BBl 2024 2173
CH - Bundesblatt

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und Online-Versteigerung)

Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und Online-Versteigerung)
vom 14. August 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft unterbreiten wir Ihnen, mit dem Antrag auf Zustimmung, den Entwurf einer Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und On-line-Versteigerung).
Gleichzeitig beantragen wir Ihnen, die folgenden parlamentarischen Vorstösse abzuschreiben:
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2019 M 16.3335 Missbrauch von Betreibungsregisterauszügen stoppen (N 26. 9.2017, Candinas; S 19.6.2019)
2020 M 19.3694 Elektronische Aufbewahrung der Verlustscheine (N 27. 9.2019, Fiala; S 09.6.2020; N 16.12.2020)
2021 M 20.4035 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Elektronische Übertragung der Verlustscheine (N 18.12.2020, Fiala; S 31.5.2021)
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
14. August 2024 Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi
Übersicht
Bereits heute wird ein grosser Teil der Betreibungsverfahren auf elektronischem Weg abgewickelt. Mit der vorliegenden Revision sollen die gesetzlichen Grundlagen geschaffen werden, um die Möglichkeiten der Digitalisierung im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen noch besser nutzen zu können. Mit diesen Änderungsvorschlägen werden verschiedene parlamentarische Vorstösse erfüllt.
Ausgangslage
Die Einführung digitaler Prozesse im Schuldbetreibungs- und Konkurswesen brachte in den letzten Jahren bereits erhebliche Erleichterungen und Effizienzgewinne: So ermöglicht das Projekt eSchKG seit 2007 den elektronischen Datenaustausch zwischen betreibenden Gläubigern und den Betreibungsämtern; über die Hälfte der schweizweit mehr als 2,5 Millionen Betreibungen werden derzeit bereits elektronisch abgewickelt. Heute bestehen weitere technische Möglichkeiten, die Verfahren weiter zu verbessern.
Inhalt der Vorlage
Der Entwurf schlägt vor, dass die Betreibungsämter bei der Ausstellung einer Betreibungsauskunft eine Abklärung des Meldeortes der Person, über welche die Auskunft ausgestellt wird, vornehmen müssen. Die betreffenden Angaben sind dann auf der Betreibungsauskunft zu vermerken. Damit wird die Aussagekraft der Betreibungsauskunft für die Gläubiger unmittelbar erheblich verbessert. Davon unabhängig kann in einem nächsten Schritt eine schweizweite Betreibungsauskunft geschaffen werden, indem auf der Grundlage einer systematischen Verwendung von AHV-Nummer bzw. Unternehmens-Identifikationsnummer (UID) ein schweizweiter Austausch von Betreibungsdaten über eine Online-Plattform erfolgen würde.
Sodann sollen Zustellungen in bestimmten Fällen standardmässig elektronisch erfolgen, und es soll ein Anspruch des Empfängers auf elektronische Zustellung geschaffen werden. Damit sollen insbesondere die Verbreitung elektronischer Verlustscheine in der Praxis gefördert und Unsicherheiten im geltenden Recht beseitigt werden. Durch den Wegfall des Medienbruchs entstehen erhebliche Kosteneinsparungen bei den Betreibungsämtern und den Gläubigerinnen und Gläubigern. Einem Anliegen der Vernehmlassung folgend soll die Grundlage dafür geschaffen werden, dass mit dem Einverständnis der oder des Betriebenen im Einzelfall auch eine elektronische Zustellung von Zahlungsbefehlen möglich wird, sofern eine erste Zustellung gescheitert ist.
Schliesslich soll die Versteigerung über eine Online-Plattform als Verwertungsart von beweglichen Vermögensstücken ausdrücklich im Gesetz geregelt werden. Wegen ihrer Effizienz und der Möglichkeit, ein grösseres Publikum zu erreichen, verspricht die Online-Versteigerung gerade bei Alltagsgegenständen einen höheren Verwertungserlös.
Zusätzlich zu diesen Anpassungen werden weitere kleinere Anpassungen im Gesetz vorgeschlagen. So sollen eine gesetzliche Grundlage für Vorgaben betreffend das Betreibungsbegehren auf dem Verordnungsweg geschaffen, die Regelung des Arrestvollzugs präzisiert und Barzahlungen an das Betreibungsamt in Zukunft auf 100 000 Franken beschränkt werden.
Mit diesen Vorschlägen werden mehrere parlamentarische Vorstösse (Motionen 16.3335 Candinas, 19.3694 Fiala und 20.4035 Fiala) erfüllt.
Botschaft

1 Ausgangslage

1.1 Handlungsbedarf und Ziele

1.1.1 Übersicht

Das Betreibungswesen ist heute bereits stark digitalisiert. So hat insbesondere die Einführung von e-SchKG seit 2007 dazu geführt, dass die Kommunikation zwischen den betreibenden Gläubigern und den Betreibungsämtern heute in grossem Masse auf elektronischem Weg abgewickelt wird. Damit wurde der wichtigste Schritt im Hinblick auf die Digitalisierung des Betreibungswesens bereits vollzogen. Gleichwohl besteht weiteres Verbesserungspotenzial. Betroffen sind im Wesentlichen drei Bereiche:
1.
Bei der Betreibungsregisterauskunft soll eine Überprüfung des bei der Einwohnerkontrolle gemeldeten Wohnortes durch das Betreibungsamt erfolgen, was erst angesichts der Digitalisierung der Daten und der Vernetzung der Behörden schnell und einfach möglich ist. Mit der Aufnahme der betreffenden Angaben kann die Aussagekraft der Betreibungsauskunft erheblich verbessert werden. Damit soll das Anliegen der Motion 16.3335 Candinas «Missbrauch von Betreibungsregisterauszügen stoppen» umgesetzt werden. Aus Sicht des Bundesrates handelt es sich dabei um einen kurzfristen Zwischenschritt hin zu einer möglichst vollständigen und damit noch aussagekräftigeren, weil schweizweiten Betreibungsauskunft. Damit dies jedoch erreicht werden kann, sind sowohl weitere Massnahmen als auch weitere Rechtsänderungen notwendig, die der Bundesrat grundsätzlich unterstützt.
2.
Die elektronische Zustellung soll teilweise neu geregelt werden. Die Parteien sollen neu einen Anspruch auf elektronische Zustellung haben und in gewissen Fällen soll von Amtes wegen eine elektronische Zustellung erfolgen. Damit soll insbesondere die Verbreitung von elektronischen Verlustscheinen gefördert werden. Auch wenn die elektronische Zustellung namentlich von Verlustscheinen bereits heute möglich ist, werden in der Praxis meist noch Papierurkunden ausgestellt, was unnötige Kosten verursacht. Auf diese Weise werden die zwei Motionen 19.3694 Fiala «Elektronische Aufbewahrung der Verlustscheine» und 20.4035 Fiala «Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Elektronische Übertragung der Verlustscheine» umgesetzt. Für die Zustellung von sogenannten Betreibungsurkunden (Artikel 64-66 des Bundesgesetzes vom 11. April 1889 ¹ über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]) bestehen gegenüber den allgemeinen Zustellregeln spezielle Vorschriften. Die vorgeschlagenen Änderungen beziehen sich grundsätzlich nicht direkt auf diesen Bereich. Für den Zahlungsbefehl (Art. 69 ff. SchKG) im Besonderen werden jedoch einerseits die Möglichkeit der ausnahmsweisen elektronischen Zustellung im Einverständnis des Betriebenen nach erfolglosem ersten Zustellungsversuch und andererseits zur elektronischen Zustellung des Gläubigerdoppels vorgeschlagen. Damit wird für diesen wichtigen Anwendungsbereich einem grossen Bedürfnis der Praxis entsprochen.
3.
Die Verwertung von schuldnerischen Vermögenswerten soll zukünftig gestützt auf eine klare gesetzliche Grundlage auch über Online-Plattformen erfolgen können. Während das Zwangsvollstreckungsrecht derzeit primär die Versteigerung unter physisch Anwesenden vorsieht, hat sich im übrigen Geschäftsverkehr und gerade unter Privaten in den letzten Jahren die Möglichkeit von Online-Versteigerungen etabliert. Es erscheint sinnvoll, diese Möglichkeit auch für Verwertungen im Bereich des SchKG zu öffnen.
Schliesslich werden im Rahmen dieser Revision drei weitere Gesetzesanpassungen vorgeschlagen. So sollen eine gesetzliche Grundlage für Vorgaben betreffend das Betreibungsbegehren auf dem Verordnungsweg geschaffen, die Regelung des Arrestvollzugs präzisiert und Barzahlungen an das Betreibungsamt in Zukunft auf 100 000 Franken beschränkt werden (siehe dazu hinten Ziff. 1.1.5, 1.1.6 und 1.1.7).
¹ SR 281.1

1.1.2 Wohnsitzüberprüfung bei der Betreibungsauskunft

Der Auskunft aus dem Betreibungsregister kommt heute in verschiedenen Bereichen eine erhebliche Bedeutung zu, so insbesondere bei der Miete einer Wohnung, aber beispielsweise auch im Versandhandel - dies, obwohl sie eigentlich nur sehr beschränkt geeignet ist, die finanzielle Situation und das Zahlungsverhalten einer Person darzustellen. Das Betreibungsregister ist kein Register, welches über die Bonität der Bevölkerung umfassend Auskunft geben kann, denn es enthält ausschliesslich die Angaben über die vor dem betroffenen Amt durchgeführten Betreibungshandlungen. Durch jede Betreibung gegen einen neuen Schuldner wird das Betreibungsregister des zuständigen Amtes entsprechend erweitert. Eine Betreibungsauskunft ist deswegen kein «klassischer» Registerauszug, wie beispielsweise ein Auszug aus dem Grundbuch oder dem Handelsregister, sondern sie entspricht eher einer Akteneinsicht. Dementsprechend sieht das Gesetz nur ein Einsichtsrecht vor (vgl. Art. 8 a SchKG), definiert die sogenannte «Betreibungsauskunft» aber nicht. ²
Daher erhält eine Person mit schlechtem Zahlungsverhalten von jedem Betreibungsamt, vor welchem diese Person noch nie betrieben wurde, eine leere Betreibungsauskunft. Da sich der ordentliche Betreibungsort am Wohnsitz einer Person (Art. 46 Abs. 1 SchKG) befindet, werden die meisten Betreibungen beim Betreibungsamt, das für den Wohnsitzort zuständig ist, angehoben, und sind folglich auch bei diesem Betreibungsamt in den Protokollen und Registern verzeichnet. Insofern ist es - wie dies die Motion 16.3335 Candinas «Missbrauch von Betreibungsregisterauszügen stoppen» voraussetzt - von praktischer Bedeutung, ob ein Schuldner seinen Wohnsitz im Betreibungskreis des Amtes hat, von welchem eine Betreibungsauskunft über ihn vorliegt. Allerdings hat eine solche Wohnsitzabklärung nur eine beschränkte Aussagekraft; dies gilt auch für eine entsprechende Betreibungsauskunft, deren Aussagekraft nur graduell erhöht wird, aber auch in Zukunft nicht abschliessend sein kann (dies gilt insbesondere nach einem in den letzten fünf Jahren erfolgten Umzug des Schuldners; siehe dazu hinten Ziff. 4.1.1). Trotz Wohnsitzabklärung ist deswegen stets damit zu rechnen, dass der betreffende Schuldner in der Vergangenheit allenfalls betrieben worden ist. Mit der vorgeschlagenen Umsetzung der Motion 16.3335 wird aber zumindest eine nicht unerhebliche graduelle Steigerung der Aussagekraft angestrebt, die kurzfristig und ohne weiteres umgesetzt werden kann.
Die Thematik der Betreibungsauskünfte und dabei insbesondere der Umstand, dass sich heute eine Person teilweise eine Betreibungsauskunft einholen kann, ohne im betreffenden Betreibungskreis Wohnsitz zu haben und so trotz Betreibung in der Vergangenheit eine leere Betreibungsauskunft erlangen kann, bildete in den letzten Jahren Gegenstand verschiedener parlamentarischer Vorstösse:
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Am 28. September 2012 wurde das Postulat 12.3957 Candinas «Dem Schuldnertourismus einen Riegel schieben» eingereicht, das in der Folge vom Nationalrat überwiesen wurde. Der Bundesrat hat in Erfüllung dieses Postulats den Bericht «Schweizweite Betreibungsauskunft» ³ vom 4. Juli 2018 erstellt. Darin hat er aufgezeigt, dass es zurzeit nicht möglich ist, die Betreibungsdaten schweizweit zu vernetzen und so einen schweizweiten Betreibungsregisterauszug zu schaffen.
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Am 10. März 2016 wurde im Nationalrat die parlamentarische Initiative 16.405 Hess «Vernetzung sämtlicher Betreibungsregister» eingereicht, welcher im Ständerat aber schliesslich keine Folge gegeben wurde. ⁴
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Am 27. April 2016 wurde die Motion 16.3335 Candinas «Missbrauch von Betreibungsregisterauszügen stoppen» eingereicht. Die Motion verlangt, dass die gesetzlichen Grundlagen dahingehend angepasst werden, dass Betreibungsämter vor der Ausstellung eines Betreibungsregisterauszugs zwingend eine Wohnsitzüberprüfung vornehmen müssen. Der Bundesrat hat mit Stellungnahme vom 29. Juni 2016 zunächst die Ablehnung der Motion beantragt. In der Fragestunde vom 3. Dezember 2018 in der Antwort auf die Frage 18.5640 Candinas «Betreibungsregisterauszüge. Wie wird nun der Missbrauch gestoppt?» hat er sich dann aber gestützt auf die in seinem Bericht «Schweizweite Betreibungsauskunft» vom 4. Juli 2018 gewonnen Erkenntnisse für die Annahme der Motion im Sinne einer Überprüfung des bei der Einwohnerkontrolle gemeldeten Wohnortes ausgesprochen. ⁵ Der Nationalrat hat die Motion am 26. September 2017 ⁶ und der Ständerat am 19. Juni 2019 ⁷ angenommen. Die mit dem vorliegenden Entwurf vorgeschlagene Lösung setzt diese Motion um.
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Am 27. September 2019 wurde die Motion 19.4338 Candinas «Einführung eines schweizweit vollständigen Betreibungsregisterauszuges» eingereicht. Die Motion verlangt, dass bei einem Wechsel des einwohnerrechtlichen Meldeorts die Betreibungsdaten vom alten auf den neuen Wohnort übertragen werden. Der Bundesrat hat ursprünglich die Ablehnung der Motion empfohlen, da sie zu einem erheblichen administrativen Zusatzaufwand bei den Betreibungsämtern und gleichwohl zu lückenhaften Ergebnissen führen würde. Die Motion wurde vom Nationalrat am 30. September 2021 ⁸ angenommen.
Spätestens seit Anfang 2023 wird die Idee eines schweizweiten Betreibungsauszugs im Rahmen eines entsprechenden von der Organisation «Digitale Verwaltung Schweiz» (DVS) finanzierten Innovationsprojekts «BRA.CH» geprüft; sie wird gestützt auf eine Machbarkeitsstudie weiter konkretisiert und im Hinblick auf eine mögliche baldige Initialisierung weiter vorangetrieben (siehe dazu nachfolgend unter Ziff. 1.2.2).
² Der sog. «einfache Betreibungsregisterauszug», das heisst eine Zusammenstellung aller gegen eine bestimmte Person durchgeführten Betreibungen, ist lediglich in der Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 4 aus dem Jahr 2016 definiert. Daneben sind aber viele weitere Auskünfte denkbar und relevant, bspw. eine Übersicht über alle Konkursforderungen oder Einsicht in die Forderungsbelege der anderen Gläubiger.
³
www.parlament.ch
> Ratsbetrieb > Suche Curia Vista > 12.3957 > Bericht in Erfüllung des parlamentarischen Vorstosses
⁴ AB 2020 S 592
⁵ AB 2018 N 1899
⁶ AB 2017 N 1587
⁷ AB 2019 S 548
⁸ AB 2021 N 2025

