BBl 2024 1105
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung

(Verhandlung der Tarife der Analysenliste)

vom 1. Mai 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung ¹ .
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
2018 M 17.3969 Tarifpartner sollen Tarife von Laboranalysen aushandeln (S 29.11.2017, SGK-S; N 19.9.2018)
2021 M 19.4492 Laborkosten zulasten der OKP (N 15.9.2020, Lohr; S 6.12.2021)
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
1. Mai 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Mit der vorliegenden Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung soll die Kompetenz des Eidgenössischen Departements des Innern zum Erlass des Tarifs der Analysenliste aufgehoben werden. Analog zu den Tarifen für ambulante ärztliche Leistungen oder physiotherapeutische Leistungen sollen künftig die Tarifpartner den Tarif aushandeln.
Ausgangslage
Die vorgeschlagene Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) ist Teil der Umsetzung der Motion 17.3969 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates, die der Ständerat am 29. November 2017 und der Nationalrat am 19. September 2018 angenommen haben. Diese Motion sieht vor, die Kompetenz zur direkten Tarifverhandlung an die Tarifpartner zu übertragen, um das Verfahren zur Aufnahme einer Analyse in die Analysenliste (AL) zu beschleunigen und gleichzeitig innovative Laboranalysen zu ermöglichen. Der Bundesrat hat gegenüber dem Anliegen der Motion weiterhin eine ablehnende Haltung, da er den geltenden Gesetzesrahmen als ausreichend erachtet. Zudem zeigen seiner Ansicht die zahlreichen Fälle von blockierten Tarifverhandlungen, dass die Tarifautonomie keine raschere Anpassung der AL erlauben würde.
Inhalt der Vorlage
Mit der Änderung von Artikel 52 KVG soll die Kompetenz zum Verhandeln des AL-Tarifs an die Tarifpartner übertragen werden. Die AL ist eine abschliessende, verpflichtende Liste der Analysen, die von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen werden. Sie gilt ausschliesslich für ambulante Behandlungen; bei stationären Behandlungen sind die Analysen in der Regel in den vereinbarten Pauschalen enthalten (Art. 49 KVG). Nach dem geltenden Recht ist es Aufgabe des Eidgenössischen Departements des Inneren (EDI), eine Liste der Analysen mit Tarif zu erlassen. Die AL ist Bestandteil der Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV); sie bildet deren Anhang 3. Jede Änderung der AL erfordert daher eine Anpassung der KLV. Bei Entscheiden über Änderungen der KLV zieht das EDI eine beratende Kommission bei, die Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände. Diese prüft, ob die Analyse den gesetzlichen Voraussetzungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 KVG) entspricht und gibt eine Empfehlung ab. Der Tarif für die Analysen ist als gesamtschweizerischer Einzelleistungstarif konzipiert, der vom EDI erlassen wird. Für jede Analyse wird eine maximale Anzahl an Taxpunkten festgelegt, die das Laboratorium zulasten der OKP in Rechnung stellen darf. Zurzeit gilt für alle Positionen ein gesamtschweizerisch einheitlicher Taxpunktwert von 1 Franken.
Das KVG verlangt keine bestimmte Tarifart für die Vergütung ambulanter Leistungen; die Aufzählung möglicher Tarifarten in Artikel 43 Absatz 2 KVG ist nicht abschliessend. Es ist den Tarifpartnern überlassen, die Tarifart innerhalb der geltenden Gesetzesbestimmungen festzulegen (Art. 43 und 46 KVG).
Der Bundesrat hat sich bisher bei den Analysen zulasten der OKP gegen die Tarifgestaltung durch die Tarifpartner ausgesprochen. Angesichts der grossen Anzahl Tarifpartner bezweifelt der Bundesrat, dass die Ziele der Motion, also die Vereinheitlichung der Tarife gemäss KVG und die rasche Anpassung der Tarife, mit der Kompetenzübertragung erreicht werden können.
Botschaft
¹ BBl 2024 1106

1 Ausgangslage

1.1 Zielesetzung

Mit der Annahme der Motion 17.3969 der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Ständerates (SGK-S) ² hat das Parlament den Bundesrat beauftragt, Artikel 52 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 ³ über die Krankenversicherung (KVG) so zu ändern, dass die Tarife der von Laboratorien durchgeführten Analysen künftig - analog zum Tarifsystem für ambulante ärztliche Leistungen oder physiotherapeutische Leistungen - durch die Tarifpartner vereinbart werden. In Erfüllung dieses Auftrags überweist der Bundesrat die vorliegende Botschaft an das Parlament.
Gemäss dem geltenden Recht erlässt das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) eine Liste der Analysen mit Tarif. In der Analysenliste (AL) sind alle Laboranalysen im Zusammenhang mit ambulanten Behandlungen aufgeführt, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) übernommen werden. Die AL bildet Anhang 3 der Krankenpflege-Leistungsverordnung vom 29. September 1995 ⁴ (KLV). Die Eidgenössische Kommission für Analysen, Mittel und Gegenstände (EAMGK) berät das EDI bei der Erstellung der AL (Art. 37 a Bst. b und Art. 37 f der Verordnung vom 27. Juni 1995 ⁵ über die Krankenversicherung [KVV]).
Es wurden verschiedene Argumente zugunsten der Motion vorgebracht: Das mehrmonatige Verfahren zur Aufnahme neuer Analysen mit Tarif daure zu lange und sei innovationshemmend. Das Verfahren könne beschleunigt werden, wenn die Tarife von den Tarifpartnern verhandelt würden, und dadurch werde die Durchführung innovativer Laboranalysen ermöglicht. Zudem würde ein rascheres Verfahren den Anstieg der Gesundheitskosten bremsen, da Mehrfachtherapien und falsche Therapien vermieden werden könnten. Schliesslich wurde vorgebracht, der Übergang von einem behördlich festgelegten Tarif zu einem von den Tarifpartnern ausgehandelten Tarif sei ein neuer Schritt in Richtung eines einheitlichen Tarif- und Preisbildungssystems im Gesundheitswesen.
Der Bundesrat hat sich bisher stets gegen die Tarifgestaltung der Analysen zulasten der OKP durch die Tarifpartner ausgesprochen. So lehnt er dies beispielsweise ab in seinen Stellungnahmen zu den Motionen Kuprecht 16.3487 («Innovationshemmende und rechtsstaatlich fragwürdige Tarife verändern. Einführung der Vertragsfreiheit bei den Labortarifen») ⁶ und Hess 16.3193 («KVG. Innovation und Transparenz bei den Tarifen fördern») ⁷ , die beide später zurückgezogen wurden. Er erinnerte in seiner Stellungnahme daran, dass die Tarifpartner bereits heute Tarife unter dem vom EDI festgesetzten Tarif vereinbaren können, dass von dieser Möglichkeit bisher aber nicht Gebrauch gemacht wurde. Ausserdem seien die verschiedenen Interessenverbände bereits in der EAMGK einbezogen, die das EDI bei der Bezeichnung der Leistungen zulasten der OKP berät.
Nach Ansicht des Bundesrates würde die Übertragung der Tarifverhandlung an die Tarifpartner zudem bedeuten, dass die Versicherer Verhandlungen mit einer Grosszahl an Leistungserbringern, die Laboranalysen durchführen, führen müssten (insbesondere private Laboratorien, Spitäler, ärztliche Praxislaboratorien). Angesichts der grossen Anzahl Tarifpartner bezweifelt der Bundesrat, dass die Ziele der Motion, also die Vereinheitlichung der Tarife gemäss dem KVG und die rasche Anpassung der Tarife, mit der Kompetenzübertragung erreicht werden können. Er befürchtet im Gegenteil Blockaden bei den Tarifverhandlungen, wie bei der Revision der Tarifstruktur für die ambulanten ärztlichen Leistungen (Tarmed) sowie bei der Revision der Tarifstruktur für physiotherapeutische Leistungen. Diese Blockaden zwangen den Bundesrat, von seinen subsidiären Kompetenzen nach den Artikeln 43 Absätze 5 und 5bis KVG Gebrauch zu machen. Schliesslich unterstreicht der Bundesrat, dass die vorgeschlagene Tarifliberalisierung das EDI nicht von der Zuständigkeit entlasten würde, die AL gemäss den gesetzlichen Voraussetzungen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 und Art. 43 Abs. 6 KVG) zu erarbeiten.
Im Parlament wurde zudem vorgebracht, dass kein Anlass zur Änderung eines funktionierenden Systems bestehe. Insbesondere wird ein Volumen- und Preisanstieg bei den Analysen und eine Schwächung der Praxislaboratorien befürchtet. ⁸
² Vgl. www.parlament.ch > 17.3969.
³ SR 832.10
⁴ SR 832.112.31
⁵ SR 832.102
⁶ Vgl. www.parlament.ch > 16.3487.
⁷ Vgl. www.parlament.ch > 16.3193.
⁸ Vgl. www.parlament.ch > 17.3969 > Kommissionsberichte vom 16. Mai 2018.

