Allgemeinverfügung
Allgemeinverfügung
Das Bundesamt für Verkehr hat in der Angelegenheit
Antrag um Befreiung der Sonnenbergbahn von der Umsetzung von BehiG-Massnahmen betreffend barrierefreien Transport von Rollstuhlfahrenden und stark geheingeschränkten Personen
I.
festgestellt:
1.
Mit Schreiben vom 6. März 2023 stellte die Antragstellerin dem Bundesamt für Verkehr (BAV) den Antrag, die Sonnenbergbahn von Massnahmen gemäss Behindertengleichstellungsgesetz vom 13. Dezember 2002 (BehiG; SR 151.3 ) zu befreien, welche den barrierefreien Transport von Rollstuhlfahrenden und stark geheingeschränkten Personen betreffen.
2.
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag auf Befreiung von BehiG-Massnahmen mit wirtschaftlicher Unverhältnismässigkeit der baulichen Massnahmen sowie insbesondere einem Umbau entgegenstehende Interessen des Denkmalschutzes.
3.
Mit Schreiben vom 26. März 2024 hat das BAV Inclusion Handicap zum vorliegenden Antrag angehört und Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 29. April 2024 gegeben. Zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verfügung liegt dem BAV keine Stellungnahme seitens Inclusion Handicap vor.
II.
in Erwägung gezogen:
A. Formelles:
1.
Gemäss Artikel 3 Buchstabe b Ziffer 7 BehiG gilt das Behindertengleichstellungsgesetz für Bauten und Anlagen sowie Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs, welche dem Seilbahngesetz vom 23. Juni 2006 (SebG; SR 743.01 ) unterstehen. Das BehiG findet somit für die Anlage der Antragstellerin als Standseilbahn im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 SebG Anwendung. Die Anlagen und Fahrzeuge müssen den gesetzlichen Anforderungen des BehiG genügen.
2.
Das BAV ist gemäss Artikel 22 Buchstabe a SebG Aufsichtsbehörde über Seilbahnen mit Bundeskonzession und damit auch über die Seilbahnanlage der Antragstellerin. Die Aufsichtstätigkeit des BAV umfasst unter anderem die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben für Seilbahnen im Bereich der Behindertengleichstellung.
3.
Die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben im Bereich der Behindertengleichstellung liegt damit in der sachlichen Zuständigkeit des BAV.
4.
Gemäss Artikel 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021 ) kann die in der Sache zuständige Behörde auf Begehren über den Bestand, den Nichtbestand oder den Umfang öffentlich-rechtlicher Rechte oder Pflichten eine Feststellungsverfügung erlassen. Dem Begehren um Erlass einer Feststellungsverfügung ist bei Vorliegen eines schutzwürdigen Interesses zu entsprechen.
4.1
Dem BAV wurde der Antrag gestellt, dass die Sonnenbergbahn von BehiG-Massnahmen, welche den barrierefreien Transport von Rollstuhlfahrenden und stark geheingeschränkten Personen betreffen, zu befreien ist.
Der Antrag ist als Gesuch um Erlass einer Verfügung zu verstehen, welche der Antragstellerin den Nichtbestand der Pflicht einer für Rollstuhlfahrende und stark geheingeschränkten Personen behindertengerechten Ausgestaltung von Seilbahnen feststellt.
4.2
Für den Erlass der beantragten Feststellungsverfügung bedarf es nach Artikel 25 Absatz 2 VwVG eines schutzwürdigen Interesses der Antragstellerin.
4.2.1
Gemäss Artikel 22 Absatz 1 BehiG müssen Bauten und Anlagen sowie Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs spätestens 20 Jahre nach Inkrafttreten des BehiG, also per 1. Januar 2024, behindertengerecht sein. Im Falle einer Benachteiligung im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 BehiG mangels behindertengerechter Ausgestaltung von Anlagen oder Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs kann eine benachteiligte Person nach Artikel 7 Absatz 2 BehiG die Beseitigung oder Unterlassung der Benachteiligung verlangen. Die zuständige Behörde ordnet die Beseitigung gemäss Artikel 11 Absatz 1 BehiG ausnahmsweise nicht an, wenn der für Behinderte erwartbare Nutzen in einem Missverhältnis steht, insbesondere zum wirtschaftlichen Aufwand (Bst. a) oder zu Interessen des Natur- und Heimatschutzes (Bst. b).