1.1.3 Elektronische Zustellungen

Die vorgeschlagene Änderung der allgemeinen Zustellregeln geht auf zwei parlamentarische Vorstösse zum elektronischen Verlustschein zurück:
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Am 19. Juni 2019 wurde die Motion 19.3694 Fiala «Elektronische Aufbewahrung der Verlustscheine» eingereicht. Der Bundesrat hat am 21. August 2019 die Annahme der Motion beantragt. Der Nationalrat hat die Motion am 27. September 2019 angenommen. ⁹ Der Ständerat hat die Motion am 9. Juni 2020 mit einer Änderung angenommen 1⁰ , und der Nationalrat hat die geänderte Motion schliesslich am 16. Dezember 2020 angenommen. 1¹ In der geänderten Fassung verlangt sie, die gesetzlichen Grundlagen so anzupassen, dass die Verlustscheine auch elektronisch aufbewahrt werden können und dadurch ihre rechtliche Gültigkeit behalten.
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Am 21. September 2020 wurde die Motion 20.4035 Fiala «Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Elektronische Übertragung der Verlustscheine» eingereicht. Die Motion verlangt eine Änderung der gesetzlichen Grundlagen, damit die Verlustscheine elektronisch übertragen werden können. Der Bundesrat hat mit Stellungnahme vom 18. November 2020 die Annahme der Motion beantragt. Der Nationalrat hat die Motion am 18. Dezember 2020 ¹2 und der Ständerat am 31. Mai 2021 ¹3 angenommen.
Auch wenn Verlustscheine bereits nach geltendem Recht elektronisch ausgestellt, aufbewahrt und übertragen werden können, hat der Bundesrat die beiden Motionen zur Annahme beantragt: In der Praxis bestehen bei den Betreibungsämtern offenbar erhebliche Unsicherheiten, die mit einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung beseitigt werden sollen.
Verlustscheine werden heute in der Regel als Papierurkunden aus- und zugestellt. ¹4 Beim Verlustschein handelt es sich nicht um eine Betreibungsurkunde, welche daher auch nicht nach den Artikeln 64-66 SchKG zugestellt werden muss. Eine elektronische Zustellung wäre deswegen gemäss Artikel 34 Absatz 2 SchKG mit dem Einverständnis oder auf Verlangen der Gläubigerin oder des Gläubigers möglich, wobei der Verlustschein mit einer elektronischen Signatur gemäss dem Bundesgesetz vom 18. März 2016 ¹5 über die elektronische Signatur (ZertES) zu versehen wäre.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts muss der Zahlungsbefehl einem anderen als dem ausstellenden Amt im Original vorgelegt werden, da er sich nur beim ausstellenden Amt im Betreibungsbuch verzeichnet findet, welches, wie auch der Original-Zahlungsbefehl, ebenfalls eine öffentliche Urkunde ist. ¹6 Diese Rechtsprechung dürfte auch für den Verlustschein gelten. ¹7 Offenbar hat sie und namentlich der verwendete Begriff der «Originalurkunde» bei gewissen Betreibungsämtern zu Unklarheiten geführt, sodass diese offenbar davon ausgehen, nur eine Papierurkunde entgegennehmen zu dürfen. Wegen dieser Ungewissheit hat sich die elektronische Ausstellung von Verlustscheinen bis heute nicht grossflächig durchgesetzt. Nach Ansicht des Bundesrates stünde einer elektronischen Ausstellung von Verlustscheinen aufgrund des erwähnten Artikel 34 Absatz 2 SchKG nichts entgegen, und eine Entgegennahme solcher wäre nach Massgabe von Artikel 33 a SchKG zulässig. Freilich stellt streng genommen jede Vervielfältigung einer elektronischen Urkunde eine Kopie dar. Daher sollte auch die erwähnte Rechtsprechung nicht ohne weiteres übertragen werden: In der elektronischen Welt ist die Herstellung beliebig vieler identischer Duplikate einer Datei ohnehin möglich. Deswegen muss vielmehr massgeblich sein, ob die Integrität der Datei gewahrt bleibt, das heisst, dass etwaige Manipulationen der Datei zuverlässig bemerkt werden können. Dies ist durch das Erfordernis der elektronischen Signatur nach ZertES bei der Ausstellung eines elektronischen Verlustscheins bereits heute gewährleistet. Gleichwohl hat sich die Praxis diesbezüglich bis heute sehr zurückhaltend gezeigt. Für Grossgläubiger (wie z.B. Krankenkassen oder Inkassounternehmen) stellt jedoch die Verwendung von elektronischen Verlustscheinen insbesondere hinsichtlich der Aufbewahrung und Archivierung eine erhebliche Erleichterung dar, sodass Handlungsbedarf für eine gesetzliche Klarstellung besteht.
Was die vorgeschlagene Möglichkeit der freiwilligen elektronischen Zustellung des Zahlungsbefehls betrifft, so entspricht dies einem grossen praktischen Bedürfnis sowohl der Betreibungsämter als gerade auch der Schuldner. Die Regeln zur Zustellung von Betreibungsurkunden (Art. 64-66 SchKG) und des Zahlungsbefehls (Art. 72 SchKG) dienen neben Beweiszwecken auch dem Schutz der betriebenen Person, indem durch diese qualifizierte Form der Zustellung sichergestellt werden soll, dass die betriebene Person vom Zahlungsbefehl Kenntnis nimmt und auf der Stelle und ohne Begründung Rechtsvorschlag erheben kann. ¹8 Die mehrmalige versuchte Zustellung beziehungsweise die Entgegennahme oder Abholung von Zahlungsbefehlen kann allerdings bei Personen, welche häufig betrieben werden, zu einem erheblichen administrativen Aufwand für das Betreibungsamt und die betriebene Person führen.
⁹ AB 2019 N 1933
1⁰ AB 2020 S 447
1¹ AB 2020 N 2594
¹2 AB 2020 N 2691
¹3 AB 2021 S 363
¹4 Vgl. Art. 149 Abs. 1 SchKG; die Zustellung als Papierurkunde wird von Art. 34 Abs. 1 SchKG vorausgesetzt und ergibt sich auch aus Art. 34 Abs. 2 SchKG e contrario .
¹5 Bundesgesetz über die elektronische Signatur, SR 943.03 .
¹6 BGE 128 III 380 E. 1.2.; 53 III 64 .
¹7 Der Verlustschein ist im Übrigen auch im im fraglichen Bundesgerichtsentscheid erwähnten Formular Nr. 4 der Dienststelle Oberaufsicht SchKG aufgeführt.
¹8 Vgl. BGE 120 III 117 E. 2b; 116 III 8 E. 1a.

1.1.4 Online-Versteigerung

Im Rechtsverkehr unter Privaten erfreuen sich Online-Marktplätze, auf welchen Online-Versteigerungen durchgeführt werden können, seit längerer Zeit grosser Beliebtheit. Transaktionen können bequem und kostengünstig durchgeführt werden, und es wird ein grosses Publikum angesprochen. Dies hat dazu geführt, dass sich auf den Online-Marktplätzen, die eine kritische Grösse überschritten haben, vergleichsweise gute Preise erzielen lassen. Für das Betreibungswesen ist dies von Bedeutung, weil die Verwertung von Fahrnis auf dem Wege der amtlichen Versteigerung nach Abzug der Kosten für die Durchführung der Verwertung oft nur einen verhältnismässig geringen Erlös einbringt beziehungsweise einbringen würde. ¹9 Freilich besteht bei besonders wertvollen Gegenständen wie Schmuck, Kunstsammlungen oder teuren Fahrzeugen die Möglichkeit, einen einbringlicheren Verwertungsmodus zu wählen (z.B. eine Versteigerung durch ein spezialisiertes Auktionshaus 2⁰ oder einen Freihandverkauf nach Art. 130 SchKG). Es ist jedoch in hohem Masse wünschenswert, dass auch andere Gegenstände in der betreibungsrechtlichen Verwertung einen nennenswerten Erlös erzielen würden und das Verwertungssubstrat so vergrössert werden könnte. Das Betreibungsamt ist denn auch verpflichtet, die Verwertung so zu organisieren, dass ein möglichst hoher Erlös erzielt wird. 2¹ Deswegen führen bereits heute verschiedene Betreibungsämter Online-Versteigerungen über bewegliche Vermögenswertendurch, wobei sich einige den bekannten kommerziellen Online-Plattformen bedienen, andere dagegen eigene Plattformen betreiben. 2²
Das SchKG sieht die Online-Versteigerung heute jedoch nicht ausdrücklich als Verwertungsform vor. Die Online-Versteigerung wird vom Gesetz zwar auch nicht ausgeschlossen, es ist aber umstritten, ob und in welchem Rahmen diese unter geltendem Recht zulässig ist. Problematisch ist bei der Versteigerung über eine bestehende private Online-Plattform die Natur des Rechtsgeschäfts, denn die Übertragung des Vermögensgegenstandes im Rahmen der Verwertung ist - auch wenn ein Freihandverkauf erfolgt - ein staatlicher Hoheitsakt, welcher mit amtlicher Verfügung des Betreibungsamtes erfolgt. ²3 Dies erlaubt es, den Zuschlag oder den Abschluss des Freihandverkaufs mit betreibungsrechtlicher Beschwerde anzufechten (vgl. Art. 132 a SchKG). Die Rechtsnatur wie auch die Besonderheiten der Zwangsversteigerung schliessen eine sinngemässe Anwendung der allgemeinen obligationenrechtlichen Regeln über das Zustandekommen eines Vertrags demgegenüber aus. ²4 In den allgemeinen Geschäftsbedingungen der heute bestehenden privaten Online-Auktionsplattformen ist jedoch das Zustandekommen eines privatrechtlichen Vertrages vorgesehen, und die Benutzer der Plattformen haben in der Regel diesen Geschäftsbedingungen vorgängig zuzustimmen. ²5 Dass ein Betreibungsamt im Zuge der Benützung einer solchen vorbestehenden privaten Plattform deren allgemeinen Geschäftsbedingungen durch eigene Steigerungsbedingungen derogieren und so eine Übertragung des Vermögensgegenstandes mit amtlicher Verfügung vornehmen könnte, wird in der Lehre mit guten Gründen verneint. ²6 Schon die Natur des Rechtsgeschäfts steht also einer Zwangsversteigerung oder einem Freihandverkauf über eine übliche Online-Plattform entgegen. Dieser Umstand hat nicht bloss akademische, sondern grosse praktische Bedeutung, da ein privates Rechtsgeschäft in der Regel bloss von den beteiligten Parteien angefochten werden kann (bspw. wegen Willensmängeln oder im Zusammenhang mit der Auslegung des Vertragsinhalts), nicht jedoch von Dritten, wie zum Beispiel vom Schuldner oder von den Gläubigern, deren Interessen durch die Verwertung direkt betroffen sind. Abgesehen davon wären auch der Versteigerungsmodus dieser Plattformen und die in den allgemeinen Geschäftsbedingungen zumeist vorgesehenen Pflichten und Erfüllungsmodalitäten sowie die vertraglichen Gewährleistungsansprüche unvereinbar mit dem durch das öffentliche Recht geregelten Verfahren der Zwangsversteigerung. ²7 Lehre und Rechtsprechung erachten allerdings eine Übertragung der Verwertung auf Privatpersonen (und in der Folge den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrags durch diese Privatpersonen) gestützt auf die Bestimmungen des Freihandverkaufs unter gewissen Voraussetzungen als zulässig. ²8 Daraus wird der Schluss gezogen, dass auch das Betreibungsamt selber ein privates Rechtsgeschäft zur Verwertung eines Gegenstandes abschliessen könne und somit eine Versteigerung über eine der heute bestehenden Online-Plattformen unter gewissen Voraussetzungen zulässig sei; dabei sei aber das Vorgehen wie bei einem Freihandverkauf zu beachten. ²9 Wesentliche Voraussetzung für ein solches Vorgehen ist demnach die Aussicht, dass auf dem Wege einer Online-Versteigerung ein höherer Verwertungserlös zu erwarten ist als durch eine andere Verwertungsart. 3⁰ In der Spezialexekution erfordert ein Vorgehen wie bei einem Freihandverkauf im Allgemeinen die Zustimmung sämtlicher Beteiligter (Art. 130 Ziff. 1 SchKG), während in der Generalexekution ein Beschluss der Gläubigerversammlung erforderlich ist (Art. 256 Abs. 1 SchKG), wobei etwaige Pfandgläubiger gesondert zuzustimmen haben (Art. 256 Abs. 2 SchKG). Das Vorgehen für eine Online-Versteigerung über eine kommerzielle Plattform ist somit umständlich, was gerade deswegen nachteilig ist, weil die Online-Versteigerung auch bei weniger wertvollen Gegenständen oft die bevorzugte Verwertungsart wäre.
Im Lichte dieser Rechtslage wurde angesichts der pandemiebedingten Einschränkungen bei der Durchführung von Versteigerungen mit der Covid-19-Verordnung Justiz und Verfahrensrecht vom 25. September 2020 3¹ in ihrem Artikel 9 die Möglichkeit der Online-Versteigerung ausdrücklich vorgesehen. Diese Bestimmung stützte sich allerdings zuerst auf Notrecht, später auf das Covid-19-Gesetz vom 25. September 2020 3² und war deshalb befristet bis zum 31. Dezember 2021. 3³ Die Betreibungsämter, die von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, haben aber offenbar durchwegs positive Erfahrungen mit der Online-Versteigerung gemacht. weshalb auch eine Verlängerung der Regelung gewünscht wurde. ³4
Obwohl die Online-Versteigerung im Rahmen der Verwertung also bereits heute teilweise Realität ist, besteht mangels gesetzlicher Grundlage und bundesgerichtlicher Rechtsprechung erhebliche Unsicherheit über ihre grundsätzliche Zulässigkeit sowie über die Modalitäten. Ziel der vorgeschlagenen Änderungen ist mithin die Schaffung einer klaren rechtlichen Grundlage und die Klärung der Modalitäten. Insbesondere soll das Vorgehen dafür gegenüber heute vereinfacht werden, damit die Betreibungsämter die unter der Covid-19-Verordnung Justiz und Verfahrensrecht eingeleitete Verwertungspraxis weiterführen können.
¹9 Ist von Vornherein anzunehmen, dass der Überschuss des Verwertungserlöses eines Gegenstandes über die Verwertungskosten so gering wäre, dass sich eine Wegnahme nicht rechtfertigt, so darf gar nicht erst eine Pfändung erfolgen (Art. 92 Abs. 2 SchKG). Ausserdem soll betreffend einen Vermögensgegenstand keine Verwertung stattfinden, wenn die Verwertungskosten durch den Erlös nicht gedeckt würden (BGE 83 III 131 E. 3).
2⁰ Vgl. dazu BGE 105 III 67 E. 2, ebenso 115 III 52 E. 3.
2¹ Vgl. bspw. BGE 136 III 490 E. 4.6; 128 III 339 E. 4c/aa u. 5.a; 87 III 111 3b.
2² So bspw. das Betreibungsamt Zürich 5 oder die Betreibungs- und Konkursämter des Kantons Bern sowie Waadt.
²3 BGE 106 III 79 E. 4; vgl. auch 128 III 198 E. 3; 131 III 237 E. 2.2.
²4 Vgl. BGE 128 III 198 E. 3a.
²5 Staible Dominic , Die Online-Auktion als alternative Verwertungsmassnahme im schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Zürich/St. Gallen 2010 (Diss. Basel 2010) (zit. Staible , Online-Auktion), S. 90 ff.; ders. , Verwertung von Vollstreckungssubstrat durch Betreibungs- und Konkursämter über private Auktionsplattformen im Internet, in: Blätter für Schuldbetreibung und Konkurs (BlSchK) 2012, S. 81 ff. (zit. Staible , Verwertung), S. 85.
²6 Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 101 ff.; ders ., Verwertung (Fn. 25), S. 86.
²7 Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 162; ders ., Verwertung (Fn. 25), S. 85 f.; was den Versteigerungsmodus betrifft, ist insbesondere an das Erfordernis des dreimaligen Aufrufs des höchsten Angebots nach Art. 126 Abs. 1 SchKG zu denken, was auf privaten Plattformen heute in der Regel nicht umgesetzt werden kann.
²8 Das Bundesgericht erachtet dies bei der Verwertung von wertvollen Kunstgegenständen auf dem Wege der Versteigerung durch spezialisierte Auktionshäuser nicht als ohne weiteres bundesrechtswidrig: BGE 115 III 52 E. 3a; 105 III 67 E. 2; Amonn Kurt / Walther Fridolin , Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 9. Aufl. Bern 2013, § 26 N 15 und § 47 N 2; Gilliéron Pierre-Robert , Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour dettes et la faillite, Articles 1-88 (vol. I), Lausanne 1999, Articles 89-158 (vol. II), Lausanne 2000, Articles 159-270 (vol. III), Lausanne 2001 und Articles 271-352 (vol. IV), Lausanne 2003, Art. 125 N 13; Lorandi Franco , Der Freihandverkauf im schweizerischen Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, Bern/Stuttgart/Wien 1994 (Diss. St. Gallen 1994), S. 126 f.; ders ., Die Durchführung der Verwertung in der Zwangsvollstreckung durch Privatpersonen, Aktuelle Juristische Praxis (AJP) 2000, 846 ff., S. 849; Roth Jürg , Kommentar zu Art. 125-132 a SchKG, in: Staehelin Daniel / Bauer Thomas / Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I. Art. 1-158 SchKG, 3. Aufl. Basel 2021, Art. 126 N 25; vgl. auch die weiteren Hinweise in Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 67 und in ders. , Verwertung (Fn. 25), S. 87 f.
²9 Schlegel Roger / Zopfi Markus , Kommentar zu Art. 96-105, 122 -143 b SchKG, in: Kren Kostkiewicz Jolanta / Vock Dominik (Hrsg.), Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, 4. Aufl. Zürich 2017, Art. 130 N 19 f.; Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 108 ff.; ders ., Verwertung (Fn. 25), S. 87 ff.; Roth (Fn. 28), Art. 126 N 50.
3⁰ Schlegel/Zopfi (Fn. 29), Art. 130 N 19; Staible , Verwertung (Fn. 25), S. 89; Roth (Fn. 28), Art. 126 N 50.
3¹ Verordnung über Massnahmen in der Justiz und im Verfahrensrecht im Zusammenhang mit dem Coronavirus vom 16. April 2020, SR 272.81 .
3² SR 818.102
3³ Artikel 10 Absatz 4 der Covid-19-Verordnung Justiz und Verfahrensrecht.
³4 Vgl. dazu Stellungnahmen in der Konsultation vom 30. September 2021 zum Entwurf der Botschaft zur Änderung des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung einzelner Bestimmungen), abrufbar unter www.bk.admin.ch > Dokumentation > Gesetzgebung > Verlängerung Covid-19-Gesetz.

