Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Serbien
Botschaft zur Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Serbien
vom 1. Mai 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf eines Bundesbeschlusses über die Genehmigung eines Protokolls zur Änderung des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Serbien ¹ .
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
1. Mai 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Zwischen der Schweiz und Serbien besteht ein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Einkommens- und Vermögenssteuern. Das Abkommen wurde am 13. April 2005 unterzeichnet und noch nie revidiert.
Seither haben sich für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich des Informationsaustauschs auf Ersuchen sowie auch infolge des Projekts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und der G20-Staaten zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und -verlagerung (Base Erosion and Profit Shifting; BEPS) neue Mindeststandards entwickelt, die im Abkommen mit Serbien nicht umgesetzt sind.
Aus diesem Grund hat die Schweiz den Abschluss eines Änderungsprotokolls zur Anpassung des Abkommens mit Serbien an die neuen Mindeststandards vorgeschlagen. Dieses Änderungsprotokoll wurde am 19. September 2023 unterzeichnet.
Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls gelten nur für die Republik Serbien, nicht aber für Montenegro, für das weiterhin das bestehende Abkommen gilt. Die Kantone und die interessierten Kreise haben das Änderungsprotokoll begrüsst.
Botschaft
¹ BBl 2024 1008
1 Grundzüge des Abkommens
1.1 Ausgangslage, Verlauf der Verhandlungen und Verhandlungsergebnisse
Zwischen der Schweiz und Serbien besteht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA-RS) ² ; es wurde am 13. April 2005 unterzeichnet und bislang nicht revidiert.
Entsprechend der Abkommenspolitik der Schweiz zum Zeitpunkt des Abschlusses enthält das Abkommen einen Artikel über den Informationsaustausch, der sich auf Fälle der ordnungsgemässen Anwendung des Abkommens und der Vermeidung von Missbrauch beschränkt.
Am 7. Juni 2017 hat die Schweiz das multilaterale Übereinkommen zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Massnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-Übereinkommen) ³ unterzeichnet. Das BEPS-Übereinkommen enthält eine Reihe von Bestimmungen zur Anpassung bestehender Doppelbesteuerungsabkommen (DBA). Ein Teil dieser Bestimmungen dient der Erfüllung der in den Massnahmen 6 und 14 des Aktionsplans zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BEPS-Aktionsplan) gesetzten Mindeststandards.
Im Hinblick auf die Unterzeichnung des BEPS-Übereinkommens haben die Schweiz und Serbien die bilaterale Umsetzung des Übereinkommens besprochen. Serbien sah sich nicht in der Lage, sich mit der Schweiz auf den genauen Wortlaut der Änderungen zu einigen, die sich aufgrund des BEPS-Übereinkommens für das DBA-RS ergeben. Da dies für die Schweiz eine Voraussetzung für die Anwendung des BEPS-Übereinkommens ist, wurde beschlossen, die Anpassung des DBA-RS an die Ergebnisse des BEPS-Projekts nicht über das BEPS-Übereinkommen, sondern über ein bilaterales Protokoll zur Änderung des DBA-RS (Änderungsprotokoll) vorzunehmen.
Die Verhandlungen über dieses Änderungsprotokoll konnten im September 2022 abgeschlossen werden. Die Kantone und die interessierten Kreise wurden über dessen Abschluss konsultiert und begrüssten diesen. Das Änderungsprotokoll wurde am 19. September 2023 in Belgrad unterzeichnet.
² SR 0.672.968.21
³ SR 0.671.1
1.2 Würdigung
Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die in das Abkommen eingeflossen wären, hätten die Schweiz und Serbien das DBA-RS dem BEPS-Übereinkommen unterstellt. Zwischen dem Änderungsprotokoll und dem BEPS-Übereinkommen besteht somit ein inhaltlicher Zusammenhang. Darüber hinaus gibt es zwischen diesen beiden Instrumenten keine unmittelbaren Verbindungen.
Mit den Änderungen wird das DBA-RS die im Rahmen des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandards in Bezug auf DBA erfüllen. Die Schweiz als Mitgliedstaat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich verpflichtet, jene DBA-bezogenen Bestimmungen, die Teil eines BEPS-Mindeststandards sind, in ihre DBA aufzunehmen. Mit dem Änderungsprotokoll erfolgt ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Ausserdem passt das Änderungsprotokoll die Bestimmung über den Informationsaustausch dem internationalen Standard zum Informationsaustausch auf Ersuchen an und aktualisiert das DBA-RS, indem es das Abkommen in gewissen untergeordneten Punkten an die Politik der beiden Länder anpasst.
