BBl 2024 1592
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Änderung des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes (Teilnahme der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren, Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen)

Botschaft zur Änderung des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes (Teilnahme der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren, Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen)
vom 7. Juni 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wird Ihnen, mit Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes ¹ .
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, den folgenden parlamentarischen Vorstoss abzuschreiben:
2021 M 19.4180 Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten (S 8.3.21, Lombardi; N 16.9.21)
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
7. Juni 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Diese Vorlage soll die Rolle der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren stärken. Sie sieht auch vor, dass bei Versicherten, deren Prämie vollständig von der öffentlichen Hand übernommen wird, die Rückerstattung von zu hohen Prämieneinnahmen den Kantonen gewährt wird.
Ausgangslage
Die Kantone sind wichtige Akteure im Prämiengenehmigungsverfahren, da sie die Kosten in ihrem jeweiligen Kantonsgebiet am besten einschätzen können. Deshalb können sie vor der Genehmigung der Prämien zu diesem Punkt Stellung nehmen. Nun fordern sie, stärker in das Verfahren einbezogen zu werden. Im Herbst 2019 wurde im Ständerat eine Motion eingereicht, die verlangt, dass die Rolle der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren gestärkt wird. Das Parlament hat die Motion im Herbst 2021 angenommen.
Das Krankenversicherungsaufsichtsgesetz ermöglicht den Versicherern einen Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen, wenn die Prämien in einem Kanton in einem Jahr deutlich über den Kosten lagen. Nach geltendem Recht erfolgt die Rückerstattung in jedem Fall an die Versicherten. Diese Regelung kann für die Kantone unbefriedigend sein, wenn die Prämie vollständig von der öffentlichen Hand übernommen wird.
Inhalt der Vorlage
Mit der Vorlage sollen einerseits die Kantone stärker in das Prämiengenehmigungsverfahren einbezogen werden. Bereits heute erhalten sie die Prämieneingaben, welche die Versicherer der Aufsichtsbehörde zur Genehmigung unterbreiten. Künftig sollen sie zusätzlich die Möglichkeit erhalten, dazu Stellung zu nehmen. Zum anderen enthält die Vorlage eine Änderung beim Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen: Bei Personen, deren Prämie vollumfänglich von der öffentlichen Hand übernommen wird, erfolgt die Rückerstattung an die Kantone.
Botschaft
¹ BBl 2024 1593

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1 Teilnahme der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren

Das Prämiengenehmigungsverfahren wurde mit dem Inkrafttreten des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes vom 26. September 2014 ² (KVAG) geändert. Gemäss Artikel 16 Absatz 6 KVAG können die Kantone vor Genehmigung des Prämientarifs zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten gegenüber den Versicherern und der Aufsichtsbehörde Stellung nehmen. Sie verfügen über das nötige Know-how und die erforderlichen Kenntnisse, um die Kostenschätzungen für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet zu überprüfen. Sie können die Kosten auch beeinflussen, da sie unter anderem für die Spitalplanung und die Genehmigung bestimmter Tarife zuständig sind (Art. 46 Abs. 4 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 ³ über die Krankenversicherung [KVG]).
Damit sich die Kantone zu den Kosten äussern können, gibt ihnen das Bundesamt für Gesundheit (BAG) jedes Jahr alle benötigten Unterlagen und Informationen ab. Darunter befinden sich die umfassenden Kostendaten, die Stammdaten der Versicherer, alle Prämien des Folgejahres für ihr Hoheitsgebiet, die mittleren Prämien des Kantons nach Region und Altersgruppe, die kantonale Erfolgsrechnung, die detaillierten Versichertenbestände aller Kantone, eine Übersicht über die Reserven der Versicherer für die ganze Schweiz und die provisorischen Mutationen der Versicherer. ⁴ Nur die Schätzungen der Versicherer zum Verhältnis zwischen Kosten und Prämien für das folgende Jahr werden nicht an die Kantone weitergegeben.
Seit dem Inkrafttreten des KVAG können sich die Kantone jedoch nicht mehr direkt zu den Prämientarifen selbst äussern. Sie sind aber der Ansicht, dass die Kostenanalyse untrennbar mit der Prämienbemessung verbunden ist, da letztere eine direkte Folge davon ist und das Schlüsselelement der Gesundheitsausgaben darstellt. Sie haben Kompetenzen in diesem Bereich entwickelt und möchten diese im Interesse ihrer Bevölkerung nutzen dürfen. Auf der Grundlage unvollständiger Informationen ist es für sie zudem schwierig, angemessene Beobachtungen zu den Kosten und Prämien zu formulieren.
Die Kantone fordern mehr Rechte im Prämiengenehmigungsverfahren. Sechs Kantone haben zu diesem Zweck gleichlautende Standesinitiativen eingereicht:
-
Tessin (20.300) «Verfahren zur Genehmigung der Krankenversicherungsprämien. Umfassende Information der Kantone zur Ermöglichung einer zweckdienlichen Stellungnahme»;
-
Genf (20.304) «Verfahren zur Genehmigung der Krankenversicherungsprämien. Umfassende Information der Kantone zur Ermöglichung einer zweckdienlichen Stellungnahme»;
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Jura (20.330) «Stärkerer Einbezug der Kantone bei der Genehmigung der Prämientarife»;
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Freiburg (20.333) «Den Kantonen mehr Mitspracherecht»;
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Neuenburg (21.300) «Mehr Mitsprache für die Kantone»;
-
Waadt (21.323) «Mehr Mitsprache für die Kantone».
Diese sechs Standesinitiativen vertreten dasselbe Anliegen wie die Motion 19.4180 Lombardi (übernommen von Beat Rieder) «Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten». Da das Parlament diese angenommen hat, hat es beschlossen, den Standesinitiativen keine Folge zu geben.
² SR 832.12
³ SR 832.10
⁴ Für eine vollständigere Liste siehe Erklärungen von Bundesrat Alain Berset im Ständerat im Jahr 2021 (AB SR 2021 125 ).

1.1.2 Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen

Den Materialen zufolge ⁵ wurde der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen in das Gesetz aufgenommen, um eine Wiederholung der Situation zu verhindern, die zu einer Korrektur der zwischen 1996 und 2013 eingenommenen Prämien nach den ehemaligen Artikeln 106-106 c KVG ⁶ geführt hat. Dieses Instrument soll das Gleichgewicht zwischen Prämien und Kosten wiederherstellen (Art. 17 Abs. 2 KVAG). Der Gesetzgeber hat vorgesehen, dass der Rückvergütungsbetrag auch dann an die Versicherten ausbezahlt wird, wenn sie selbst ihre Prämien nicht voll bezahlen. Die Kantone verlangen eine Ausnahme von diesem Grundsatz bei Personen, deren Prämien vollständig von der öffentlichen Hand übernommen werden. Sie sind der Ansicht, dass in diesen Fällen die Kantone und nicht die Versicherten vom Ausgleich profitieren sollen.
⁵ Egerszegi-Obrist AB SR 2013 209 , Berset AB NR 2013 2031, Moret AB NR 2014 1360
⁶ AS 2014 2463

1.2 Verhältnis zur Legislaturplanung und zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 29. Januar 2020 ⁷ zur Legislaturplanung 2019-2023 noch im Bundesbeschluss vom 21. September 2020-2023 ⁸ über die Legislaturplanung 2019 angekündigt. Sie ist mit der vom Bundesrat am 6. Dezember 2019 verabschiedeten Strategie «Gesundheit2030» ⁹ vereinbar.
⁷ BBl 2020 1777
⁸ BBl 2020 8385
⁹ Die Strategie ist abrufbar unter: www.bag.admin.ch
> Strategie & Politik > Gesundheit2030 > Gesundheitspolitische Strategie des Bundesrats 2020-2030.

1.3 Erledigung eines parlamentarischen Vorstosses

Der Bundesrat beantragt die Abschreibung der Motion 19.4180 Lombardi (übernommen von Beat Rieder) «Wiederherstellung der Transparenz bei den Gesundheitskosten». Diese Vorlage entspricht vollumfänglich den mit der Motion verfolgten Zielen.