4.2.2
Seit dem Ablauf der gesetzlichen Anpassungsfrist per 31. Dezember 2023 besteht für die Antragstellerin aufgrund der bisher im Bereich des barrierefreien Transports für Rollstuhlfahrende und stark geheingeschränkte Personen ausgebliebenen baulichen Anpassungen das Risiko einer Beseitigungsklage einer benachteiligten Person gemäss Artikel 7 Absatz 2 BehiG. Mit diesem Risiko ist insbesondere die Rechtsunsicherheit verbunden, ob die Beseitigung der Benachteiligung vom BAV angeordnet würde oder ausnahmsweise mangels Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 11 Absatz 1 BehiG auf eine Anordnung zu verzichten wäre.
4.2.3
Es stellt sich die Frage, ob das beantragte Feststellen des Nichtbestehens der Pflicht der behindertengerechten Ausgestaltung der Seilbahnanlage bzw. das Feststellen der fehlenden Verhältnismässigkeit baulicher Massnahmen für die Antragstellerin die gewünschte Rechtssicherheit bringen kann.
Die beantragte Verfügung würde die Beantwortung der Frage, ob ausnahmsweise auf die Anordnung der Beseitigung einer Benachteiligung aufgrund der fehlenden Verhältnismässigkeit zu verzichten ist, vorwegnehmen und nicht erst in einem allfälligen Verfahren nach Artikel 7 Absatz 2 BehiG verbindlich klären. Die Antragstellerin hätte damit gegenüber Dritten eine rechtskräftige Beurteilung der Rechtslage vorzuweisen. Die gewünschte Rechtssicherheit ist jedoch erst dann zu bejahen, wenn der Beurteilung der Unverhältnismässigkeit baulicher Massnahmen und der darauf gestützte Verzicht auf Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung eine mehr oder weniger stabile Sachlage zugrunde liegt. Müsste die Rechtslage und damit insbesondere die (Un-)Verhältnismässigkeit baulicher BehiG-Massnahmen aufgrund einer sich ändernden Sachlage regelmässig neu beurteilt werden, könnte die von der Antragstellerin gewünschte Rechtssicherheit auch mittels einer Feststellungsverfügung nicht erreicht werden. Die verfügte Feststellung könnte in diesem Fall nur solange Bestand haben, wie sich der der Feststellung der Rechtslage zugrundeliegende Sachverhalt nicht massgeblich geändert hat. Insofern würde es in einem solchen Fall am für den Erlass einer Feststellungsverfügung notwendigen schutzwürdigen Interesse fehlen.
4.2.4
Bei der Sonnenbergbahn handelt es sich um eine historische Standseilbahn, welcher keine Erschliessungsfunktion im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes vom 20. März 2009 (PBG; SR 745.1 ) zukommt (Art. 3 PBG i.V.m. Art. 5 der Verordnung über die Personenbeförderung vom 4. November 2009 (VPB; SR 745.11 )). Sie wird seit Jahrzehnten betrieben und dient Einheimischen, aber auch Touristen der Anbindung eines Naherholungsgebietes im Raum Luzern. Dabei blieb das Beförderungsangebot über die Jahre grundsätzlich unverändert und es ist von einer mehr oder weniger stabilen Sachlage auszugehen. Es ist insbesondere nicht von einer sprunghaften Zunahme an Personen mit einer Beeinträchtigung, die das Angebot der Antragstellerin nutzen wollen, auszugehen. Es sind damit keine Gründe ersichtlich, welche eine regelmässige Neubeurteilung der Verhältnismässigkeit notwendig machen würden.
