Botschaft zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)»
Botschaft zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)»
vom 16. Oktober 2024
Sehr geehrter Herr Nationalratspräsident Sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin Sehr geehrte Damen und Herren
Mit dieser Botschaft beantragen wir Ihnen, die Volksinitiative ¹ «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» Volk und Ständen zur Abstimmung zu unterbreiten mit der Empfehlung, die Initiative abzulehnen.
Wir versichern Sie, sehr geehrter Herr Nationalratspräsident, sehr geehrte Frau Ständeratspräsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, unserer vorzüglichen Hochachtung.
16. Oktober 2024 | Im Namen des Schweizerischen Bundesrates Die Bundespräsidentin: Viola Amherd Der Bundeskanzler: Viktor Rossi |
Übersicht
Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» verlangt, dass jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten muss. Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative ab. Aus Sicht des Bundesrates muss der Fokus der Dienstpflicht auch in Zukunft darauf gerichtet sein, die Sicherheitsorganisationen Armee und Zivilschutz zu alimentieren.
Inhalt der Initiative
Die eidgenössische Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» verlangt in Form eines ausgearbeiteten Entwurfs die Änderung der Bundesverfassung (Art. 59, 61 Abs. 3-5 und 197 Ziff. 15 BV), wonach jede Person mit Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten muss. Dieser Dienst soll entweder als Militärdienst oder in Form eines «anderen, gleichwertigen und gesetzlich anerkannten Milizdienstes» geleistet werden. Der Sollbestand von Armee und Zivilschutz soll garantiert werden. Gemäss Initiativtext kann der Gesetzgeber vorsehen, dass auch Personen ohne Schweizer Bürgerrecht einen solchen Dienst leisten müssen.
Vorzüge und Mängel der Initiative
Der vorgeschlagene Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt könnte das Engagement der Schweizer Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft stärken. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten erlaubten es Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, ihre Fähigkeiten und Interessen in verschiedenen Sicherheitsbereichen oder Bereichen zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt einzubringen. Dies könnte insbesondere dort zu Entlastung führen, wo bereits heute Schwierigkeiten bestehen, genügend Freiwillige und Ehrenamtliche zu finden. Die Einführung eines «Dienstes zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt», bei dem sowohl die Schweizer Bürgerinnen als auch Schweizer Bürger dienstpflichtig wären, könnte auch der Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 8 Abs. 3 BV) dienen.
Das primäre Ziel der Dienstpflicht ist aus Sicht des Bundesrates, die Alimentierung der Armee und des Zivilschutzes sicherzustellen und nicht die Bürgerinnen und Bürger zu Aufgaben für die Allgemeinheit und die Umwelt zu verpflichten. Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Dienstpflicht auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt wird, zumal gemäss Initiative eine derart grosse Anzahl von Personen rekrutiert würden, die für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsorgane nicht benötigt werden. Bürgerinnen und Bürger sollen nur soweit zu einer Dienstleistung verpflichtet werden, als dies einem Bedarf nach Sicherheitsleistungen entspricht. Die Volksinitiative geht massiv darüber hinaus: Bei Annahme der Initiative würden jedes Jahr rund 70 000 Dienstpflichtige rekrutiert. Ein entsprechender Bedarf an Sicherheitsleistungen ist nicht erkennbar, weil die Sicherheitsbedürfnisse mit den heutigen Organisationen abgedeckt werden können. Die Einführung eines Bürgerdienstes, wie ihn die Initiative vorsieht, würde dazu führen, dass dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute doppelt so viele Arbeitskräfte entzogen würden, die zudem potenziell andere gering qualifizierte Arbeitskräfte (zum Beispiel Raumpflegepersonal oder Pflegehilfen) zumindest teilweise verdrängen würden. Das könnte was aus Sicht des Bundesrates zu einer Konkurrenzierung des freien Marktes führen. Im Vergleich zum heutigen Dienstpflichtsystem würde sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem völkerrechtlich übergeordneten Verbot von Zwangsarbeit stellen. Ein grosser Teil der erbrachten Leistungen hätte keinen Bezug zu Sicherheitsaufgaben des Staates und es bliebe offen, ob ausreichend alternative Milizdienste möglich wären, mit denen das Verbot von Zwangsarbeit eingehalten werden könnte.