Mit dem Änderungsprotokoll konnte ein ausgewogenes Ergebnis erzielt werden, das zur weiteren positiven Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Schweiz und Serbien beitragen wird.
Das DBA-RS wurde zu einer Zeit geschlossen, als Serbien und Montenegro noch einen einzigen Staat bildeten. Inzwischen hat sich die Föderation aufgelöst und Serbien und Montenegro bilden zwei getrennte Staaten. Die Bestimmungen dieses Änderungsprotokolls gelten nur für die Republik Serbien, nicht aber für Montenegro, für das weiterhin das bestehende Abkommen gilt.
2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren
Das Änderungsprotokoll untersteht dem fakultativen Referendum nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 der Bundesverfassung (BV) ⁴ . Gemäss Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe c des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 ⁵ (VlG) besteht damit an sich die Pflicht zur Durchführung einer Vernehmlassung.
Zum Änderungsprotokoll wurde im Januar 2023 eine Orientierung durchgeführt. Dabei wurde den Kantonen und den am Abschluss von DBA interessierten Kreisen eine Erläuterung zum Änderungsprotokoll zur Stellungnahme vorgelegt. Das Änderungsprotokoll zum DBA-RS wurde positiv aufgenommen, und es gab keine Einwände. Die Positionen der interessierten Kreise sind entsprechend bekannt und belegt. Gemäss Artikel 3 a Absatz 1 Buchstabe b VlG konnte deshalb auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden.
⁴ SR 101
⁵ SR 172.061
3 Erläuterungen zu einzelnen Bestimmungen des Änderungsprotokolls
Art. 1 des Änderungsprotokolls betreffend die Präambel des DBA-RS
Mit diesem Artikel erhält das DBA-RS eine Präambel, wie sie im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 erarbeitet wurde und im BEPS-Übereinkommen in Artikel 6 Absatz 1 enthalten ist.
Damit wird klargestellt, dass die Schweiz und Serbien nicht die Absicht haben, durch das DBA Möglichkeiten zur Nichtbesteuerung oder reduzierten Besteuerung durch Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu schaffen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Vermeidung von sogenannter doppelter Nichtbesteuerung soll auch Zweck des DBA-RS sein. Dies gilt aber nicht generell, sondern nur dann, wenn Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung Ursache dafür sind. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es Situationen von gewollter doppelter Nichtbesteuerung gibt. Dazu zählt beispielsweise die Besteuerung von Dividenden an Gesellschaften des gleichen Konzerns. Die doppelte Nichtbesteuerung verhindert in solchen Situationen ungewollte wirtschaftliche Mehrfachbelastungen.
Die Aufnahme der neuen Präambel ist notwendig, um den im Rahmen von Massnahme 6 des BEPS-Aktionsplans gesetzten Mindeststandard zu erfüllen.
Die Begriffspaare «Steuerhinterziehung oder -umgehung» (Deutsch), «la fraude ou l’évasion fiscale» (Französisch) und «l’evasione o l’elusione fiscale» (Italienisch) sind im internationalen Kontext und namentlich unter Berücksichtigung des englischen Wortlauts «tax evasion or avoidance» zu verstehen. Sie sollen jedes Verhalten erfassen, das hinsichtlich der Verwerflichkeit mindestens einer Steuerumgehung nach schweizerischem Verständnis entspricht. Als Steuerumgehung gilt nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung ein ungewöhnliches, sachwidriges oder absonderliches Vorgehen, das den wirtschaftlichen Gegebenheiten völlig unangemessen erscheint und sich einzig mit der Absicht der Steuerersparnis erklären lässt, die tatsächlich resultieren würde, wenn das Vorgehen von der Steuerbehörde so hingenommen würde. Die Steuerumgehung bildet somit die Grenze der steuerlich akzeptablen Gestaltungsfreiheit der steuerpflichtigen Personen.