Anders verhielte es sich insbesondere bei einem vom Bund oder Kanton bestellten Angebot mit Erschliessungsfunktion. Solche Angebote unterstehen regelmässigen Änderungen in Form von geänderter Linienführung oder einem Ausbau des Angebots. Auch im Falle einer Neuerschliessung von Ortschaften könnte aufgrund der geänderten Sachlage eine Neubeurteilung der Verhältnismässigkeit erforderlich werden. Gleiches hat für Fälle zu gelten, wo die Anzahl Personen mit Beeinträchtigung in den vom Angebot erschlossenen Ortschaften oder die Nachfrage generell signifikant zunimmt.
Hinzu kommt, dass das Angebot der Antragstellerin ohne Abgeltungen des Bundes, welche insbesondere auch die baulichen Massnahmen zur Umsetzung des BehiG mitfinanzieren, betrieben wird. Die notwendigen Massnahmen stellen daher eine beträchtliche finanzielle Hürde dar. Die Antragstellerin hat folglich ein erhebliches Interesse daran, zu wissen, ob sie aus Gründen der Verhältnismässigkeit von der Pflicht zur Vornahme baulicher Massnahmen befreit ist.
4.2.5
Die vorliegende Seilbahnanlage der Antragstellerin ermöglicht es aus diesen Gründen einerseits und rechtfertigt es andererseits, eine Feststellungsverfügung im beantragten Umfang zu erlassen. Der Antragstellerin kann damit die gewünschte Rechtssicherheit gewährt werden, weshalb das schutzwürdige Interesse in diesem Fall zu bejahen ist.
4.3
Die Antragstellerin hat ein schutzwürdiges Interesse am Erlass der beantragten Feststellungsverfügung.
5.
Das BAV als Aufsichtsbehörde der Seilbahnen mit Bundeskonzession ist die zuständige Verwaltungsbehörde zur Behandlung des Antrags auf Erlass einer Feststellungsverfügung. Aufgrund des in Ziffer 4.2 hiervor dargelegten schutzwürdigen Interesses ist auf das Gesuch einzutreten.
B. Materielles:
1.
Wie unter Ziffer 4.2.1 hiervor ausgeführt, müssen Fahrzeuge sowie Bauten und Anlagen des öffentlichen Verkehrs seit dem 1. Januar 2024 behindertengerecht ausgestaltet sein.
2.
Die sachlich zuständige Verwaltungsbehörde kann jedoch ausnahmsweise auf die Anordnung der Beseitigung einer Benachteiligung verzichten, wenn der für Behinderte erwartbare Nutzen in einem Missverhältnis insbesondere zum wirtschaftlichen Aufwand, zu Interessen des Natur- und Heimatschutzes oder zu Anliegen der Verkehrs- oder Betriebssicherheit steht (Art. 11 Abs. 1 Bst. a und b BehiG).
2.1
Die Behindertengleichstellungsverordnung vom 19. November 2003 (BehiV; SR 151.31 ) sieht in Artikel 6 vor, wie die Abwägung der Interessen im Rahmen der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Artikel 11 Absatz 1 BehiG im Einzelfall vorzunehmen ist. So sind zur Beurteilung der Frage, ob ein Missverhältnis vorliegt, namentlich die Zahl der die Anlage benutzenden Personen, die Bedeutung der Anlage für Menschen mit Behinderung sowie der provisorische oder dauerhafte Charakter der Anlage zu berücksichtigen.
2.2
Gleichermassen sind bei einer Abwägung der Interessen der Behinderten gegen Interessen der Denkmalpflege gemäss Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe a und Buchstabe b Ziffer 2 BehiV die Bedeutung der Anlage aus Sicht des Denkmalschutzes sowie das Ausmass, in dem die baulichen Anpassungen die Bausubstanz, die Struktur und das Erscheinungsbild der Anlage aus Sicht des Denkmalschutzes beeinträchtigen, zu berücksichtigen.
3.
