Ausübung der Dienstaufsicht über die Gerichte und Staatsanwaltschaften
DE - Landesrecht Bayern

Ausübung der Dienstaufsicht über die Gerichte und Staatsanwaltschaften

Zum Vollzug der Art. 19 und 20 AGGVG wird bestimmt:

1. Pflichten der Gerichtsvorstände und Abteilungsleiter

1.1

Der Gerichtsvorstand

1.2

Der Gerichtsvorstand hat den Stand der Geschäfte sowie die Belastung und die Leistungen aller Bediensteten ständig zu überwachen. Er kann jederzeit unter Beiziehung des Geschäftsleiters oder eines anderen geeigneten Beamten des gehobenen Dienstes die gesamte Geschäftsstelle oder einzelne Abteilungen eingehend prüfen; Nr. 3.2 Satz 3 gilt entsprechend. Dem Präsidenten des Oberlandesgerichts ist über das Ergebnis der Prüfung nur bei besonderem Anlass auf dem Dienstweg zu berichten. Er kann für einzelne Gerichte eine weitergehende Prüfungs- und Berichtspflicht anordnen.

1.3

Abteilungsleiter sind Vorgesetzte der nichtrichterlichen Bediensteten ihrer Abteilung. Unbeschadet der Befugnisse des Gerichtsvorstands gelten für sie die Nrn. 1.1 und 1.2 Satz 1 entsprechend. Mit Zustimmung des Präsidenten des Oberlandesgerichts kann dem Abteilungsleiter für seine Abteilung auch die Durchführung der Prüfung nach Nr. 1.2 Satz 2 übertragen werden. Er kann zur Prüfung den Gruppenleiter beiziehen, soweit dieser das zu prüfende Sachgebiet nicht selbst bearbeitet oder in dem der Prüfung unterliegenden Zeitraum bearbeitet hat.

2.  Pflichten der Gerichtspräsidenten

2.1 

Der Präsident des Landgerichts besucht alsbald nach seinem Dienstantritt die Amtsgerichte seines Bezirks, der Präsident des Oberlandesgerichts die Landgerichte und die mit einem Präsidenten besetzten Amtsgerichte seines Bezirks, um sich einen Überblick über die Verhältnisse und den Stand der Geschäfte zu verschaffen. In der Folgezeit wiederholt er diese Besuche, soweit er dies im Einzelfall für erforderlich erachtet.

2.2 

Im laufenden Dienst wird die Dienstaufsicht auch durch Überprüfung von Verfahrensakten der nachgeordneten Gerichte ausgeübt, die sich der Präsident zu diesem Zwecke vorlegen lässt oder die dem Landgericht oder dem Oberlandesgericht in Berufungs- und Beschwerdesachen vorgelegt werden.

3.  Geschäftsprüfungen bei den Gerichten

3.1 

Mindestens alle sechs Jahre hat der Präsident des Landgerichts bei jedem Amtsgericht seines Bezirks, der Präsident des Oberlandesgerichts bei jedem Landgericht und jedem mit einem Präsidenten besetzten Amtsgericht seines Bezirks eine Prüfung der Geschäfte vorzunehmen (ordentliche Prüfung). Die Geschäftsprüfung hat zum Ziel,
– eine gewissenhafte, zeitgerechte und qualitätsvolle Justizgewährung zu gewährleisten;
– die Leistungsfähigkeit und Arbeitsqualität der Gerichte und Staatsanwaltschaften zu optimieren, insbesondere auf einen effizienten und effektiven Geschäftsgang hinzuwirken;
– den rationellen Einsatz der technischen Hilfsmittel zu fördern;
– Möglichkeiten zur Motivation der Beschäftigten und zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen aufzuzeigen;
– die unmittelbaren Dienstvorgesetzten bei der Ausübung der Dienstaufsicht beratend zu unterstützen sowie
– die Bürgerfreundlichkeit und Bürgernähe zu fördern.
Sie dient ferner der Gewährleistung der Dienstaufsicht.

3.2 

Die ordentliche Geschäftsprüfung erstreckt sich auf alle Geschäftszweige; sie soll umfassend sein. Der Präsident wird insbesondere mündliche Verhandlungen besuchen sowie erledigte und in der Bearbeitung befindliche Akten, Urkunden, Bücher und Register prüfen. Er wird dabei, ohne die formelle Behandlung außer Acht zu lassen, unter Beachtung der persönlichen und sachlichen Unabhängigkeit der Richter und der sachlichen Unabhängigkeit (§ 9 RPflG) der Rechtspfleger sein Hauptaugenmerk darauf richten, dass die Geschäfte sachlich richtig, zweckmäßig und mit der nötigen Beschleunigung erledigt werden. Erkenntnisse aus anderen Prüfungen oder Berichten sind zu berücksichtigen; auf vorhandene Daten ist zurückzugreifen. Besonderes Gewicht legt der Präsident auf die nachhaltige Optimierung und mögliche Standardisierung der Geschäftsabläufe.