Antrag des Bundesrates
Der Bundesrat beantragt den eidgenössischen Räten, die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» Volk und Ständen ohne direkten Gegenentwurf und ohne indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.
Botschaft
¹ BBl 2024 2742
1 Formelle Aspekte und Gültigkeit der Initiative
1.1 Wortlaut der Initiative
Die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» hat den folgenden Wortlaut:
Die Bundesverfassung ² wird wie folgt geändert:
Art. 59
Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt
¹ Jede Person mit Schweizer Bürgerrecht leistet einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt.
² Dieser Dienst wird als Militärdienst oder in Form eines anderen, gleichwertigen und gesetzlich anerkannten Milizdienstes geleistet.
³ Der Sollbestand der Kriseninterventionsdienste ist garantiert; dies betrifft insbesondere:
a.
die Armee;
b.
den Zivilschutz.
⁴ Personen, die keinen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten, obwohl sie dazu verpflichtet sind, schulden eine Abgabe; das Gesetz kann Ausnahmen vorsehen. Diese Abgabe wird vom Bund erhoben und von den Kantonen veranlagt und eingezogen.
⁵ Das Gesetz legt fest, ob und in welchem Umfang Personen ohne Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leisten.
⁶ Der Bund erlässt Vorschriften über den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls.
⁷ Personen, die den Dienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, haben für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes.
Art. 61 Abs. 3-5
Aufgehoben
Art. 197 Ziff. 17
³
17. Übergangsbestimmung zu Art. 59 (Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt)
Die Bundesversammlung erlässt die Ausführungsbestimmungen zu Artikel 59 spätestens fünf Jahre nach dessen Annahme durch Volk und Stände. Treten die Ausführungsbestimmungen innerhalb dieser Frist nicht in Kraft, so erlässt der Bundesrat die Ausführungsbestimmungen innerhalb von drei Jahren nach Ablauf der genannten Frist.
² SR 101
³ Die endgültige Ziffer dieser Übergangsbestimmung wird nach der Volksabstimmung von der Bundeskanzlei festgelegt.
1.2 Zustandekommen und Behandlungsfristen
Die Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)» wurde am 12. April 2022 von der Bundeskanzlei vorgeprüft ⁴ und am 26. Oktober 2023 mit den nötigen Unterschriften eingereicht. Mit Verfügung vom 20. November 2023 stellte die Bundeskanzlei fest, dass die Initiative mit 107 613 gültigen Unterschriften zustande gekommen ist. ⁵
Die Initiative hat die Form des ausgearbeiteten Entwurfs. Der Bundesrat unterbreitet dazu weder einen direkten Gegenentwurf noch einen indirekten Gegenvorschlag. Nach Artikel 97 Absatz 1 Buchstabe a des Parlamentsgesetzes vom 13. Dezember 2002 ⁶ (ParlG) hat der Bundesrat spätestens bis zum 26. Oktober 2024 einen Beschlussentwurf und eine Botschaft zu unterbreiten. Die Bundesversammlung hat nach Artikel 100 ParlG bis zum 26. April 2026 über die Abstimmungsempfehlung zu beschliessen.
⁴ BBl 2022 973
⁵ BBl 2023 2659
⁶ SR 171.10
1.3 Gültigkeit
Die Initiative erfüllt die Anforderungen an die Gültigkeit nach Artikel 139 Absatz 3 BV:
a.
Sie ist als vollständig ausgearbeiteter Entwurf formuliert und erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Form.
b.
Zwischen den einzelnen Teilen der Initiative besteht ein sachlicher Zusammenhang. Die Initiative erfüllt somit die Anforderungen an die Einheit der Materie.
c.
Die Initiative verletzt keine zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts. Sie erfüllt somit die Anforderungen an die Vereinbarkeit mit den zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.