Aus dem Antrag der Antragstellerin ist zu entnehmen, dass die Seilbahnanlage bislang weder über einen Treppenlift noch über einen barrierefreien Kabinenzugang für Rollstühle verfügt. Auch ein taktil-visuelles Leitsystem mit Markierung der Ein- und Ausstiegpunkte ist nicht vorhanden.
Es ist unbestritten, dass die Seilbahnanlage der Antragstellerin damit eine Benachteiligung für Menschen mit Gehbeeinträchtigung, aber auch für Personen mit Sehbeeinträchtigung und anderen Einschränkungen im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 BehiG darstellt.
4.
Es ist daher zu klären, ob auf die Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung bzw. auf die Vornahme der notwendigen baulichen Massnahmen ausnahmsweise aus Gründen der Unverhältnismässigkeit verzichtet werden kann.
4.1
Massnahmen für Menschen mit Gehbeeinträchtigung
4.1.1
Die Antragstellerin legt dar, dass ein Ein- und Aussteigen an einem dafür vorgesehenen Ort von einer Plattform oder von einem Treppenlift nicht möglich sei, weil die Seilbahnanlage über keine Spannvorrichtung verfüge, welche die natürliche Seilverlängerung ausgleicht. Dies habe zur Folge, dass die Wagenkasten nicht immer am gleichen Punkt zum Stillstand kommen. Ebenfalls sei der Zugang zu den einzelnen Kabinen für Rollstuhlfahrende zu wenig breit.
4.1.2
Die Beförderung von Personen im Rollstuhl und einem Teil der Personen mit Rollator oder anderen Hilfsmitteln aufgrund einer massgeblichen Gehbeeinträchtigung ist damit nicht möglich, ohne dass die Anlage inkl. die Fahrzeuge massiv angepasst würde. Eine entsprechende Offerte für die Anpassung der Fahrzeugkabinen ist von der Antragstellerin eingeholt worden und liegt dem BAV samt Plänen der Umbaumassnahmen vor. Um den Anforderungen des BehiG zu genügen, müssten insbesondere die Kabinenöffnungen bei mindestens einer der Kabinen von aktuell 0.6 m auf 0.8 m erhöht werden. Technisch ist dies gemäss eingereichter Offerte nur bei der obersten der drei Kabinen bergseitig zum Führerstand möglich. Auf die Einholung einer Offerte für bauliche Massnahmen und die Beförderung mit Rollstuhllift/Hebebühne habe die Antragstellerin aufgrund der eindeutigen Stellungnahme der Denkmalpflege Luzern (vgl. Ziff. 4.1.3 hiernach) verzichtet.
4.1.3
Bei der Sonnenbergbahn handelt es sich um ein kantonales Schutzobjekt und Kulturdenkmal von regionaler Bedeutung. Dem BAV liegt eine Stellungnahme der Denkmalpflege Kanton Luzern vor. Im Sinne der unter Ziffer 2 hiervor erwähnten Interessenabwägung sind deshalb im vorliegenden Fall insbesondere die Interessen des Denkmalschutzes gegen diejenigen der Behindertengleichstellung abzuwägen.
Die Verbreiterung der Kabinenöffnung an der obersten Kabine von 0.6 m auf 0.8 m hätte eine nachhaltige Veränderung des originalen und bauzeitlichen Erscheinungsbilds der Wagenkasten zur Folge. Die Stellungnahme der Denkmalpflege Kanton Luzern hält sodann fest, dass gemäss §5 des kantonalen Gesetzes vom 8. März 1960 über den Schutz der Kulturdenkmäler (DschG; SRL Nr. 595) im Denkmalverzeichnis eingetragene Immobilien ohne Bewilligung der zuständigen Behörden weder renoviert, verändert, beseitigt, zerstört noch sonst wie in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden dürfen. Die für die BehiG-Umsetzung notwendigen baulichen Massnahmen seien für die Denkmalpflege des Kantons Luzern aufgrund der erheblichen Beeinträchtigung der optischen Wirkung sowie der Minderung der materiellen Substanz nicht bewilligungsfähig.