3.3 

Der Präsident kann während des Prüfungsintervalls ohne Anlass außerordentliche stichprobenweise Prüfungen vornehmen, deren Umfang sachlich beschränkt sein kann. Er soll eine außerordentliche Prüfung, die auf einzelne Geschäftszweige beschränkt sein kann, vornehmen, wenn ein besonderer Grund dazu gegeben ist.

3.4 

Zu allen ordentlichen Geschäftsprüfungen ist jeweils der für das zu prüfende Gericht zuständige Organisationsberater beizuziehen. Bei außerordentlichen Prüfungen kann der für das zu prüfende Gericht zuständige Organisationsberater beigezogen werden.

3.5 

Mängel, Missstände oder Missbräuche werden in vielen Fällen durch mündliche Aufklärung beseitigt werden können. Soweit eine mündliche Erledigung nicht zweckmäßig erscheint, ist ein schriftlicher Prüfungsbescheid zu erteilen. Bei der Feststellung organisatorischer Defizite sind Maßnahmen zu deren Behebung zu vereinbaren oder anzuordnen.

3.6 

Über das Ergebnis von Geschäftsprüfungen ist dem Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz alsbald (in zweifacher Fertigung) zu berichten. Bei der Durchführung der Prüfungen und der Abfassung der Prüfungsberichte sollen die eingeführten Prüfungsschemata zu Grunde gelegt werden. Die Prüfungsberichte sind kurz zu fassen; es sind nur Feststellungen aufzunehmen, die von allgemeinem Interesse sind oder zu besonderen Bemerkungen Anlass geben. Die Feststellungen sollen in den Prüfungsberichten – möglichst anhand aussagekräftiger Vergleichsbetrachtungen – bewertet werden. Bei der Feststellung von Mängeln, Missständen oder organisatorischen Defiziten sind konkrete Handlungsempfehlungen in die Prüfungsberichte aufzunehmen.

4.  Dienstaufsicht im Bereich der Staatsanwaltschaften

Für die Ausübung der Dienstaufsicht der Generalstaatsanwälte über die Staatsanwaltschaften ihres Bezirks gelten die Nrn. 2 und 3 entsprechend. Für die Ausübung der Dienstaufsicht durch die Behördenleiter gilt Nr. 4 der Anordnung über Organisation und Dienstbetrieb der Staatsanwaltschaften (OrgStA).

5.  Gesonderte Prüfungen

Alle Dienstaufsichtsbehörden haben außerdem die Durchführung der in besonderen Vorschriften angeordneten laufenden Prüfungen (z.B. auf dem Gebiet des Kassen- und Haushaltswesens) zu überwachen.

6.  Berichtspflichten

6.1 

Ist in einer Angelegenheit der Dienstaufsicht das sofortige Eingreifen oder die sofortige Unterrichtung einer höheren Dienstaufsichtsbehörde notwendig, so ist dieser unverzüglich zu berichten.

6.2 

Wichtige Anordnungen in Dienstaufsichtssachen sind in Abdruck den höheren Dienstaufsichtsbehörden vorzulegen.

7.  Heranziehung von Richtern und Beamten

Die Gerichtsvorstände, die Präsidenten und die Generalstaatsanwälte können bei der Erledigung der ihnen obliegenden Dienstaufsichtsgeschäfte die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Richter und Beamten heranziehen (Art. 19 Abs. 1 Satz 2 AGGVG). Bei der Erledigung der Geschäfte nach Nr. 3 sollen auch Richter und Beamte herangezogen werden, die die Präsidenten der Oberlandesgerichte in ihrem jeweiligen Bezirk eigens zur Wahrnehmung dieser Geschäfte bestellt haben (Prüferpool).

8.  In-Kraft-Treten; Außer-Kraft-Treten

8.1 

Diese Bekanntmachung tritt am 1. Januar 2006 in Kraft.

8.2 

Gleichzeitig tritt die Bekanntmachung über die Ausübung der Dienstaufsicht über die Gerichte und Staatsanwaltschaften vom 20. Dezember 1978 (JMBl 1979 S. 2), zuletzt geändert durch die Bekanntmachung vom 12. Mai 1999 (JMBl S. 63), außer Kraft.
von Hornstein
Ministerialdirigent
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