Parlamentarische Initiativen Keine Jahresfrist für die Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates
Parlamentarische Initiativen Keine Jahresfrist für die Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates
vom 2. Mai 2024
Sehr geehrter Herr Präsident Sehr geehrte Damen und Herren
Mit diesem Bericht unterbreiten wir Ihnen den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen) ¹ . Gleichzeitig erhält der Bundesrat Gelegenheit zur Stellungnahme.
Die Kommission beantragt, dem beiliegenden Entwurf zuzustimmen.
2. Mai 2024 | Im Namen der Kommission Der Präsident: Vincent Maitre |
Übersicht
Am 1. Januar 2019 ist Artikel 8a Absatz 3 Buchstabe d des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) in Kraft getreten. Die Bestimmung ermöglicht es einer betriebenen Person unter bestimmten Umständen, mittels Gesuch zu verhindern, dass eine Betreibung Dritten bekanntgegeben wird. Zwischenzeitlich hat das Bundesgericht dieses Recht in zwei Entscheiden massgeblich eingeschränkt. Nach dieser bundesgerichtlichen Rechtsprechung kann die betriebene Person kein Gesuch um Nichtbekanntgabe mehr stellen, wenn die Gläubigerin oder der Gläubiger infolge Ablauf der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 SchKG seine Betreibung nicht mehr fortzusetzen vermag. Zudem hielt das Bundesgericht fest, dass dem Gesuch um Nichtbekanntgabe nicht stattzugeben sei, wenn der Gläubiger im Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlags unterliegt; massgeblich sei einzig, ob ein solches Verfahren eingeleitet worden sei.
Diese Entscheide führen zu Ergebnissen, die weder dem parlamentarischen Willen noch dem Zweck des Artikels 8a Absatz 3 Buchstabe d SchKG entsprechen. Betriebene Personen können sich so nur unzulänglich gegen ungerechtfertigte Betreibungen schützen, während die Bekanntgabe eines Eintrags im Betreibungsregister gewichtige Nachteile für sie haben kann. Ausserdem vermindern diese Einschränkungen bei der Nichtbekanntgabe indirekt auch die Aussagekraft der Betreibungsregister.
Die Kommission ist daher der Ansicht, dass die Rechtsprechung des Bundesgerichts korrigiert werden muss. Sie schlägt zwei Anpassungen in Artikel 8a Absatz 3 Buchstabe d SchKG vor, um den Schutz betroffener Personen vor den nachteiligen Auswirkungen ungerechtfertigter Betreibungen zu bewahren und damit dem parlamentarischen Willen zum Durchbruch zu verhelfen. Erstens soll explizit festgehalten werden, dass auf Gesuch der betriebenen Person hin Betreibungen Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht werden, wenn die Gläubigerin oder der Gläubiger zwar ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet hat, in diesem aber erfolglos blieb. Zweitens soll klargestellt werden, dass die betriebene Person auch nach Ablauf der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 SchKG noch ein Gesuch um Nichtbekanntgabe stellen kann.
Bericht
¹ BBl 2024 1798
1 Entstehungsgeschichte
1.1 Parlamentarische Initiativen 22.400 und 22.401
Am 14. Januar 2022 reichte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (nachfolgend: die Kommission) die zwei parlamentarischen Initiativen 22.400 und 22.401 ein.
Die parlamentarische Initiative 22.400 hat folgenden Wortlaut:
«Die rechtlichen Grundlagen der neu geschaffenen Möglichkeit, die Bekanntgabe einer Betreibung zu begrenzen (Artikel 8a Absatz 3 littera d SchKG) sollen dahingehend präzisiert werden, dass die betriebene Person das Gesuch um Nichtbekanntgabe auch erst nach Ablauf eines Jahres stellen kann.»
Die Begründung dieser parlamentarischen Initiative lautet wie folgt:
«Das Bundesgericht hat die Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen gem. Art. 8a Abs. 3 Bst. d SchKG mit einer Jahresfrist versehen, die das Parlament so nicht diskutiert oder gewollt hat. Wir haben nämlich geschrieben, dass die Ämter Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis geben, wenn: (…) der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht. Dieser Mechanismus sieht keine Jahresfrist gemäss Art. 88 Abs. 2 SchKG vor. Das Bundesgericht legt nun u. A. in BGE 5A_927/2020 die Frist so aus, dass es für die Schuldner eine Jahresfrist daraus entsteht.»
Die parlamentarische Initiative 22.401 hat folgenden Wortlaut:
«Artikel 8a Absatz 3 Buchstabe d des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) wird wie folgt ergänzt:
d.
der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79-84) eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht. Wird auf das Gesuch um Beseitigung des Rechtsvorschlages nicht eingetreten oder wird es definitiv abgewiesen, wird die Betreibung Dritten wieder nicht mehr zur Kenntnis gebracht .»
Im Rahmen der Vorprüfung gemäss Artikel 109 des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 (ParlG) ² stimmte die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates den parlamentarischen Initiativen an ihrer Sitzung vom 29. März 2022 einstimmig zu.
² SR 171.10
1.2 Arbeiten der Kommission
Am 3. Juli 2023 befasste sich die Kommission mit der Umsetzung der parlamentarischen Initiativen. Nach Kenntnisnahme eines Arbeitspapiers der Verwaltung beauftragte die Kommission die Verwaltung damit, gestützt auf die Vorarbeiten eine Vorlage und einen Bericht auszuarbeiten.
Die Kommission nahm am 12. April 2024 Kenntnis von der Vorlage und vom dazugehörigen Bericht, beriet darüber und entschied einstimmig, die Verwaltung mit einer Überarbeitung der Vorlage zu beauftragen.