1.1.5 Vorgaben an Betreibungsbegehren

Eine Betreibung wird vom Gläubiger mit dem Betreibungsbegehren eingeleitet. Dieses ist an das Betreibungsamt zu richten und hat die Angaben zum Schuldner und der Forderung oder den Forderungen zu enthalten (vgl. Art. 67 Abs. 1 und 2 SchKG). Das SchKG macht - abgesehen von den erforderlichen inhaltlichen Angaben - keine weiteren Vorgaben an das Betreibungsbegehren. Im Rahmen der Digitalisierung der Betreibungsämter, die vor allem auch mit der Umsetzung der Vorgaben von e-SchKG einherging, wurden verschiedene Formulare (darunter auch das Formular «Zahlungsbefehl») neu erstellt. Eine wesentliche Anpassung bestand darin, den Zahlungsbefehl auf zwei Seiten zu beschränken, die vor- und rückseitig auf ein Blatt Papier gedruckt werden. Auf diese Weise konnten verschiedene Schwierigkeiten, die in der Vergangenheit in der Praxis aufgetreten sind, beseitigt werden. Dabei ging es namentlich nicht in erster Linie um Beschränkungen in der Möglichkeit der elektronischen Datenverarbeitung, sondern um rechtliche und praktische Probleme. Insbesondere sollte der Zahlungsbefehl eine gewisse inhaltliche Übersichtlichkeit behalten, sodass der Schuldner weiss, worum es bei den in Betreibung gesetzten Forderungen geht und gegebenenfalls Rechtsvorschlag oder Teilrechtsvorschlag erheben kann. Ebenso muss der Zahlungsbefehl dem Schuldner auf Papier zugestellt, und es müssen mehrere Exemplare und Kopien angefertigt werden. Bei mehrseitigen Formularen ist dies praktisch kaum mehr möglich. Dem Gläubiger steht es demgegenüber frei, die einzelnen Forderungsposten zusammenzufassen, wenn beispielsweise aus einem bestimmten Rechtsverhältnis mehrere Posten entstanden sind. Die damit einhergehende Beschränkung auf zwei Papierseiten hat allerdings zur Folge, dass auch die Anzahl Eingabefelder und die Zahl der verwendbaren Zeichen beschränkt werden musste. So wurde insbesondere die zulässige Anzahl von Forderungen, die auf dem Formular angegeben werden konnten, auf zehn Forderungen beschränkt. Der Bundesrat hat in Artikel 3 Absatz 1 und 1bis der Verordnung vom 5. Juni 1996 ³5 über die im Betreibungs- und Konkursverfahren zu verwendenden Formulare und Register sowie die Rechnungsführung (VFRR) das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement EJPD ermächtigt, inhaltliche und formale Vorgaben an die vom Gläubiger zu stellenden Begehren zu erlassen, und er hat die Dienststelle für Oberaufsicht SchKG im Bundesamt für Justiz BJ ermächtigt, für die vom Gläubiger zu stellenden Begehren Formulare zu erstellen und diese in elektronischer Form zu veröffentlichen. In Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung des EJPD vom 24. November 2015 ³6 über die vom Gläubiger zu stellenden Begehren im Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren wurde sodann die Anzahl der Forderungen, die in einem Betreibungsbegehren höchstens geltend gemacht werden können, auf zehn begrenzt. Das Bundesgericht verlangte in einem jüngeren Entscheid für eine derartige Begrenzung allerdings eine gesetzliche Grundlage in einem formellen Gesetz, und es erachtete eine entsprechende Grundlage auf Verordnungsstufe als ungenügend. ³7 Diese gesetzliche Grundlage soll mit der vorliegenden Revision geschaffen werden, was im Kontext digitaler Formulare von besonderer Bedeutung ist (vgl. dazu hinten Ziff. 4.1.4).
³5 SR 281.31
³6 SR 281.311
³7 BGE 144 III 353 E. 2.3.

1.1.6 Präzisierung betreffend Arrestvollzug

Seit der Revision des Arrestrechts im Jahr 2011 ³8 ist es möglich, in einem einzigen Arrestverfahren Vermögenswerte des Arrestgegners in der ganzen Schweiz mit Arrestbeschlag zu belegen. ³9 Für die praktische Umsetzung solcher Arreste haben sich unterschiedliche kantonale Praktiken entwickelt. Einige kantonale Gerichte stellen sich auf den Standpunkt, der fehlende Verweis auf Artikel 89 SchKG im geltenden Artikel 275 SchKG stehe einer Rechtshilfe durch die Ämter im Arrestverfahren entgegen. Dies verhindert in bestimmten Konstellationen ein koordiniertes Vorgehen und eine effiziente Kommunikation, welche heute aber technisch ohne Zeitverlust möglich wäre. Mittlerweile hat das Bundesgericht zwar entschieden, dass ein koordinierter Arrestvollzug in sinngemässer Anwendung von Art. 89 SchKG zulässig ist. 4⁰ Die entsprechende Anpassung des Gesetzes ist aber nach wie vor angezeigt (vgl. dazu auch hinten Ziff. 4.1.5).
³8 Bundesbeschluss vom 11. Dezember 2009 über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Lugano-Übereinkommen), AS 2010 5601 .
³9 Vgl. Botschaft vom 18. Februar 2009 zum Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des revidierten Übereinkommens von Lugano über die gerichtliche Zuständigkeit, die Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, BBl 2009 1777 , 1820 .
4⁰ BGer 5A_1000/2020 vom 1. Februar 2022 E. 3.4 und 3.5 , zur Publikation vorgesehen.

1.1.7 Barzahlungen an das Betreibungsamt

Seit 2016 sind Barzahlungen bei öffentlichen Steigerungen auf einen Betrag von 100 000 Franken begrenzt; Zahlungen, die den Betrag von 100 000 Franken übersteigen sind zwingend über einen Finanzintermediär nach dem Geldwäschereigesetz vom 10. Oktober 1997 4¹ abzuwickeln (vgl. Art. 129 Abs. 2 und Art. 136 Abs. 2 SchKG). Bei der damaligen Revision hat der Gesetzgeber noch bewusst auf eine weitergehende Regelung und eine generelle Beschränkung von Barzahlungen an das Betreibungsamt verzichtet, weil man dem betriebenen, aber zahlungswilligen Schuldner die Möglichkeit zur unbegrenzten Barzahlung an das Betreibungsamt geben wollte. 4² Heute zeigt sich, dass hier zumindest potenziell eine Missbrauchsgefahr besteht. Gleichzeitig zeigt sich, dass solche Zahlungen praktisch kaum vorkommen und somit kein grosses praktisches Bedürfnis hierfür besteht. Dies führt auch dazu, dass sie für die Betreibungsämter auch mit einem besonderen Aufwand verbunden sind. Aus heutiger Sicht erscheint es daher nicht mehr gerechtfertigt, andere Barzahlungen des Schuldners an das Betreibungsamt nicht auch auf maximal 100 000 Franken zu beschränken (siehe dazu auch hinten Ziff. 4.1.6).
4¹ SR 955.0
4² Vgl. Botschaft zur Umsetzung der 2012 revidierten Empfehlungen der Groupe d’action financière (GAFI), BBl 2014 605 , 647 f.

1.2 Geprüfte Alternativen und gewählte Lösung

1.2.1 Im Allgemeinen

Auf eine Totalrevision des SchKG oder von Teilen davon wurde bewusst verzichtet. Modernisierungsbedarf - besonders mit Blick auf die Digitalisierung - besteht vorwiegend im Bereich technischer Fragen. Die vorgeschlagenen Änderungen sind dementsprechend punktueller Natur und greifen nicht in die Grundzüge und die grundlegenden Mechanismen des Betreibungs- oder Konkursverfahrens ein. Insbesondere auch die Online-Versteigerung lässt sich in das heutige Verwertungsverfahren integrieren beziehungsweise als Ergänzung einfügen. Die heutigen Grundsätze der Verwertung sind bewährt, und es besteht auch angesichts der Ergänzung um die Möglichkeit der Online-Versteigerung weder Anlass noch Notwendigkeit, in diese einzugreifen. Eine Totalrevision der Regeln über die Verwertung (Art. 116 ff. SchKG) erscheint deswegen nicht angezeigt.
Bezüglich einzelner Themenbereiche stellt sich allerdings die Frage nach alternativen Konzepten, um den angesprochenen Problemen zu begegnen. Dies betrifft namentlich die Problematik der Verwendung von Betreibungsauskünften von einem beliebigen Betreibungsamt, in welchem eine allenfalls bereits erfolgte Betreibung nicht verzeichnet ist (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.2). Dazu wird die Lösung der Wohnsitzüberprüfung bei der Erteilung der Betreibungsauskunft gewählt (siehe dazu im Einzelnen hinten Ziff. 4.1.1). Diese entspricht der von der Motion 16.3335 geforderten Lösung (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.2).
Sodann stellen sich insbesondere auch für elektronische Zustellungen Fragen nach Alternativen. Es fragt sich namentlich, ob angesichts der in der Gesellschaft praktisch vollständig verbreiteten elektronischen Kommunikation sich nicht alternative Lösungsansätze anbieten würden, insbesondere solche, welche an weitverbreitete Kommunikationswege und -mittel anknüpfen. Auch wenn ein solches Bedürfnis zweifellos besteht, kann nicht auf solche formloseren Kommunikationsmittel oder - anäle ausgewichen werden. Bei Zustellungen mit rechtlichen Wirkungen muss einerseits die Vertraulichkeit der Kommunikation und andererseits auch ein sicherer Nachweis der Zustellung gewährleistet sein. Deswegen kommt in diesem Zusammenhang grundsätzlich nur ein Anknüpfen an die heute in Artikel 34 Absatz 2 SchKG statuierten Grundsätze in Frage. Sodann stellt sich die Frage, ob der elektronische Verkehr mit Behörden in strukturierter Form erfolgen soll, was behördenseits automatisierte Verarbeitung der Eingaben ermöglichen würde. Zu denken ist hier beispielsweise an eine Erweiterung von eSchKG. Während es freilich einige Arten von Eingaben gibt, die einen standardisierten Inhalt aufweisen - wie eben der Zahlungsbefehl -, so besteht daneben eine Vielfalt von möglichen Eingaben von Privaten, welche einer Standardisierung kaum zugänglich wären, ohne die Rechte der Betroffenen einzuschränken. Somit wäre ein solches Modell kaum umsetzbar beziehungsweise würde kaum die angestrebten Effizienzgewinne bewirken. Abzuwarten bleibt, ob in absehbarer Zukunft auf «künstlicher Intelligenz» basierende Anwendungen auch unstrukturierte Eingaben automatisiert verarbeiten und damit auch in den restlichen Bereichen erhebliche Effizienzsteigerungen bewirken können.
Was die elektronische Zustellung von Betreibungsurkunden und insbesondere des Zahlungsbefehls betrifft, so kommt eine solche nur auf Grundlage der Freiwilligkeit in Betracht. Da die Zustellung von Betreibungsurkunden grundsätzlich ein unfreiwilliger Behördenkontakt ist, müssen zum Schutz der betroffenen Personen gewisse Erfordernisse gewahrt werden. Unter anderem muss die Person nachweislich Kenntnis von der Zustellung erhalten und faktisch Zugang zum zugestellten Dokument haben oder sich verschaffen können. Heute besteht aber kein einheitlicher elektronischer Zustellweg im Verkehr mit Privaten, welcher so etabliert und auch technisch sicher ist, dass die gesetzlichen Regeln zur Zustellung ohne Weiteres daran anknüpfen könnten. Eine generelle elektronische Zustellung von Betreibungsurkunden scheint heute also noch nicht mit entsprechender Qualität und Akzeptanz möglich.
Betreffend die Online-Versteigerung wurde darauf verzichtet, diese auf staatlich betriebene Online-Plattformen zu beschränken, wie dies in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert wurde. Die heute bestehenden bekannten privaten Plattformen erlauben den Benutzerinnen und Benutzern, von einem erheblichen Netzwerkeffekt zu profitieren, der bei staatlichen Plattformen in diesem Umfang kaum vorhanden sein dürfte. Mit einer solchen Beschränkung würde das Ziel der Revision somit verfehlt. Durch die vorliegende Lösung wird jedoch die Verwertung über staatliche Plattformen keineswegs ausgeschlossen (siehe dazu unten Ziff. 4.1.3). Was die in der Vernehmlassung teilweise geäusserte Kritik betrifft, dass damit ein hoheitlicher Akt an Private ausgelagert werde (siehe dazu unten Ziff. 2), so kann dieser Ansicht nicht gefolgt werden. Die Benützung einer privaten Infrastruktur für das Zusammenführen von Angebot und Nachfrage stellt keine Übertragung hoheitlicher Befugnisse auf Private dar. 4³ Es ist nicht ersichtlich, dass die privaten Betreiber solcher Online-Versteigerungsplattformen damit in relevantem Ausmass Befugnisse erhalten würden, welche hoheitlich durch den Staat auszuüben sind. Dies ist namentlich auch durch die weiteren Bestimmungen zur Online-Versteigerung in Artikel 129 a Absatz 2-4 sowie der Bestimmung zum Rechtsschutz in Artikel 132 a Absatz 4 des Entwurfs gewährleistet.
4³ So auch Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 109 f.; ders. , Verwertung (Fn. 25), Fn 47.