1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 2020 ⁹ zur Legislaturplanung 2019-2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 2020 1⁰ über die Legislaturplanung 2019-2023 angekündigt.
Sie ist eine direkte Folge der Annahme der Motion 17.3969 der SGK-S durch die eidgenössischen Räte.
⁹ BBl 2020 1777
1⁰ BBl 2020 8385

1.3 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Die vorliegende KVG-Änderung stellt die Umsetzung der am 19. September 2018 angenommenen Motion 17.3969 der SGK-S dar.
Motion Lohr 19.4492 «Laborkosten zulasten der OKP»
Der Nationalrat hat die Motion 19.4492 am 15. September 2020, der Ständerat am 6. Dezember 2021 angenommen. Sie beauftragt den Bundesrat, die Preise der Laboranalysen zulasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung zu senken.
Mit dem hier vorgelegten Entwurf wäre es nicht mehr Aufgabe des Bundesrates, den Tarif der AL festzusetzen, weil diese Aufgabe den Tarifpartnern zukäme. Dadurch würde die Motion 19.4492 Lohr gegenstandlos.

1.4 Laufende Vorhaben

Die Vorlage weist thematische Überschneidungen mit den folgenden Vorhaben des Bundesrates:
-
zweite Phase der AL-Revision (transAL-2), die eine Neutarifierung aller AL-Tarife umfasst;
-
Annahme der Motion Lohr 19.4492 1¹ durch die eidgenössischen Räte, die den Bundesrat beauftragt, die Preise der Laboranalysen zulasten der OKP zu senken. Die Umsetzung dieser Motion erfolgt im Rahmen der Überprüfung der AL-Tarife (transAL-2).
Aufgrund der schnellen Entwicklung im Bereich der Analysen seit 2009 hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) 2017 eine weitere Revision der AL eingeleitet, die in zwei Phasen aufgeteilt ist. Die erste Phase umfasste eine inhaltliche und strukturelle Revision der AL (transAL-1). Die revidierte und neu strukturierte AL ist im Januar 2021 in Kraft getreten. Die zweite Phase (transAL-2) ist bereits angelaufen. Es werden alle Tarife der AL überprüft und neu berechnet. Der erste Schritt besteht darin, die Tarife aller Positionen mit Ausnahme der schnellen Analysen zu überprüfen. Diese werden überprüft, sobald der erste Schritt abgeschlossen ist.
Die revidierten Tarife werden nicht vor 2025 in Kraft treten. Parallel zu den laufenden Revisionsarbeiten hat sich die SGK-N am 6. April 2022 mit dem Anfang Februar vom Preisüberwacher (PUE) publizierten Auslandpreisvergleich von medizinischen Analysen befasst. Nach Anhörung des PUE sowie des Verbands der medizinischen Laboratorien der Schweiz (FAMH) hat die SGK-N daran erinnert, dass die Motion Lohr 19.4492 den Bundesrat beauftragt, die Preise der Laboranalysen zu senken. In ihrer Medienmitteilung vom 8. April 2022 ¹2 drängt sie auf eine schnelle Umsetzung der Motion. Als Übergangslösung und für eine möglichst rasche Tarifreduktion hat das EDI am 2. Juni 2022 beschlossen, die Tarife aller Laboranalysen mit Ausnahme der schnellen Analysen um 10 Prozent zu senken. Diese lineare Senkung wurde per 1. August 2022 vorgenommen und dürfte zu jährlichen Einsparungen von rund 140 Millionen Franken führen. ¹3
Die gesenkten Tarife bleiben in Kraft, bis das EDI die Tarife aller Analysen geprüft und angepasst hat. Denn parallel zur linearen Tarifsenkung werden die Arbeiten für eine Neuberechnung der Tarife in Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren fortgesetzt.
Der Bundesrat setzt sich also bereits stark für die Kostendämpfung im Bereich der Laboranalysen ein.
1¹ Vgl.
www.parlament.ch
> 19.4492.
¹2 Vgl. www.parlament.ch > Services > News > Medienmitteilung SGK-N, 8. April 2022, «Keine Kostenzielvorgabe im Gesundheitswesen».
¹3 Vgl.
www.bag.admin.ch
> Das BAG > Aktuell > Medienmitteilungen > Laboranalysen: Tarife werden gesenkt, 9. Juni 2022.

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

2.1 Vernehmlassungsvorlage

Mit der Vorlage soll die Kompetenz des EDI zum Erlass des Tarifs der Analysenliste aufgehoben werden. Analog zum Tarifsystem für ambulante ärztliche Leistungen sollen künftig die Tarifpartner diesen Tarif aushandeln.
Am 9. Dezember 2022 hat der Bundesrat das EDI mit der Durchführung eines Vernehmlassungsverfahrens beauftragt. Die Vernehmlassung zum Vorentwurf dauerte bis zum 31. März 2023. Von insgesamt 117 Adressaten gingen 62 Stellungnahmen ein (26 Kantone und die Gesundheitsdirektorenkonferenz [GDK], 4 politische Parteien, 2 Dachverbände der Wirtschaft, 23 Leistungserbringer, 2 Versichererverbände und 2 Versicherer, 1 Konsumentenverband und 1 andere Organisation). ¹4
¹4 Vgl.
www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene
Vernehm
lassungen
> 2022 > EDI > Vernehmlassung 2022/64.

2.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Die grosse Mehrheit der Teilnehmenden (53) lehnt die Vorlage ab, einer mit Vorbehalten. Die GDK, sämtliche Kantone, 22 der 23 Teilnehmenden aus der Kategorie Leistungserbringer und der Konsumentenverband sprechen sich dagegen aus. Auch einer der beiden Dachverbände der Wirtschaft und das Bündnis Freiheitliches Gesundheitswesen lehnen die Änderung ab, ebenso die Sozialdemokratische Partei (SP).
Insgesamt befürworten 9 Teilnehmende die Vorlage, 3 davon bringen Vorbehalte an. 2 Versichererverbände sowie auch die 2 Versicherer, 3 der 4 politischen Parteien, die Stellung genommen haben (Die Mitte, mit Vorbehalten, die Liberalen [FDP] und die Schweizerische Volkspartei [SVP]), sprechen sich für die Vorlage aus. Auch ein Verband der Leistungserbringer und ein Teilnehmer aus dem Wirtschaftsbereich befürworten die Vorlage.

