Verordnung über den Einsatz elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung in... (272.2)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über den Einsatz elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung in Zivilverfahren (VEMZ)

(VEMZ) vom 16. Oktober 2024 (Stand am 1. Januar 2025)
¹ SR 272
Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung regelt die technischen Voraussetzungen sowie die Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit beim Einsatz elektronischer Mittel zur Ton- und Bildübertragung bei mündlichen Prozesshandlungen in Zivilverfahren.
Art. 2 Infrastruktur
¹ Gerichte, die bei Prozesshandlungen elektronische Mittel einsetzen, und Personen, die mittels elektronischer Mittel an Prozesshandlungen teilnehmen, müssen über die notwendige Infrastruktur verfügen, insbesondere über eine geeignete Hard- und Software.
² Die Infrastruktur muss es den Gerichten und den Verfahrensbeteiligten erlauben, sich Dokumente gegenseitig zu präsentieren.
³ Die Infrastruktur der Gerichte muss es soweit erforderlich zusätzlich erlauben:
a. Verfahrensbeteiligte elektronisch zuzuschalten;
b. der Öffentlichkeit den Zugang zur Prozesshandlung zu gewähren.
Art. 3 Ton- und Bildübertragungssysteme
¹ Bei der Übertragung von Ton und Bild müssen die folgenden Anforderungen an den Datenschutz und die Datensicherheit erfüllt sein:
a. Die Server, über die Ton und Bild übertragen werden, befinden sich in der Schweiz oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union.
b. Die Übertragung erfolgt während des gesamten Übertragungsvorgangs in verschlüsselter Form.
c. Das System ist bezüglich der Sicherheit auf dem neusten Stand und bekannte kritische Lücken sind geschlossen.
d. Die Funktionen, die es dem Gericht ermöglichen, Ton und Bild zu übertragen und aufzuzeichnen, sind den Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit nicht zugänglich.
² Private Anbieterinnen, die Ton- und Bildübertragungssysteme oder Server für solche Übertragungen zur Verfügung stellen, müssen ihren Wohnsitz oder Sitz in einem Staat nach Absatz 1 Buchstabe a haben und gewährleisten, dass die Daten:
a. gegen unbefugte Einsichtnahme, Veränderung, Speicherung, Löschung und Aufzeichnung geschützt sind;
b. unmittelbar nach der Prozesshandlung an das zuständige Gericht weitergegeben und unter Vorbehalt gesetzlicher Aufbewahrungspflichten unmittelbar, nachdem das Gericht den Empfang bestätigt hat, vernichtet werden; und
c. nicht an Dritte weitergegeben werden.
³ Die Kantone können eine Liste der Ton- und Bildübertragungssysteme führen, welche die Anforderungen nach den Absätzen 1 und 2 erfüllen.
Art. 4 Anmeldung und Teilnahme
¹ Jede Person, die mittels elektronischer Mittel an einer Prozesshandlung teilnimmt, muss sich im Ton- und Bildübertragungssystem einzeln anmelden und mit eigenen technischen Hilfsmitteln daran teilnehmen.
² Parteien und ihre Rechtsvertreterinnen und Rechtsvertreter können sich gemeinsam anmelden und die Hardware gemeinsam nutzen.
Art. 5 Durchführung der Prozesshandlung
¹ Das Gericht stellt sicher, dass nur berechtigte Personen der Prozesshandlung folgen.
² Es kann insbesondere verlangen, dass sich bestimmte Personen nicht am gleichen Ort aufhalten.
Art. 6 Verhaltensregeln
Es ist den Verfahrensbeteiligten und den weiteren Teilnehmenden verboten:
a. unberechtigten Dritten den Zugang zur Prozesshandlung zu gewähren;
b. Ton und Bild aufzuzeichnen.
Art. 7 Informationen zuhanden der teilnehmenden Personen
¹ Das Gericht stellt Personen, die mittels elektronischer Mittel an einer Prozesshandlung teilnehmen, alle dafür erforderlichen Informationen zur Verfügung. Es informiert sie zudem insbesondere:
a. ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Prozesshandlung aufgezeichnet wird;
b. welche Verhaltensregeln nach Artikel 6 eingehalten werden müssen.
² Ordnet das Gericht den Einsatz elektronischer Mittel bei einer Zeugeneinvernahme, einer Parteibefragung, einer Beweisaussage oder einer Gutachtenserstattung an, so werden die Informationen nach Absatz 1 spätestens mit der Vorladung zur Verfügung gestellt.
Art. 8 Anmeldung zu einer öffentlich zugänglichen Prozesshandlung
¹ Wer Zugang zur Ton- und Bildübertragung einer öffentlich zugänglichen Prozesshandlung ausserhalb der Gerichtsräumlichkeiten erhalten möchte, muss sich mindestens drei Tage vorher anmelden.
² Das Gericht stellt den angemeldeten Personen spätestens einen Arbeitstag vor der Prozesshandlung die erforderlichen Angaben zu und informiert sie über die Verhaltensregeln nach Artikel 6.
Art. 9 Durchführung einer öffentlich zugänglichen Prozesshandlung
¹ Das Gericht informiert die Verfahrensbeteiligten zu Beginn einer öffentlich zugänglichen Prozesshandlung darüber, welche Personen die Prozesshandlung ausserhalb der Gerichtsräumlichkeiten verfolgen.
² Es trifft alle zumutbaren Vorkehren, um zu gewährleisten, dass:
a. die Prozesshandlung zeitgleich in Ton und Bild übertragen wird;
b. der Ton verständlich und das Bild sichtbar ist; und
c. die Mikrofone des Publikums stummgeschaltet bleiben.
Art. 10 Aufzeichnung
¹ Die Aufzeichnung von Ton und Bild erfolgt durch das Gericht.
² Das Gericht kann Dritte mit der Aufzeichnung beauftragen, wenn diese sich verpflichten, die Daten:
a. nicht zu eigenen Zwecken zu verwenden;
b. nur an das Gericht weiterzugeben; und
c. zu vernichten, sobald das Gericht den Empfang bestätigt hat.
³ Es stellt sicher, dass die Aufzeichnung:
a. unmittelbar nach dem Abschluss der Prozesshandlung zu den Akten genommen wird; und
b. gegen unbefugte Einsichtnahme, Weitergabe, Veränderung, Speicherung und Löschung geschützt ist.
Art. 11 Übergangsbestimmung
Diese Verordnung gilt auch für Verfahren, die bei Inkrafttreten dieser Verordnung rechtshängig sind.
Art. 12 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. Januar 2025 in Kraft.
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