1.2.2 Schweizweiter Betreibungsauszug «BRA.CH» im Besonderen

Im Rahmen dieser Vorlage einstweilen von Seiten des Bundesgesetzgebers nicht direkt weiterverfolgt werden soll das Anliegen der Schaffung einer «schweizweiten» Betreibungsauskunft, auch wenn der Bundesrat dem Anliegen als solches stets offen gegenüberstand und weiterhin steht. So hat er bereits früher unterstrichen, dass dabei stets auf qualitativ genügende inhaltliche Richtigkeit und Aussagekraft einer Betreibungsauskunft zu achten ist und daher eine schweizweite Betreibungsauskunft auch für natürliche Personen die flächendeckende schweizweite Verwendung eines einheitlichen Identifikators voraussetzt, wie das bei den Unternehmen die UID ist. 4⁴ Mit den kürzlich geschaffenen Regelungen zum Einsatz der AHV-Nummer einerseits und namentlich auch den laufenden Arbeiten zur Einführung einer staatlichen E-ID ⁴5 werden wesentliche weitere Voraussetzungen geschaffen, um auf der Grundlage der Möglichkeiten der Digitalisierung - und das insbesondere ohne tiefgreifenden Eingriff in das bewährte schweizerische Betreibungssystem - das Anliegen einer schweizweiten Betreibungsauskunft in absehbarer Zeit umsetzen zu können.
Aufgrund der heutigen gesetzlichen Kompetenzordnung sind weitgehend die Kantone für die Organisation der Betreibungsämter zuständig (vgl. Art. 2 Abs. 5 SchKG), und die Daten zu Betreibungen und den Schuldnern sind dementsprechend in der Hoheit der Kantone. Gegenwärtig wird durch das Projekt «BRA.CH», welches von der «Digitalen Verwaltung Schweiz» in Auftrag gegeben und finanziert wird, eine solche schweizweite Betreibungsauskunft vorangetrieben und demnächst initialisiert (vgl. auch vorne Ziff. 1.1.2). Angesichts der weitgehend kantonalen Zuständigkeiten in der Organisation des Betreibungswesens und dem starken Bezug zur kantonalen Infrastruktur ist es nach Ansicht des Bundesrates folgerichtig, dass die DVS, deren gleichberechtigte Träger Bund und Kantone sind und die vom Schweizerische Städteverband (SSV) und vom Schweizerische Gemeindeverband (SGV) als Partner unterstützt wird, dieses Anliegen an die Hand genommen und das entsprechende Projekt in Auftrag gegeben hat. Kann in naher Zukunft eine solche Lösung weiter konkretisiert und auch umgesetzt werden, würde die Aussagekraft der Betreibungsauskünfte tiefgreifend erhöht und das Anliegen einer schweizweiten Betreibungsauskunft nach einer entsprechenden Übergangsfrist direkt umgesetzt. Der Bundesrat begrüsst daher die Lancierung und Initialisierung dieses Projektes sehr. Er ist daher auch offen für die erforderlichen Anpassungen der bundesrechtlichen Regeln zur Umsetzung von «BRA.CH» und bereit, die notwendigen Arbeiten an die Hand zu nehmen, wenn sämtliche Grundlagen und Vorarbeiten sowie ein genügender Konsens dafür vorliegen. Dies soll und kann allenfalls auch parallel zu dieser Vorlage bereits initiiert werden, sofern dies namentlich auch von Seiten der Kantone und weiterer massgeblicher Akteure sowie der involvierten Kreise übereinstimmend gewünscht wird. So könnte eine schweizweite Betreibungsauskunft schon relativ bald zur Verfügung stehen. Von einem Einbezug des Anliegens und der Vornahme der notwendigen Rechtsanpassungen im Rahmen dieser Vorlage hat der Bundesrat demgegenüber aus zeitlichen und inhaltlichen Überlegungen nach entsprechender Prüfung bewusst abgesehen.
Was sodann die für eine schweizweite Betreibungsauskunft erforderliche Verwendung der AHV-Nummer im Betreibungswesen betrifft, so werden mit Erlass der neuen Weisung Nr. 10 der Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs des Bundesamtes für Justiz vom 1. September 2023 ab dem 1. Januar 2025 alle Betreibungsämter gehalten, jedem eingeleiteten Betreibungsbegehren die AHV-Nummer der schuldnerischen natürlichen Person zuzuordnen. Damit wird die konzeptionell wesentliche Grundlage für eine schweizweite Betreibungsauskunft seitens des Bundes geschaffen. Die vorliegende Lösung, welche im Rahmen der Bundeskompetenzen und mit verhältnismässig wenigen Eingriffen in die kantonale Organisation der Betreibungsämter erfolgen kann, wird vorderhand eine Verbesserung der Situation bringen und bis zur erfolgreichen Implementierung der schweizweiten Betreibungsauskunft die massgebliche Übergangslösung sein.
4⁴ Vgl. dazu Bericht des Bundesrates vom 4. Juli 2018 «Schweizweite Betreibungsauskunft» in Erfüllung des Postulats 12.3957 Candinas, Kap, 4, S. 21 f.; 5.3, S. 26 ff. und 6, S. 54 ff.
⁴5 Siehe dazu Botschaft vom 22. November 2023 zum Bundesgesetz über den elektronischen Identitätsnachweis und andere elektronische Nachweise BBl 2023 2842 sowie zu den parlamentarischen Beratungen das Geschäft des Bundesrates 23.073 vom 22. November 2023.

1.3 Verhältnis zur Legislaturplanung und zur Finanzplanung sowie zu Strategien des Bundesrates

Die Vorlage ist weder in der Botschaft vom 24. Januar 2024 ⁴6 zur Legislaturplanung 2023-2027 noch im Bundesbeschluss vom 6. Juni 2024 ⁴7 über die Legislaturplanung 2023-2027 angekündigt. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen stellen jedoch teilweise eine Umsetzung parlamentarischer Vorstösse dar, dies betrifft namentlich die Wohnsitzüberprüfung bei der Betreibungsauskunft sowie die Änderungen zur elektronischen Zustellung (siehe dazu oben Ziff. 1.1.2 und 1.1.3 sowie zu den parlamentarischen Vorstössen auch Ziff. 1.4) und sind insofern zwingend erforderlich. Die weiteren Änderungen sind in einem thematischen Zusammenhang mit diesen Änderungen und entweder zum Vorteil sämtlicher betroffener Parteien und sie haben sich in der Vergangenheit bereits teilweise bewährt, was namentlich die Online-Versteigerung betrifft (siehe dazu oben Ziff. 1.1.4). Oder sie zielen darauf ab, potenzielle Missbrauchsmöglichkeiten zu beseitigen, wie die Einschränkung der Möglichkeit von Barzahlungen an die Betreibungsämter (siehe dazu oben Ziff. 1.1.7), oder unklare Gesetzesbestimmungen zu präzisieren (siehe dazu oben Ziff. 1.1.5 und 1.1.6).
⁴6 BBl 2024 525
⁴7 BBl 2024 1440

1.4 Erledigung parlamentarischer Vorstösse

Es wird beantragt, die folgenden parlamentarischen Vorstösse als erledigt abzuschreiben:
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2019 M 16.3335 Missbrauch von Betreibungsregisterauszügen stoppen (N 26. 9.2017, Candinas; S 19. 6.2019)
2020 M 19.3694 Elektronische Aufbewahrung der Verlustscheine (N 27. 9.2019, Fiala; S 9. 6.2020; N 16.12.2020)
2021 M 20.4035 Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs. Elektronische Übertragung der Verlustscheine (N 18.12.2020, Fiala; S 31. 5.2021)
Mit der vorgesehenen Abklärung des Meldeortes bei der Ausstellung von Betreibungsauskünften wird die Motion 16.3335 Candinas umgesetzt (siehe dazu im Einzelnen oben Ziff. 1.1.2 und unten Ziff. 4.1.1). Mit der Änderung der Regeln über die elektronische Zustellung wird die elektronische Ausstellung und Übertragung von Verlustscheinen ermöglicht und somit die Anliegen der Motionen 19.3694 Fiala und 20.4035 Fiala umgesetzt (siehe dazu oben Ziff. 1.1.3 und unten Ziff. 4.1.2).

2 Vorverfahren, insbesondere Vernehmlassungsverfahren

Der Bundesrat hat am 22. Juni 2022 die Vernehmlassung zum Vorentwurf eröffnet. ⁴8 Der Vorentwurf umfasste drei Hauptpunkte, nämlich die Wohnsitzabklärung bei Betreibungsauskünften, die elektronischen Zustellung und die Verwertung über Online-Versteigerungsplattformen. Betreffend die Wohnsitzabklärung bei Betreibungsauskünften wurde vorgeschlagen, dass die Betreibungsämter bei der Ausstellung einer Betreibungsauskunft eine Abklärung des Meldeortes der Person, über welche die Auskunft ausgestellt wird, vornehmen und die betreffenden Angaben auf der Betreibungsauskunft vermerken müssen. Betreffend die elektronische Zustellung wurde vorgeschlagen, dass in bestimmten Fällen standardmässig elektronische Zustellungen erfolgen sollen und dass ein Anspruch der Empfängerin oder des Empfängers auf elektronische Zustellung geschaffen werden soll. Damit sollen insbesondere die Verbreitung elektronischer Verlustscheine in der Praxis gefördert und Unsicherheiten im geltenden Recht beseitigt werden. Schliesslich wurde vorgeschlagen, dass die Versteigerung über eine private Online-Plattform als Verwertungsart von beweglichen Vermögenswerten im Gesetz geregelt werden soll. Zusätzlich zu diesen Anpassungen wurden weitere kleinere Anpassungen im Gesetz vorgeschlagen. So sollen Barzahlungen an das Betreibungsamt zwecks Bekämpfung der Geldwäscherei auf 100 000 Franken beschränkt werden, es soll eine gesetzliche Grundlage für Vorgaben betreffend das Betreibungsbegehren auf dem Verordnungsweg geschaffen werden und es soll die Regelung des Arrestvollzugs präzisiert werden.
Die Vernehmlassung dauerte bis zum 17. Oktober 2022. Insgesamt gingen 50 Stellungnahmen ein (25 Kantone, 5 politische Parteien und 20 Organisationen und Privatpersonen). ⁴9
Die Vorlage erhielt in der Vernehmlassung grossmehrheitlich Zustimmung. Sie wurde im Grundsatz von 23 Kantonen, 2 politischen Parteien und 5 Organisationen ausdrücklich begrüsst. Eine politische Partei lehnte sie insgesamt ausdrücklich ab, und 2 Organisationen ging sie bezüglich besserer Nutzung der Digitalisierung ausdrücklich zu wenig weit. Viele Vernehmlassungsteilnehmende äusserten sich jedoch nicht in grundsätzlicher Hinsicht, sondern brachten spezifische Kritik an einzelnen Punkten der Vorlage an. Während die Vorlage im Grossen und Ganzen also klar befürwortet wurde, zeigt sich bezüglich konkreter Vorschläge ein differenzierteres Bild.
Im Einzelnen wurde die Wohnsitzabklärung bei Betreibungsauskünften stark überwiegend begrüsst, viele Vernehmlassungsteilnehmende wünschten sich jedoch eine weitergehende Regelung im Sinne einer Verwendung der AHV-Nummer im Betreibungswesen oder einer schweizweiten Betreibungsauskunft. Auch die Änderung der Reglung über die elektronische Zustellung wurde überwiegend begrüsst, wobei auch hier einige Vernehmlassungsteilnehmende eine weitergehende Regelung verlangten, sodass auch Betreibungsurkunden oder wenigstens der Zahlungsbefehl und die Konkursandrohung mit dem Einverständnis der Schuldnerin oder des Schuldners elektronisch zugestellt werden könnten. Sodann wird von einigen Vernehmlassungsteilnehmenden kritisiert, dass Effizienzgewinne bei den Betreibungsämtern nur entstehen würden, wenn die elektronischen Eingaben in strukturierter Form erfolgen, wie beispielsweise heute bei e-SchKG. Die Vorschläge zur Online-Auktion wurden sodann ebenfalls überwiegend begrüsst; allerdings halten einige kritische Stimmen dafür, dass die Verwertung ein hoheitlicher Akt sei, welcher nicht über private Plattformen erfolgen dürfe. Stattdessen sollen staatliche Plattformen genutzt werden müssen. Die weiteren Punkte der Vorlage wurden ebenfalls überwiegend begrüsst. Dabei erhielt die Beschränkung von Barzahlungen an das Betreibungsamt neben Zuspruch auch Kritik, da die vorgeschlagene Grenze deutlich zu hoch sei. Einzelne andere Stimmen hingegen lehnten eine solche Beschränkung gänzlich ab.
Im Lichte dieser Ergebnisse der öffentlichen Vernehmlassung entspricht der Entwurf in den Grundzügen dem Vorentwurf. Änderungen gegenüber dem Vorentwurf erfolgten grösstenteils hinsichtlich formaler und gesetzgebungstechnischer Aspekte. Als grössere inhaltliche Änderung gegenüber dem Vorentwurf ist allerdings auf die nunmehr im Entwurf enthaltenen Regeln zur freiwilligen elektronischen Zustellung des Zahlungsbefehls hinzuweisen (siehe dazu oben Ziff. 1.2.1 und unten 4.1.2). Betreffend die Online-Versteigerung wurde sodann darauf verzichtet, diese auf staatlich betriebene Online-Plattformen zu beschränken (siehe dazu oben Ziff. 1.2.1). Betreffend das in der Vernehmlassung vorgebrachten Anliegen einer schweizweiten Betreibungsauskunft beziehungsweise auf die Verwendung der AHV-Nummer im Betreibungswesen ist auf das Projekt «BRA.CH» hinzuweisen (siehe dazu oben Ziff. 1.2.2).
⁴8 Der Vorentwurf zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und Online-Versteigerung) vom 22. Juni 2022 und der erläuternde Bericht sind abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD > Vernehmlassung 2021/33.
⁴9 Bericht vom 14. August 2024 über das Ergebnis des Vernehmlassungsverfahrens, S. 3, abrufbar unter: www.admin.ch > Bundesrecht > Vernehmlassungen > Abgeschlossene Vernehmlassungen > 2022 > EJPD > Vernehmlassung 2021/33.

3 Rechtsvergleich, insbesondere mit dem europäischen Recht

Die Zwangsvollstreckung ist angesichts ihres hoheitlichen Charakters strikte territorial beschränkt und stark von nationalen Besonderheiten geprägt. Es besteht zudem ein starker Zusammenhang zur Organisation der Gerichte und Behörden, welche ihrerseits ebenfalls stark regional geprägt ist. Ein Rechtsvergleich ist in diesem Bereich deswegen nur beschränkt möglich oder aussagekräftig. Der nachfolgende Rechtsvergleich beschränkt sich deswegen auf Gesichtspunkte, zu welchen ein solcher Vergleich möglich und zielführend ist.
Für die Thematik der Betreibungsauskünfte kann die generelle Frage nach etwaigen mit den schweizerischen Betreibungsregistern vergleichbaren ausländischen Institutionen von Interesse sein. Im Bericht zum Postulat 12.3957 wurde im Zusammenhang mit dem Betreibungsregister und der Frage nach einem schweizweiten Register die Situation in anderen europäischen Staaten untersucht. 5⁰ Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass es in den europäischen Nachbarländern keine landesweiten staatlichen Betreibungsregister gibt. In einzelnen Ländern gibt es lokale oder regionale Register, in Deutschland zum Beispiel die «Schuldnerverzeichnisse» der Bundesländer. Diese Register haben jedoch meist einen deutlich anderen Inhalt als die Betreibungsregister in der Schweiz. So werden beispielsweise in den Schuldnerverzeichnissen in Deutschland unter anderem diejenigen Schuldner aufgeführt, welche über ihre Vermögensverhältnisse nicht wahrheitsgemäss Auskunft gegeben haben, deren Vermögensverhältnisse zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreichen würden oder die insolvent geworden sind (vgl. § 882c der deutschen Zivilprozessordnung). Das deutsche Schuldnerverzeichnis hat also im Vergleich mit schweizerischen Betreibungsregistern einen deutlich beschränkteren Inhalt. In Frankreich gibt es sodann mehrere Register, in denen Beschlüsse im Zusammenhang mit der Insolvenz von Schuldnern erfasst werden, aber kein nationales Betreibungs- oder Insolvenzregister. 5¹ Verschiedene europäische Länder verfügen jedoch über nationale Insolvenzregister, welche aber oft auf den kommerziellen Bereich beschränkt sind und in der Regel erst an die Eröffnung der Insolvenz anknüpfen. 5² Sodann bestehen in verschiedenen Ländern Kredit- oder Bonitätsdatenbanken, worin die an Privatpersonen vergebenen Kredite und allenfalls weitere Informationen aufgeführt sind, ähnlich der «IKO» («Informationsstelle für Konsumkredite») oder der «ZEK» («Zentralstelle für Kreditinformation») in der Schweiz (so z.B. die «Schufa» in Deutschland). Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass die schweizerischen Betreibungsregister insoweit einzigartig sind, als darin sämtliche in Betreibung gesetzten Forderungen (auch solche, die keinen Bestand haben) öffentlich ersichtlich sind. Im europäischen Ausland sind aus den öffentlich einsehbaren Registern in der Regel Insolvenzeröffnungen oder sehr spezifische Tatbestände (wie eben z.B. falsche Vermögensangaben im Vollstreckungsverfahren) ersichtlich. Diese Tatbestände knüpfen zumeist an ein viel späteres Verfahrensstadium der Vollstreckung an, als die blosse Einleitung der Betreibung, und sind entsprechend aussagekräftiger.
Was die elektronische Zustellung betrifft, so besteht ein Vollstreckungsverfahren im umliegenden Ausland - ähnlich wie in der Schweiz - aus Elementen, die ein gerichtliches Verfahren voraussetzen oder zur Folge haben, und aus Elementen, bei welchen andere Behörden oder Personen der Rechtspflege zuständig sind (z.B. Gerichtsvollzieher, Rechtspfleger etc.). Letztere sind institutionell und organisatorisch in unterschiedlichem Masse in die Infrastruktur und Organisation der Gerichte integriert. Entsprechend heterogen ist die Situation. Für die Gerichtsvollzieher in Deutschland beispielsweise gelten teilweise die Regeln zur elektronischen Kommunikation in der Justiz, und teilweise können eigene Regeln beziehungsweise Formulare vorgesehen werden (vgl. § 753 Abs. 3-5 der deutschen Zivilprozessordnung). Was die elektronische Kommunikation in der Justiz betrifft, kann auf die Ausführungen zum Rechtsvergleich in Ziffer 3 der Botschaft vom 15. Februar 2023 zum Bundesgesetz über die Plattformen für die elektronische Kommunikation in der Justiz 5³ verwiesen werden.
Online-Versteigerungen in einem Zwangsvollstreckungsverfahren sind in den europäischen Nachbarländern für bewegliches Vermögen mehrheitlich möglich. Soweit eigentliche Online-Versteigerungen nicht möglich sind, bestehen teilweise ähnliche Verfahren, um aus der Distanz mitzubieten. Namentlich in Deutschland und Österreich ist die Online-Versteigerung für bewegliches Vermögen, aber nicht für Grundstücke, zulässig (vgl. § 814 Abs. 2 Ziff. 2 und Abs. 3 der deutschen Zivilprozessordnung und § 274 Abs. 1 Ziff. 1 der österreichischen Exekutionsordnung), und die beiden Länder betreiben eine gemeinsame staatliche Auktionsplattform. 5⁴ In Frankreich ist eine eigentliche elektronische Zwangsversteigerung nicht zulässig, üblich sind jedoch Zwangsversteigerungen, die «live» übertragen werden, und es bestehen in diesem Rahmen verschiedene Möglichkeiten, als Fernbieter teilzunehmen. 5⁵ In Italien ist die Online-Versteigerung für bewegliches und unbewegliches Vermögen zulässig, und es bestehen verschiedene Plattformen von landesweiten Betreibern. ⁵6
5⁰ Vgl. Bericht des Bundesrates vom 4. Juli 2018 «Schweizweite Betreibungsauskunft» in Erfüllung des Postulats 12.3957 Candinas, S. 14 f. und die dortigen Hinweise.
5¹ e-justice.europa.eu > Register - Unternehmensregister, Insolvenzregister und Grundbücher > Insolvenzregister > Frankreich
5² Siehe zu den einzelnen Ländern: e-justice.europa.eu > Register - Unternehmensregister, Insolvenzregister und Grundbücher > Insolvenzregister.
5³ BBl 2023 679
5⁴ Dies ist www.justiz-auktion.de bzw. www.justiz-auktion.at.
5⁵ Siehe dazu e-justice.europa.eu > Gerichtsverfahren > Zwangsversteigerungen > Frankreich, Ziff. 6.
⁵6 Siehe dazu e-justice.europa.eu > Gerichtsverfahren > Zwangsversteigerungen > Italien, Ziff. 6.