2.3 Würdigung der Ergebnisse des Vernehmlassungsverfahrens

Fast alle Gegnerinnen und Gegner der Vorlage bezweifeln, dass die vorgeschlagene Änderung es ermöglicht, die Ziele der Motion zu erreichen.
Mehrere kritische Stimmen befürchten, dass die Änderung zu einem Kostenanstieg führen wird. Die GDK und 22 Kantone weisen explizit auf diesen Punkt hin, ebenso die Mehrheit der Leistungserbringerverbände. Eine grosse Mehrheit der Teilnehmenden ist der Auffassung, dass eine solche Änderung eher zu einer Verlangsamung als zu einer Beschleunigung der Einführung innovativer Analysen beitragen würde.
Mehr als die Hälfte der Leistungserbringerverbände (13 von 23) lehnen den Vorschlag ab, da er nicht der Absicht der Motionäre entspreche. Nach Ansicht dieser Teilnehmenden ermöglicht diese Änderung keine raschere Einführung innovativer Analysen, da das EDI weiterhin für den Erlass der AL zuständig ist. Mehrere Teilnehmende möchten lieber das derzeitige System beibehalten, als ein System einzuführen, das möglicherweise schwer umsetzbar sei und kleine Akteure benachteilige.
Die Teilnehmenden, die sich gegen die Änderung stellen, äussern hauptsächlich folgende Befürchtungen:
-
Verlangsamung der Abläufe durch das Risiko einer Verhandlungsblockade oder einer Zerstückelung des Verfahrens in mehrere Etappen.
-
Mehraufwand, insbesondere im administrativen Bereich, für die Tarifpartner und die Kantone, was zu höheren Kosten für alle beteiligten Partner, die Kantone und den Bund führt.
-
Blockaden und Scheitern der Verhandlungen durch die grosse Heterogenität der Tarifpartner, wie das bei den Tarmed-Leistungen und der Physiotherapie der Fall ist.
-
Über die Hälfte der Kantone und die GDK befürchten, die Tarife selber festsetzen zu müssen, was gesamtschweizerisch hauptsächlich die Gefahr uneinheitlicher Tarife birgt.
-
Gefahr der Schwächung kleiner Laboratorien, insbesondere der Praxislaboratorien. Mehrere Verbände von Leistungserbringern und die SP befürchten, dass kein Unterschied zwischen Praxislaboratorien und Grosslaboratorien gemacht werde, und dass erstere dadurch benachteiligt werden.
-
Qualitätsabbau in der Gesundheitsversorgung und eingeschränkter Zugang zu Präsenzdiagnostik. Praxislaboratorien hätten Mühe, mit den Preisen und dem Angebot von Grosslaboratorien zu konkurrieren, was die Patientenversorgung im Praxislaboratorium verschlechtern könnte.
-
Das Projekt transAL-2 wäre überholt. Mehrere Teilnehmende weisen auf die starke Involvierung der Akteure in die Arbeiten zum Projekt transAL-2 hin, die sie zu einem erfolgreichen Abschluss bringen möchten.
Die Befürworterinnen und Befürworter der Vorlage betonen, dass sich mit dieser Änderung die Tarife der AL an das europäische Preisniveau angleichen lassen, was Einsparungen ermögliche, welche sich auf die Prämien auswirken werden.
SVP und FDP sehen in der Vertragsfreiheit im Laborbereich das Endziel. Diese Position wird vom Versichererverband Curafutura unterstützt, die den Kontrahierungszwang aufheben möchte. Diese Teilnehmer akzeptieren den Entwurf, der in die richtige Richtung geht, würden aber gerne in Bezug auf die Vertragsfreiheit noch weiter gehen.
Santésuisse, der Rückversicherungsverband für Kranken- und Unfallversicherer (RVK) und der Versicherer Groupe Mutuel unterstützen ausdrücklich den Vorschlag, das Verfahren zur Aufnahme von Analysen de facto unverändert zu lassen. Sie gehen jedoch davon aus, dass zu seiner Umsetzung beträchtliche Mittel erforderlich seien. RVK und Santésuisse sprechen sich für eine Verlängerung der Übergangsfrist von drei auf fünf Jahre aus. In dieser Übergangsphase bleibt das EDI für die Festlegung des Tarifs der AL zuständig.
Die Mehrheit der Teilnehmenden lehnt die Vorlage ab und sieht für die vorgeschlagenen Änderungen keine Notwendigkeit.
Im Falle einer Verabschiedung des Projekts sprechen sich mehrere Teilnehmende für eine Verlängerung der Übergangsbestimmung aus. So solle die Übergangsfrist von drei auf fünf Jahre verlängert werden, um den Tarifpartnern Zeit zu geben, ihr Know-how und Fachwissen in der Tarifgestaltung und -aushandlung zu festigen.

3 Vergleich mit dem europäischen Recht

Der folgende Vergleich soll aufzeigen, wie die Tarife der Laboranalysen in bestimmten Ländern, deren Gesundheitssysteme demjenigen der Schweiz relativ ähnlich sind, festgelegt werden. In den ausgewählten Ländern ist die Versorgung teils privat und teils öffentlich und in der Regel gewährleisten verschiedene Versicherer die Kostenübernahme. In manchen Fällen wird die Gesundheitsversorgung weitgehend durch Sozialbeiträge finanziert. Die Systeme der ausgewählten Länder unterscheiden sich insbesondere von universellen Gesundheitssystemen, in denen die Versorgung hauptsächlich staatlich organisiert und durch Steuern finanziert wird (z. B. Grossbritannien, Norwegen, Schweden). Letztere wurden in diesem Vergleich nicht berücksichtigt.
In Deutschland sind die Laboranalysen, die von der obligatorischen Krankenversicherung (gesetzliche Krankenversicherung [GKV]) übernommen werden, in Kapitel 32 der öffentlichen Nomenklatur (einheitlicher Bewertungsmassstab [EBM]) ¹5 aufgeführt. Für Analysen von Privatversicherten, die 10 Prozent aller Versicherten ausmachen ¹6 , gilt eine andere Nomenklatur. Das deutsche Gesundheitsystem basiert auf dem Grundsatz der Autonomie: Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Aufgaben werden vom Staat vorgegeben, die Leistungserbringer, die Versicherer und die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler organisieren sich und stellen die Gesundheitsversorgung sicher. Es obliegt den Dachverbänden (Kassenärztliche Bundesvereinigung [KBV] und Spitzenverband [GKV-SV]) sich auf die Vereinheitlichung des EBM zu einigen.
In den Niederlanden werden die Leistungen durch die niederländische Gesundheitsbehörde ( Nederlandse Zorgautoriteit [NZa]) festgesetzt. ¹7 Die NZa ist ein unabhängiges Verwaltungsorgan, das direkt dem Minister oder der Ministerin für Gesundheit, Gemeinwohl und Sport unterstellt ist. ¹8 Sie beaufsichtigt die Gesundheitsmärkte und stellt sicher, dass Leistungserbringer und Versicherer die Vorschriften beachten und die Versorgung allgemein zugänglich ist. Für bestimmte Leistungen setzt die NZa gestützt auf Kostenerhebungen Maximaltarife fest. ¹9 Die Tarife sind folglich reguliert. Es existieren auch sogenannte freie Leistungen, die mittels vertraglicher Vereinbarungen zwischen Versicherern und Leistungserbringen ausgehandelt werden können. Die Laboranalysen fallen unter diese Kategorie; für diese führt die NZa keine Kostenerhebungen durch und setzt grundsätzlich keine Obergrenze fest.
In Österreich schliesst die grösste Krankenversicherung (Österreichische Gesundheitskasse [ÖGK]) mit jedem Laboratorium einzeln Verträge ab. Zwei weitere Versicherungsanstalten, die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter (BVA) und die Sozialversicherung der Selbständigen (SVS), handeln die Labortarife selbstständig aus. Voraussetzungen für einen Vertrag mit der ÖGK sind eine Errichtungs- und eine Betriebsbewilligung, die von der zuständigen Landesregierung erteilt wurden. Die Laboratorien legen der ÖGK ihre Leistungen vor. Diese schliesst entsprechend den Bedürfnissen der Bundesländer (z. B. Bevölkerungsstruktur und -dichte, Erreichbarkeit) Verträge mit den Laboratorien ab. 2⁰
In Belgien liegt die obligatorische Krankenversicherung in der Zuständigkeit des Institut national d’assurance maladie-invalidité (INAMI). Das INAMI ist eine öffentliche Einrichtung der sozialen Sicherheit, die dem Sozialminister oder der Sozialministerin unterstellt ist. Es erarbeitet die Regeln für die Übernahme der Kosten für Gesundheitsleistungen und setzt deren Tarife fest. 2¹ Die Laboranalysen, die von der Krankenversicherung übernommen werden, sind in einer Reihe von spezifischen Artikeln im Gesamtkatalog der Gesundheitsleistungen aufgeführt. Die Kosten für die Untersuchungen werden vergütet, wenn diese von qualifizierten Leistungserbringern in akkreditierten Laboratorien durchgeführt werden. 2² Die Tarife können zwischen den Vertretern der Mutualités (Versicherungsträger) und der Leistungserbringer vereinbart werden. ²3 Die Versicherungsunternehmen vergüten unter Aufsicht des INAMI die Kosten der Gesundheitsleistungen ganz oder teilweise.
In Frankreich sind die medizinischen Laboranalysen, die durch die obligatorische Krankenversicherung übernommen werden, in der Nomenclature des actes de biologie médicale (NABM) (Art. L. 162-1-7 des Code de la sécurité sociale ) aufgeführt. ²4 Die NABM ist ein Katalog aller biomedizinischen Leistungen, die zulasten der Krankenkassen gehen. Die Kommission für die Klassifizierung biomedizinischer Leistungen, welcher Verbände der Laborleiterinnen und Laborleiter und die Union des caisses d’Assurance maladie [UNCAM] angehören, entscheidet über die Entwicklung der NABM und über die Preise der Leistungen, die den privaten biomedizinischen Laboratorien vergütet werden. Die Haute autorité de santé , die für die Bewertung der Gesundheitstechnologien zuständig ist, beurteilt die Erstattungsfähigkeit der Leistungen. Die Tarife der Analysen werden durch Verhandlungen zwischen der UNCAM und den Biologenverbänden, denen die Leiterinnen und Leiter der privaten medizinischen Laboratorien angehören, festgesetzt. Das Gesundheitsministerium, genauer die Direktion für soziale Sicherheit, nimmt eine Regulatorenrolle wahr, indem es das nationale Ausgabenziel für das Gesundheitswesen festlegt und dessen Erreichung kontrolliert.
Es ist schwierig, aus diesem kurzen Vergleich spezifische Schlussfolgerungen für die Tariffestsetzung in der Schweiz zu ziehen. Zahlreiche systemimmanente Faktoren sind je nach Gesundheitssystem unterschiedlich und haben einen beträchtlichen Einfluss auf die Tariffestsetzung (Finanzierungsart, Grad der Zentralisierung des Gesundheitssystems, Vorliegen eines Systems des Tiers payant oder nicht usw.). Der Vergleich zeigt aber, dass die Freiheit der Tarifpartner trotz der grossen Vielfalt der Systeme durch klar definierte rechtliche, institutionelle oder budgetäre Rahmenbedingungen reguliert ist. Dank dieser Struktur kann der Zugang zu einer angemessenen, qualitativ hochwertigen und möglichst erschwinglichen Versorgung gewährleistet werden.
¹5 Vgl.
www.kbv.de
> Kassenärztliche Bundesvereinigung > Startseite > Service > Rechtsquellen > Einheitlicher Bewertungsmassstab (EBM).
¹6 Vgl. dazu
www.preisueberwacher.admin.ch
> Dokumentation > Publikationen > Studien & Analysen > 2022 > Coûts des analyses médicales: une comparaison internationale (nur auf Französisch verfügbar).
¹7 Vgl.
www.nza.nl
> Nederlanse Zorgautoriteit > NZa Role and Duties: What the Dutch Healthcare Authority (MZa) does in brief.
¹8 Vgl.
www.nza.nl
> Nederlanse Zorgautoriteit > Strategy of the Dutch Healthcare Authority: Creating and monitoring properly functioning healthcare markets.
¹9 Vgl.
www.h4i.nl
> Network Healthcare for internationals > Home > Health Insurance and cost > Cost of healthcare How costs are determined.
2⁰ Vgl. www.gesundheitskasse.at > Österreichische Gesundheitskasse > Startseite > Gruppe: Vertragspartner > Berufsgruppen > Ärzte > Institute > Medizinische Labordiagnostik.
2¹ Vgl.
www.selor.be
>
Selor
> Travailler dans l’administration fédérale > Dans quel service public Institut national d’assurance maladie-invalidité (INAMI).
2² Vgl.
www.inami.be
> INAMI > Accueil > Nomenclature.
²3 Vgl.
www.eurohealthobservatory.who.int
> European Observatory on Health Systems and Policies > Publications > Belgium health system summary.
²4 Vgl.
www.ameli.fr
> Textes de référence > Guides réglementaires > Guide des références juridiques - biologie médicale.