Art. 2 des Änderungsprotokolls
Das DBA-RS wurde zu einer Zeit abgeschlossen, als Serbien und Montenegro noch einen gemeinsamen Staat bildeten. Inzwischen hat sich die Föderation aufgelöst, und Serbien und Montenegro stellen heute zwei eigene Staaten dar. Dieser Artikel erläutert die im Abkommen sowie im Protokoll zum Abkommen genannten Ausdrücke «Serbien und Montenegro» und «zuständige Behörde», sofern der letztere Ausdruck sich auf eine serbische Behörde bezieht. Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls gelten nur für die Republik Serbien, respektive für das Hoheitsgebiet der Republik Serbien, und nicht für Montenegro.
Art. 3 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 7 DBA-RS (Unternehmensgewinne)
Gemäss dem Mindeststandard zu Massnahme 14 des BEPS-Projekts «Verbesserung der Effizienz von Streitbeilegungsmechanismen» sollen Länder nach Möglichkeit den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 in ihre Steuerabkommen mit folgendem Wortlaut aufnehmen: «Die Verständigungsregelung ist ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten durchzuführen.» Ist dies einem Land nicht möglich, sollte es andere Bestimmungen zur Beschränkung der Frist für eine Berichtigung nach Artikel 7 Absatz 2 oder 9 Absatz 1 des OECD-Musterabkommens in seine Abkommen aufnehmen, um spätere Berichtigungen zu vermeiden, die nicht mehr Gegenstand einer Entlastung aufgrund des Verständigungsverfahrens sein können. Die Bestimmungen sind im Kommentar zur aktualisierten Fassung des OECD-Musterabkommens vom November 2017 enthalten. Staaten, die den zweiten Satz von Artikel 25 Absatz 2 übernehmen, müssen keine solchen Bestimmungen in ihre Abkommen aufnehmen.
In diesem Rahmen sieht Artikel 7 Absatz 7 des DBA-RS neu vor, dass der Betriebsstätte eines Unternehmens eines der Vertragsstaaten zurechenbare Gewinne nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren ab dem Ende des Steuerjahrs, in dem die Gewinne der Betriebsstätte zurechenbar gewesen wären, nicht mehr berichtigt werden können. In Bezug auf die verbundenen Unternehmen ist bereits eine analoge Bestimmung in Artikel 9 Absatz 3 DBA-RS vorgesehen.
Art. 4 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 9 DBA-RS (Verbundene Unternehmen)
Artikel 9 Absatz 2 wird an die aktualisierte Fassung im OECD-Musterabkommen angepasst.
Art. 5 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 13 DBA-RS (Gewinne aus der Veräusserung von Vermögen)
Der bestehende Absatz 4 wird aktualisiert. Entgegen dem üblichen Wortlaut deckt diese Bestimmung auf Antrag von Serbien nicht nur die Veräusserung von Anteilen, sondern auch von weiteren Rechten ab. Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass gemäss serbischem Recht Personengesellschaften auch Steuersubjekte sind.
Ergänzend wird in Absatz 5 des Protokolls zum Abkommen klargestellt, dass der Ausdruck «vergleichbare Rechte» insbesondere Beteiligungen an einem Unternehmen, das in der Form einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung («limited liability company») nach serbischem Recht organisiert ist, einschliesst (Art. 10 des Änderungsprotokolls).
Art. 6 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 23 DBA-RS (Vermeidung der Doppelbesteuerung)
Absatz 2 Ziffer 4 führt eine sogenannte «Switch-over-Klausel» ein, die es der Schweiz ermöglicht, bei einer Person, die in der Schweiz ansässig ist und in Serbien eine Betriebsstätte besitzt, gemäss den Schweizer Bestimmungen zur Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen, die auf der Grundlage der Mustervorschriften zur weltweiten Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung des Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting der OECD und der G20-Staaten («Global Anti-Base Erosion Model Rules [Pillar Two]») beschlossen worden sind, eine Ergänzungssteuer («Top-Up Tax») zu erheben. Diese Klausel ermöglicht es der Schweiz, eine Mindestbesteuerung sicherzustellen, die den erwähnten Regeln entspricht, und damit Massnahmen auszuschliessen, die andere Staaten ergriffen haben. Die Klausel greift erst, wenn die Schweiz die Bestimmungen zur Mindestbesteuerung grosser Unternehmensgruppen übernommen hat.
Art. 7 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 24 DBA-RS (Gleichbehandlung)
Absatz 5 hält - genau wie Artikel 24 des OECD-Musterabkommens - neu fest, dass diese Bestimmung für Steuern jeder Art und Bezeichnung gilt.