2 Ergebnisse der Vernehmlassung

Am 24. Mai 2023 eröffnete der Bundesrat die Vernehmlassung zum Vorentwurf. Sie endete am 14. September 2023. 1⁰
Alle Kantone sprachen sich für den Vorentwurf aus, wobei sie Anpassungen forderten. Auch die stellungnehmenden politischen Parteien (5) unterstützten den Vorentwurf mit Ausnahme einer Partei, die Vorbehalte bezüglich der Stärkung der Rolle der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren anbrachte. Die Meinungen der Versicherer waren geteilt: Einer der beiden Dachverbände stimmte dem Vorentwurf als Ganzem zu, der andere Dachverband und ein Versicherer lehnten ihn ab. Der einzige Wirtschaftsdachverband, der eine Stellungnahme abgab, begrüsste den Vorentwurf als Ganzen.
In den Stellungnahmen wurden vor allem drei Punkte hervorgehoben:
Streichung der Möglichkeit für die Kantone, sich gegenüber den Versicherern zu äussern
Der Bundesrat hat im Vorentwurf die Möglichkeit der Kantone, zu den für ihren Kanton geschätzten Kosten direkt gegenüber den Versicherern Stellung zu nehmen, gestrichen, mit der Begründung, dass die Kantone in der Vergangenheit davon keinen Gebrauch gemacht hätten und es die Aufgabe des BAG sei, den Informationsfluss zwischen den verschiedenen Akteuren zu koordinieren. 23 Kantone lehnen diese Änderung ab. Der Bundesrat nimmt ihre Haltung zur Kenntnis und verzichtet darauf, das Gesetz in diesem Punkt zu ändern.
Kreis der Versicherten, für welche die Kantone den Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen erhalten
Gemäss dem Vorentwurf erhalten die Kantone die Rückvergütung für die Versicherten, wenn deren Prämie vollständig von der öffentlichen Hand übernommen wird. In der Vernehmlassung verlangten 24 Kantone, dass sie die Rückvergütung für alle Versicherten erhalten, die eine (auch teilweise) Prämienverbilligung erhalten, und zwar bis zur Höhe des Betrags, den die öffentliche Hand entrichtet. Diese Forderung ist jedoch nicht mit den Grundsätzen der Prämienverbilligung (Art. 65 KVG, vgl. Ziff. 5 unten) vereinbar. Der Bundesrat hält daher an der Regelung des Vorentwurfs fest.
Einbezug der Ergänzungsleistungen
Gemäss dem Vorentwurf erhalten die Kantone die Rückvergütung nur für die Versicherten, deren Prämie durch die Prämienverbilligung nach Artikel 65 KVG gedeckt ist. 24 Kantone beantragten, dass sie auch den Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen für Versicherte mit Ergänzungsleistungen erhalten sollen. Der Bundesrat kommt diesem Antrag mit der Vorlage nach.
1⁰ Die Vernehmlassungsunterlagen sind abrufbar unter www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2023 > EDI > 2023/27.

3 Vergleich mit dem ausländischen, insbesondere europäischen Recht

Das Sozialversicherungsrecht der Europäischen Union (EU) sieht keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die Mitgliedstaaten können weitgehend selbst über die Struktur, den persönlichen Geltungsbereich, die Finanzierungsmodalitäten und die Organisation ihrer Sozialversicherungssysteme bestimmen. Dabei müssen sie aber die in den Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 1¹ und Nr. 987/2009 ¹2 vorgeschriebenen Grundsätze zur Koordinierung, wie das Diskriminierungsverbot, die Berücksichtigung der Versicherungszeiträume und die Erbringung von grenzüberschreitenden Leistungen, einhalten.
1¹ Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 166 vom 30.4.2004, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2019/1149, ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 21.
¹2 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, ABl. L 284 vom 30.10.2009, S. 1, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2017/492, ABl. L 76 vom 22.3.2017, S. 13