4 Grundzüge der Vorlage

4.1 Die beantragte Neuregelung

4.1.1 Geltende Regelung: Anhang 3 KLV, Analysenliste

Die OKP übernimmt die Kosten für die Leistungen, die der Diagnose oder Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen (Art. 25 Abs. 1 KVG). Diese Leistungen umfassen insbesondere von einer Ärztin oder einem Arzt oder einem anderen zugelassenen Leistungserbringer verordnete Analysen.
Gestützt auf Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 KVG erlässt das EDI nach Anhören der zuständigen Kommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6 KVG eine Liste der Analysen mit Tarif. Die EAMGK prüft die Aufnahme- oder Änderungsanträge betreffend Analysen der AL. Sie setzt sich aus 16 Fachexpertinnen und -experten zusammen und gewährleistet damit, dass jeder Aufnahme- oder Änderungsantrag der AL mit dem Höchstmass an Fachwissen geprüft wird. Die Kommission, deren Zusammensetzung öffentlich einsehbar ist, ²5 prüft, ob die Analyse den gesetzlichen Voraussetzungen der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit (Art. 32 Abs. 1 KVG) entspricht, und gibt dem EDI eine entsprechende Empfehlung ab. Das EDI entscheidet danach unter Berücksichtigung der Empfehlungen der EAMGK über die Änderung von Anhang 3 der KLV. Das AL-Aufnahmeverfahren dauert in der Regel zwischen neun und zwölf Monaten. Die Gesamtliste wird üblicherweise zwei bis drei Mal pro Jahr herausgegeben, und die Änderungen werden auf der Website des BAG publiziert (Art. 60 KVV und Art. 28 Abs. 2 KLV). ²6
Die Analysen zulasten der OKP sind in Anhang 3 der KLV aufgeführt (Art. 28 KLV). Bei der AL handelt es sich um eine abschliessende, verbindliche Positivliste mit Leistungen. Einzig die darin aufgeführten Analysen dürfen von der OKP vergütet werden, sofern die anderen gesetzlichen Voraussetzungen ebenfalls erfüllt sind. Der Tarif der AL ist nur auf ambulante Behandlungen anwendbar. Bei Spitalaufenthalten sind die Analysen in der Regel in den vereinbarten Pauschalen enthalten (Art. 49 KVG).
2021 wurde die AL inhaltlich und strukturell überarbeitet. Sie ist in vier Kapitel gegliedert, wobei es sich bei den ersten drei Kapiteln um Analyse-Gruppierungen gemäss den folgenden Kategorien handelt: «Chemie/Hämatologie/Immunologie» (Kapitel A), «Medizinische Genetik» (Kapitel B) und «Mikrobiologie» (Kapitel C). Kapitel D enthält die allgemeinen Positionen wie die Taxen (Auftragstaxe, Präsenztaxe) und die Zuschläge (für die Nacht, für die Entnahme zu Hause usw.). Die AL umfasst mehr als 1200 Tarifpositionen, zu denen jeweils die Bedingungen und der Tarif für die Kostenübernahme durch die OKP sowie die zur Rechnungsstellung berechtigten Labortypen geregelt werden. Je nach durchführendem Labortyp können zur Tarifposition verschiedene Taxen und Zuschläge aus Kapitel D hinzukommen. Bei den schnellen Analysen dürfen keine Taxen und Zuschläge verrechnet werden.
Es gibt 33 schnelle Analysen, für die seit 2015 ein anderer Tarif gilt. Diese Analysen werden in ärztlichen Praxislaboratorien durchgeführt und die rasch vorliegenden Ergebnisse ermöglichen es der Ärztin oder dem Arzt, noch während der Konsultation diagnostische oder therapeutische Entscheidungen zu treffen. (Präsenzdiagnostik gemäss Art. 54 Abs. 1 Bst. a Ziff. 2 KVV). ²7 Sie wurden im Rahmen des Masterplans «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» eingeführt, der auf den in der Volksabstimmung vom 18. Mai 2014 angenommenen direkten Gegenentwurf des Bundesrates zur eidgenössischen Volksinitiative «Ja zur Hausarztmedizin» zurückgeht. ²8 Einzig Praxislaboratorien von Ärztinnen und Ärzten (Art. 54 Abs. 1 Bst. a KVV) dürfen schnelle Analysen verrechnen (Präsenzdiagnostik).
Als sogenannter Amtstarif ist die AL ein von den Behörden festgesetzter Tarif. Die Analysen dürfen höchstens nach den Tarifen gemäss Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 KVG verrechnet werden (Art. 52 Abs. 3 KVG). Die Leistungserbringer dürfen keine höhere Vergütung verlangen. Sie können hingegen einen niedrigeren Preis als den Amtstarif festlegen.
Der derzeitige Tarif der AL ist als gesamtschweizerischer Einzelleistungstarif konzipiert, der vom EDI festgesetzt wird. Für jede Position legt die AL die maximale Anzahl Taxpunkte fest, den die Laboratorien zulasten der OKP in Rechnung stellen dürfen. Zurzeit gilt für alle Positionen ein gesamtschweizerisch einheitlicher Taxpunktwert von 1 CHF.
Die Bewertung des Tarifs einer Analyse basiert auf den Kosten bei effizienter Leistungserbringung in der notwendigen Qualität. Berücksichtigt werden dabei die Kosten für Personal, Räumlichkeiten, technische Ausrüstung und Material, die für die einzelnen Schritte des Analyseprozesses benötigt werden. Aufgrund der grossen Heterogenität der medizinischen Laboratorien in der Schweiz ist die Entwicklung eines Tarifkonzepts mit den beteiligten Akteuren jedoch ein komplexes Unterfangen, wie die erste, zwischen 2006 und 2009 durchgeführte Tarifrevision sowie die laufende Revision (transAL-2, vgl. Ziff. 1.2) gezeigt haben.
In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von Laboratorien, die in ihrer Grösse sehr stark variieren. Am einen Ende des Spektrums stehen grosse, stark automatisierte Laboratorien mit hohem Analysevolumen, am anderen Ende des Spektrums sind kleine Praxislaboratorien zu finden, die mit einfachen Automaten und kleinem Analysevolumen Analysen für den Eigenbedarf der Praxis durchführen. Somit variieren die Produktionskosten für ein und dieselbe Analyse je nach Laboratorium stark.
Ein weiterer Komplexitätsfaktor ist die Aufteilung der allgemeinen Kosten auf die verschiedenen Analysen. Ausserdem sind die Kosten pro Analyse nur schwer zu ermitteln, insbesondere wenn mit demselben Automaten verschiedene Analysen durchgeführt werden können.
Aufgrund der unterschiedlichen Interessen von Leistungserbringern und Versicherern ist es kompliziert, sich auf einen Tarif für die Vergütung zu einigen. Aus all diesen Gründen wird das Projekt zur Revision der AL-Tarife (transAL-2) nicht vor 2025 in Kraft treten.
²5 Vgl.
www.admin.ch
> Dokumentation > Ausserparlamentarische Kommissionen > Nach Gremiumsart > Verwaltungskommissionen > EDI, EAMGK.
²6 Vgl.
www.bag.admin.ch
> Versicherungen > Krankenversicherung > Leistungen und Tarife > Analysenliste (AL).
²7 Vgl.
www.bag.admin.ch
> Versicherungen > Krankenversicherung > Leistungen und Tarife > Analysenliste (AL) > Dokumente > Faktenblätter > Faktenblatt_Kapitel Schnelle Analysen.
²8 Vgl.
www.bag.admin.ch
> Berufe im Gesundheitswesen > Medizinalberufe > Medizinische Grundversorgung > Masterplan «Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung» > Dokumente > Faktenblatt Masterplan Hausarztmedizin und medizinische Grundversorgung (PDF, 25.Sept. 2019).