4 Grundzüge der Vorlage

4.1 Die beantragte Neuregelung

4.1.1 Wohnsitzüberprüfung bei der Betreibungsauskunft

Wie bereits vorne ausgeführt (siehe Ziff. 1.2), wird im Entwurf zwecks Erhöhung der Aussagekraft von Betreibungsauskünften als Lösung wie bereits im Vorentwurf (siehe vorne Ziff. 2) eine Wohnsitzabklärung bei der Betreibungsauskunft vorgeschlagen und zum jetzigen Zeitpunkt auf weitergehende Anpassungen verzichtet. Der Entwurf sieht daher vor, dass die Auskunft aus dem Betreibungsregister die Angabe umfasst, ob die genannte Person im Einwohnerregister des Betreibungskreises erfasst ist oder war. Der Wortlaut der Motion 16.3335 verlangt eine Überprüfung des «Wohnsitzes». Diese Terminologie knüpft streng genommen an den zivilrechtlichen Wohnsitz im Sinne des Zivilgesetzbuches (ZGB) ⁵7 an. Dieser befindet sich am Ort, wo sich eine Person mit der Absicht dauernden Verbleibens aufhält (vgl. erster Satzteil von Art. 23 Abs. 1 ZGB). In der Regel wird für die Feststellung dieses Ortes auf den Lebensmittelpunkt der betroffenen Person abgestellt, das heisst auf den Ort, an welchem eine Person ihre intensivsten gesellschaftlichen, familiären und beruflichen Beziehungen unterhält. ⁵8 Diese Kriterien sind für einen Dritten allerdings oft nur schwer erkennbar, weswegen die Bestimmung des zivilrechtlichen Wohnsitzes einer Person ohne deren Mitwirkung schwierig oder gar unmöglich sein kann. Im Betreibungswesen ist es deshalb nicht möglich, den zivilrechtlichen Wohnsitz im Rahmen der Erstellung einer Betreibungsauskunft von Amtes wegen festzustellen.
Der Entwurf stellt deshalb ersatzweise auf den Meldeort ab, das heisst auf den Ort, an welchem die betreffende Person bei den Einwohnerbehörden registriert ist. Es besteht die Pflicht, sich am Ort des Lebensmittelpunktes, in der sogenannten Niederlassungsgemeinde, anzumelden. ⁵9 In der Regel entspricht der Meldeort denn auch dem zivilrechtlichen Wohnsitz. Allerdings können der zivilrechtliche Wohnsitz und der Meldeort auseinanderfallen, namentlich weil bei einem Umzug die An- und Abmeldung unterlassen wird oder mit erheblicher Verspätung erfolgt, was in der Praxis relativ häufig vorkommt. Es ist somit zu bedenken, dass aus diesem Grund beispielsweise ein Schuldner am aktuellen zivilrechtlichen Wohnsitz noch gar nicht im Einwohnerregister verzeichnet ist oder umgekehrt ein noch vorhandener Meldeort veraltet sein kann und die Schuldnerin oder der Schuldner allenfalls am neuen Ort bereits betrieben worden sein kann.
Weitere Gründe können dazu führen, dass ein Schuldner an einem anderen Ort als am Wohnsitz betrieben worden ist. 6⁰ So bestehen neben dem ordentlichen Betreibungsort am Wohnsitz des Schuldners auch noch verschiedene besondere Betreibungsorte (vgl. Art. 47-52 SchKG), welche zu einer Verzeichnung des Schuldners im Betreibungsregister an einem anderen Amt als an seinem Wohnort führen können. Eine Betreibung bei einem anderen Amt als am Wohnsitz kann aber auch fälschlicherweise erfolgen, beispielsweise, wenn der Schuldner Wochenaufenthalter ist und an diesen Aufenthaltsort Ware bestellt. Wenn ihm der Zahlungsbefehl an dieser Adresse zustellbar ist und er selbst keine betreibungsrechtliche Beschwerde erhebt, wird die Betreibung am falschen Ort im Register vermerkt. Der zivilrechtliche Wohnsitz eines Schuldners kann sodann auch aufgrund besonderer Lebensumstände objektiv unklar sein, weil beispielsweise kein eindeutiger Lebensmittelpunkt feststellbar ist. Da Personen im Betreibungswesen über Name und Adresse identifiziert werden, kann es auch nicht ausgeschlossen werden, dass Betreibungen nach einem Umzug innerhalb des Betreibungskreises oder nach einem Namenswechsel (bspw. infolge Heirat) nicht gefunden werden. 6¹ In diesen Fällen hilft auch eine Überprüfung des Wohnsitzes beziehungsweise des Meldeortes nicht weiter.
Der Entwurf sieht sodann vor, dass neben der Bestätigung, ob der Schuldner im Einwohnerregister verzeichnet ist, auch angegeben wird, in welchem Zeitraum er dort verzeichnet war. Diese Information ist für den Gläubiger von grosser Bedeutung, da ein erst seit Kurzem bestehender Aufenthalt an diesem Ort die Aussagekraft der Auskunft relativiert. Es ist dann in der Verantwortung des Gläubigers, bei der Einwohnerkontrolle nach Massgabe des kantonalen Rechts den vorherigen Meldeort des Schuldners in Erfahrung zu bringen und gegebenenfalls vom für diesen Ort zuständigen Betreibungsamt eine weitere Auskunft einzuholen.
Auch wenn zusätzlich die Angabe des Zuzugs- und gegebenenfalls des Wegzugs ortes für den anfragenden Gläubiger von erheblichem Interesse sein kann, soll - wie bereits im Vorentwurf - darauf verzichtet werden, auch diese Angaben von Bundesrechts wegen aufzuführen: Einerseits haben diese Informationen für die Aussagekraft der Auskunft des konkret angefragten Betreibungsamts keine Bedeutung. Andererseits ist die Regelung des Einsichts- und Auskunftsrechts aus dem Einwohnerregister Sache der Kantone, und es erscheint fraglich, inwiefern überhaupt eine Bundeskompetenz für eine solche Regelung besteht. 6² In der Vernehmlassung wurde von gewissen Teilnehmenden zwar die Angabe des Zuzugs- und des Wegzugsortes verlangt, von anderen Teilnehmenden wurden jedoch die erwähnten Einwände geltend gemacht, weswegen auf eine solche Ergänzung im Entwurf verzichtet wird.
Die Umsetzung der vorgeschlagenen Änderung wird den Betreibungs- und Konkursämtern und damit den Kantonen obliegen. Damit Betreibungsauskünfte kurzfristig oder ad hoc ausgestellt werden können, wird in der Regel ein Online-Zugriff auf die Daten der Einwohnerkontrolle durch das Betreibungs- oder Konkursamt erfolgen müssen. Dies dürfte heute jedoch ohne grosse Aufwände realisierbar sein, beispielsweise über die sedex-Plattform des Bundesamtes für Statistik BFS. In gewissen Kantonen ist die Infrastruktur bereits dazu in der Lage, während in anderen Kantonen noch entsprechende Anpassungen erforderlich sein werden. Ebenfalls werden gewisse Kantone allenfalls noch ihre Rechtsgrundlagen im Hinblick auf diesen Datenaustausch anzupassen haben. Dies wird bei der Festlegung des Datums der Inkraftsetzung der vorliegenden Änderungen zu berücksichtigen sein.
⁵7 SR 210
⁵8 BGE 120 III 7 E. 2a.
⁵9 Vgl. Art. 3 Bst. b Registerharmonisierungsgesetz vom 23. Juni 2006 (RHG; SR 431.02 ).
6⁰ Siehe dazu ausführlich Bericht des Bundesrates vom 4. Juli 2018 «Schweizweite Betreibungsauskunft» in Erfüllung des Postulats 12.3957 Candinas, S. 15 ff.
6¹ Die Probleme der Verwendung eines unveränderlichen einheitlichen Identifikators, wie bspw. der AHV-Nummer, wurde im Bericht des Bundesrates vom 4. Juli 2018 «Schweizweite Betreibungsauskunft» in Erfüllung des Postulats 12.3957 Candinas, Kapitel 5.3, S. 26 ff. und 5.4, S. 29 ff. ausführlich aufgezeigt.
6² Das RHG sieht im Wesentlichen nur eine Harmonisierung der Inhalte der Einwohnerregister, zwecks Erhebung statistischer Daten und Vereinfachung des Datenaustausches zwischen den Registern, vor (vgl. Art. 1 und 6 ff. RHG). Eine ausdrückliche Bundeskompetenz für die umfassende Regelung der Einwohnerregister ist in der Bundesverfassung (BV; SR 101 ) sodann nicht vorhanden.

4.1.2 Elektronische Zustellungen

Die vorgeschlagenen Regeln zur elektronischen Zustellung entsprechen im Wesentlichen den Vorschlägen des Vorentwurfs (siehe dazu vorne Ziff. 2). Zusätzlich wurden jedoch die Bestimmungen zur freiwilligen elektronischen Zustellung des Zahlungsbefehls aufgenommen (Art. 72 Abs. 3 und 4 E-SchKG).
Heute können die Ämter mit dem Einverständnis der betroffenen Person Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide elektronisch zustellen (Art. 34 Abs. 2 SchKG). Die vorgeschlagenen Änderungen sehen demgegenüber vor, dass die betroffene Person eine elektronische Zustellung verlangen kann und dass immer dann eine elektronische Zustellung durch das Amt erfolgt, wenn die betroffene Person ihre Eingaben elektronisch eingereicht hat und nicht ausdrücklich die Zustellung von Papierurkunden verlangt (Art. 34 Abs. 2 erster Satz E-SchKG). Es steht damit in diesen Fällen nicht (mehr) im Belieben der Ämter, ob die Zustellung elektronisch erfolgt, und eine gleichzeitige Zustellung von Papierurkunden ist nicht vorgesehen. Damit soll die Verwendung elektronischer Urkunden stark ausgeweitet werden.
Mit dieser Änderung wird die elektronische Ausstellung, Aufbewahrung und Übertragung von Verlustscheinen gefördert (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.3). Ein Betreibungsamt hat demnach einen elektronischen Verlustschein, welcher von einem anderen Amt ausgestellt wurde, ohne weiteres entgegenzunehmen, wenn er vom Gläubiger nach Massgabe von Artikel 33 a SchKG eingereicht wird. Diese Erweiterung der elektronischen Zustellung beschränkt sich jedoch nicht auf den Verlustschein, sondern betrifft sämtliche Mitteilungen, Verfügungen und Entscheide . In der Praxis bedeutsam ist dies neben dem Verlustschein insbesondere auch beim Zahlungsbefehlsdoppel an den Gläubiger. Auch dieses wird nach Massgabe dieser Bestimmung elektronisch an den Gläubiger zugestellt und kann vom Gläubiger, falls erforderlich, bei einem dritten Amt zukünftig ebenfalls ohne weiteres elektronisch eingereicht werden.
Was den elektronischen Verlustschein im Besonderen betrifft, so ergeben sich hier gegenüber einer Papierurkunde einige Besonderheiten. Da elektronische Dokumente nach Belieben vervielfältigt werden können, gibt es entsprechend nicht nur ein einziges Originaldokument. Bei der Abtretung der Verlustscheinforderung kann deswegen nicht verhindert werden, dass der Zedent ein Duplikat des Verlustscheins auf einem Datenträger behält, selbst wenn er ein Duplikat auf den Zessionar überträgt. In der Vernehmlassung wurde vereinzelt gefordert, die Abtretung und die Übertragung des elektronischen Verlustscheins zu regeln. Bei genauerer Betrachtung handelt es sich dabei aber nicht um eine vollständig neue Problematik. Der Verlustschein ist kein Wertpapier, und der Besitz des Verlustscheins ist lediglich ein Indiz für die Forderungszuständigkeit. 6³ Schon heute muss also damit gerechnet werden, dass der Besitzer eines Verlustscheins nicht der Gläubiger ist. Die Gläubigereigenschaft ergibt sich gegebenenfalls aus der Abtretungsurkunde. Es wird sich diesbezüglich beim elektronischen Verlustschein also gleich verhalten. Eine andere Frage ist diejenige nach der Herausgabe der Forderungsurkunde bei Bezahlung der Verlustscheinforderung oder der Herabsetzung der Verlustscheinforderung auf der Urkunde bei einer Teilzahlung (vgl. Art. 150 SchKG). Beim elektronischen Verlustschein wäre trotz einer solchen Herausgabe oder Herabsetzung nicht sichergestellt, dass der Gläubiger nicht ein Duplikat (über den vollen Betrag) auf einem Datenträger behält. Auch hier ist auf die weitgehend nur deklaratorische Wirkung des im Verlustschein ausgewiesenen Forderungsbetrags hinzuweisen. Sollte ein Schuldner die Forderung ganz oder teilweise bezahlt haben, so ist als Nachweis dafür nicht der Verlustschein entscheidend. Zudem kann sich der Schuldner bei einer Zahlung an das Betreibungsamt auf die vom Amt ausgestellte Quittung stützen, aus welcher neben der Zahlung gegebenenfalls auch der restliche Ausstand ersichtlich ist. Insofern werden die Interessen der Schuldner in dieser Hinsicht durch die vorliegenden Änderungen nicht beeinträchtigt.
Demgegenüber nicht erfasst von den Änderungen in Artikel 34 SchKG ist die Zustellung von Betreibungsurkunden nach Artikel 64 ff. SchKG und namentlich des Zahlungsbefehls nach Artikel 72 ff. SchKG. Einem Anliegen aus der Vernehmlassung folgend soll die freiwillige elektronische Zustellung des Zahlungsbefehls jedoch in einem Punkt zukünftig auch besonders geregelt werden, indem die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden soll: So sieht der Entwurf vor, dass einer betriebenen Person der Zahlungsbefehl unter ganz bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise auch elektronisch zugestellt werden kann. Dabei geht es insbesondere um Fälle von Personen, die wiederholt von Zustellungen von Zahlungsbefehlen betroffen sind und aus verschiedenen Gründen ihrerseits gerade eine elektronische Zustellung wünschen. Aufgrund der grossen Bedeutung von Betreibungsurkunden und ihrer unter Umständen schwerwiegenden Rechtsfolgen für die betroffenen Empfänger sieht das Gesetz heute für ihre Zustellung sehr spezifische und strenge Regeln vor. Um dem bei einer elektronischen Zustellung gerecht zu werden und die Interessen der betriebenen Personen zu wahren, kann dafür nicht der allgemeine Weg für elektronische Zustellungen im Betreibungswesen nach Artikel 34 Absatz 2 SchKG gewählt werden. Vielmehr müssen zum Schutz der betriebenen Personen eigene Regeln geschaffen werden. Daher wird im Entwurf vorgeschlagen, dass eine elektronische Zustellung stets nur nach erfolglosem ersten ordentlichen Zustellungsversuch (durch das Betreibungsamt oder die Post) erfolgen kann, wenn dies die betriebene Person wünscht beziehungsweise ihr Einverständnis erklärt. Darüber hinaus wird für die wirksame Zustellung des Zahlungsbefehls vorausgesetzt, dass die betriebene Person vom Inhalt des Zahlungsbefehls Kenntnis genommen hat und sie die Möglichkeit hat, unmittelbar bei der Zustellung elektronisch Rechtsvorschlag zu erheben (vgl. Art. 72 Abs. 3 E-SchKG). Die weiteren Voraussetzungen einer solchen elektronischen Zustellung von Zahlungsbefehlen, so die zu verwendende Identifikation und Signatur, das Format und die Darstellung des Zahlungsbefehls samt Beilagen sowie die weiteren Einzelheiten, sind im Rahmen einer bundesrätlichen Verordnung zu regeln (vgl. Art. 72 Abs. 4 E-SchKG).
6³ Huber Ueli / Sogo Miguel in: Kommentar zu Art. 149, 150 , 265 -265 b SchKG, in: Staehelin Daniel / Bauer Thomas / Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I. Art. 1-158 SchKG, 3. Aufl. Basel 2021, Art. 149 N 19; siehe auch m.w.H. Entscheid des Bundesgerichts 4P.126/2003 vom 25. August 2003 E. 2.3.