Am 2. Mai 2024 beriet die Kommission den überarbeiteten Entwurf und nahm ihn einstimmig an. Gleichzeitig entschied die Kommission mit 14 zu 7 Stimmen, auf die Durchführung einer Vernehmlassung zur überarbeiteten Vorlage zu verzichten (siehe Ziff. 1.3).
Die Kommission wurde bei ihrer Arbeit gemäss Artikel 112 Absatz 1 ParlG vom Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement unterstützt.
1.3 Verzicht auf Vernehmlassung
Nach Ansicht der Kommission kann vorliegend gemäss Artikel 3 a Absatz 1 Buchstabe b des Vernehmlassungsgesetzes vom 18. März 2005 (VlG) ³ auf ein Vernehmlassungsverfahren verzichtet werden. Demnach kann auf eine Vernehmlassung verzichtet werden, wenn «keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind, weil die Positionen der interessierten Kreise bekannt sind, insbesondere weil über den Gegenstand des Vorhabens bereits eine Vernehmlassung durchgeführt worden ist». Gemäss Artikel 3 a Absatz 2 VlG muss der Verzicht auf ein Vernehmlassungsverfahren sachlich begründet werden. Bei einer Gesetzesvorlage müssen die Gründe für den Verzicht auf eine Vernehmlassung konkret in der Botschaft oder im erläuternden Bericht aufgezeigt werden. ⁴
Die Kommission ist der Ansicht, dass der Entwurf lediglich den Willen des Gesetzgebers präzisiert, wie er ihn bereits im Rahmen der Beratung zur Verabschiedung von Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 (SchKG) ⁵ zum Ausdruck gebracht hatte. Diese Bestimmung bildete bereits Gegenstand einer Vernehmlassung im Jahre 2013 ⁶ , so dass sich die interessierten Personen dazu äussern konnten.
³ SR 172.061
⁴
Brunner Stephan / Bertschy Thomas
, Teilrevision des Vernehmlassungsrechts des Bundes: Ausblick auf die künftigen Regeln für die Durchführung von Vernehmlassungen, LeGes - Gesetzgebung & Evaluation, 2015/2, S. 421 ff., S. 422.
⁵ SR 281.1
⁶ Der Bericht zu dieser Vernehmlassung kann abgerufen werden unter:
www.fedlex.admin.ch
> Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2013 > Vernehmlassung 2013/72.
2 Ausgangslage
2.1 Geltende Rechtslage
Gemäss Artikel 67 SchKG kann eine Betreibung eingeleitet werden, ohne den Bestand der Forderung nachzuweisen. Entsprechend können auch bestrittene oder nicht bestehende Forderungen in Betreibung gesetzt werden. Selbst bewusste Falschbetreibungen, die einzig eine Rufschädigung der betriebenen Person zum Ziel haben (sog. Schikanebetreibungen), sind möglich und kommen (wenn auch selten) in der Praxis vor. ⁷ Grundsätzlich werden sämtliche Betreibungen im Betreibungsregister eingetragen, und zwar unabhängig davon, ob die geltend gemachte Forderung tatsächlich besteht oder nicht. Nach Artikel 8 a Absatz 1 SchKG kann jede Person, die ein Interesse glaubhaft macht, diese Betreibungen einsehen und sich Auszüge aus den Registern geben lassen. Folglich sind unter Umständen auch ungerechtfertigte Betreibungen für Dritte zugänglich. ⁸
Dieses Einsichtsrecht Dritter erlischt grundsätzlich fünf Jahre nach Abschluss des Betreibungsverfahrens (Art. 8 a Abs. 4 SchKG) und ist unter bestimmten Umständen bereits vorher eingeschränkt: Gemäss Artikel 8 a Absatz 3 SchKG geben die Ämter Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn zum Zeitpunkt des konkreten Auskunftsgesuchs die Betreibung nichtig ist oder aufgrund einer Beschwerde oder eines gerichtlichen Entscheids aufgehoben worden ist (Bst. a), der Schuldner mit einer Rückforderungsklage obsiegt hat (Bst. b) oder der Gläubiger die Betreibung zurückgezogen hat (Bst. c).
Seit dem 1. Januar 2019 hat die betriebene Person gemäss Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG zudem die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen mit einem Gesuch zu erwirken, dass das Betreibungsamt die Bekanntgabe einer Betreibung gegenüber Dritten verweigert. Diese Ergänzung erfolgte im Rahmen der Umsetzung der parlamentarische Initiative Abate 09.530 «Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle». Damit sollten ungerechtfertigte Betreibungen einfacher und rascher gelöscht bzw. dem Einsichtsrecht Dritter entzogen werden. ⁹
Mit Verabschiedung des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG wurde ein neuer Rechtsbehelf eingeführt, mit dem die Mitteilung der Betreibung gegenüber Dritten in einem einfachen und raschen Verfahren unterbunden werden kann, ohne dass der Bestand der Forderung materiell geprüft wird. 1⁰ Die Bestimmung lautet wie folgt:
Art. 8a Abs. 3 Bst. d Einsichtsrecht
³ Die Ämter geben Dritten von einer Betreibung keine Kenntnis, wenn:
d.
der Schuldner nach Ablauf einer Frist von drei Monaten seit der Zustellung des Zahlungsbefehls ein entsprechendes Gesuch gestellt hat, sofern der Gläubiger nach Ablauf einer vom Betreibungsamt angesetzten Frist von 20 Tagen den Nachweis nicht erbringt, dass rechtzeitig ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlages (Art. 79-84) eingeleitet wurde; wird dieser Nachweis nachträglich erbracht oder wird die Betreibung fortgesetzt, wird sie Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.