4.1.2 Geltende Tarifregelung

Das KVG beruht auf dem Grundsatz der Tarifautonomie. Demnach werden Tarife und Preise grundsätzlich in Verträgen zwischen Versicherern und Leistungserbringern (Tarifvertrag) vereinbart (Art. 43 Abs. 4 erster Satz erster Satzteil KVG). Nur in den vom Gesetz bestimmten Fällen wird der Tarif von der zuständigen Behörde festgesetzt. Tarifverträge bedürfen nach Artikel 46 Absatz 4 KVG der Genehmigung durch die zuständige Behörde. Genehmigungsbehörde ist je nach Geltungsbereich des Vertrags die jeweilige Kantonsregierung oder der Bundesrat. Letzterer ist immer dann zuständig, wenn ein Tarifvertrag in der ganzen Schweiz gelten soll oder wenn es sich um einen Tarifvertrag über eine Einzelleistungstarifstruktur oder über eine auf ambulante Behandlungen bezogene Patientenpauschaltarifstruktur handelt, die gesamtschweizerisch einheitlich sein müssen. Gegenwärtig erlässt das EDI die Tarife für die Vergütung der Analysen nach Artikel 52 KVG.
Die Genehmigungsbehörde prüft, ob der Tarifvertrag mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Art. 46 Abs. 4 KVG). Die Genehmigung hat konstitutive Wirkung. Somit sind die Tarifpartner gefordert, das Genehmigungsverfahren bei ihrer Planung für das Inkrafttreten eines Tarifvertrages zu berücksichtigen.
Können sich die Tarifpartner nicht auf einen Tarif einigen, so ist die zuständige Behörde zum subsidiären Eingreifen befugt. Kommt zwischen Leistungserbringern und Versicherern kein Tarifvertrag zustande, so setzt die Kantonsregierung nach Artikel 47 KVG nach Anhören der Beteiligten den Tarif fest. Bei Einzelleistungstarifen sowie bei auf ambulante Behandlungen bezogenen Patientenpauschaltarifen, die je auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen, legt der Bundesrat diese subsidiär fest, wenn sich die Tarifpartner nicht einigen können (Art. 43 Abs. 5 KVG). Er kann Anpassungen an der Tarifstruktur vornehmen, wenn diese nicht mehr sachgerecht ist und sich die Parteien nicht auf eine Revision einigen können (Art. 43 Abs. 5bis KVG).

4.1.3 Vorgeschlagene Neuregelung

Die Tarifpartner erhalten mit der vorliegenden Änderung die Kompetenz, die Tarife der Analysen selbst auszuhandeln. Damit wäre der Tarif für die Analysenliste nicht länger ein Amtstarif, sondern neu ein Vertragstarif. Das Verfahren zur Benennung der Analysen soll jedoch in der Zuständigkeit des EDI verbleiben.
Grundsätzlich sind nach geltendem Recht die Tarife von einzelnen oder mehreren Versicherern oder deren Verbänden und einzelnen oder mehreren Leistungserbringern oder deren Verbänden in der Form von Tarifverträgen zu vereinbaren. Das KVG schreibt für die Vergütung von ambulanten Leistungen keine bestimmte Tarifart vor. Somit ist es grundsätzlich den Tarifpartnern überlassen, etwa auf den benötigten Zeitaufwand abzustellen (Zeittarif), für die einzelnen Leistungen Taxpunkte festzulegen und den Taxpunktwert zu bestimmen (Einzelleistungstarif) oder pauschale Vergütungen vorzusehen (Pauschaltarif). Die Aufzählung möglicher Tarifarten in Artikel 43 Absatz 2 KVG ist nicht abschliessend. Sie ist vielmehr als Anstoss gedacht, neben der Einzelleistungsvergütung, die bis heute für die Vergütung von ambulanten ärztlichen Leistungen die traditionelle Tarifart bildet, auch andere Tarifarten zu entwickeln. Im Grundsatz ist nach Artikel 43 KVG jede Tarifart zugelassen.
Artikel 43 Absatz 5 KVG legt fest, dass Einzelleistungstarife und auf ambulante Behandlungen bezogene Patientenpauschaltarife je auf einer einzigen gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen. Für diese beiden Tarife sind die Tarifstruktur und der Taxpunktwert kostenrelevante Bestandteile eines Tarifvertrags (BGE 123 V 280 E. 6c) und somit genehmigungsbedürftige vertragliche Elemente eines Tarifvertrags. Ein Tarifvertrag kann somit eine Tarifstruktur oder einen Tarif (im Sinne eines Preises) umfassen. In denjenigen Fällen, in denen das Gesetz eine gesamtschweizerische Tarifstruktur fordert, sind parallel dazu andere Tarifstrukturen für die gleiche Leistung nicht mehr zulässig. Tarifverträge mit Preisvereinbarungen können dagegen auf gesamtschweizerischer oder kantonaler Ebene unterschiedlich sein (z. B. aufgrund kantonaler Unterschiede bei den Mieten oder Löhnen, vgl. auch Art. 43 Abs. 5quater KVG).
Gegenwärtig ist der Tarif für die Analysen als gesamtschweizerischer Einzelleistungstarif konzipiert, der vom EDI festgesetzt wird. Die AL ist entsprechend als Tarifstruktur erlassen worden, das heisst sie benennt die Leistungen, bewertet diese zueinander (Anzahl der Taxpunkte) und beinhaltet die konkreten Voraussetzungen zur Kostenübernahme. Zudem setzt sie auch einen Preis (Taxpunktwert) fest. Neu soll die AL ohne Tarif erlassen werden und das EDI soll lediglich eine abschliessende, verbindliche Positivliste der Analysen vorgeben (vgl. Art. 28 Abs. 1 KLV), die von der OKP vergütet werden. Das EDI würde daher neu keine Taxpunkte und keinen Taxpunktwert mehr festsetzen. Artikel 28 Absatz 3 KLV müsste entsprechend aufgehoben werden. Den Tarifpartnern soll es freistehen, die Tarifart zu wählen und die Höhe der Vergütung der Leistungen zu vereinbaren. Die Verträge, die sie abschliessen, müssten der zuständigen Behörde zur Genehmigung eingereicht werden (Art. 46 Abs. 4 KVG). Eine Weiterführung der Einzelleistungstarife durch die Tarifpartner bedingt gemäss geltendem Recht die Vereinbarung einer gesamtschweizerisch einheitlichen Tarifstruktur (Art. 43 Abs. 5 KVG). Betreffend Taxpunktwerte gibt es keine spezifischen Vorgaben; diese können unterschiedlich sein und auf gesamtschweizerischer oder kantonaler Ebene von Versicherern oder deren Verbänden und einzelnen oder mehreren Leistungserbringern oder deren Verbänden vereinbart werden. Das Gesetz lässt diesbezüglich ausdrücklich Tarifverträge zwischen einzelnen Leistungserbringern und Versicherern zu, wobei es sich um zugelassene oder die Zulassungsbedingungen erfüllende Leistungserbringer handeln muss.
Um die Gesetzmässigkeit der Tarifverträge sicherzustellen, müssen die Tarifpartner auf eine betriebswirtschaftliche Bemessung und eine sachgerechte Struktur der Tarife achten (Art. 43 Abs. 4 KVG). Die Tarife und Preise haben sich zudem an der Entschädigung jener Leistungserbringer zu orientieren, welche die tarifierte obligatorisch versicherte Leistung in der notwendigen Qualität effizient und günstig erbringen (Art. 43 Abs. 4bis KVG). Die Tarifpartner müssen eine qualitativ hochstehende und zweckmässige gesundheitliche Versorgung zu möglichst günstigen Kosten sicherstellen (Art. 43 Abs. 6 KVG). Die Tarifverträge müssen daher dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit entsprechen (Art. 46 Abs. 4 KVG). Der Tarif darf höchstens die transparent ausgewiesenen und für eine effiziente Leistungserbringung erforderlichen Kosten decken (Art. 59 c Abs. 1 Bst. a und b KVV).
Gemäss dem mit der Motion erteilten Auftrag bleibt das EDI für den Erlass der AL zuständig. Es legt weiterhin nach Anhören der zuständigen Kommission und unter Berücksichtigung der Grundsätze nach den Artikeln 32 Absatz 1 und 43 Absatz 6 KVG fest, welche Analysen von der OKP vergütet werden müssen. Das Verfahren zur Aufnahme oder Änderung der Analysen der AL bleibt gleich und kann sich auch weiterhin auf die Empfehlungen der Experten der (EAMGK) stützen.