Art. 8 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 26 DBA-RS (Informationsaustausch)
Mit dem Änderungsprotokoll wird der bisherige Artikel durch eine neue Bestimmung über den Informationsaustausch nach dem internationalen Standard ersetzt. Die nachfolgenden Ausführungen gehen lediglich auf einzelne Punkte in Artikel 26 DBA-RS sowie der dazugehörigen Bestimmung im Protokoll (Abs. 8) ein.
Der Informationsaustausch gilt für sämtliche von einem Vertragsstaat erhobenen Steuern.
Die Bestimmungen von Artikel 26 werden in Absatz 8 des Protokolls zum Abkommen (Art. 11 des Änderungsprotokolls) konkretisiert. Diese Bestimmung regelt im Detail die Voraussetzungen, die ein Auskunftsersuchen erfüllen muss (Ziff. 2). Notwendig ist insbesondere die Identifikation der betroffenen steuerpflichtigen Person (diese Information kann sich aus sämtlichen Elementen ergeben, die eine Identifikation ermöglichen) sowie, soweit bekannt, Name und Adresse der Person, in deren Besitz der ersuchende Staat die gewünschten Informationen vermutet (z. B. eine Bank). Ebenso hält das Protokoll zum Abkommen fest, dass diese Voraussetzungen nicht formalistisch ausgelegt werden dürfen (Ziff. 3).
Gemäss dem internationalen Standard ist der Informationsaustausch auf konkrete Anfragen beschränkt. Dazu gehören auch Anfragen, die auf eine genau definierte Gruppe von Steuerpflichtigen abzielen, bei denen davon ausgegangen werden muss, dass sie ihren Steuerpflichten im ersuchenden Staat nicht nachgekommen sind. Die Schweiz kann nach dem DBA-RS solchen Ersuchen Folge leisten. Mit detaillierten Angaben zur Gruppe der Steuerpflichtigen, die es dem ersuchten Staat ermöglichen, die konkret betroffenen Personen zu bestimmen, kommt der ersuchende Staat dem Erfordernis der Identifikation der vom Ersuchen betroffenen steuerpflichtigen Personen nach (Ziff. 2). Eine solche Auslegung gebietet die Auslegungsklausel (Ziff. 3 i. V. m. Ziff. 2), die die Vertragsstaaten zu einer Auslegung der Erfordernisse an ein Ersuchen mit dem Ziel eines möglichst weitgehenden Informationsaustauschs verpflichtet, ohne dass «fishing expeditions» zuzulassen sind. Die prozeduralen Voraussetzungen für die Beantwortung von Gruppenersuchen sind im Steueramtshilfegesetz vom 28. September 2012 ⁶ geregelt.
Artikel 26 DBA-RS sieht den spontanen und den automatischen Informationsaustausch nicht vor.
Die neue Klausel findet auf die Steuerjahre Anwendung, die am oder nach dem 1. Januar desjenigen Kalenderjahrs beginnen, das auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgt.
Art. 9 des Änderungsprotokolls betreffend Artikel 28 DBA-RS (Anspruch auf Vorteile)
Mit Artikel 28 wird eine Missbrauchsklausel eingeführt, die auf dem hauptsächlichen Zweck einer Gestaltung oder Transaktion abstellt. Aufgrund dieser Bestimmung werden die Vorteile des DBA-RS nicht gewährt, wenn das Erlangen dieser Vorteile einer der hauptsächlichen Zwecke der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion war, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass das Gewähren dieser Vorteile in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht.
Diese Missbrauchsklausel ist zwar neu, sie entspricht aber in ihren Grundzügen den Missbrauchsklauseln, die die Schweiz bis 2017 in einer Vielzahl ihrer DBA vereinbart hat. Anders ist indessen, dass die Missbrauchsklausel nicht auf gewisse Arten von Einkünften wie Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren beschränkt ist. Vielmehr findet sie in Bezug auf sämtliche Bestimmungen des Abkommens Anwendung. Alle Abkommensvorteile unterliegen damit dem Vorbehalt einer missbräuchlichen Inanspruchnahme.