4 Grundzüge der Vorlage

4.1 Beantragte Neuregelung

Die Vorlage bezweckt in erster Linie, die Beteiligung der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren zu stärken. Sie sollen alle Informationen und Unterlagen erhalten, die sie benötigen, um zur Kostenschätzung und auch zu den Prämieneingaben der Versicherer für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet Stellung nehmen zu können. Zusätzlich enthält die Vorlage eine Änderung der Regelung zum Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen. Sie sieht vor, dass der Rückvergütungsbetrag den Kantonen gewährt wird, wenn die Prämie der versicherten Person vollumfänglich von der öffentlichen Hand übernommen wird.

4.2 Umsetzung

Die Stärkung der Rolle der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren kann umgesetzt werden, ohne dass der Bundesrat die neue Bestimmung in der Verordnung präzisieren muss. Das BAG informiert die Kantone jeweils im Frühjahr in einem ausführlichen Schreiben über den Verfahrensablauf, die ihnen zugestellten Unterlagen und die Fristen für die einzelnen Schritte. Dieses Schreiben wird ergänzt, sobald die Gesetzesänderung in Kraft getreten ist.
Die Umsetzung der neuen Regelung zum Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen erfolgt in der Verordnung (Art. 17 Abs. 4 KVAG).

5 Erläuterung zu den einzelnen Bestimmungen

Art. 16 Abs. 6
Nach geltendem Recht können die Kantone im Rahmen des Prämiengenehmigungsverfahrens zur Kostenschätzung Stellung nehmen. Ihre Stellungnahme ist sehr wichtig, da sie über die besten Kenntnisse verfügen, um die Kostenschätzungen, die ihr Hoheitsgebiet betreffen, zu überprüfen. Diese Bestimmung wird dahingehend ergänzt, dass die Kantone auch zu den von den Versicherern für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet vorgesehenen Prämientarifen Stellung nehmen können. Sie erhalten folglich die Prämieneingaben, welche die Versicherer dem BAG zur Genehmigung vorlegen. Um ihre Gesundheitspolitik gestalten zu können, haben sie ein Interesse daran, über die Schätzungen der Versicherer bezüglich der Kostenentwicklung und die daraus resultierenden Prämienerhöhungen Bescheid zu wissen. Sie müssen auch überprüfen können, ob die Prognosen der Versicherer mit ihren eigenen übereinstimmen, da sie einen Teil der Prämienverbilligungen finanzieren.
Art. 18
Artikel 18 wird neu in drei Absätze aufgeteilt.
Abs. 1
Absatz 1 entspricht dem ersten Satz von Artikel 18 des geltenden Rechts.
Abs. 2
Gemäss geltendem Recht wird der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen in jedem Fall der versicherten Person gewährt. Ab 2020 haben einige Kantone beantragt, dass die Rückvergütung nicht an die versicherte Person, sondern an sie ausgerichtet wird, wenn die Prämie der versicherten Person vollständig durch die Prämienverbilligung gedeckt ist. Der Bundesrat hat diesen Antrag geprüft. In den Fällen, in denen die Kantone die gesamte Prämie finanziert haben, erachtet er ihn als berechtigt und angemessen.
In der Vernehmlassung haben die Kantone verlangt, dass der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen in allen Fällen, in denen eine versicherte Person eine Verbilligung erhält, auch wenn nur ein Teil der Prämie verbilligt wird, bis zur Höhe des vom Kanton übernommenen Prämienbetrags an die Kantone erfolgen soll.
Diese Forderung hat einen Einfluss auf die Höhe des Beitrags des Kantons an der Prämienzahlung und kann zu einer Ungleichbehandlung führen. Für die folgende beispielhafte Darstellung werden zwei vergleichbare Versicherte angenommen: Sie gehören derselben Altersgruppe an, leben in derselben Prämienregion und haben die gleiche Franchise gewählt. Weiter wird angenommen, dass ihre wirtschaftlichen Verhältnisse gleich sind. Person 1 ist bei einem Versicherer versichert, bei dem ein Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen in Höhe von 100 Franken für ein bestimmtes Jahr ausgerichtet wird. Person 2 ist bei einem Versicherer versichert, der keinen Ausgleich vornimmt.
Vorschlag des Bundesrates:
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Person 1 Person 2
Genehmigte Jahresprämie 4200 4100
Individuelle Prämienverbilligung (für ein Jahr) 1800 1800
Rückvergütung (an die versicherte Person) 100 0