2 Ausgangslage für die Entstehung der Initiative
2.1 Das Dienstpflichtsystem der Schweiz
Die Armee verteidigt die Schweiz und ihre Bevölkerung, unterstützt die zivilen Behörden bei Bedrohungen der inneren und äusseren Sicherheit und leistet Beiträge zur Friedensförderung im internationalen Rahmen. ⁷ Der Zivilschutz schützt und rettet bei Grossanlässen, Katastrophen und Notlagen sowie in bewaffneten Konflikten die Bevölkerung, betreut schutzsuchende Personen, unterstützt die zivilen Führungsorgane und unterstützt Polizei und Sanität in ihren Aufgaben. ⁸ Aufgrund dieser Aufgaben haben Armee und Zivildienst Bedarf an einem bestimmten Sollbestand an Dienstpflichtigen. Dieser Bedarf muss mit dem Dienstpflichtsystem gedeckt werden. Anders verhält es sich beim zivilen Ersatzdienst (Zivildienst): Dieser hat zwar einen gesetzlichen Leistungsauftrag, aber keine quantifizierte Leistungspflicht und bedarf daher auch keines bestimmten Sollbestands, der mit dem Dienstpflichtsystem gedeckt werden müsste. Die dort Eingeteilten leisten einen Ersatzdienst, weil sie den Militärdienst nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren können. Sie erbringen Arbeitsleistungen im öffentlichen Interesse für wichtige Aufgaben der Gemeinschaft, für deren Erfüllung die Ressourcen fehlen. Sie können auch zur Bewältigung von Katastrophen und Notlagen eingesetzt werden.
Bei der Rekrutierung wird anhand von objektiven Tauglichkeitskriterien festgelegt, welchen Dienst die Stellungspflichtigen zu absolvieren haben. Es wird unterschieden zwischen «militärdiensttauglich», «militärdienstuntauglich, aber schutzdiensttauglich» und «militär- und schutzdienstuntauglich». Militärdiensttaugliche leisten Militärdienst, es sei denn sie haben einen Gewissenskonflikt. In diesem Fall leisten sie einen zivilen Ersatzdienst. Dieser dauert 1,5-mal länger als der nicht geleistete Militärdienst. Stellungspflichtige, die militärdienstuntauglich, aber schutzdiensttauglich sind, leisten ihren Dienst im Zivilschutz. Stellungspflichtige, die weder für den Militärdienst noch für den Schutzdienst tauglich sind, entrichten eine Wehrpflichtersatzabgabe, ausser sie sind aufgrund einer erheblichen Behinderung von der Ersatzpflicht befreit. ⁹ Die Ersatzabgabe berücksichtigt individuelle Umstände, wobei Militärdienstuntaugliche 3 Prozent ihres steuerbaren Einkommens, jedoch mindestens 400 Franken jährlich zahlen müssen.
⁷ Siehe Artikel 58 Absatz 2, Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Artikel 1 Bundesgesetz über die Armee und die Armeeverwaltung (Militärgesetz, MG).
⁸ Siehe Artikel 28 Bundesgesetz über den Bevölkerungsschutz und Zivilschutz.
⁹ Siehe hierzu auch den Bericht des Bundesrates vom 9. Mai 2021 über die Strategie Bevölkerungsschutz und Zivilschutz 2015+ ( BBl 2012 5503 ).
2.2 Überprüfung des Dienstpflichtsystems
Weil die Alimentierung von Armee und Zivilschutz aufgrund der steigenden Abgangszahlen aus der Armee langfristig nicht gesichert scheint, erteilte der Bundesrat dem Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) am 28. Juni 2017 den Auftrag, die Alimentierung der Armee und des Zivilschutzes zu analysieren. Die Arbeiten haben im November 2017 begonnen. Die Analyse erfolgte in zwei Teilen. Der erste Teil, die Bestandesanalyse, wurde vom Bundesrat am 30. Juni 2021 gutgeheissen. 1⁰ Die Analyse zeigte, dass die Zivilschutzbestände noch knapp, aber bald nicht mehr genügend alimentiert werden können. Zudem zeigte sich, dass Ende der 2020er-Jahre der Effektivbestand der Armee von 140 000 Armeeangehörigen unterschritten wird. Vor diesem Hintergrund wurden VBS und WBF beauftragt, eine Revision des Bevölkerungsschutz- und Zivilschutzgesetzes vom 20. Dezember 2019 1¹ (BZG), des Militärgesetzes vom 3. Februar 1995 ¹2 (MG) und des Zivildienstgesetzes vom 6. Oktober 1995 ¹3 (ZDG) zu erarbeiten, mit welcher die Zivilschutzbestände durch kurz- und mittelfristige Massnahmen gesichert werden sollen. Der zweite Teil des Alimentierungsberichts wurde vom Bundesrat am 4. März 2022 gutgeheissen. ¹4 Darin wurden vier Varianten geprüft, wie das Dienstpflichtsystem langfristig weiterentwickelt werden könnte: eine Sicherheitsdienstpflicht , eine bedarfsorientierte Dienstpflicht und zwei Versionen einer Bürgerdienstpflicht (eine mit und eine ohne freie Wahl der Dienstart). Ebenfalls wurde die Einführung eines obligatorischen Orientierungstages für Frauen als Variante Status quo plus geprüft.