Vor Inkrafttreten des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG hatte die betriebene Person einzig die Möglichkeit, in einem gerichtlichen Verfahren zu erzielen, dass eine ungerechtfertigte Betreibung nicht in der Betreibungsauskunft erscheint. Sie musste sich mittels Feststellungsklage nach Artikel 85 oder 85 a SchKG oder gestützt auf die allgemeine Feststellungsklage nach Artikel 88 ZPO wehren. 1¹ Diese Rechtslage wurde sowohl von der Kommission als auch vom Bundesrat als unbefriedigend beurteilt. ¹2 Insbesondere sind diese Mittel für die betriebene Person sehr aufwendig, nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht.
Mit Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG wurde der Katalog der Tatbestände, welche die Verweigerung der Bekanntgabe an Dritte zur Folge haben (Bst. a-c), erweitert. Ist ein Schuldner der Ansicht, eine gegen ihn gerichtete Betreibung sei ungerechtfertigt, und hat er gegen die Betreibung Rechtsvorschlag erhoben, kann er wie folgt vorgehen:
-
Er muss zunächst eine Frist von drei Monaten ab Zustellung des Zahlungsbefehls abwarten. Sodann kann er beim zuständigen Betreibungsamt ein Gesuch stellen, dass die Betreibung fortan Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht wird.
-
Hat das Amt Kenntnis davon, dass der Gläubiger während dieser drei Monate ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags nach Artikel 79-84 SchKG (provisorische oder definitive Rechtsöffnung oder Anerkennungsklage) eingeleitet hat oder erfolgreich ein Fortsetzungsbegehren gestellt worden ist, lehnt es das Gesuch ab. ¹3 Andernfalls (d. h. wenn keine entsprechende Kenntnis vorhanden ist) fordert das Amt den Gläubiger auf, zum Gesuch Stellung zu nehmen bzw. innert 20 Tagen nachzuweisen, dass er rechtzeitig ein Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet hat. Dieser Nachweis kann sich namentlich aus einer Postaufgabe- oder Eingangsbestätigung des Gesuchs um Rechtsöffnung oder der Anerkennungsklage ergeben. ¹4 Reicht der Gläubiger einen entsprechenden Nachweis ein, lehnt das Amt das Gesuch ab und bringt die Betreibung Dritten zur Kenntnis.
-
Trifft innert dieser Frist keine entsprechende Mitteilung bzw. kein Nachweis des Gläubigers ein, heisst das Amt das Gesuch gut und verhindert fortan, dass Dritte die Betreibung einsehen können.
-
Der betreibende Gläubiger kann auch nachträglich bzw. nach Ablauf der 20-tägigen Frist noch den Nachweis erbringen, dass er ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet oder die Betreibung bereits fortgesetzt hat. Diesfalls wird die Betreibung ab diesem Zeitpunkt Dritten wieder zur Kenntnis gebracht.
Der Rechtsbehelf nach Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG hat den Zweck, Personen, die unrechtmässig betrieben werden, besser zu schützen und die Aussagekraft der Betreibungsauskunft inhaltlich zu verbessern. ¹5 Die betriebene Person soll auf einfachem und raschem Weg falsche Auskünfte verhindern bzw. den Zugang zu solchen Informationen begrenzen können, da die Bekanntgabe der Einträge im Betreibungsregister schwerwiegende persönliche und wirtschaftliche Auswirkungen für sie haben kann, so etwa bei der Stellen- und Wohnungssuche sowie der Kreditvergabe. ¹6 Zugleich ist zu berücksichtigen, dass Dritte unter Umständen ein gewichtiges Auskunftsinteresse an den Betreibungsdaten haben können. Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG soll der Interessenlage aller Beteiligten, das heisst insbesondere den Interessen der auskunftsersuchenden Dritten sowie dem Schutzbedürfnis des Schuldners, Rechnung tragen. Mögliche Fehlinterpretationen des Betreibungsregisters sollen eingedämmt und die Aussagekraft der Betreibungsauskunft inhaltlich verbessert werden. ¹7
Bei der Beurteilung des Gesuchs um Nichtbekanntgabe prüft das Betreibungsamt den materiellen Bestand der Forderung nicht. ¹8 Massgebend ist, ob der Gläubiger ein Gesuch um Beseitigung des Rechtsvorschlages (Rechtsöffnung) gestellt oder eine Anerkennungsklage eingereicht hat. Wird die Betreibung weiterverfolgt, besteht ein genügendes Interesse, die Betreibung bekanntzugeben. Wenn der Gläubiger demgegenüber nicht die notwendigen Anstrengungen trifft, um eine Forderung einzutreiben, soll zum Schutz des Schuldners auf die Bekanntgabe verzichtet werden. ¹9 Das Recht des Gläubigers, die Fortsetzung der Betreibung zu verlangen, erlischt nach Ablauf eines Jahres seit Zustellung des Zahlungsbefehls (Art. 88 Abs. 2 SchKG).
⁷ Siehe bereits Bericht vom 19. Februar 2015 der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates betreffend die parlamentarische Initiative Abate 09.530 «Löschung ungerechtfertigter Zahlungsbefehle», BBl 2015 3209 (Bericht RK-N), S. 3212 sowie die Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Juli 2015 zu dieser parlamentarischen Initiative (Stellungnahme BR), BBl 2015 5785 , S. 5786 f.
⁸ Siehe bereits Bericht RK-N, S. 3212; Stellungnahme BR, S. 5788; vgl. auch
Peter James T.
, Kommentar zu Art. 8 a SchKG, in: Staehelin Daniel / Bauer Thomas / Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 3. Aufl. 2021 (
Peter
, BSK), N 29 zu Art. 8 a SchKG.