Von der versicherten Person effektiv bezahlter Betrag 2300 2300
Vom Kanton effektiv ausgerichteter Beitrag 1800 1800
Vorschlag der Kantone:
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Person 1 Person 2
Genehmigte Jahresprämie 4200 4100
Individuelle Prämienverbilligung (für ein Jahr) 1800 1800
Rückvergütung (an den Kanton) 100 0
Von der versicherten Person effektiv bezahlter Betrag 2400 2300
Vom Kanton effektiv ausgerichteter Beitrag 1700 1800
Mit dem Vorschlag des Bundesrates beteiligt sich der Kanton in gleichem Umfang (1800 Fr.) an der Bezahlung der Prämie der Versicherten 1 und 2. Mit dem Vorschlag der Kantone übernimmt der Kanton hingegen einen tieferen Betrag der Prämie beim Versicherten 1 (1700 Fr.) als beim Versicherten 2 (1800 Fr.).
Gemäss Artikel 65 Absatz 1 KVG ist die Prämienverbilligung jedoch allein an die wirtschaftlichen Verhältnisse der versicherten Person gebunden. Der Antrag der Kantone ist daher nicht mit dem Zweck von Artikel 65 KVG vereinbar. Die bisher an die Versicherten jährlich ausgerichteten Rückvergütungen belaufen sich im Übrigen auf weniger als 600 Franken. In der Regel liegen sie zwischen 50 und 250 Franken und sind damit in den allermeisten Fällen tiefer als die jährliche Prämienverbilligung, die durchschnittlich rund 2400 Franken beträgt. Die Forderung der Kantone hätte demnach zur Folge, dass der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen bei fast allen Versicherten mit Prämienverbilligung zugunsten des Kantons ausgerichtet würde.
Die Kantone haben ferner beantragt, dass ihnen die Rückvergütung für Versicherte gewährt wird, die Ergänzungsleistungen nach dem Bundesgesetz vom 6. Oktober 2006 ¹3 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung (ELG) beziehen. Die Kantone beteiligen sich ebenfalls an der Finanzierung der Ergänzungsleistungen. Es ist daher folgerichtig, die Situation der Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen gleich zu behandeln wie diejenige der Versicherten, die eine Prämienverbilligung erhalten. Der Kanton erhält demnach die Rückvergütung, wenn die Prämie der versicherten Person vollständig durch den Betrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d ELG gedeckt ist.
Werden also die Prämien der Versicherten während eines ganzen Jahres vollständig von der öffentlichen Hand übernommen, so erhalten die Kantone den Ausgleich der zu hohen Prämieneinnahmen. Dies ist der Fall bei Bezügerinnen und Bezügern von Ergänzungsleistungen, deren tatsächliche Prämie tiefer oder gleich hoch ist wie die kantonale oder regionale Durchschnittsprämie, sowie bei Versicherten, deren Prämie vollumfänglich durch die Prämienverbilligung finanziert wird. Für die übrigen Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen, also Personen, die die Differenz zwischen ihrer tatsächlichen Prämie und der Durchschnittsprämie selbst bezahlen, sowie für die übrigen Versicherten mit Prämienverbilligung (d. h. Versicherte, die einen Teil ihrer Prämien selber bezahlen, weil sie entweder nur eine Teilverbilligung erhalten oder weil ihnen die volle Verbilligung nicht während des ganzen Jahres gewährt wurde) gilt hingegen der Grundsatz von Artikel 18 Absatz 1 E-KVAG: Die Rückvergütung wird vollständig an die Versicherten ausbezahlt.
Die Einführung einer anteiligen Berechnung wäre kompliziert und könnte zu Ungleichbehandlungen führen. Bei einer rückwirkenden Korrektur der Prämienverbilligung oder der Ergänzungsleistungen wird es Sache der Kantone sein, die Rückvergütung an die Berechtigten zurückzuerstatten. Umgekehrt können die Kantone bei einer Korrektur zuungunsten der Versicherten darauf verzichten, die zu Unrecht gewährte Rückerstattung von den Versicherten zurückzufordern.
Aus den oben genannten Gründen hält der Bundesrat an der im Vorentwurf vorgesehenen Voraussetzung für die Rückerstattung an den Kanton fest, wonach die Prämie der versicherten Person vollständig von der öffentlichen Hand übernommen werden muss.