4.2 Abstimmung von Aufgaben und Finanzen

Das Verhandeln des AL-Tarifs durch die Tarifpartner obliegt den Leistungserbringern und den Versicherern oder deren Verbänden. Die Gesetzesänderung führt zu neuen Aufgaben für die Akteure des Gesundheitssystems. Die finanziellen Auswirkungen sind zum jetzigen Zeitpunkt schwierig abzuschätzen. Aufgrund des zu erwartenden Mehraufwands ist für die Tarifpartner jedoch mit einem zusätzlichen Personalbedarf zu rechnen.
Die Gesetzesänderung bringt zudem neue Aufgaben für die Behörden mit sich, die den Tarifvertrag genehmigen müssen. Bei schweizweitem Geltungsbereich oder wenn es sich um Einzelleistungstarife oder um auf ambulante Behandlungen bezogene Patientenpauschaltarife, die auf einer einzigen gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen, handelt, ist der Bundesrat die Genehmigungsbehörde, in den übrigen Fällen die zuständige Kantonsregierung. Eine Ausnahme bildet Art. 43 Abs. 5quater KVG: Können sich die Tarifpartner nicht auf einen Tarif einigen, so ist die zuständige Behörde zum subsidiären Eingreifen befugt beziehungsweise verpflichtet. Kommt zwischen den Tarifpartnern kein Tarifvertrag zustande, so setzt die Kantonsregierung den Tarif fest. Können sich die Tarifpartner nicht auf eine für einen Einzelleistungs- oder für einen auf ambulante Behandlungen bezogenen Patientenpauschaltarif notwendige Tarifstruktur einigen, so legt der Bundesrat diese Tarifstruktur subsidiär fest (Art. 43 Abs. 5 KVG). Daher könnte die Gesetzesänderung zu einem zusätzlichen Personalbedarf und - aufgrund der Vielzahl der Tarifpartner - zudem zu einem Mehraufwand für den Bund führen. Der für die Umsetzung der Vorlage erforderliche Bedarf an personellen Ressourcen, hängt vom Resultat der parlamentarischen Beratung ab.
Angesichts der in der letzten Zeit vermehrt aufgetretenen Blockaden in den Tarifverhandlungen, die regelmässig ein subsidiäres Eingreifen der Behörden erforderlich machen, stellt sich die Frage, ob der mit der Überweisung der Motion angestrebte Systemwechsel das richtige Mittel ist, um eine schnellere Vergütung von innovativen Laboranalysen zu erreichen.

4.3 Umsetzungsfragen

Die Vorlage sieht die Aufhebung von Artikel 28 Absatz 3 KLV vor, der auf Artikel 52 Absatz 3 KVG verweist und die Festsetzung bestimmter in ärztlichen Praxislaboratorien vorgenommenen Analysen nach den Artikeln 46 und 48 KVG betrifft. Alle Tarife der AL-Analysen werden von den Tarifpartnern ausgehandelt werden, was Artikel 28 Absatz 3 KLV hinfällig machen wird. Eine weitere Präzisierung auf Verordnungsebene ist nicht erforderlich.
Mit einer Übergangsbestimmung soll das EDI zudem die Kompetenz erhalten, die Tarife der AL noch während höchstens fünf Jahren nach dem Inkrafttreten der Vorlage zu erlassen. Während dieser Frist werden die Leistungserbringer und die Versicherer die vom EDI erlassene AL mit Tarif anwenden, solange kein zwischen den betroffenen Parteien abgeschlossener und von den zuständigen Behörden genehmigter Tarifvertrag in Kraft getreten ist.
Die Frist der Übergangsbestimmung wurde gestützt auf die Resultate der Vernehmlassung angepasst (vgl. Ziff. 2.3), damit die Tarifpartner genügend Zeit haben, Tarifverträge in diesem Bereich abzuschliessen.
Absatz 2 der Übergangsbestimmung präzisiert, dass der Wechsel von durch das EDI festgesetzten Tarif zu Tarifverträgen keine Mehrkosten verursachen darf. Es ist Aufgabe der Tarifpartner, ein Konzept für den kostenneutralen Übergang zu erarbeiten und dieses der zuständigen Behörde zusammen mit einer vertraglich vereinbarten Tarifstruktur zur Genehmigung einzureichen.

5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 52 Abs. 1 Bst. a Ziff. 1
Die Analysenliste enthält nebst der Bezeichnung der Analysen auch die dazugehörigen Einzelleistungstarife, also die Taxpunkte pro Analyse oder Leistung und einen gesamtschweizerisch einheitlichen Taxpunktwert (zurzeit 1 Fr.). In Artikel 52 Absatz 1 Buchstabe a Ziffer 1 KVG wird «mit Tarif» gestrichen. Somit bleibt das EDI für den Erlass der Liste der Analysen, die Pflichtleistung der OKP sind, zuständig, kann aber den Tarif der Analysen künftig nicht mehr bestimmen. Die Festlegung des Tarifs erfolgt künftig nach dem Prinzip der Tarifautonomie, das heisst die Versicherer und die Leistungserbringer vereinbaren den Tarif in Verträgen (Art. 43 Abs. 4 KVG). Das EDI wird also den Tarif der einzelnen Analysen - auch denjenigen des Kapitels «Schnelle Analysen» - nicht mehr erlassen. Ebenso wie alle anderen Analysen wären somit der Tarif für die schnellen Analysen Teil der Verhandlungsmasse.
Damit werden künftig für den Erlass der Analysenliste und für die Ausarbeitung des Tarifs unterschiedliche Zuständigkeiten gelten.
Art. 52 Abs. 3
In der Aufzählung in Absatz 3 werden die Analysen gestrichen, weil das EDI nicht mehr für die Festlegung des Tarifs zuständig ist. Weiterhin gilt für die Analysen der Tarifschutz, wonach sich Leistungserbringer an die vertraglich oder behördlich festgelegten Tarife halten müssen und für Leistungen nach Gesetz keine weitergehenden Vergütungen berechnen dürfen (Art. 44 Abs. 1 KVG).
Ausserdem wird der zweite Satz von Artikel 52 Absatz 3 KVG gestrichen, der festlegt, dass das EDI die im Praxislaboratorium des Arztes oder der Ärztin vorgenommenen Analysen bezeichnen kann, für die der Tarif nach den Artikeln 46 und 48 KVG vereinbart werden kann. Diese Bestimmung ermächtigt das EDI, Ausnahmen von den behördlich festgelegten Tarifen für gewisse Analysen zu bestimmen, um diese in Tarifverträgen von den Tarifpartnern vereinbaren zu lassen. Mit dem Wechsel des Amtstarifs auf den Vertragstarif wird diese Bestimmung hinfällig, da nun sämtliche Tarife der Analysen von den Tarifpartnern ausgehandelt werden können.
Übergangsbestimmung
Die Analysenliste (Anhang 3 der KLV) gilt bis zum Inkrafttreten eines von den zuständigen Behörden genehmigten Tarifs, längstens aber während fünf Jahren ab Inkrafttreten des vorliegenden Entwurfs. Diese auf anderen vergleichbaren Tariffestsetzungen basierende Frist ermöglicht eine angemessene Ausarbeitung der künftigen Tarifverträge.
Der Wechsel vom heute geltenden Tarif zu einem Verhandlungstarif darf keine Mehrkosten verursachen.