⁹ Die pa. Iv. 09.530 kann abgerufen werden unter: www.parlament.ch > Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Eingabe der Geschäftsnummer 09.530). Angepasst wurden weiter die Artikel 73 und 85 a SchKG; siehe BBl 2016 8897 .
1⁰ Vgl. Votum Cramer, AB 2016 S 758 f.; Bericht RK-N, S. 3217; Stellungnahme BR, S. 5791;
Bernauer Christof
, Urteilsbesprechung zum Urteil des Bundesgerichts 5A_927/2020, in: AJP 2021, Heft 12, S. 1534 ff. (
Bernauer
, Urteilsbesprechung), S. 1534;
Peter
, BSK, N 47 zu Art. 8 a SchKG.
1¹ Siehe bereits Bericht RK-N, S. 3213 f.; Stellungnahme BR, S. 5789; vgl. auch
Peter
, BSK, N 47 zu Art. 8 a SchKG.
¹2 Bericht RK-N, S. 3214; Stellungnahme BR, S. 5789.
¹3 Siehe Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 5 vom 18. Oktober 2018, ergänzt am 19. Oktober 2021, zu Art. 8 a Abs. 3 Bst. d SchKG (Weisung Oberaufsicht), S. 2 und 4 ; BGE 147 III 486, E. 3. Die Weisung Oberaufsicht ist abrufbar auf der Website des Bundesamtes für Justiz unter: www.bj.admin.ch > Wirtschaft > Schuldbetreibung und Konkurs > Weisungen.
¹4 Weisung Oberaufsicht, S. 2.
¹5
Kren Kostkiewicz Jolanta
, Kommentar zu Art. 8 a SchKG, in: Kommentar Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz mit weiteren Erlassen, Orell Füssli Kommentar, 2020 (
Kren Kostkiewicz
, OFK), N 40 zu Art. 8 a SchKG;
Peter
, BSK, N 6 zu Art. 8 a SchKG.
¹6 Siehe Bericht RK-N, S. 3214 und 3217 .
¹7 Siehe BGE 147 III 486, E. 3.1; 141 III 68 , E. 2.6.1.1;
Kren Kostkiewicz
, OFK, N 3 zu Art. 8 a SchKG; vgl. z. B. auch Votum Caroni, AB 2016 S 760 f.
¹8 Bericht RK-N, S. 3217.
¹9 Vgl.
Rüetschi David
, neue Verfahren zur «Löschung» ungerechtfertigter Betreibungen, Plädoyer 2018, Heft 6, S. 42 ff. (
Rüetschi
, neue Verfahren), S. 44.
2.2 Rechtsprechung des Bundesgerichts
Seit Inkrafttreten des neuen Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG hat das Bundesgericht diese Bestimmung in zwei Leitentscheiden konkretisiert und zentrale Auslegungsfragen entschieden, 2⁰ die für die Einreichung der parlamentarischen Initiativen 22.400 und 22.401 ausschlaggebend waren.
In BGE 147 III 41 widmete sich das Bundesgericht der Frage, ob eine Betreibung Dritten gestützt auf Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d auch dann bekanntzugeben ist, wenn der Gläubiger ein Rechtsöffnungsverfahren eingeleitet hat, in diesem aber erfolglos blieb. Insbesondere gestützt auf den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der entsprechenden Gesetzesbestimmung gelangt das Gericht zum Schluss, dass die Einleitung eines Rechtsöffnungsverfahrens ausreichend sei, um die Betreibung für Dritte sichtbar zu machen. Dass der Gläubiger in diesem Verfahren obsiegen müsse, sei nicht erforderlich. Der Ausgang des Verfahrens sei für die Bekanntgabe irrelevant. Die massgebende und genügende Ernsthaftigkeit der jeweiligen Betreibung werde lediglich daran gemessen, ob der Gläubiger ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet hat. Nur diese Frage habe das Betreibungsamt zu prüfen (E. 3.3). Im Übrigen verweist das Gericht auf die Klagemöglichkeit nach Artikel 85 a SchKG, die (infolge einer Gesetzesänderung) nun ungeachtet eines allfälligen Rechtsvorschlages möglich sei und auch als Mittel der Registerbereinigung diene (E. 3.4.3).
In BGE 147 III 544 hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob die betriebene Person das Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung noch stellen kann, wenn die Jahresfrist für die Gültigkeit des Zahlungsbefehls gemäss Artikel 88 Absatz 2 SchKG abgelaufen ist bzw. dem Gläubiger kein Recht auf Fortsetzung der Betreibung mehr zusteht. Das Gericht gelangt zum Schluss, dass weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte von Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG oder die Klage nach Artikel 85 a SchKG den Schluss zulassen würden, dass der Schuldner nach Ablauf eines Jahres gestützt auf Artikel 88 Absatz 2 SchKG noch ein Gesuch auf Nichtbekanntgabe einer Betreibung stellen könne (E. 3.5). Die Möglichkeit des Gläubigers, nach Mitteilung des Gesuchs um Nichtbekanntgabe und die an ihn gerichtete Frist von 20 Tagen zum Nachweis seines Vorgehens nach Artikel 79-84 SchKG spiele für die Unterscheidung zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Betreibungen eine ausschlaggebende Rolle. Der Gläubiger könne nach Ablauf der Frist von Artikel 88 Absatz 2 SchKG gar nicht mehr reagieren, weshalb das Vorgehen nach Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG unter diesen Umständen nicht geeignet sei, um zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Betreibungen zu unterscheiden. Sei ein entsprechendes Vorgehen auf Seite des Gläubigers zur Unterscheidung nicht mehr möglich, liege der Schluss nahe, das Betreibungsregister als Informationsquelle über die Kreditwürdigkeit einer Person offen zu halten und insoweit den Interessen der betriebenen Person unverändert vorgehen zu lassen. Im Weiteren bezieht sich das Bundesgericht auch in diesem Entscheid auf Artikel 85 a SchKG und hält erneut fest, mit dieser Klagemöglichkeit habe der Schuldner ein weiteres Mittel, um sich vor ungerechtfertigten Betreibungen zu schützen, wobei dieses Mittel auch der Registerbereinigung diene (E. 3.4.6 und 3.4.7).