Zwar ist das kantonale Verbot für das BAV nicht bindend, aber in die Prüfung der Verhältnismässigkeit einzubeziehen (Art. 9 Abs. 1 Satz 3 SebG).
4.1.4
Ebenfalls muss unter dem Aspekt der Betriebssicherheit mitberücksichtigt werden, dass die offerierten Umbaumassnahmen dazu führen würden, dass der Einstieg für die Wagenführer auf eine Höhe von 1.60 m verringert würde. Die Antragstellerin führt nachvollziehbar aus, dass die Wagenführer den Führerstand mehrmals täglich betreten bzw. verlassen würden. Dies wäre unter den geänderten Bedingungen für die Wagenführer aus ergonomischer, aber auch verletzungstechnischer Sicht nicht zumutbar, was durch die Expertise des Sicherheitsbeauftragten der Stadt Kriens bestätigt wurde.
4.1.5
Die Summe der soeben dargelegten Gründe führt dazu, dass die bauliche Anpassung der Seilbahnanlage zur Umsetzung eines barrierefreien Transports von Personen mit einer Gehbeeinträchtigung (Verbreiterung der Kabinenöffnung, Rollstuhllift bzw. Hebebühne) unverhältnismässig ist. Auf die Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung mittels baulicher Anpassungen für den barrierefreien Transport von Menschen mit Gehbeeinträchtigung ist deshalb im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 BehiG zu verzichten.
4.2
Massnahmen für Menschen mit Sehbeeinträchtigung und anderen Einschränkungen
4.2.1
Gemäss Angaben der Antragstellerin ist man daran, Massnahmen im Zusammenhang mit Sehbehinderung oder der generellen Verminderung von Unfallrisiken umzusetzen. Dies beinhalte Treppenmarkierungen, Abschrankungen bei Rampen mit einer Absturzhöhe von mehr als 0.4 m und Massnahmen im Bereich der Fahrgastinformationen.
4.2.2
Die gesetzlichen Vorgaben bezüglich der kontrastreichen Markierung von Treppenstufen und anderen Unfallgefahrenquellen sowie der Kundeninformation gemäss Verordnung des UVEK vom 23. März 2016 über die technischen Anforderungen an die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VAböV; SR 151.342 ) sind umzusetzen. Dies betrifft vor allem statische optische Informationen. Es sind keine Gründe für die Annahme der Unverhältnismässigkeit feststellbar, welche die Antragstellerin von diesen Pflichten befreien würden.
4.2.3
Die Seilbahnanlage verfügt über keine Spannvorrichtung, welche die natürliche Seilverlängerung ausgleichen würde. Dies hat zur Folge, dass die Wagenkasten nicht immer am gleichen Ort zum Stillstand kommen und ein Ein- bzw. Ausstieg an einem dafür vorgesehenen Punkt verunmöglicht wird. Aufgrund dieser technischen Hindernisse und des damit verbundenen fehlenden Nutzens kann auf ein taktil-visuelles Leitsystem mit der Markierung der Ein- und Ausstiegspunkte verzichtet werden.
4.3
Die vorgenommene Interessenabwägung ergibt, dass sowohl bauliche Massnahmen zur barrierefreien Beförderung von mit Gehbeeinträchtigung als auch ein taktil-visuelles Leitsystem für Menschen mit Sehbeeinträchtigung unverhältnismässig sind bzw. aus technischen Gründen verunmöglicht werden. Es ist deshalb auf die Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung zu verzichten. Die Antragstellerin ist im dargelegten Umfang (vgl. Ziffer 4.1 und 4.2 hiervor) von der Umsetzung von baulichen BehiG-Massnahmen zu befreien.
5.
Gemäss Artikel 12 Absatz 3 BehiG verpflichtet die zuständige Behörde das konzessionierte Unternehmen, eine angemessene Ersatzlösung anzubieten, wenn sie auf die Anordnung der Beseitigung einer Benachteiligung gemäss Artikel 11 Absatz 1 BehiG verzichtet.