Für die Beurteilung der vier Varianten wurden drei Kriterien herbeigezogen: die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz, der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit sowie der sicherheitspolitische Bedarf an Leistungen von Dienstpflichtigen. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass bei den beiden Varianten der Bürgerdienstpflicht (mit und ohne freie Wahl der Dienstart) der Bezug zur Sicherheit am wenigsten gegeben war. Mehr als die Hälfte aller Diensttage würden in Bereiche geleistet, die einen schwachen oder gar keinen Bezug zur Sicherheit haben. Die beiden Varianten erfüllten deshalb das Kriterium des Sicherheitsbezugs weniger gut als die Varianten Sicherheitsdienstpflicht und bedarfsorientierte Dienstpflicht . Weil die Verdoppelung des Rekrutierungspools auch eine Verdoppelung der Zahl der geleisteten Diensttage mit sich brächte, würden ausserhalb von Aufgaben mit Sicherheitsbezug Kapazitäten geschaffen, für welche der Bedarf nicht erkennbar ist. Obschon die Alimentierung von Armee und Zivilschutz zumindest bei der Variante ohne freie Wahl der Dienstart sichergestellt werden könnte, kam der Bundesrat zum Schluss, dass die beiden Versionen der Bürgerdienstpflicht den Kriterien Alimentierung, Sicherheitsbezug und Bedarf am wenigsten entsprachen. Er beschloss daher, sie nicht weiterzuverfolgen. Hingegen beauftragte er das VBS, die beiden anderen Varianten ( Sicherheitsdienstpflicht und bedarfsorientierte Dienstpflicht ) bis Ende 2024 zu vertiefen, Bericht zu erstatten und gegebenenfalls Anträge für eine Umsetzung zu unterbreiten. Gleichzeitig beauftragte er das VBS die Einführung eines obligatorischen Orientierungstags für Frauen ( Status quo plus ) vertieft zu prüfen und dem Bundesrat bis Ende 2024 zum Entscheid vorzulegen.
Die beiden vom Bundesrat abgelehnten Varianten der Bürgerdienstpflicht hatten starke Ähnlichkeiten mit dem von der Initiative vorgeschlagenen Modell. In beiden geprüften Varianten würden alle Schweizer Bürgerinnen und Bürger persönlich Dienst leisten, soweit sie dazu physisch und psychisch in der Lage wären. Die bisherigen Kernaufgaben von Armee und Zivilschutz wären abgedeckt, aber auch Aufgaben jenseits des Sicherheitsbereichs, insbesondere Gesundheits- und Sozialdienste, Natur und Umwelt. Der Dienst in diesen Bereichen würde nicht nur als Ersatzdienst zum Militärdienst, sondern als dem Militär- und Schutzdienst gleichwertiger Dienst geleistet. Der Dienst könnte auch vollständig neue Aufgaben beinhalten, z. B. politische Mandate auf Gemeindeebene, Ämter in Vereinen, Einsätze in Samaritervereinen, Verwendungen in Sportfunktionen. Bei der Variante ohne freie Wahl der Dienstart würden sich die möglichen Einsatzgebiete stärker am heutigen Zivildienst orientieren als bei der Variante mit freier Wahl der Dienstart, die diesbezüglich näher an der jetzt vorliegenden Volksinitiative war. Bezüglich der Alimentierung von Armee und Zivilschutz hatte die Variante ohne freie Wahl grössere Ähnlichkeit mit der Volksinitiative, da beide eine Garantie der nachhaltigen Alimentierung vorsehen.
