plätzen im Sinne der in § 4 Absatz 3 Satz 2 und Absatz 5 definierten Ziele. Bei den Projekten kann es sich auch um Modellprojekte oder regelmäßig wiederkehrende temporäre Maßnahmen gemäß Absatz 2 handeln.
(4) Die Bezirke ermöglichen unter Beteiligung der bezirklichen Gremien für den Fußverkehr geeignete Projekte von Bürgerinitiativen, die zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität beitragen.
(5) Das Land Berlin wird durch kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit und begleitende Kampagnen den Fußverkehr fördern.

§ 59 Finanzierung der Maßnahmen zur Förderung des Fußverkehrs

Zur Finanzierung der Planung, Organisation, Ausgestaltung und Durchführung dieses Abschnittes und des § 17a stellt das Land Berlin Personal- und Sachmittel nach Maßgabe der Haushaltsgesetze zur Verfügung. Dabei sind auch Mittel aus Bundes- und europäischen Förderprogrammen zur Finanzierung heranzuziehen.

Abschnitt 5 Übergangsbestimmungen

§ 60 Übergangsbestimmungen

(1) Verkehrsspezifische Planwerke, deren Planungsprozess vor Inkrafttreten dieses Gesetzes begonnen wurde, können von den Vorgaben dieses Gesetzes abweichen, wenn sich andernfalls gravierende Verzögerungen bei der Erstellung und Verabschiedung des Planwerks ergeben.
(2) Dieses Gesetz soll spätestens bis zum 30. Juni 2021 um Abschnitte zur „neuen Mobilität“ und zum Wirtschaftsverkehr ergänzt werden.
(3) Das Land Berlin wird für Mietfahrzeuge verbindliche Sondernutzungsregeln zur Vermeidung von Konflikten mit dem Fußverkehr und zur Schaffung eines gesamtstädtischen Angebots vertieft regeln.
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