2⁰ Siehe neben BGE 147 III 41 und 147 III 544 z.B. auch BGE 147 III 486 sowie das Urteil des Bundesgerichts 5A_319/2020 vom 7. Mai 2020.
2.3 Problematik und Handlungsbedarf
Die dargelegte Rechtsprechung führt zu einer massgeblichen Einschränkung des Anwendungsbereichs von Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG und wurde in der Lehre auch mehrfach kritisiert. 2¹
2.3.1 Zur Bekanntgabe nach erfolglosem Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags
Das Verfahren nach Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG soll dem Schuldner auf einfache und rasche Weise ermöglichen, die Bekanntgabe ungerechtfertigter Betreibungen zu verhindern. Das soll auch die Aussagekraft des Betreibungsregisters verbessern (siehe Ziff. 2.1).
Das Bundesgericht hat in BGE 147 III 41 entschieden, dass ein Gesuch um Nichtbekanntgabe einer Betreibung auch dann nicht gutgeheissen wird, wenn der Betreibungsgläubiger im Rechtsöffnungsverfahren (Art. 80 ff. SchKG) unterliegt bzw. sein Begehren um Beseitigung des Rechtsvorschlags abgewiesen wird. Es reiche für die Bekanntgabe aus, dass der Gläubiger die Betreibung fortgesetzt hat, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens (siehe Ziff. 2.2). Diese Rechtsprechung führt zum stossenden Ergebnis, dass die Bekanntgabe auch dann erfolgt, wenn der Gläubiger bei der Fortsetzung der Betreibung scheitert, namentlich weil diese unbegründet ist bzw. die Forderung in entsprechendem Umfang nicht besteht. Dies läuft dem Zweck des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG, die Bekanntgabe von ungerechtfertigten Betreibungen zu verhindern, entgegen. Auch hat der Gesetzgeber eine solche Auslegung nicht beabsichtigt. Zwar soll sich die Prüfung des Gesuchs um Nichtbekanntgabe auf das Vorliegen formaler Voraussetzungen beschränken bzw. soll das Betreibungsamt selber den Bestand der Forderung nicht materiell überprüfen (vgl. Ziff. 2.1). Das bedeutet allerdings nicht, dass bei der Beurteilung des Gesuchs bereits erfolgte gerichtliche Entscheide über das Rechtsöffnungsgesuch oder eine Anerkennungsklage des Gläubigers unberücksichtigt bleiben. Ein solches Verständnis geht aus den parlamentarischen Debatten nicht hervor. 2² Vielmehr ist nicht nur aus dem passiven Verhalten des Betreibenden zu schliessen, dass die von ihm veranlasste Betreibung wahrscheinlich unbegründet ist. Auch dann, wenn der Betreibende im Verfahren um Fortsetzung der Betreibung scheitert, deutet dies auf eine ungerechtfertigte Betreibung hin.
Um den Schuldner vor der Bekanntgabe ungerechtfertigter Betreibungen hinreichend zu schützen und die Aussagekraft des Betreibungsregisters tatsächlich zu verbessern, sollte dem Gesuch des Schuldners nicht nur dann stattgegeben werden, wenn Betreibungen nicht fortgeführt werden, sondern auch dann, wenn die Fortsetzung gescheitert ist. ²3 Auch in diesem Fall überwiegt das Interesse des Schuldners an der Nichtbekanntgabe des Eintrags. Ein hinreichendes Auskunftsinteresse Dritter oder ein schützenswertes Interesse des Gläubigers, dass die Betreibung Dritten bekanntgegeben wird, ist unter diesen Umständen nicht auszumachen.
Zudem bietet Artikel 85 a SchKG der betriebenen Person keinen äquivalenten Schutz, da eine entsprechende Klage mit deutlich grösserem Aufwand und finanziellen Risiken verbunden ist. Mit der Einführung des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG sollte gerade dem Umstand entgegengewirkt werden, dass die betriebene Person bei ungerechtfertigter Betreibung in die Klägerrolle versetzt wird und mit den entsprechenden Hürden und Risiken eine Klage einreichen muss, wenn sie verhindern will, dass die Betreibung Dritten zur Kenntnis gebracht wird. Der gerichtliche Klageweg sollte der betriebenen Person gerade erspart werden. ²4
2² Siehe die Wortmeldungen im Parlament zur pa. Iv. 09.530, abrufbar unter:
www.parlament.ch
> Ratsbetrieb > Suche Curia Vista (Eingabe Geschäftsnummer 09.530) > Amtliches Bulletin.
²3 Vgl. auch
Peter
, Ausschluss, S. 109.
²4 Siehe Votum Cramer, AB 2016 S 758 f.; Bericht RK-N, S. 3213 f.; Stellungnahme BR, S. 5789.
2.3.2 Zur Gesuchseinreichung nach Ablauf der Jahresfrist zur Fortsetzung der Betreibung
In BGE 147 III 544 entschied das Bundesgericht, dass der Schuldner gestützt auf Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG kein Gesuch um Nichtbekanntgabe der Betreibung mehr stellen kann, sobald die Jahresfrist für die Gültigkeit des Zahlungsbefehls gemäss Artikel 88 Absatz 2 SchKG abgelaufen ist bzw. dem Gläubiger kein Recht auf Fortsetzung der Betreibung mehr zusteht.