4.1.3 Online-Versteigerung

Der Entwurf entspricht in konzeptioneller Hinsicht dem Vorentwurf. Namentlich wird die dort vorgesehene Verwertung über Online-Plattformen beibehalten, und es wird von einer in der Vernehmlassung teilweise gewünschten Beschränkung der Verwertung auf staatliche Plattformen abgesehen (siehe dazu vorne Ziff. 1.2 und Ziff. 2). Mit einer Anpassung der Begriffe wird aber das Missverständnis verhindert, dass eine Verwertung über staatliche Plattformen nicht möglich sei; namentlich wird dazu der Begriff der «privaten» Plattform weggelassen. Das Kriterium der allgemeinen Zugänglichkeit erscheint hinreichend. Mit dem Entwurf soll eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für die Online-Versteigerung geschaffen (vgl. Art. 129 a Abs. 1 E-SchKG) sowie das Verfahren geregelt werden (Art. 129 a Abs. 2-4 E-SchKG). Mit dieser speziellen Grundlage für eine Online-Versteigerung ist ein Vorgehen analog zu den Regeln des Freihandverkaufs nicht mehr erforderlich; insbesondere bedarf es nicht mehr der Zustimmung sämtlicher betroffener Personen (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.4). Die Wahl der Online-Versteigerung als Verwertungsmodus gegenüber den anderen Verwertungsmodi steht im Ermessen des Betreibungsamtes. Die zentrale Voraussetzung für die Wahl der Online-Versteigerung ist die Annahme, dass gegenüber den anderen Verwertungsmodi über diesen Weg ein besseres Verwertungsergebnis erzielt wird. 6⁴ Dies wird im Entwurf nicht ausdrücklich festgehalten, da es schon bisher einem im Gesetz nicht ausdrücklich festgehaltenen (aber selbstverständlichen) Grundsatz entspricht, dass das Betreibungsamt stets diejenige Verwertungsart zu wählen hat, welche den höchstmöglichen Erlös verspricht. 6⁵ Ein Verstoss gegen das Prinzip der bestmöglichen Verwertung vermag auch eine Staatshaftung auszulösen. 6⁶ Diese bisher vor allem im Lichte der Wahl zwischen amtlicher Versteigerung und Freihandverkauf entwickelten Grundsätze würden ohne Weiteres auch für die Wahl der Online-Versteigerung gelten. ⁶7 Naturgemäss lässt sich über das Verwertungsergebnis im Vorfeld keine exakte Prognose stellen, weswegen es sich um eine Ermessenfrage handelt, welche im Ergebnis jedoch auch im Beschwerdeverfahren überprüft werden kann. ⁶8
Einer ausdrücklichen Regelung bedarf aufgrund der Besonderheiten einer Online-Versteigerung der Rechtsschutz der betroffenen Personen. Da es bei der Online-Versteigerung in der Regel zum Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages nach den AGB des Plattformbetreibers kommt, kann dieser Vertrag vom Betreibungsamt im Falle einer Beschwerde gegen die Verwertung nicht mehr einseitig aufgehoben werden. Der Entwurf sieht deswegen vor, dass nur der Entscheid über die Wahl dieser Verwertungsart und ihrer Modalitäten mit Beschwerde angefochten werden kann (Art. 132 a Abs. 4 E-SchKG). Angefochten werden können damit insbesondere die in der Praxis wohl relevantesten Fragen der Angemessenheit dieser Verwertungsart, der Wahl der Online-Plattform sowie des Mindestpreises. Der tatsächliche Verlauf und Ausgang der Online-Versteigerung kann demgegenüber nur noch gemäss den Regelungen über die Haftung im Betreibungs- und Konkursverfahren angefochten werden (vgl. Art. 5 Abs. 1 SchKG). Diese Einschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten der betroffenen Personen rechtfertigt sich, weil die Verwendung einer privaten Online-Plattform aufgrund der Öffentlichkeit und des dort herrschenden Bieterwettbewerbs in der Regel Gewähr dafür bietet, dass eine Übertragung des Vermögensgegenstandes zu Drittkonditionen erfolgt.
Im Rahmen der Vernehmlassung wurde die praktisch wichtige Frage der Gewährleistung angesprochen und namentlich, ob nicht ein Gewährleistungsausschluss entsprechend Artikel 234 Absatz 1 Obligationenrecht (OR) ⁶9 vorzusehen sei, da es nicht angehe, dass in einem Verwertungsverfahren durch den Ersteigerer Gewährleistungsansprüche geltend gemacht werden. Es wäre ungünstig, wenn solche Ansprüche geltend gemacht würden, denn gegebenenfalls wäre der zur Erfüllung von Wandelungs- oder Minderungsansprüchen erforderliche Verwertungserlös bereits unter den Gläubigern verteilt. Andererseits ist zu bedenken, dass die AGB der Online-Versteigerungsplattformen oft eigene Regeln zur Gewährleistung enthalten, welche heute in der Regel vorteilhaft für den Veräusserer sind. Eine gesetzliche Regel, die gegebenenfalls im Widerspruch zu solchen AGB steht, würde letztlich die Benützung der betreffenden Plattform durch das Betreibungsamt verunmöglichen, beziehungsweise müsste ultimativ damit gerechnet werden, dass solche Plattformen Betreibungsämter von der Benützung ausschliessen würden. Zudem erscheint es unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit und des berechtigten Vertrauens der übrigen Benutzerinnen und Benutzer kritisch, einen gesetzlichen Gewährleistungsausschluss vorzusehen. Die Bieterinnen und Bieter bewegen sich auf einer Online-Plattform und nicht etwa im amtlichen Gantlokal und sie treten auch nicht mit einem Betreibungsbeamten zwecks Ersteigerung oder Abschluss eines Freihandvertrags persönlich in Kontakt. Ihnen erscheint das Betreibungsamt als Anbieter wie jeder andere Anbieter auf der Plattform und etwaige rechtliche Implikationen dürften ihnen kaum geläufig sein. Kenntnis nehmen werden die Benutzerinnen und Benutzer aber von den AGB der Plattform und von den etwaigen vom Anbieter im Angebot selber aufgestellten Bedingungen. Zivilrechtlich ist gemäss Artikel 199 OR ein vertraglicher Gewährleistungsausschluss im Wesentlichen im gleichen Umfang, wie ihn Artikel 234 Absatz 1 OR vorsieht, zulässig. Die Betreibungsämter werden also bei der Wahl der Online-Versteigerung als Verwertungsart und bei der Wahl der konkreten Plattform die Frage der Gewährleistung und die Möglichkeit eines Gewährleistungsausschlusses im konkreten Angebot gegebenenfalls mitzuberücksichtigen haben. Daher wird im Entwurf auf spezielle Regeln zur Gewährleistung verzichtet.
Schliesslich wird in der Vorlage klargestellt, dass auch in einem Konkursverfahren eine Verwertung auf dem Wege der Online-Versteigerung vorgenommen werden kann (vgl. Art. 256 Abs. 1 E-SchKG).
6⁴ Vgl. dazu Staible , Verwertung (Fn. 25), S. 89 f.; Roth (Fn. 28), Art. 126 N 50.
6⁵ BGE 43 III 59 S. 62 f.
6⁶ AB BS, BlSchK 27 (1963), S. 111.
⁶7 Jeder Gläubiger hat einen Individualanspruch auf eine ihm möglichst grosse Deckung bietende Art der Verwertung; BGE 87 III 111 E. 3b S. 116. Ein Gemeinschuldner schliesslich ist zur Beschwerde legitimiert und es stellt u.U. eine Gesetzesverletzung dar, wenn ein Angebot zu einem Freihandverkauf nicht abgeschlossen wird, obwohl dadurch sämtliche (Konkurs-)Forderungen gedeckt werden und noch ein Überschuss resultiert; BGE 88 III 28 E. 2a S. 34 f.
⁶8 Die Aufsichtsbehörde hat die Frage der Angemessenheit gegebenenfalls zu prüfen und dabei ihr eigenes Ermessen an die Stelle desjenigen der Behörde zu setzen; BGE 100 III 16 E. 2.
⁶9 SR 220

4.1.4 Vorgaben an Betreibungsbegehren

Um insbesondere die Praktikabilität des Zustellverfahrens zu gewährleisten, was letztlich auch den Interessen der Verfahrensparteien dient (siehe dazu oben Ziff. 1.1.5), und nunmehr auch zwecks unmittelbarer digitaler Verarbeitung der Angaben des Gläubigers im Betreibungsbegehren wird die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage vorgeschlagen, die es dem Bundesrat erlaubt, auf dem Verordnungsweg Vorgaben betreffend Inhalt und Form des Betreibungsbegehrens sowie der Anzahl zulässiger Forderungen in einem Begehren zu erlassen (vgl. Art. 67 Abs. 4 E-SchKG). Mit einer solchen Delegation auf Gesetzesstufe soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass mit formalen Vorgaben zu den Eingaben der Gläubiger unter Umständen materielle Bestimmungen des Gesetzes betroffen sind.

4.1.5 Präzisierung betreffend Arrestvollzug

Mit der vorgeschlagenen Änderung sollen - unabhängig davon, ob die Verfahrenskoordination durch ein Gericht oder ein Amt erfolgt - nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes schweizweit requisitorische Arrestvollzüge ermöglicht werden (vgl. dazu vorne Ziff. 1.1.6).

4.1.6 Begrenzung der Barzahlungen des Schuldners an das Betreibungsamt

Um die Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismus weiter zu verstärken und die Arbeiten der Betreibungsämter bei der Abwicklung zu erleichtern, soll die seit 2016 bereits für öffentliche Versteigerungen geltende Beschränkung von Barzahlungen auf maximal 100 000 Franken allgemein auf Zahlungen des Schuldners an das Betreibungsamt ausgedehnt werden (vgl. dazu vorne Ziff. 1.1.7). Auch wenn erfahrungsgemäss Zahlungen in dieser Höhe in der Praxis kaum vorkommen, bergen sie potenziell eine gewisse Missbrauchsgefahr. Gleichzeitig ist die Abwicklung solcher Barzahlungen für die Betreibungsämter mit einem zunehmenden Aufwand verbunden. Beides soll in Zukunft verbessert werden, ohne dass dies umgekehrt zu einer unverhältnismässigen Erschwerung für die Schuldnerin oder den Schuldner führen würde. Aufgrund dieser Änderung soll Artikel 12 SchKG um einen neuen Absatz 3 ergänzt werden. Diskutiert wurde im Vernehmlassungsverfahren im Übrigen der Betrag der Obergrenze. Mangels eines eindeutigen Vernehmlassungsergebnisses und um Konsistenz mit der Bargeldgrenze bei der Verwertung zu behalten (vgl. Art. 129 Abs. 2 und Art. 136 Abs. 2 SchKG), wird am Höchstbetrag gemäss Vorentwurf festgehalten.

4.2 Umsetzungsfragen

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen teilweise die Organisation der Betreibungs- und Konkursämter, weil sie Anpassungen der Infrastruktur erfordern. Dies gilt hauptsächlich für die Wohnsitzüberprüfung bei Betreibungsauskünften: Die Kantone werden die Infrastruktur dahingehend anpassen müssen, dass die Betreibungsämter bei der Ausstellung einer Betreibungsauskunft auf elektronischem Weg (beispielsweise über sedex) auf die Daten der Einwohnerregister zugreifen können (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1) und gegebenenfalls werden dafür auch Anpassungen des kantonalen Rechts erforderlich sein. Für die Umsetzung der vorgeschlagenen Änderungen betreffend den Verlustschein und die Online-Versteigerung sind demgegenüber keine Infrastrukturanpassungen erforderlich. Die Umsetzung der Regelung, dass ein Zahlungsbefehl ausnahmsweise und auf freiwilliger Basis elektronisch zugestellt wird, erfolgt im Rahmen einer entsprechenden neuen Verordnung des Bundesrates.