6 Auswirkungen

Mit der vorgeschlagenen Änderung geht die Kompetenz zur Festlegung des Tarifs der AL an die Tarifpartner. Die Förderung der Tarifautonomie ist grundsätzlich zu begrüssen und stellt das Fundament der tarifrechtlichen Grundsätze des KVG dar. Sie funktioniert allerdings nur, wenn die Tarifpartner ihre Rolle wahrnehmen und ihre Eigeninteressen dem Gesamtinteresse, einem effizienten und bezahlbaren Gesundheitswesen, unterordnen. Die Existenz verschiedener Arten von Laboratorien dürfte die Verhandlungen erschweren. Zudem werden auf Versichererseite mehrere Verbände oder Einkaufsgemeinschaften als Verhandlungspartner auftreten. Insbesondere für die Vereinbarung einer gesamtschweizerischen Einzelleistungstarifstruktur, die von allen relevanten Tarifpartnern zu vereinbaren ist, stellt diese Konstellation eine grosse Herausforderung dar. Die Partner sind zudem je nach Tarifstruktur gefordert, mindestens zwei Mal im Jahr die Beschlüsse des EDI zu Änderungen der Analysenliste nachzuvollziehen und eine Tarifierung für die neuen Analysen zu vereinbaren. Die Heterogenität und die unterschiedlichen Interessen der Laboratorien könnten die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern erschweren und zu Blockaden führen.
Es darf deshalb bezweifelt werden, ob die Vorlage tatsächlich zu einer schnelleren und effektiveren Vergütung von Analysen und damit zu einer Senkung der Kosten im Gesundheitswesen beitragen kann. Es ist sogar möglich, dass die Vorlage aufgrund der längeren Verfahren und des durch sie entstehenden höheren administrativen Aufwands zu höheren Kosten führt.

6.1 Auswirkungen auf den Bund

Der Bund wird für die Überprüfung der Wirksamkeit, der Zweckmässigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Analysen sowie für die Erstellung der Liste der von der OKP zu übernehmenden Analysen auch weiterhin zuständig bleiben. Sein Aufwand dürfte sich folglich nicht verändern.
Ist der Tarifvertrag gesamtschweizerisch anwendbar oder wird darin eine gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur vereinbart, könnte der Bund eine wichtige Rolle wahrnehmen. Wird beschlossen, weiterhin einen Einzelleistungstarif zu haben, so käme dem Bund die Rolle der Genehmigungsbehörde für die Tarifstruktur zu. Damit wäre es Aufgabe des Bundes zu prüfen, ob die Tarifstruktur (bei gesamtschweizerischem Geltungsbereich auch ein Tarifvertrag mit der Preisvereinbarung) mit dem Gesetz und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Billigkeit in Einklang steht (Art. 43 Abs. 5 und 46 Abs. 4 KVG in Verbindung mit Art. 59 c KVV).
Blockaden bei Tarifverhandlungen entstanden in der Vergangenheit mehrfach und sind in der Tendenz zunehmend. Sie sind auch im Bereich der AL nicht auszuschliessen. Können sich die Tarifpartner nicht auf eine gesamtschweizerisch einheitliche Tarifstruktur für einen Einzelleistungstarif oder auf einen auf ambulanten Behandlungen bezogenen Patientenpauschaltarif einigen, so muss der Bundesrat diese subsidiär festlegen.
Aus all diesen Gründen ist nicht damit zu rechnen, dass der Personalbedarf des Bundes sinkt, wenn die Vorlage gemäss der vorliegenden Botschaft vom Parlament verabschiedet wird. Ob eine Umsetzung der Vorlage mit den bestehenden Ressourcen möglich ist, wird entsprechend dem Ausgang der parlamentarischen Beratung geprüft werden.

6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden sowie auf urbane Zentren, Agglomerationen und Berggebiete

Auf die Kantone könnten zusätzliche Aufgaben hinsichtlich der Genehmigung der Tarifverträge oder der Festsetzung von Tarifen zukommen, sofern nicht ein Tarifvertrag mit gesamtschweizerischem Geltungsbereich ausgehandelt wird oder sofern sich die Tarifpartner nicht auf einen Tarif einigen können.
Die mögliche Festlegung der Tarife durch die Kantone birgt die Gefahr einer uneinheitlichen Tarifgestaltung und von Diskrepanzen zwischen den Kantonen. Die Kantone könnten in Tarifierungsverfahren für Leistungen involviert sein, die sinnvollerweise gesamtschweizerisch einheitlich vergütet werden sollten. Dies gilt beispielsweise für Leistungen, die von grossen überregionalen Laboratorien erbracht werden.
Die personellen Auswirkungen für alle Beteiligten wurden vorsichtig bemessen. Je nach vereinbartem Tarif würde dieses Vorgehen die Kantone in keiner Weise entlasten, da sie den Tarif genehmigen und die Wirtschaftlichkeit der abgeschlossenen Tarifverträge überprüfen müssten. Zudem müssten die Kantone bei Uneinigkeit zwischen den Tarifpartnern subsidiär bei der Festsetzung der Tarife eingreifen. Da die Kantone über ein begrenztes Fachwissen im Bereich der Laboranalysen verfügen, wären zusätzliche Ressourcen erforderlich, um diese Lücke zu schliessen.
Sollten die Verhandlungen scheitern, wäre die Festsetzung des Tarifs Sache des Kantons. Ein oder mehrere Tarifpartner könnten gegen den entsprechenden Beschluss Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht einlegen. Dies könnte den Prozess weiter verzögern und Monate oder Jahre später zu bereits überholten Ergebnissen führen.

6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

OKP-Statistiken zufolge entfielen im Jahr 2020 insgesamt 4,7 Prozent der Gesamtkosten zulasten der OKP auf den Sektor Laboranalysen. ²9 Allerdings werden in diesen Statistiken nicht alle von Leistungserbringern durchgeführten Laboranalysen dem Laborbereich zugeordnet. Laut Daten des Tarifpools von SASIS 3⁰ betrafen im Jahr 2019 insgesamt 5,3 Prozent der OKP-Kosten die AL 3¹ . Zum jetzigen Zeitpunkt können die Auswirkungen des Inkrafttretens der vorgeschlagenen Gesetzesänderung auf die Volkswirtschaft noch nicht abschliessend beurteilt werden, da die vereinbarten Tarife erst mit erfolgreichem Abschluss der Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern bekannt sind.
Der Übergang zu Tarifverhandlungen im Bereich Laboranalysen hat Auswirkungen auf die Laboratorien und die Versicherer; diese müssen die zusätzlichen administrativen Aufgaben übernehmen, die mit einem solchen Paradigmenwechsel einhergehen. Da die Verhandlungen wie bei den Einzelleistungstarifen und den Fallpauschalen voraussichtlich von Verbänden geführt werden, dürfte sich der administrative Aufwand für die einzelnen Leistungserbringer und Versicherer allerdings in Grenzen halten.

6.3.1 Auswirkungen auf die Laboratorien

Es gibt verschiedene Labortypen, die Analysen zulasten der OKP durchführen können. Nicht alle verfügen über die gleiche Kostenstruktur und nicht alle dürfen die gleichen Analysen der AL zulasten der OKP durchführen. Die Grösse der Laboratorien variiert stark, ebenso wie die Taxen und die Zuschläge, die sie je nach Analysen, die sie durchführen dürfen, verrechnen können.
Es ist zwar davon auszugehen, dass die Verhandlungen über Verbände geführt werden, dennoch müssen auch die Laboratorien Kompetenzen in diesem Bereich entwickeln. Die Labors müssen sich auf eine gemeinsame Tarifstruktur einigen können, bevor sie über ihre Dachverbände in Verhandlungen mit den Versicherern treten. Allerdings gehören nicht alle Laboratorien einem Verband an; diejenigen, die keinem Verband angehören, müssten somit selbst an den Verhandlungen teilnehmen. Die Teilnahme kleiner Akteure an den Verhandlungen könnte erschwert werden, da ihre finanziellen und personellen Ressourcen begrenzt sind.
Falls die Verhandlungen zur Einführung verschiedener Tarife führen, besteht die Gefahr, dass die administrative Aufgabe für diejenigen Laboratorien, die Analysen an mehreren Standorten durchführen, komplexer wird.
Die Auswirkungen auf die Laboratorien sind schwierig abzuschätzen, da die Tarife zuerst von den Tarifpartnern festgelegt werden müssen. Je nachdem, welcher Tarif letztlich ausgehandelt wird, dürften sich für die einzelnen Labortypen unterschiedliche Folgen ergeben. Beispielsweise können Praxislaboratorien für die 33 schnellen Analysen der AL bisher einen höheren Tarif in Rechnung stellen. Eine grosse Herausforderung im Rahmen der Verhandlungen wird sein, die insbesondere für Hausärztinnen und Hausärzte wichtige Präsenzdiagnostik in den Praxislaboratorien weiterhin gewährleisten zu können. Da es für Praxislaboratorien schwierig ist, bei Angeboten und Preisen mitzuhalten, besteht die Gefahr, dass sie geschwächt werden.