Der Wortlaut der Bestimmung sieht eine solche Jahresfrist nicht vor. Auch entspricht es nicht dem parlamentarischen Willen, die Möglichkeit des Gesuchs um Nichtbekanntgabe auf ein Jahr seit Zustellung des Zahlungsbefehls zu beschränken. ²5 Zwar hat der Gläubiger nach Ablauf dieser Frist keine Möglichkeit mehr, die Betreibung fortzusetzen. Allerdings muss davon ausgegangen werden, dass der Gläubiger in diesem Fall auf die Fortsetzung der Betreibung verzichtet hat. Gerade für diesen Fall, in dem der Gläubiger untätig bliebt bzw. keine Anstalten zur Fortsetzung der Betreibung getroffen hat, wurde Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG geschaffen. ²6 Der Verzicht des Gläubigers, die Betreibung fortzuführen, spricht dafür, dass ihm hierfür das Interesse fehlt und die Betreibung möglicherweise nicht gerechtfertigt war. Jedenfalls kann er zu diesem Zeitpunkt die Betreibung nicht mehr durchsetzen. Ein Interesse an der Bekanntgabe einer solchen Betreibung ist nicht ersichtlich. ²7
Wird dem Schuldner ein Jahr nach Zustellung des Zahlungsbefehls verwehrt, die Nichtbekanntgabe einer Betreibung zu erwirken, obschon der Gläubiger keine Anstalten zur Fortsetzung der Betreibung getroffen hat, widerspricht dies dem Zweck des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG. Die Bestimmung soll der betriebenen Person ermöglichen, die Bekanntgabe ungerechtfertigter Betreibungen auf einfachem Weg zu verhindern. Um diesen Zweck zu erfüllen und damit auch die Aussagekraft des Betreibungsregisters zu stärken, darf diese Möglichkeit nicht nach einem Jahr seit Zustellung des Zahlungsbefehls enden. ²8
Das Bundesgericht misst dem Umstand, dass der Gläubiger nach Kenntnisnahme des Gesuchs infolge Ablaufs der Jahresfrist keine Möglichkeit mehr hat, ein Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlags einzuleiten, massgebende Bedeutung zu (siehe Ziff. 2.2). Die 20-tägige Frist für den Nachweis, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet wurde, hat aber nicht den Zweck, dem Gläubiger zu ermöglichen, in dieser Zeit die Betreibung noch fortzuführen. Zwar steht es dem Gläubiger frei, dies zu tun und damit die Bekanntgabe der Betreibung zu erwirken. Der Zweck dieser Frist besteht allerdings darin, dass der Gläubiger genügend Zeit hat, um den Nachweis eines entsprechenden Verfahrens zu erbringen. Um dem Gläubiger Zeit einzuräumen, die Betreibung vor der Möglichkeit der Nichtbekanntgabe voranzutreiben, wurde vielmehr die Wartefrist von drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls eingeführt (vgl. Ziff. 2.1). ²9
²5 Siehe
Peter
, Ausschluss, S. 110 f. mit weiteren Hinweisen.
²6 Siehe
Rüetschi
, neue Verfahren, S. 44.
²7
Bernauer
, Urteilsbesprechung, S. 1533.
²8 Vgl. auch
Peter
, BSK, N 49 zu Art. 8 a SchKG.
²9 Siehe
Peter
, Ausschluss, S. 110 f.; vgl. auch
Rüetschi
, neue Verfahren, S. 44.
2.3.3 Fazit
Die erwähnten Entscheide des Bundesgerichts entsprechen nach Ansicht der Kommission weder dem Zweck des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG noch dem parlamentarischen Willen bei Verabschiedung der betreffenden Bestimmung. Aus diesem Grund ist die Kommission der Meinung, dass diese Rechtsprechung durch den Gesetzgeber mit einer Anpassung des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG zu korrigieren und damit dem tatsächlichen parlamentarischen Willen zum Durchbruch zu verhelfen ist.
2¹ Kritisch z.B.
Bernauer,
Urteilsbesprechung;
Peter James T.
, Recht zum Ausschluss des Einsichtsrechts gestützt auf Art. 8 a Abs. 3 lit. d SchKG, in: ZZZ 2022, Heft 57, S. 103 ff. (
Peter
, Ausschluss);
Derselbe
, BSK, N 53 zu Art. 8 a SchKG; je mit weiteren Hinweisen; dem BGE 147 III 544 zustimmend demgegenüber
Engler Thomas
, Aus der neueren Zürcher Rechtsprechung zum SchKG, in: Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs 2021, Heft 3, S. 117 ff., S. 118; als den BGE 147 III 41 de lege lata überzeugend erachtend siehe
Schwander Ivo
, Urteilsbesprechung zum Urteil des BGer 5A_656/2019, in: ZZZ 2020, Heft 51, S. 280 ff., S. 282; differenziert in Bezug auf diesen Entscheid vgl.
Abbet Stéphane
, Urteilsbesprechung zum Urteil des BGer 5A_656/2019, in: Journal des tribunaux - Droit civil, poursuite pour dettes et faillites et procédure civile - Jurisprudence fédérale 2021, Heft 4, S. 136 ff., S. 143.