Der Kanton, in dem die versicherte Person am 1. Januar des Jahres ihren Wohnsitz hatte, für das der Prämienausgleich erfolgt, verbilligt die Prämien für das ganze Kalenderjahr, auch wenn die versicherte Person den Kanton unterjährig wechselt (Art. 8 Abs. 1 der Verordnung vom 7. November 2007 ¹4 über den Bundesbeitrag zur Prämienverbilligung in der Krankenversicherung [VPVK]). Bei den Ergänzungsleistungen gilt hingegen eine andere Regelung: Da der Kanton zuständig ist, sobald die versicherte Person auf seinem Gebiet Wohnsitz genommen hat, werden Kantonswechsel während des Jahres berücksichtigt (Art. 21 Abs. 1 ELG, Art. 54 a Abs. 4 der Verordnung vom 15. Januar 1971 ¹5 über Ergänzungsleistungen zur Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung [ELV]). Eine einheitliche Regelung für die Rückerstattung der Rückvergütung ist daher notwendig. Damit wird verhindert, dass sich die Umsetzung des Ausgleichs zu hoher Prämieneinnahmen als zu kompliziert erweist.
Die Auszahlung der Rückvergütung erfolgt an den Kanton, in dem die versicherte Person am 1. Januar des Jahres, für das die Prämien ausgeglichen werden, ihren Wohnsitz hatte, und zwar auch, wenn nicht dieser Kanton die Prämie der versicherten Person für das ganze Jahr finanziert hat. Die Kantone erhalten somit den Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen anstelle der Versicherten, die Ergänzungsleistungen beziehen und am 1. Januar des Jahres in ihrem Hoheitsgebiet wohnhaft waren, auch wenn diese später den Kanton gewechselt haben. Die Zu- und Abgänge dieser Versicherten im Laufe des Jahres sollten sich zwischen den Kantonen ausgleichen.
Der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen entspricht einem Betrag, der zur Deckung der Ausgaben der sozialen Krankenversicherung nicht erforderlich war. Er fällt somit nicht unter Artikel 5 Buchstabe f KVAG. Sowohl die Versicherten (Art. 18 Abs. 1 E-KVAG) als auch die Kantone (Art. 18 Abs. 2 E-KVAG) können ihn somit für andere Zwecke einsetzen und die Kantone sind nicht verpflichtet, ihn für die Prämienverbilligung zu verwenden.
Abs. 3
Der Ausgleich erfolgt im Folgejahr des Jahres, in dem zu hohe Prämien eingenommen wurden (Art. 17 Abs. 1 KVAG). Die Umsetzung der Gesetzesänderung setzt keinen neuen Datenaustausch zwischen Kantonen und Versicherern voraus. Die Kantone kennen im Bereich der Ergänzungsleistungen die tatsächliche Prämie, die der vom BAG genehmigten Prämie für den Krankenversicherer, den Kanton, die Prämienregion, die Altersgruppe, die Franchise, die Versicherungsform und die Unfalldeckung entspricht (Art. 16 d ELV). Diese Prämie wird ihnen im Rahmen des Datenaustauschs für die Prämienverbilligung gemeldet (Art. 54 a Abs. 5bis ELV; Art. 5 Abs. 1 Bst. e der Verordnung des EDI vom 13. November 2012 ¹6 über den Datenaustausch für die Prämienverbilligung). Die Kantone können anhand dieser Angaben den Kreis der Versicherten eruieren, für die sie auf den Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen Anspruch haben. Dieser Prozess soll auch im Bereich der Prämienverbilligung nach dem KVG Anwendung finden. Zudem kennen die Kantone den Betrag der Rückvergütung, denn die Verfügung des BAG wird ihnen zugestellt (Art. 32 Abs. 2 der Krankenversicherungsaufsichtsverordnung vom 18. November 2015 ¹7 [KVAV]). Aufgrund dieser Informationen sind sie in der Lage, den Gesamtbetrag der Rückvergütungen zu berechnen, auf den sie Anspruch haben.
Auch die Krankenversicherer kennen den Kreis der Versicherten, deren Prämie vollständig von der öffentlichen Hand übernommen wird, da die Prämienverbilligung und der Betrag für die obligatorische Krankenpflegeversicherung nach Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d ELG direkt den Krankenversicherern ausgezahlt werden (Art. 65 Abs. 1 KVG; Art. 21 a Abs. 1 ELG). Sie können somit den Gesamtbetrag der Rückvergütungen berechnen, den sie den Kantonen überweisen müssen.
Nach Artikel 33 Absatz 2 KVAV teilt der Versicherer den Versicherten den Betrag der Rückvergütung mit. Sämtliche Versicherten müssen darüber informiert werden, auch diejenigen, die keinen Anspruch auf die Rückvergütung haben, weil ihre Prämie vollständig von der öffentlichen Hand übernommen wird. Der Versicherer muss sicherstellen, dass die Information alle betroffenen Versicherten erreicht. Aus diesem Grund reicht eine Veröffentlichung in der Zeitschrift des Versicherers nicht aus, da diese ja nicht mehr erhält, wer inzwischen den Versicherer gewechselt hat.
¹3 SR 831.30
¹4 SR 832.112.4
¹5 SR 831.301
¹6 SR 832.102.2
¹7 SR 832.121