5 Erläuterungen zu einzelnen Artikeln

Art. 8a Randtitel und Abs. 2bis
Der neue Absatz 2bis entspricht dem Absatz 3bis des Vorentwurfs. Die neue Platzierung entspricht der Gesetzessystematik besser. Diese Bestimmung verpflichtet zum einen die Betreibungsämter zur Überprüfung beziehungsweise Bekanntgabe des Meldeortes der Person, über welche eine Betreibungsregisterauskunft verlangt wird. Zum anderen stellt dieser neue Absatz auch die gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff in die Privatsphäre der betroffenen Person dar (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1). Zweck der Bestimmung ist es, die Aussagekraft der Auskunft des jeweils angefragten Amtes zu erhöhen, indem der Zeitraum, für welchen die Auskunft überhaupt aussagekräftig ist, aus dieser selbst ersichtlich wird (siehe zum Ganzen vorne Ziff. 1.1.2 und 4.1.1).
Die Pflicht zur Bekanntgabe des Meldeortes beschränkt sich auf Auskünfte «über Betreibungen». Diese Einschränkung ist erforderlich, da auch andere Auskünfte verlangt werden können als solche über Betreibungen, eine Überprüfung des Meldeortes dort aber weniger oder gar nicht erforderlich ist. In der Praxis hauptsächlich betroffen ist damit der sogenannte «einfache Betreibungsregisterauszug» wie er in der Weisung der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs Nr. 4 aus dem Jahr 2016 definiert ist.
Das Amt hat bekanntzugeben, ob die genannte Person im von der Auskunft erfassten Zeitraum im Einwohnerregister des Betreibungskreises als niedergelassen erfasst war. In der Vernehmlassung wurde zurecht verlangt, dass die Information insoweit präzisiert wird, dass nicht nur angegeben wird, ob die angefragte Person überhaupt im Einwohnerregister verzeichnet ist, sondern ob sie als niedergelassen verzeichnet ist. Dabei handelt es sich zunächst zwar um eine beschränktere Aussage, da auch Aufenthalterinnen und Aufenthalter und unter Umständen Grundeigentümerinnen und -eigentümer im Einwohnerregister verzeichnet sind. In aller Regel werden Schuldner aber an ihrem Wohnort betrieben. Sollte eine angefragte Person an diesem Ort in einer anderen Eigenschaft verzeichnet sein, so würden etwaige Betreibungen an diesem Ort gleichwohl in der Betreibungsauskunft verzeichnet, und der Gläubiger wüsste überdies, dass es sich nicht um den Wohnort handelt und er sich gegebenenfalls eine weitere Auskunft einholen muss. Ebenfalls ist das Datum des Zuzugs und des Wegzugs anzugeben, sofern eines oder beide innerhalb dieses Zeitraums liegen. Der Zeitraum der Auskunft kann gemäss Artikel 8 a Absatz 4 SchKG längstens die letzten fünf Jahre umfassen. Nicht bekanntgegeben werden muss, an welchem anderen Ort die Person allenfalls gegenwärtig gemeldet ist, und auch nicht der Zuzugs- oder Wegzugsort (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1). Keine Auskunft soll auch über einen Umzug innerhalb des Betreibungskreises erteilt werden, da ein solcher für die Aussagekraft der Auskunft nicht relevant ist.
Die Bestimmung hält nicht fest, auf welchem Weg die Abklärung des Meldeortes zu erfolgen hat. Im Interesse einer Abklärung ohne Zeitverzögerung und mit geringem Aufwand wird dies wenn immer möglich durch eine elektronische Abfrage geschehen müssen (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1). Das Gesetz äussert sich auch nicht zu den gebührenmässigen Konsequenzen dieser zusätzlichen Abklärung, da eine etwaige Anpassung der Gebühren durch den Bundesrat durch eine Änderung der Gebührenverordnung vom 23. September 1996 7⁰ zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (GebV SchKG) zu erfolgen hat. Im Übrigen werden die weiteren Anforderungen im Rahmen der Weisungen der Dienststelle Oberaufsicht für Schuldbetreibung und Konkurs festzulegen sein.
Entsprechend angepasst werden soll der Randtitel von Artikel 8 a SchKG. Kenntnis des Meldeorts kann nicht durch blosse Einsicht in die Protokolle und Register der Betreibungs- oder Konkursämter erfolgen, sondern jene müssen diese Information beschaffen und dem anfragenden Gläubiger darüber Auskunft erteilen.
Art. 12 Abs. 3
Die Regelung zu den Zahlungen an das Betreibungsamt soll um einen neuen Absatz 3 ergänzt werden. Die Regelung entspricht inhaltlich den Bestimmungen von Artikel 129 Absatz 2 und Artikel 136 Absatz 2 SchKG, welche seit 2016 Barzahlungen an das Betreibungsamt bei der Versteigerung von beweglichen Sachen und Grundstücken auf Beträge von 100 000 Franken beschränken (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.6). Mit der neuen Regelung in Artikel 12 SchKG sollen in Zukunft generell Zahlungen an das Betreibungsamt in bar auf einen Maximalbetrag von 100 000 Franken begrenzt werden. Bei höheren Zahlungen ist der Teil der Zahlung, der diesen Betrag übersteigt, über einen Finanzintermediär abzuwickeln. Im Lichte der Vernehmlassung wird im Entwurf präzisiert, dass diese Obergrenze für Barzahlungen pro Betreibungsverfahren gilt, entscheidend für die Abgrenzung ist also letztlich das Betreibungsbegehren (vgl. Art. 67 Abs. 1 SchKG).
Art. 34 Abs. 2 erster Satz
Die neue Fassung dieser Bestimmung schafft einen Anspruch der betreffenden Person auf elektronische Zustellung und sieht überdies für bestimmte Fälle die ausschliessliche elektronische Zustellung als Standard vor. Zweck der Bestimmung ist einerseits die Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs im Allgemeinen und andererseits die Förderung elektronischer Verlustscheine im Besonderen (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.2). Mit der neuen Bestimmung wird klar zum Ausdruck gebracht, dass unter Umständen keine Papier-Originale von zugestellten Urkunden bestehen. Damit soll erreicht werden, dass originär elektronisch ausgestellte Urkunden auch von dritten Ämtern als Originale akzeptiert werden.
Die Zustellung erfolgt gemäss der neuen Bestimmung ohne Weiteres (insbesondere ohne weitere Nachfrage durch das Amt) ausschliesslich elektronisch, sofern der Empfänger dies ausdrücklich verlangt oder seinerseits elektronische Eingaben gemacht hat und keine Zustellung von Papier-Urkunden verlangt. Im Einzelnen werden dazu auch die Regeln der Verordnung vom 18. Juni 2010 7¹ über die elektronische Übermittlung im Rahmen von Zivil- und Strafprozessen sowie von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren (VeÜ-ZSSV) zu beachten sein. In praktischer Hinsicht wird eine elektronische Zustellung demnach über die Zustellplattform an die aus der vorgängigen elektronischen Übermittlung bekannte Adresse der Empfängerin oder des Empfängers erfolgen oder, sofern erstmals eine elektronische Zustellung verlangt wird, an die von der Empfängerin oder vom Empfänger mit dem Begehren um elektronische Zustellung bekanntzugebende Adresse.
Art. 67 Abs. 4
Gemäss dieser Bestimmung ist der Bundesrat ermächtigt, Vorgaben betreffend Inhalt und Form der Angaben des Gläubigers zu regeln sowie die Anzahl Forderungen pro Betreibungsbegehren zu beschränken. Damit soll insbesondere die Praktikabilität des Zustellverfahrens gewährleistet werden, was letztlich aber auch den Interessen der Verfahrensparteien dient (siehe dazu oben Ziff. 1.1.5 und 4.1.4). Die Bestimmung knüpft an die bereits heute bestehende Kompetenz des Bundesrates, Ausführungsbestimmungen zu erlassen, an; sie stellt dabei ausdrücklich klar, dass der Bundesrat auch die Anzahl Forderungen beschränken kann. Letzteres war gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts bisher mangels entsprechender Grundlage auf Gesetzesstufe nicht möglich (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.5). Neben der Anzahl Forderungen kann der Bundesrat damit in praktischer Hinsicht insbesondere auch die Struktur der Eingabe und die für ein bestimmtes Eingabefeld zulässige Anzahl Zeichen festlegen.
Art. 72 Abs. 3 und 4
Einem Anliegen aus der Vernehmlassung folgend (vgl. dazu vorne Ziff. 4.1.2) soll die Zustellung eines Zahlungsbefehls zukünftig ausnahmsweise auch elektronisch erfolgen können. Diese Bestimmung enthält im Sinne der dafür notwendigen gesetzlichen Grundlage einerseits die wesentlichen Voraussetzungen für eine elektronische Zustellung und andererseits eine Verordnungskompetenz für den Bundesrat zur weiteren Regelung der Einzelheiten. Letzteres ist erforderlich, da die Regelung der elektronischen Zustellung zum Schutz der betriebenen Person einen Detailierungsgrad erfordert, der denjenigen des Gesetzes übersteigt.
Absatz 3 der Bestimmung regelt die Voraussetzungen für die elektronische Zustellung des Zahlungsbefehls. Das Einverständnis der betriebenen Person respektive die Freiwilligkeit betreffend die Benützung dieser Übermittlungsart ist eine grundsätzliche Voraussetzung. Sie wird sich praktisch aus der freiwilligen Benützung des dafür vorgesehenen elektronischen Kommunikationskanals und insbesondere auch des Fehlens einer gesetzlichen Zustellfiktion zeigen. Die Beschreitung des elektronischen Weges durch die betriebene Person, also die Benützung der entsprechenden Applikation oder der Download entsprechender Dateien, wird vollständig freiwillig sein, das heisst es wird keine Pflicht zum Download eines Zahlungsbefehls bestehen und bei Nichtbeachtung einer Avisierung zum Download eines Zahlungsbefehls wird insbesondere keine Zustellfiktion greifen. Ebenso wird beispielsweise der Versand des elektronischen Zahlungsbefehls an eine E-Mailadresse oder über eine Applikation mit Push-Benachrichtigung ohne ausdrückliche Bestätigung des Einverständnisses des Empfängers noch keine Zustellung begründen. Dies wäre mit dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung nicht vereinbar. Weitere Voraussetzung für die elektronische Zustellung ist sodann ein erfolgloser Zustellversuch nach den bisherigen Regeln. Bevor die betriebene Person also überhaupt einen elektronischen Zahlungsbefehl freiwillig empfangen kann, wird ohnehin mindestens einmalig eine Zustellung nach den bisherigen Regeln zu erfolgen haben. Die sichere Identifikation und die Kenntnisnahme von der Zustellung und ihrem Inhalt sind weitere Voraussetzungen. Diese Voraussetzungen dienen nicht nur dem Schutz der Privatsphäre und der Persönlichkeit der betriebenen Person, sondern sie dienen insbesondere auch Beweiszwecken und gewährleisten damit, dass das Zwangsvollstreckungsverfahren, dessen wesentliche Grundlage der Zahlungsbefehl ist, reibungslos ablaufen kann. Schliesslich muss die betriebene Person die Möglichkeit haben, unmittelbar bei der Zustellung elektronisch Rechtsvorschlag zu erheben. Dies stellt das Pendant zur Möglichkeit zur Erhebung des Rechtsvorschlags unmittelbar gegenüber dem Überbringer des Zahlungsbefehls (vgl. Art. 74 Abs. 1 SchKG) dar. Dabei muss ausdrücklich die Möglichkeit zur unmittelbaren Erhebung des Rechtsvorschlags bestehen. Das heisst, es darf keine zeitliche Verzögerung zum Empfang des Zahlungsbefehls bestehen, und es muss in funktionaler Hinsicht im Wesentlichen Parallelität bestehen, das heisst es wird in der Regel über denselben Weg oder Kommunikationskanal und ohne zusätzlichen Aufwand möglich sein müssen.
Absatz 4 erwähnt in den Ziffern 1-4 die Einzelheiten, welche durch den Bundesrat auf dem Verordnungsweg zu regeln sein werden. Diese Einzelheiten ergeben sich im Wesentlichen aus der zuvor erwähnten gesetzlichen Voraussetzung zur elektronischen Zustellung und werden sich an diesen zu orientieren haben.
Im Übrigen wird die Möglichkeit zur elektronischen Zustellung qua Verweis in Artikel 161 Absatz 1 SchKG auch für die Zustellung der Konkursandrohung bestehen.
Art. 74 Abs. 1
Erfolgt die Zustellung eines Zahlungsbefehls gemäss Artikel 72 Absatz 3 E-SchKG an die betriebene Person ausnahmsweise elektronisch, so muss es dieser ohne Weiteres möglich sein, bei der elektronischen Zustellung unmittelbar Rechtsvorschlag zu erheben (vgl. Art. 72 Abs. 3 Ziff. 3 E-SchKG), so wie dies auch bei der Zustellung durch den Betreibungsbeamten, einen Angestellten des Amtes oder durch die Post (vgl. Art. 72 Abs. 1 SchKG) möglich ist. Entsprechend ist die Bestimmung der Vollständigkeit halber um die Möglichkeit der elektronischen Erhebung des Rechtsvorschlags zu ergänzen. Dies gilt jedoch allein für den Fall einer elektronischen Zustellung eines Zahlungsbefehls gemäss Artikel 72 Absatz 3 E-SchKG. Die Art und Weise der Erhebung des Rechtsvorschlags werden sich gemäss Artikel 72 Absatz 4 Ziffer 3 E-SchKG im Einzelnen aus der dazu zu erlassenden Verordnung ergeben.
Art. 76 Abs. 2 zweiter Satz
Die vorgeschlagene neue Regelung zur elektronischen Zustellung von Mitteilungen, Verfügungen und Entscheiden soll auch für die Zustellung der Ausfertigung des Zahlungsbefehls mit allfälligem Rechtsvorschlag gelten. Um diese zu unterstreichen, soll in Artikel 76 Absatz 2 SchKG ein entsprechender Verweis auf Artikel 34 Absatz 2 E-SchKG ergänzt werden.
Art. 129a
Versteigerung über Online-Plattform
Dieser neue Artikel stellt die gesetzliche Grundlage für die Online-Versteigerung dar und regelt das Verfahren in den Grundzügen. Die gesetzessystematische Stellung nach der amtlichen Versteigerung (Art. 125 ff. SchKG) und die Gliederungsziffer des Randtitels unterstreichen die Eigenständigkeit dieser Verwertungsform.
Absatz 1 stellt die gesetzliche Grundlage für die Online-Versteigerung dar und regelt die materiellen Voraussetzungen. Die Wahl der Online-Versteigerung als Verwertungsmodus steht im Ermessen des Betreibungsamtes, wesentliche Voraussetzung dafür ist jedoch die Annahme, dass über diesen Weg - unter Berücksichtigung der konkreten Modalitäten wie der Wahl der Plattform, der Angebotsdauer, des Mindestpreises etc. - ein besseres Verwertungsergebnis erzielt werden kann (siehe dazu auch vorne Ziff. 4.1.3). Dementsprechend hat das Betreibungsamt nicht nur gegebenenfalls die Online-Versteigerung als Verwertungsform zu wählen, sondern dabei auch die günstigsten Modalitäten zu berücksichtigen beziehungsweise zu wählen.
Auf eine ausdrückliche Definition des Begriffs der «Online-Plattform» wird verzichtet, da der Begriff weit und durchaus entsprechend dem allgemeinen Sprachgebrauch verstanden werden kann. Davon sind namentlich die einschlägigen Online-Plattformen privater Anbieter, welche sich heute bei der Bevölkerung grosser Beliebtheit erfreuen, erfasst. Damit ist auch klar, dass die Betreibungsämter befugt sind, mit dem Plattform-Anbieter einen entsprechenden Benützungsvertrag abzuschliessen und den Vermögensgegenstand nicht im Sinne von Artikel 125 ff. SchKG zwangsversteigern müssen, sondern einen (privatrechtlichen) Kaufvertrag nach dem Modus einer Versteigerung abschliessen dürfen. In der Praxis werden regelmässig die AGB der Plattformen entscheidend und anwendbar sein (vgl. dazu vorne Ziff. 1.1.4). Für den Begriff der «Versteigerung» ist letztlich entscheidend, dass das Verfahren der Preisbildung aus einem Bieterwettbewerb besteht. Ausdrücklich erwähnte Anforderung an die Online-Plattform ist, dass sie allgemein zugänglich ist. Diese Anforderung leistet einerseits Gewähr für einen möglichst grossen (potenziellen) Bieterkreis und erlaubt andererseits den Gläubigern, ebenfalls Gebote abzugeben. Dadurch wird dem Risiko einer Verzerrung oder Manipulation der Preisbildung weitestgehend begegnet, was letztlich das gegenüber der Zwangsversteigerung und dem Freihandverkauf vereinfachte Verfahren und den Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages anstelle des Erlasses einer amtlichen Verfügung rechtfertigt. Konkret erfordert die öffentliche Zugänglichkeit, dass grundsätzlich alle Personen ohne erhebliche Hürden Zugang zur Plattform beziehungsweise zur Versteigerung haben. Die Erstellung eines eigenen Logins oder Benutzerprofils steht dem nicht entgegen, solange dies ohne erhebliche Zeitverzögerung und ohne grössere Kosten möglich ist. Verzichtet wird auf die Präzisierung, dass es sich um eine «private» Plattform handeln muss, wie das noch im Vorentwurf vorgesehen war. Einerseits ist dies nicht erforderlich und durch das Kriterium der allgemeinen Zugänglichkeit bereits hinreichend erfasst. Andererseits wird damit dem Missverständnis vorgebeugt, dass eine Versteigerung über staatliche Plattformen nicht möglich sei. Eine Versteigerung über staatliche Plattformen kann somit entweder unter dieser Bestimmung oder aber nach den Bestimmungen über die öffentliche Zwangsversteigerung nach Artikel 125 ff. SchKG erfolgen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen berücksichtigt werden (siehe dazu auch oben 4.1.3). Verzichtet wurde sodann auf die Einschränkung, dass es sich - wie in der Vernehmlassung vereinzelt gefordert - um eine schweizerische Plattform handeln muss. Da keine Übertragung hoheitlicher Aufgaben stattfindet, scheint eine solche Einschränkung nicht erforderlich. 7² Im Übrigen schliesst diese Bestimmung die Möglichkeit der eigentlichen Zwangsversteigerung nach Artikel 125 ff. SchKG über eine entsprechende Online-Plattform, auf welcher die dafür erforderlichen Voraussetzungen eingehalten werden können, nicht aus.
Nachdem in der Vernehmlassung auch die Frage aufgeworfen wurde, ob nur bewegliche Sachen oder auch Forderungen und andere Vermögenswerte auf dem Wege der Online-Versteigerung verwertet werden können, wird im Entwurf durch eine präzisere Terminologie nun klargestellt, dass sämtliches bewegliche Vermögen der Online-Versteigerung zugänglich ist. Die Abgrenzung zu den Ausnahmen nach Artikel 130-132 SchKG wird sich aus denselben Überlegungen wie heute ergeben, namentlich wird auf illiquide Forderungen in der Regel das Vorgehen nach Artikel 131 SchKG 7³ oder im Konkurs nach Artikel 260 SchKG 7⁴ anwendbar sein, zumal sich solche Ansprüche kaum über Online-Plattformen versteigern lassen werden. Zu beachten werden zudem auch die AGB der Plattformen sein, welche unter Umständen die Verwertung gewisser Rechte ausschliessen.
Absatz 2 regelt die Mitteilung an die betroffenen Personen in Form einer Verfügung. Diese Mitteilung tritt anstelle der Bekanntmachung bei der öffentlichen Zwangsversteigerung (Art. 125 Abs. 1 und 2 SchKG) beziehungsweise dem Einverständnis der Beteiligten zum Freihandverkauf (Art. 130 Ziff. 1 SchKG) und sie ist namentlich für den Rechtsschutz von Bedeutung (vgl. Art. 132 a Absatz 4 E-SchKG). Damit der Rechtsschutz nicht abgeschnitten wird, gelten als Beteiligte konsequenterweise alle Personen, welche von der Online-Versteigerung so in ihren Interessen betroffen sind, dass sie zu einer Beschwerde legitimiert wären. Die Auslegung wird sich in der Praxis teilweise an der Auslegung des Begriffs der «Beteiligten» in Artikel 130 Ziffer 1 SchKG orientieren können. Die mitzuteilenden Modalitäten werden mit Blick auf den Zweck der Bestimmung insbesondere diejenigen sein, welche einen massgeblichen Einfluss auf das Verwertungsergebnis haben, und diejenigen, welche für die Gläubiger und allenfalls beteiligte Dritte erforderlich sind, um an der Versteigerung mitzubieten. Dies werden insbesondere die zum Auffinden der Plattform und der konkreten Versteigerung erforderlichen Angaben, Start- und Endzeitpunkt beziehungsweise Dauer der Versteigerung, Mindestpreis, etwaiger Sofort-Kaufen-Preis, ein Verweis auf die AGB der entsprechenden Plattform und gegebenenfalls ergänzende Bedingungen des Betreibungsamtes sein. 7⁵
Absatz 3 entspricht sinngemäss dem zweiten Satzteil von Artikel 126 Absatz 1 SchKG und wird der Verständlichkeit halber ausformuliert. Dem Erfordernis kann ohne Weiteres durch Setzen eines Mindestpreises entsprochen werden. Lässt sich zu diesen Konditionen kein Bieter finden, so soll gemäss Absatz 4 dieser Bestimmung dieselbe Rechtsfolge greifen wie die in Absatz 2 von Artikel 126 SchKG vorgesehene.
Absatz 4 verweist sodann auf weitere Prinzipien zur Zwangsversteigerung, die im Rahmen der Online-Versteigerung ebenfalls zu berücksichtigen sind. Artikel 127 sowie 128 SchKG können ebenfalls ohne Weiteres durch Setzen eines Mindestpreises beziehungsweise durch einen Verzicht auf die Verwertung berücksichtigt werden. Artikel 129 Absatz 2 SchKG wird angesichts des üblichen geringeren Wertes der Vermögensgegenstände, für welche sich eine Online-Versteigerung anbietet, in der Regel keine Rolle spielen; in den anderen Fällen kann durch einen Hinweis im Inserat auf diese Bestimmung verwiesen werden.
Auf weitere gesetzliche Regelungen zur Online-Versteigerung soll bewusst verzichtet werden und, weil ein privatrechtliches Rechtsgeschäft mit dem Erwerber zustande kommt, auch kein Verweis auf die weiteren Regeln zur amtlichen Versteigerung, wie namentlich Artikel 129 Absätze 1, 3 und 4 SchKG, erfolgen. Auch die analoge Anwendung von Artikel 125 Absatz 3 SchKG drängt sich bei einer Online-Versteigerung nicht auf. Keiner besonderen Regelung bedarf sodann auch die Anmeldung des Betreibungsamts auf der Plattform und die Anerkennung ihrer AGB. Damit geht in der Regel der Abschluss eines privatrechtlichen Nutzungsvertrages einher, was aber keine besonderen Fragen aufwirft. 7⁶ Etwaige Nutzungsgebühren für die Online-Plattform sind mangels spezieller Reglung als Auslagen im Sinne von Artikel 30 Absatz 6 GebV SchKG zu qualifizieren. 7⁷ Von praktischer Bedeutung ist sodann die Frage nach der Zulässigkeit einer Sofort-Kaufen-Option. Eine Sofort-Kaufen-Option stellt für den Fall ihrer Ausübung einen Höchstpreis dar, und sie ist kritisch zu beurteilen, da Artikel 129 a Absatz 1 E-SchKG ausdrücklich eine Versteigerung vorsieht. Bei der Verwertung von Vermögensgegenständen von bedeutendem Wert im Sinne von Artikel 256 Absatz 3 SchKG ist eine Sofort-Kaufen-Option nicht zulässig, da damit das Recht der Gläubiger, höhere Angebote zu machen, eingeschränkt wird. ⁷8 In anderen Fällen ist diese Option denkbar, da sie einen positiven Einfluss auf das Verwertungsergebnis haben kann. ⁷9 Auf jeden Fall wird der Preis mindestens so hoch anzusetzen sein, dass klarerweise Drittkonditionen und ein unter den gegebenen Umständen günstiges Verwertungsergebnis vorliegen würden. Mangels spezieller Bestimmungen im Entwurf gelten schliesslich die Bestimmungen des SchKG über die Schonzeiten und die geschlossenen Zeiten auch bei der Durchführung einer Online-Versteigerung, wobei sie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Online-Versteigerung auszulegen sind. 8⁰
Art. 132a Abs. 4
Der neue Absatz 4 von Artikel 132 a SchKG regelt den Rechtsschutz der Beteiligten bei der Online-Versteigerung. Eine Beschwerde gegen den Zuschlag oder den Abschluss des Kaufvertrags ist im Entwurf nicht vorgesehen, da es sich dabei - anders als bei der öffentlichen Zwangsversteigerung oder dem Freihandverkauf - in der Regel um ein privatrechtliches Rechtsgeschäft handelt, welches den AGB der Plattform untersteht (siehe dazu vorne Ziff. 1.1.4 und 4.1.3). Anfechtungsobjekt ist stattdessen die Verfügung des Betreibungsamtes im Sinne von Artikel 129 a Absatz 2 E-SchKG. Etwaige Mängel bei der Durchführung der Online-Versteigerung können in erster Linie mit einer Haftungsklage geltend gemacht werden (siehe vorne Ziff. 4.1.3). Schliesslich regelt diese Bestimmung auch den Beginn der Beschwerdefrist. Diese beginnt mit der Eröffnung der Verfügung, womit in der Regel mögliche Beschwerdegründe ersichtlich sein werden.
Art. 256 Abs. 1
Absatz 1 von Artikel 256 SchKG soll um einen Verweis auf diese Verwertungsart ergänzt werden, um klarzustellen, dass die Online-Versteigerung auch im Konkurs zulässig ist. Das Verfahren der Online-Versteigerung erlaubt immer und bei sämtlichen Vermögensgegenständen, dass die Gläubiger höhere Angebote machen, was mit Blick auf Artikel 256 Absatz 3 SchKG relevant ist. Was die Formulierung dieser Bestimmung betrifft, so wurde diese im Nachgang zur öffentlichen Vernehmlassung insoweit abgeändert, als anstelle des Verweises auf die Gesetzesartikel zur amtlichen und zur Online-Versteigerung die entsprechende Terminologie verwendet wird. Im Rahmen der Vernehmlassung wurde darauf hingewiesen, dass der Verweis überschiessend war und gewisse davon erfasst Bestimmungen, wie namentlich das Deckungsprinzip und somit die Artikel 126 und 127 SchKG im Konkursverfahren keine Anwendung finden. Aufgrund des generellen Verweises in der Einleitung von Absatz 3 von Artikel 231 SchKG sowie dessen Ziffer 2 und der darin erwähnten Pflicht des Konkursamtes, in der Verwertung die Interessen der Gläubiger bestmöglich zu wahren, ist die Online-Versteigerung als neue gesetzliche Verwertungsart im Übrigen auch im summarischen Konkursverfahren ohne Weiteres zulässig. Ein ausdrücklicher Hinweis ist angesichts der Gesetzessystematik nicht erforderlich. Aufgekommen ist im Vernehmlassungsverfahren sodann die Frage, ob im summarischen Konkursverfahren nicht ein ausdrücklicher Ausschluss von Artikel 129 a Absatz 2 des Entwurfs erforderlich sei, da die Gläubiger im summarischen Konkursverfahren nicht über die Verwertungsart entscheiden könnten. Eine solche Änderung ist jedoch nicht angezeigt, denn die vorgängige Verfügung dient insbesondere dem Rechtsschutz der betroffenen Parteien, der bei der Online-Versteigerung nicht anders gewährleistet werden kann (siehe dazu oben Ziff. 4.1.3). Entsprechend der Anfechtungsmöglichkeit einer amtlichen Versteigerung oder eines Freihandverkaufs, welche auch im summarischen Konkursverfahren möglich ist, soll dies auch bei der Online-Versteigerung möglich sein. Zudem sollen damit die Gläubiger über die Online-Versteigerung informiert werden, damit sie bei Vermögensgegenständen von bedeutendem Wert die Möglichkeit haben, (höhere) Angebote zu machen, wie dies beim Freihandverkauf auch im summarischen Verfahren ausdrücklich vorgesehen (vgl. Art. 256 Abs. 3 i.V.m. Art. 231 Abs. 3 Ziff. 2 SchKG) und bei der amtlichen Versteigerung ohnehin möglich ist.
Art. 259 erster Satz
Die im Entwurf vorgesehene Ergänzung von Artikel 132 a SchKG um einen Absatz 4 macht den heutigen Verweis in Artikel 259 SchKG überschiessend und erfordert eine entsprechende Präzisierung.
Art. 259a
Versteigerung über Online-Plattform
Diese Bestimmung stellt klar, welche Grundsätze der Online-Versteigerung im Konkursverfahren zu berücksichtigen sind. Die Bestimmung wurde als Folge der gegenüber dem Vorentwurf neuen Formulierung von Artikel 256 Absatz 1 des Entwurfs neu eingefügt. Namentlich das Deckungsprinzip und somit die Artikel 126 und 127 SchKG sind im Konkursverfahren nicht zu berücksichtigen, wie in der Vernehmlassung richtigerweise vorgebracht wurde.
Art. 275
Die Bestimmung in ihrer heutigen Fassung soll um einen ausdrücklichen Verweis auf Artikel 89 SchKG ergänzt werden, damit für die Praxis klargestellt ist, dass eine requisitorische Verarrestierung ebenfalls möglich ist. Mit dieser gesetzlichen Klarstellung sollen teilweise heute in der Praxis bestehende Zweifel gegenüber diesem effizienten Vorgehen für die Zukunft ausgeräumt werden (vgl. dazu vorne Ziff. 1.1.6).
Art. 322 Abs. 1
Diese Bestimmung wurde aufgrund der Rückmeldungen im Vernehmlassungsverfahren eingefügt, wo zurecht vorgebracht wurde, dass die Online-Versteigerung auch im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung möglich sein soll. Dies soll durch einen entsprechenden Verweis auf die im Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung zulässigen Verwertungsarten gewährleistet werden.
7⁰ SR 281.35
7¹ SR 272.1
7² Siehe dazu Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 115 f.; ders ., Verwertung (Fn. 25), Fn. 94.
7³ Siehe dazu m.w.H. Roth Jürg in: Kommentar zu Art. 125-132 a SchKG, in: Staehelin Daniel / Bauer Thomas / Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I. Art. 1-158 SchKG, 3. Aufl. Basel 2021, Art. 131 N 3.
7⁴ Siehe dazu m.w.H. Bachofner Eva in: Kommentar zu Art. 260 SchKG, in: Staehelin Daniel / Bauer Thomas / Lorandi Franco (Hrsg.), Basler Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs I. Art. 1-158 SchKG, 3. Aufl. Basel 2021, Art. 260 N 13.
7⁵ Staible Dominic , Online-Versteigerungen in Betreibungs- und Konkursverfahren, in: Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozess- und Zwangsvollstreckungsrecht (ZZZ) 2021, S. 520 ff. (zit. Staible , Online-Versteigerung), S. 530.
7⁶ Siehe zu diesem Aspekt Staible , Online-Versteigerung (Fn. 75), S. 526 sowie ders. , Verwertung (Fn. 25), S. 95.
7⁷ Staible , Online-Versteigerung (Fn. 75), S. 525 sowie ders. , Verwertung (Fn. 25), S. 105.
⁷8 Siehe dazu Staible , Verwertung (Fn. 25), S. 101.
⁷9 Siehe dazu m.w.H. Staible , Online-Auktion (Fn. 25), S. 38 f.; generell ablehnend Schlegel/Zopfi (Fn. 29), Art. 130 N 20.
8⁰ Die Lehre hat sich dazu eingehend geäussert, vgl. Schlegel/Zopfi (Fn. 29), Art. 130 N 20; Staible , Online-Versteigerung (Fn. 75), S. 528 f. sowie ders. , Verwertung (Fn. 25), S. 98.