3 Grundzüge der Vorlage
Ausgehend vom vorgeschlagenen Wortlaut der beiden parlamentarischen Initiativen 22.400 und 22.401 werden zwei Anpassungen zu Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG vorgeschlagen:
-
Erstens soll klargestellt werden, dass - auf Gesuch der betriebenen Person hin - Betreibungen Dritten nicht mehr zur Kenntnis gebracht werden, wenn der Gläubiger zwar ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags eingeleitet hat, in diesem aber erfolglos blieb. Dazu soll explizit festgehalten sein, dass keine Bekanntgabe erfolgt, wenn das Gericht das Begehren des Gläubigers um Beseitigung des Rechtsvorschlags definitiv nicht gutheisst. Dabei wurde der Formulierungsvorschlag der parlamentarischen Initiative 22.401 gestützt auf redaktionelle und materielle Überlegungen leicht angepasst bzw. ergänzt.
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Zweitens soll klargestellt werden, dass die betriebene Person auch nach Ablauf der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 SchKG noch ein Gesuch um Nichtbekanntgabe stellen kann. Dazu soll die Bestimmung nicht nur den frühestmöglichen Zeitpunkt der Gesuchstellung (drei Monaten seit Zustellung des Zahlungsbefehls) festhalten, sondern neu auch explizit regeln, bis wann das Gesuch spätestens gestellt werden kann. Vorgeschlagen wird, auf den Zeitpunkt des Erlöschens des Einsichtsrechts Dritter nach Artikel 8 a Absatz 4 SchKG (fünf Jahre nach Abschluss des Betreibungsverfahrens) abzustellen. Damit kann die betriebene Person die Nichtbekanntgabe der Betreibung so lange erwirken, wie die Betreibung für Dritte einsehbar ist. Dieser Anknüpfungspunkt ist sinnvoll, da Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG der betriebenen Person ermöglichen soll, die Mitteilung einer ungerechtfertigten Betreibung auf einfachem Weg zu verhindern, und zwar unabhängig davon, wie viel Zeit seit der Zustellung des Zahlungsbefehls vergangen ist. Eine Betreibung, die ungerechtfertigt erhoben wird, bleibt auch dann ungerechtfertigt, wenn seit der Zustellung des Zahlungsbefehls bereits mehrere Jahre verstrichen sind.
Bewusst verzichtet wurde auf eine vollständige Neufassung bzw. Neuformulierung und -aufteilung des Artikels 8 a SchKG. Die vorgeschlagene Umsetzung der beiden Anliegen der parlamentarischen Initiativen beschränkt sich auf zwei Anpassungen in Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG. Auch die kurze Dauer des Bestehens von Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG spricht gegen eine komplette Neuformulierung der Bestimmung. Dennoch soll im Wortlaut redaktionell präzisiert werden, dass es um Betreibungen geht, gegen die der Schuldner Rechtsvorschlag erhoben hat, wie das bereits nach geltendem Recht gilt.
4 Erläuterungen der geänderten Bestimmung
Art. 8a Abs. 3 Bst. d
Zur Festlegung des spätestmöglichen Zeitpunkts der Gesuchstellung wird vorgeschlagen, die Möglichkeit des Gesuchs um Nichtbekanntgabe der Betreibung explizit auf die Dauer des Einsichtsrechts Dritter in Betreibungen zu befristen («vor Erlöschen des Einsichtsrechts Dritter ein entsprechendes Gesuch gestellt hat»). Gemäss Artikel 8 a Absatz 4 SchKG erlischt das Einsichtsrecht Dritter fünf Jahre nach Abschluss des Betreibungsverfahrens. Das bedeutet, dass Gesuche um Nichtbekanntgabe von Betreibungen, gegen die Rechtsvorschlag erhoben wurde, im Ergebnis mindestens während fünf Jahren nach Zustellung des Zahlungsbefehls gestellt werden können. Damit sind solche Gesuche und folglich auch die Bereinigung der Betreibungsregisterauszüge gegenüber der heutigen Rechtsprechung deutlich länger möglich. Mit dieser Lösung wird ein Gleichlauf zwischen der Dauer des Einsichtsrechts Dritter und der Möglichkeit des Gesuchs um Nichtbekanntgabe der Betreibung gewährleistet, womit am Zweck des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG angeknüpft wird. Der betriebenen Person steht damit bis zur Löschung des Eintrags die Möglichkeit offen, in einem einfachen, raschen und kostengünstigen Verfahren zu erwirken, dass eine Betreibung Dritten nicht bekanntgegeben wird. Insofern ist es sachgerecht, auf die Dauer des Einsichtsrechts abzustellen.
Im Weiteren wird vorgeschlagen, explizit zu regeln, dass keine Bekanntgabe erfolgt, wenn der Gläubiger zwar ein Verfahren um Beseitigung des Rechtsvorschlages eingeleitet hat, aber sein «Begehren um Beseitigung des Rechtsvorschlages definitiv nicht gutgeheissen wurde». Damit wird die Betreibung während der Dauer des Verfahrens zur Beseitigung des Rechtsvorschlags zwar weiterhin bekanntgegeben. Bleibt dieses Verfahren für den Gläubiger aber ohne Erfolg, ist einem Gesuch um Nichtbekanntgabe stattzugeben. Mit der vorgeschlagenen Formulierung (und insb. mit dem Begriff «Begehren») wird berücksichtigt, dass der Gläubiger die Beseitigung des Rechtsvorschlags nicht nur im Rahmen eines Gesuchs (Gesuch um provisorische oder definitive Rechtsöffnung), sondern auch im Rahmen einer Anerkennungsklage, die er entweder direkt oder im Anschluss an ein gescheitertes Rechtsöffnungsgesuch erhebt, beantragen kann. Im Weiteren erfasst die vorgeschlagene Formulierung («definitiv nicht gutgeheissen wurde») auch den Fall, dass ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags vom Gericht anderweitig als durch Nichteintreten oder Abweisung erledigt bzw. abgeschrieben wird, etwa weil der Gläubiger seine Klage oder sein Gesuch zurückzieht. In all diesen Fällen soll die betriebene Person erwirken können, dass die Mitteilung der betreffenden Betreibung unterbleibt. Der Begriff «definitiv» soll zweierlei zum Ausdruck bringen:
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Zum einen muss ein entsprechender Entscheid im Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags (Abweisungs-, Nichteintretens- oder Abschreibungsentscheid) in materielle Rechtskraft erwachsen sein, damit das Gesuch um Nichtbekanntgabe gutgeheissen wird.