6 Auswirkungen

6.1 Auswirkungen auf den Bund

6.1.1 Finanzielle Auswirkungen

Die vorgesehenen Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Bundesfinanzen. Der Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen wird schon bei der Berechnung der Bundesbeiträge durch den vorgenommenen Abzug berücksichtigt (Art. 3 Abs. 4bis VPVK).

6.1.2 Personelle Auswirkungen

Die Umsetzung der Gesetzesänderung führt zu einem Mehraufwand für die Aufsichtsbehörde, der mit den bestehenden Ressourcen bewältigt werden kann.

6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Mit dieser Vorlage erhalten die Kantone mehr Kompetenzen im Prämiengenehmigungsverfahren. Sie profitieren zudem anstelle der Versicherten, deren Prämien vollumfänglich von der öffentlichen Hand übernommen werden, vom Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen.
Wie in Ziffer 6.1.1 dargelegt, wird der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen bei der Berechnung der Bundesbeiträge an die Prämienverbilligung berücksichtigt. Die Rückerstattungen, welche die Kantone erhalten, ändern nichts am Betrag, den sie für die Prämienverbilligung bereitstellen müssen, auch wenn sie die Möglichkeit haben, die erhaltenen Rückerstattungen dafür einzusetzen. Die vorliegende Änderung hat auch keine Auswirkungen auf die Ergänzungsleistungen. Bezügerinnen und Bezüger von Ergänzungsleistungen haben nämlich Anspruch auf den vollen Betrag der Durchschnittsprämie nach Artikel 10 Absatz 3 Buchstabe d ELG oder der tatsächlichen Prämie, wenn diese tiefer ist als die Durchschnittsprämie. Der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen fliesst weder in die Berechnung der Durchschnittsprämie noch der tatsächlichen Prämie nach Artikel 16 d ELV ein.

6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die Vorlage hat keine signifikanten volkswirtschaftlichen Auswirkungen. Der Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen ist ein fakultatives Instrument, und es ist nicht im Voraus absehbar, wie viele Versicherer darauf zurückgreifen und wie hoch die rückerstatteten Beträge und damit die Rückvergütungen an die Kantone sein werden.