5.1
Die in Ziffer 4 hiervor vorgenommene Verhältnismässigkeitsprüfung hat ergeben, dass auf die Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung und damit auf bauliche Massnahmen für Menschen mit Geh-, Sehbeeinträchtigung sowie anderen Einschränkungen im festgehaltenen Umfang verzichtet werden kann. In diesem Umfang hat die Antragstellerin jedoch angemessene Ersatzmassnahmen im Sinne von Artikel 12 Absatz 3 BehiG anzubieten.
5.2
Ersatzmassnahmen für Menschen mit Gehbeeinträchtigung
Gemäss Aussage der Antragstellerin wird der Transport von Menschen mit einer Gehbeeinträchtigung im Rahmen von Gruppenreisen bereits heute so gehandhabt, dass für Personen, die nicht mit der Sonnenbergbahn befördert werden können, ein Rollstuhltaxi für die Fahrt auf den Sonnenberg organisiert wird. Um den Anforderungen des BehiG gerecht zu werden, sind diese Massnahmen nach Massgabe von Artikel 12 Absatz 3 BehiG nicht nur Gruppen, sondern generell jeder betroffenen Einzelperson anzubieten.
Artikel 3 Absatz 3 der Verordnung vom 12. November 2003 über die behindertengerechte Gestaltung des öffentlichen Verkehrs (VböV; SR 151.34 ) sieht vor, dass Unternehmen des öffentlichen Verkehrs möglichst auf eine Pflicht zur Voranmeldung, die nur für Behinderte gilt, verzichtet. Im vorliegenden Fall ist eine Voranmeldung jedoch unumgänglich. Daraus leitet sich ab, dass die Frist zur Voranmeldung unter Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten möglichst kurz zu halten ist. Betroffenen Personen sowie einer allfälligen Begleitung sind deshalb nach Voranmeldung von max. vier Stunden zum normalen, für die Sonnenbergbahn üblichen Tarif (je nachdem inkl. Gültigkeit GA/Halbtax) durch einen von der Antragstellerin organisierten Behinderten-Fahrdienst auf der Strasse zu befördern. Dies gilt sowohl für die Fahrt auf den Sonnenberg als auch den Rückweg zur Talstation. Die Anmeldefrist steht ausserhalb der Betriebszeiten still. In den Fahrplänen und weiteren Online- / Offline-Informationen sind entsprechende Hinweise zu publizieren.
Die Antragstellerin ist nach Artikel 12 Absatz 3 BehiG zu verpflichten, die hiervor dargelegte Ersatzmassnahme generell für betroffene Reisende mit Gehbeeinträchtigung anzubieten.
5.3
Ersatzmassnahmen für Menschen mit Sehbeeinträchtigung und anderen Einschränkungen
Gemäss Angabe der Antragstellerin hilft das bei jeder Fahrt anwesende Fahrpersonal beim Ein- und Ausstieg von Personen mit Einschränkungen. Dies trägt insbesondere der Tatsache Rechnung, dass die Seilbahnanlage mangels Spannvorrichtung über keine taktil-visuelle Markierung der Ein- und Ausstiegpunkte verfügt (vgl. Ziffer 4.2).
Im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 VböV erbringen die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs die erforderlichen Hilfestellungen durch den Einsatz von Personal, sofern die Autonomie nicht mittels technischer Massnahmen gewährleistet werden kann.
Um die Autonomie trotz fehlender taktil-visueller Markierung der Ein- und Ausstiegspunkte zu gewährleisten, ist die Antragstellerin nach Artikel 12 Absatz 3 BehiG zu verpflichten, dass ihr Fahrpersonal den betroffenen Personen die erforderliche Hilfestellung zu erbringen hat.
6.
Artikel 2 der Gebührenverordnung für den öffentlichen Verkehr vom 25. November 1998 (GebV-öV; SR 742.102 ) hält fest, dass derjenige eine Gebühr bezahlen muss, der eine Dienstleistung oder Verfügung nach Artikel 1 veranlasst. Unter Artikel 1 Buchstabe a GebV-öV fallen insbesondere sämtliche Verfügungen der Aufsichtsbehörde im Bereich Seilbahnen.