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Zum anderen muss das Ersuchen des Gläubigers um Beseitigung des Rechtsvorschlags definitiv erledigt sein. Erhebt der Gläubiger nach erfolglosem Rechtsöffnungsverfahren eine Anerkennungsklage, leitet er erneut ein Verfahren zur Beseitigung des Rechtsvorschlags ein. In diesem Fall wird ein Gesuch um Nichtbekanntgabe abgewiesen. 3⁰ Erst wenn auch eine allfällige Anerkennungsklage im Anschluss an ein gescheitertes Rechtsöffnungsverfahren erfolglos ausgeht, kann die Mitteilung der Betreibung verhindert werden.
3⁰ Vgl. auch
Peter
, Ausschluss, S. 108;
Derselbe
, BSK, N 54 zu Art. 8 a SchKG.
5 Übergangsrecht
Auf eine besondere Übergangsbestimmung kann verzichtet werden, und damit kommen die allgemeinen Grundsätze von Artikel 1 Schlusstitel des Zivilgesetzbuches 3¹ zur Anwendung (unmittelbare Anwendbarkeit verfahrensrechtlicher Vorschriften). Die Änderung bezieht sich auf die Frage, unter welchen Umständen die Bekanntgabe einer Betreibung verweigert wird, nachdem der Schuldner beim Betreibungsamt ein entsprechendes Gesuch um Nichtbekanntgabe eingereicht hat. Abzustellen ist daher auf den Zeitpunkt der Gesuchseinreichung, auch wenn das Gesuch Betreibungen betrifft, die vor dem Inkrafttreten eingeleitet worden sind. 3² Die neue Bestimmung ist also auf Gesuche anwendbar, die ab dem Inkrafttreten beim Betreibungsamt eingereicht werden. Früher eingereichte Gesuche sind nach altem Recht zu beurteilen.
3¹ SR 210
3² Siehe auch Weisung Oberaufsicht, S. 6.
6 Auswirkungen
6.1 Auswirkungen auf den Bund
Die Vorlage hat keine besonderen Auswirkungen auf den Bund.
6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden
Die in Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG vorgeschlagene Ergänzung hinsichtlich der Dauer der möglichen Gesuchstellung führt dazu, dass betriebene Personen nicht nur (wie vom Bundesgericht vorgegeben) innert der Jahresfrist nach Artikel 88 Absatz 2 SchKG, sondern während mindestens fünf Jahren seit Zustellung des Zahlungsbefehls verhindern können, dass eine Betreibung Dritten zur Kenntnis gebracht wird. Das wird unter Umständen zu einer Zusatzbelastung der Betreibungsämter führen, wobei sich nicht vorhersehen lässt, wie viele zusätzliche Verfahren infolge dieser Änderung künftig angestrengt werden. Zu berücksichtigen ist, dass die Leistungen der Betreibungsämter kostenpflichtig sind, wobei die Gebühr für die Bearbeitung des Gesuchs pauschal 40 Franken beträgt (Art. 12 b Gebührenverordnung zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 23. September 1996 3³ ) und damit je nach Verfahrensaufwand die Kosten der Betreibungsämter bzw. der Kantone und Gemeinden nicht vollumfänglich gedeckt sind. Insofern könnten für die Kantone und Gemeinden Mehrkosten entstehen. Die andere Ergänzung des Artikels 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG (zur Nichtbekanntgabe bei erfolglosem Begehren um Beseitigung des Rechtsvorschlags) hat keine besonderen Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden.
3³ SR 281.35
6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Das Betreibungsregister dient unter anderem dazu, dass Dritte sich ein Bild davon machen können, ob eine Person finanzielle Schwierigkeiten hat. Wie die Kommission bereits im Bericht zur Parlamentarischen Initiative 09.530 festgehalten hat, ³4 ist diese Funktion von erheblicher volkswirtschaftlicher Bedeutung, weil sie verhindert, dass Kredite an solche Personen vergeben oder nutzlose Verfahren gegen sie eingeleitet werden. Zwar kann die Aussagekraft des Betreibungsregisterauszugs beeinträchtigt werden, wenn hängige Betreibungen Dritten nicht mehr mitgeteilt werden. Umgekehrt können ungerechtfertigte Betreibungen aber auch die Kreditwürdigkeit einer Person oder eines Unternehmens in ungerechtfertigter Weise schädigen und damit den Abschluss von Geschäften verhindern, die für die Volkswirtschaft von Nutzen wären. ³5 Die Kommission ist der Ansicht, dass die beiden vorgeschlagenen Anpassungen in Artikel 8 a Absatz 3 Buchstabe d SchKG dazu beitragen, die Bekanntgabe von ungerechtfertigten Betreibungen zu verhindern und damit die Aussagekraft der Betreibungsregister stärken, womit ein positiver Effekt auf die Volkswirtschaft verbunden ist.
³4 Bericht RK-N, S. 3221.
³5 Bericht RK-N, S. 3221.
Bundesrecht
Parlamentarische Initiativen. Keine Jahresfrist für die Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen. Möglichkeit der Nichtbekanntgabe von Betreibungseinträgen. Bericht der Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates
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