6.4 Auswirkungen auf die Krankenversicherung

Die Vorlage hat keine besonderen Auswirkungen auf die Krankenversicherung.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Gemäss Artikel 117 Absatz 1 der Bundesverfassung (BV) ¹8 hat der Bund die Kompetenz, Vorschriften über die Krankenversicherung zu erlassen.
¹8 SR 101

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

Die vorgeschlagenen Änderungen müssen mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere mit den Verpflichtungen aus dem Abkommen vom 21. Juni 1999 ¹9 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits über die Freizügigkeit (FZA) sowie aus dem Übereinkommen vom 4. Januar 1960 2⁰ zur Errichtung der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) vereinbar sein. Anhang II zum FZA und Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen führen dazu aus, dass in der Schweiz im Verhältnis zu den EU- oder EFTA-Staaten das europäische Koordinationsrecht der EU betreffend die Systeme der sozialen Sicherheit, zum Beispiel die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 2¹ sowie die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 2² , gestützt auf Artikel 95 a KVG, anwendbar ist. Wie in Ziffer 3 dieser Botschaft dargelegt, sieht dieses Recht keine Harmonisierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vor. Die vorgeschlagenen Änderungen müssen auch mit den internationalen Verpflichtungen aus dem Abkommen vom 9. September 2021 ²³ zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland vereinbar sein.
Der vorliegende Entwurf regelt das Prämiengenehmigungsverfahren und das System des Ausgleichs zu hoher Prämieneinnahmen. Weder das FZA noch das EFTA-Übereinkommen oder das Abkommen zur Koordinierung der sozialen Sicherheit zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Vereinigten Königreich von Grossbritannien und Nordirland sehen jedoch Normen über die Modalitäten der Finanzierung der Systeme der sozialen Sicherheit vor. Darüber hinaus verstösst der Entwurf nicht gegen die Koordinierungsgrundsätze, die sich aus diesen Abkommen ergeben, wie Gleichbehandlung, Bestimmung des anwendbaren Rechts, Berücksichtigung von Versicherungszeiträumen und Wahrung erworbener Rechte. Die vorgeschlagenen Änderungen sind daher mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz vereinbar.
¹9 SR 0.142.112.681
2⁰ SR 0.632.31
2¹ Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der für die Schweiz nach Anhang II zum FZA jeweils verbindlichen Fassung (eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.1 ) sowie in der für die Schweiz gemäss Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen jeweils verbindlichen Fassung..
2² Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, in der für die Schweiz nach Anhang II zum FZA jeweils verbindlichen Fassung (eine unverbindliche, konsolidierte Fassung dieser Verordnung ist veröffentlicht in SR 0.831.109.268.11 ) sowie in der für die Schweiz gemäss Anhang K Anlage 2 zum EFTA-Übereinkommen jeweils verbindlichen Fassung.
²3 SR 0.831.109.367.2

7.3 Erlassform

Die Vorlage enthält wichtige rechtsetzende Bestimmungen nach Artikel 164 Absatz 1 BV, denn sie betrifft die Rechte der Kantone im Prämiengenehmigungsverfahren. Sie ist daher in der Form eines dem fakultativen Referendum unterstehenden Bundesgesetzes zu erlassen.

7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Die Vorlage sieht weder Subventionen noch Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen vor, die neue einmalige Ausgaben von mehr als 20 Millionen Franken oder neue wiederkehrende Ausgaben von mehr als 2 Millionen Franken nach sich ziehen. Sie untersteht daher nicht der Ausgabenbremse.

7.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Das geltende Recht sieht bereits eine Delegation an den Bundesrat vor: Dieser erlässt die notwendigen Ausführungsbestimmungen zum Ausgleich zu hoher Prämieneinnahmen (Art. 17 Abs. 4 KVAG).
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Krankenversicherungsaufsichtsgesetzes (Teilnahme der Kantone am Prämiengenehmigungsverfahren, Ausgleich von zu hohen Prämieneinnahmen)
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