Vom Wortlaut her unterscheidet sich die Missbrauchsklausel gegenüber jenen, die in vielen DBA der Schweiz bis 2017 enthalten sind, noch in einem weiteren Punkt: So ist nach der Klausel Missbrauch nicht auf Situationen beschränkt, bei denen der Hauptzweck der entsprechenden Gestaltung oder Transaktion im Erlangen der Abkommensvorteile lag. Vielmehr besteht Missbrauch auch dann, wenn bloss einer der Hauptzwecke dafür verantwortlich war. Vom Resultat her besteht indessen keine Differenz. Denn der zweite Teil der Missbrauchsklausel sieht vor, dass die Abkommensvorteile dennoch gewährt werden, wenn dies in Einklang mit dem Ziel und Zweck der entsprechenden Bestimmungen des Abkommens steht. Dies sollte grundsätzlich dann der Fall sein, wenn das Erlangen der entsprechenden Abkommensvorteile nicht der Hauptzweck der Gestaltung oder Transaktion war.
Diese Missbrauchsklausel wurde im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 entwickelt. Sie ist im OECD-Musterabkommen (Art. 29 Abs. 9) enthalten. Um dem im Rahmen der BEPS-Massnahme 6 gesetzten Mindeststandard Genüge zu tun, reicht die Aufnahme der Missbrauchsklausel in die DBA. Es bedarf in einem solchen Fall keiner weiteren Missbrauchsbestimmung.
Art. 12 des Änderungsprotokolls (Inkrafttreten)
Die Bestimmungen des Änderungsprotokolls finden Anwendung auf Steuerjahre, die am oder nach dem 1. Januar desjenigen Kalenderjahrs beginnen, das auf das Inkrafttreten des Änderungsprotokolls folgt.
⁶ SR 651.1
4 Auswirkungen
Das Änderungsprotokoll berührt nicht die Regeln für die Einkommens- und Vermögenszuteilung. Es enthält im Wesentlichen Bestimmungen, die den Missbrauch des Übereinkommens verhindern. Es wird daher keine direkten Auswirkungen auf die Steuereinnahmen haben. Es ist offensichtlich, dass in anderen Bereichen keine Auswirkungen zu erwarten sind. Das vorliegende Änderungsprotokoll kann im Rahmen der bestehenden Personalressourcen umgesetzt werden.
5 Rechtliche Aspekte
Das Änderungsprotokoll stützt sich auf Artikel 54 Absatz 1 BV, wonach der Bund für die auswärtigen Angelegenheiten zuständig ist. Nach Artikel 184 Absatz 2 BV ist der Bundesrat ermächtigt, die Verträge zu unterzeichnen und zu ratifizieren. Die Bundesversammlung ist gemäss Artikel 166 Absatz 2 BV für die Genehmigung der Verträge zuständig; ausgenommen sind die Verträge, für deren Abschluss aufgrund von Gesetz oder völkerrechtlichem Vertrag der Bundesrat zuständig ist (siehe auch Art. 7 a Abs. 1 des Regierungs- und Verwaltungsorganisationsgesetzes vom 21. März 1997 ⁷ ). Im vorliegenden Fall gibt es weder ein Gesetz noch einen völkerrechtlichen Vertrag, das oder der dem Bundesrat die Kompetenz verleiht, einen Vertrag wie das Änderungsprotokoll abzuschliessen. Die Bundesversammlung ist somit für die Genehmigung des Änderungsprotokolls zuständig.
Nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV unterliegen völkerrechtliche Verträge insbesondere dann dem fakultativen Referendum, wenn sie wichtige rechtsetzende Bestimmungen enthalten. Gemäss Artikel 22 Absatz 4 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁸ (ParlG) gelten Bestimmungen als rechtsetzend, die in unmittelbar verbindlicher und generell-abstrakter Weise Pflichten auferlegen, Rechte verleihen oder Zuständigkeiten festlegen.
Das Änderungsprotokoll enthält Bestimmungen, die den Schweizer Behörden Pflichten auferlegen sowie den Schweizer Behörden und den Privatpersonen (natürliche und juristische Personen) Rechte verleihen. Das Änderungsprotokoll enthält somit wichtige rechtsetzende Bestimmungen im Sinne von Artikel 22 Absatz 4 ParlG und Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV. Der Bundesbeschluss über die Genehmigung des Änderungsprotokolls untersteht deshalb dem fakultativen Staatsvertragsreferendum für völkerrechtliche Verträge nach Artikel 141 Absatz 1 Buchstabe d Ziffer 3 BV.
Die Bundesversammlung genehmigt völkerrechtliche Verträge, die dem Referendum unterliegen, in der Form eines Bundesbeschlusses (Art. 24 Abs. 3 ParlG).
⁷ SR 172.010
⁸ SR 171.10
Bundesrecht
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