Angesichts des durch das vorliegende Gesuch verursachten Aufwandes ist der Antragstellerin eine Gebühr in der Höhe von 900 Franken aufzuerlegen. Die Gebühr wird 30 Tage nach Eröffnung oder im Falle der Anfechtung mit Eintritt der Rechtskraft des Beschwerdeentscheides fällig. Die Zahlungsfrist beträgt 30 Tage vom Eintritt der Fälligkeit an (Art. 15 GebV-öV).
7.
Gemäss Artikel 36 Buchstabe c VwVG kann die Behörde ihre Verfügung unter anderem in einer Sache mit zahlreichen Parteien in einem amtlichen Blatt eröffnen.
Die vorliegende Verfügung soll nicht nur gegenüber der Antragstellerin, sondern gegenüber jeder Person mit einer Beeinträchtigung, für welche die Seilbahnanlage der Antragstellerin eine Benachteiligung im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 BehiG darstellt, Rechtswirkung entfalten. Aus diesem Grund ist die Verfügung zusätzlich zur individuellen Eröffnung an die Antragstellerin amtlich zu publizieren.
III.
verfügt:
1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin von der Pflicht zur behindertengerechten Ausgestaltung der Sonnenbergbahn im folgenden Umfang befreit ist:
-
Verbreiterung Kabinenöffnung
-
Rollstuhllift / Hebebühne
-
taktil-visuelles Leitsystem
-
Auf die Anordnung der Beseitigung der Benachteiligung wird in diesem Umfang verzichtet.
2.
Auflage: Die Antragstellerin hat für Personen mit einer Gehbeeinträchtigung sowie für allfällige Begleitpersonen nach Voranmeldung von max. vier Stunden zum normalen, für die Sonnenbergbahn üblichen Tarif (je nachdem inkl. Gültigkeit GA/Halbtax) einen Behinderten-Fahrdienst auf der Strasse zu organisieren. Die Anmeldefrist steht ausserhalb der Betriebszeiten still. In den Fahrplänen und weiteren Online- / Offline-Informationen sind entsprechende Hinweise zu publizieren.
3.
Auflage: Das Fahrpersonal der Antragstellerin hat für Personen mit einer Sehbeeinträchtigung die erforderliche Hilfeleistung beim Einstieg zur und beim Ausstieg von der Seilbahnanlage zu erbringen.
4.
Der Antragstellerin wird eine Gebühr in Höhe von 900 Franken auferlegt.
5.
Die Verfügung ist der Antragstellerin eingeschrieben zu eröffnen.
6.
Die Verfügung wird im Bundesblatt publiziert.
Rechtsmittelbelehrung:
Gemäss Artikel 50 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 20. Dezember 1968 (VwVG; SR 172.021 ) kann gegen diese Verfügung innerhalb von 30 Tagen nach deren Eröffnung beim Bundesverwaltungsgericht, Postfach, 9023 St. Gallen, schriftlich Beschwerde erhoben werden. Gemäss Artikel 20 VwVG beginnt die Beschwerdefrist bei persönlicher Eröffnung an die Parteien an dem auf die Eröffnung folgenden Tag zu laufen. Der Stillstand der Fristen richtet sich nach Artikel 22 a VwVG.
Die Beschwerdeschrift hat die Begehren und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten. Die angefochtene Verfügung und die als Beweismittel angerufenen Urkunden sind beizulegen, soweit der Beschwerdeführer sie in Händen hat. Die Beschwerdeschrift ist vom Beschwerdeführer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen; ein allfälliger Vertreter hat sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen. Die Kostentragung im Beschwerdeverfahren richtet sich nach Artikel 63 VwVG.
19. Juni 2024 | Bundesamt für Verkehr Sektionschefin Recht: Joanna Ozimek Sektion Recht: Cédric Burkhardt |
Bundesrecht
Allgemeinverfügung. Bundesamt für Verkehr
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