6.3.2 Auswirkungen auf die Versicherer

Aufgrund des Übergangs von einem Amtstarif zu einem Vertragstarif werden die Versicherer Fachkenntnisse im Bereich Laboranalysen und ihrer Tarifierung entwickeln müssen. Dies erfordert von den Versicherern den Aufbau neuer fachlicher sowie zusätzlicher betriebswirtschaftlicher und gesundheitsökonomischer Kenntnisse im Bereich der Laboranalysen. Es ist damit zu rechnen, dass die wichtigsten Verbände die Verhandlungen für ihre Mitglieder führen werden, was diese administrativ entlasten würde.
²9 Vgl. www.bag.admin.ch > Zahlen & Statistiken > Krankenversicherung: Statistiken > Statistik der obligatorischen Krankenversicherung > Statistik der obligatorischen Krankenversicherung 2020 > T 2.17 Bruttoleistungen in Franken nach Kostengruppe (Sicht der Leistungsart).
3⁰ Die SASIS AG ist eine Tochtergesellschaft des Krankenversicherungsverbandes Santésuisse. Sie entwickelt, betreibt und unterhält elektronische Branchen-Applikationen im Bereich der Statistikund der Leistungserbringer- und Tarifvertragssverzeichnisse.
3¹ Vgl. www.bag.admin.ch > Versicherungen > Krankenversicherung > Leistungen und Tarife > Analysenliste (AL) > Monitoring der Analysenliste > Monitoring AL 2016-2019 > Mengen- und Umsatzentwicklung Analysenliste, Faktenblatt vom 23. März 2022.

6.4 Auswirkungen auf die Gesundheit und die Gesellschaft

Die Vorlage hat möglicherweise eine Anpassung der geltenden Tarife zur Folge. Durch die gesplittete Kostenaufteilung (Taxen und Zuschläge) und mit den schnellen Analysen berücksichtigt die derzeitige Struktur die sehr unterschiedlichen Kontexte, in denen die Analysen durchgeführt werden. Sie ermöglicht es den Laboratorien, auch bei Analysen kostendeckend zu arbeiten, die innert sehr kurzer Frist oder in Anwesenheit der Patientin oder des Patienten durchgeführt werden müssen. So können bei den schnellen Analysen höhere Taxen verrechnet werden, die den besonderen Umständen der Durchführung Rechnung tragen. Bei einem Übergang zu einem Vertragstarif könnte der Zugang zu einer hochwertigen Versorgung am Ort der Behandlung ( Point of Care ) womöglich nicht mehr gewährleistet sein.
Je nach gewähltem Tarif und bei Blockaden in den Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern ist es möglich, dass die Kantone in die Festsetzung der Tarife der Analysen eingreifen müssen.
Hätten die Verhandlungen zwischen den Tarifpartnern Anpassungen an den Analysetarifen zur Folge, könnte sich dies teilweise auf die Prämien und somit auf die Versicherten auswirken. Eine Tarifsenkung hängt nicht von einem solchen Paradigmenwechsel ab, da die Versicherer bereits im geltenden System niedrigere Tarife mit den Leistungserbringern vereinbaren können. Ohne behördlich vorgegebene Obergrenzen könnten die Tarife einiger Analysen ansteigen, andere aber auch sinken. Unter dem Strich können die Auswirkungen auf die Versicherten zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgeschätzt werden. Sie hängen stark von den zwischen den Tarifpartnern ausgehandelten Tarifverträgen ab. Wie erwähnt ist es bei einer Anpassung der Tarifstruktur die Aufgabe der Tarifpartner, ein Konzept für eine kostenneutrale Einführung des angepassten Tarifs mit dem Genehmigungsantrag der zuständigen Genehmigungsbehörde einzureichen.

6.5 Auswirkungen auf die Umwelt

Es sind keine Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten; die entsprechenden Fragen wurden daher nicht geprüft.

6.6 Andere Auswirkungen

Es sind keine weiteren Auswirkungen zu erwarten; es wurden daher keine weiteren Fragen geprüft.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Grundlage für die Vorlage bildet Artikel 117 der Bundesverfassung (BV) 3² , die dem Bund umfassende Kompetenzen in der Ausgestaltung der Krankenversicherung gewährt.
3² SR 101

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die Vorlage ist mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar, insbesondere mit dem Abkommen vom 21. Juni 1999 3³ zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit und Übereinkommen vom 4. Januar 1960 ³4 zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA). Die Schweiz wendet aufgrund des Freizügigkeitsabkommens mit der EU sowie des revidierten EFTA-Übereinkommens und gestützt auf Artikel 95 a KVG die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ³5 und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 ³6 an.
Dieses Recht bezweckt im Hinblick auf die Gewährleistung der Personenfreizügigkeit keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit. Die Vertragsstaaten können über die konkrete Ausgestaltung, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation der Systeme der sozialen Sicherheit weitgehend frei bestimmen, solange sie dabei die Koordinationsgrundsätze wie zum Beispiel das Diskriminierungsverbot, die Anrechnung der Versicherungszeiten und die grenzüberschreitende Leistungserbringung beachten, die in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und in der entsprechenden Durchführungsverordnung (EG) Nr. 987/2009 geregelt sind. Diese Prinzipien werden von der vorliegenden Revision nicht tangiert.
3³ SR 0.142.112.681
³4 SR 0.632.31
³5 Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30. April 2004, S. 1, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung gemäss Anhang II FZA bzw. Anlage 2 zu Anhang K EFTA. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1 .
³6 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30. Oktober 2009, S. 1, in der für die Schweiz verbindlichen Fassung gemäss Anhang II FZA bzw. Anlage 2 zu Anhang K EFTA. Eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11 .

7.3 Erlassform

Nach Artikel 164 BV und Artikel 22 Absatz 1 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ³7 sind alle wichtigen rechtsetzenden Bestimmungen in der Form des Bundesgesetzes zu erlassen. Diesem Erfordernis wird die hier erläuterte Vorlage gerecht. Bundesgesetze unterliegen nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe a BV dem fakultativen Referendum. Die hier erläuterte Vorlage sieht diese Möglichkeit explizit vor.
³7 SR 171.10

7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage schafft weder Subventionen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen.

8 Anhang

Synoptische Tabelle der im erläuternden Bericht verwendeten Daten
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Zitat, Verweis Quelle, Berechnungsmethode, Annahme Letzte Aktualisierung Bemerkungen
S. 6: jährliche Einsparungen von ca. 140 Millionen Franken Quelle : Medienmitteilung «Laboranalysen: Tarife werden gesenkt» (9. 6.2022). Die Daten stammen aus dem Tarifpool SASIS AG und Statistiken der OKP. Methode: Die Senkung um 10 % wurde auf der Grundlage des Gesamtbetrags der 2019 zulasten der OKP fakturierten Analysen (1,89 Mrd. Fr.) mit Ausnahme der schnellen Analysen (418 Mio. Fr) geschätzt. Statistik OKP September 2022 SASIS: 2021
S. 15: Laboranalysen, die 4,7 % der Gesamtkosten zulasten der OKP im Jahr 2020 ausmachten Quelle : Statistiken der OKP: Ausgabe 2020. Daten pro Kanton zu Brutto- und Nettoleistungen sowie zur Kostenbeteiligung. Methode: Anteil in Prozent der gesamten Bruttoleistungen der OKP nach Kostengruppen (Laboratorien) September 2022
S. 15: 5,3 % der Kosten der OKP entfielen 2019 auf die AL. Quelle : Faktenblatt: Mengen- und Umsatzentwicklung Tarifpool SASIS AG und Statistiken OKP. Methode : Prozentualer Anteil der Kosten für Analysen aus der AL an den Gesamtkosten der Bruttoleistungen der OKP. 23. März 2022
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (Verhandlung der Tarife der Analysenliste)
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