6 Auswirkungen

6.1 Auswirkungen auf den Bund

Der vorliegende Entwurf hat keine finanziellen oder personellen Auswirkungen auf den Bund.

6.2 Auswirkungen auf Kantone und Gemeinden

Kantone und Gemeinden sind teilweise betroffen, weil sie für die Umsetzung der Abklärung des Meldeorts bei Betreibungsauskünften zuständig sind, was gegebenenfalls technische Anpassungen und Änderungen des kantonalen Rechts erfordert (siehe vorne Ziff. 4.2). Zugleich wird es im Zusammenhang mit der Online-Versteigerung und der vermehrten elektronischen Zustellung voraussichtlich insgesamt zu einer gewissen Aufwandreduktion kommen.

6.3 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft

Die weite Verbreitung elektronischer Verlustscheine und ihre Akzeptanz bei dritten Betreibungsämtern erlaubt privaten Grossgläubigern die elektronische Archivierung, was eine erhebliche Kosteneinsparung bedeutet. Auch durch die Überprüfung des Meldeorts bei Betreibungsauskünften ist in gewissem Masse eine positive Auswirkung auf die Volkswirtschaft zu erwarten, da Betreibungsauskünfte eine höhere Aussagekraft haben und somit gewisse Debitorenausfälle verhindert werden können. Schliesslich ist durch den mutmasslich höheren Verwertungserlös bei Online-Versteigerungen ein insgesamt besseres Ergebnis von Schuldbetreibungs- und Konkursverfahren zu erwarten.

6.4 Auswirkungen auf die Gesellschaft

Private Wohnungsvermieter sind oft besonders stark in ihren wirtschaftlichen Verhältnissen von schlechtem Zahlungsverhalten einer Mieterin oder eines Mieters betroffen. Es ist zu erwarten, dass die Abklärung des Meldeorts bei Betreibungsauskünften in einigen Fällen wirtschaftliche Ausfälle wird verhindern können.

7 Rechtliche Aspekte

7.1 Verfassungsmässigkeit

Die Vorlage stützt sich auf Artikel 122 Absatz 1 BV, wonach die Gesetzgebung auf dem Gebiet des Zivilrechts und Zivilprozessrechts Sache des Bundes ist.
Die Bekanntgabe personenbezogener Angaben stellt einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre (Art. 13 Abs. 2 BV) dar und ist deswegen nur unter den Voraussetzungen von Artikel 36 BV zulässig. Mit der vorgeschlagenen Änderung zur Überprüfung des Meldeortes bei Betreibungsregisterauskünften wird eine gesetzliche Grundlage (Art. 36 Abs. 1 BV) für die Bekanntgabe der entsprechenden Daten geschaffen (siehe vorne Ziff. 5, Erläuterung zu Art. 8 a Abs. 3bis E-SchKG). Da die Bekanntgabe der Daten ausserdem im öffentlichen Interesse und verhältnismässig sein muss (Art. 36 Abs. 2 und 3 BV), ist der Umfang der Bekanntgabe auf diejenigen Daten beschränkt, welche unmittelbar geeignet und erforderlich sind zur Erhöhung der Aussagekraft von Betreibungsregisterauskünften (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1).

7.2 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen der Schweiz

In den betroffenen Bereichen bestehen keine relevanten internationalen Verpflichtungen der Schweiz.

7.3 Erlassform

Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen grundlegende Bestimmungen über die Rechte und Pflichten von Personen und sind daher in Form eines Bundesgesetzes zu erlassen (Art. 164 Abs. 1 Bst. c BV).

7.4 Unterstellung unter die Ausgabenbremse

Mit der Vorlage werden weder neue Subventionsbestimmungen (noch neue Verpflichtungskredite oder Zahlungsrahmen beschlossen. Die Vorlage ist somit nicht der Ausgabenbremse unterstellt.

7.5 Delegation von Rechtsetzungsbefugnissen

Mit der Vorlage sollen in zwei Punkten Rechtsetzungsbefugnisse an den Bundesrat delegiert werden: So ist für die neu vorgesehene ausnahmsweise freiwillige elektronische Zustellung eines Zahlungsbefehls an die betriebene Person vorgesehen, dass der Bundesrat bestimmte Einzelheiten im Rahmen einer Verordnung regelt (vgl. Art. 72 Abs. 3 E-SchKG und vorne Ziff. 4.1.2 sowie die Erläuterungen zu dieser Norm in Ziff. 5). Ausserdem erhält er die Befugnis, Vorgaben an das Betreibungsbegehren näher zu regeln (vgl. Art. 67 Abs. 4 E-SchKG und vorne Ziff. 4.1.4 sowie die Erläuterungen zu dieser Norm in Ziff. 5).

7.6 Datenschutz

Mit den vorgeschlagenen Änderungen werden im Rahmen einer Betreibungsregisterauskunft mehr Daten bekannt gegeben als bisher. Der Umfang wird aber strikt auf die für die Steigerung der Aussagekraft unentbehrlichen zusätzlichen Daten beschränkt; auf die Bekanntgabe weiterer Daten, die für die Gläubiger von Interesse sein könnten - insbesondere auf den Zuzugs- und den Wegzugsort -, wird verzichtet (siehe dazu vorne Ziff. 4.1.1). Mit der vorgeschlagenen Änderung zur Überprüfung des Meldeortes bei Betreibungsregisterauskünften wird sodann eine gesetzliche Grundlage für die Bekanntgabe der entsprechenden Daten geschaffen (siehe dazu vorne Ziff. 7.1). Im Übrigen werden nicht neue Daten erhoben und es erfolgt auch seitens des Bundes keine Bearbeitung der Daten aus Zwangsvollstreckungsverfahren. Diese Daten und ihre Bearbeitung verbleiben wie bisher bei den Kantonen. Auf eine Datenschutz-Folgenabschätzung kann aus diesen Gründen verzichtet werden.
Bundesrecht
Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs (Betreibungsauskunft, elektronische Zustellungen und Online-Versteigerung)
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