1⁰ Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2021 über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 1: Analyse und kurz- und mittelfristige Massnahmen ( BBl 2021 1555 ).
1¹ SR 520.1
¹2 SR 510.10
¹3 SR 824.0
¹4 Bericht des Bundesrates vom 4. März 2022 über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 2: Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems ( BBl 2022 665 ).
2.3 Lancierung der Initiative
Der Verein Service Citoyen wurde 2013 im Zusammenhang mit der eidgenössischen Volksabstimmung über die Volksinitiative «Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht» gegründet. Er will das Miliz-Engagement in der Schweiz fördern. Gemeinsam mit weiteren Partnern befasste sich der Verein ab 2019 mit der möglichen Lancierung einer Volksinitiative. Nach der Veröffentlichung des zweiten Teils des Berichts zur Alimentierung der Armee und des Zivilschutzes, welcher die beiden Varianten Bürgerdienstpflicht ohne freie Wahl der Dienstart und Bürgerdienstpflicht mit freier Wahl der Dienstart als mögliche neue Dienstpflichtsysteme verwarf, begann das Initiativkomitee am 26. April 2022 mit der Unterschriftensammlung für die Service-citoyen-Initiative. ¹5
¹5 Siehe hierzu den Internetauftritt des Initiativkomitees:
www.servicecitoyen.ch
.
3 Ziele und Inhalt der Initiative
3.1 Ziele der Initiative
Ziel der Initiative ist es, das Milizsystem der Schweiz zu stärken, jungen Menschen eine Grundausbildung im gesellschaftlichen Engagement zu bieten und sicherzustellen, dass die grosse Mehrheit der Schweizer Bevölkerung einen Beitrag zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt leistet, unabhängig von der Tauglichkeit für den Militärdienst oder den Schutzdienst. Die Initiative setzt sich für einen «Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt» als Erweiterung und punktuelle Ergänzung des bestehenden Dienstpflichtsystems ein. Diese Pflicht soll über die bisherigen Einsatzbereiche von Armee, Zivilschutz und Zivildienst hinausgehen, den Umweltschutz verstärken und neu Milizengagement in weiteren Bereichen miteinbeziehen. Das soll zur Stärkung des Milizgedankens, zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements, zur Stärkung des Umweltschutzes sowie zur Entwicklung eines umfassenden Sicherheitsverständnisses, das auch den Umweltschutz einschliesst, beitragen und gleichzeitig die Einsatzfähigkeit der Armee und des Zivilschutzes erhalten. ¹6
¹6 Siehe hierzu den Internetauftritt des Initiativkomitees:
www.servicecitoyen.ch
.
3.2 Inhalt der vorgeschlagenen Regelung
Die Initiative sieht vor, dass Personen mit Schweizer Bürgerrecht einen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt in Form des Militärdienstes, des Schutzdienstes oder eines anderen, gleichwertigen Milizdienstes leisten. Zudem kann das Gesetz vorsehen, ob und in welchem Umfang auch Personen ohne Schweizer Bürgerrecht Dienst leisten. Während sich das aktuelle Dienstpflichtsystem auf Armee, Zivilschutz und Zivildienst beschränkt, zielt die Initiative darauf ab, Dienstpflichtige in weiteren Bereichen im öffentlichen und im Umweltbereich einzusetzen. Der Initiativtext sieht vor, dass die Bestände der Armee und des Zivilschutzes dabei gesichert werden müssen. Wie der Selektionsprozess ausgestaltet würde, lässt der Initiativtext offen. Analog zum heutigen Dienstpflichtsystem sollen Personen, die keinen Dienst leisten, eine Abgabe leisten. Auch soll der Bund Vorschriften über einen angemessenen Erwerbsersatz erlassen. Personen, die Dienst leisten und dabei gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, sollen wie heute für sich oder ihre Angehörigen Anspruch auf angemessene Unterstützung des Bundes haben.
3.3 Auslegung des Initiativtextes
Das Initiativkomitee hat keine detaillierten Erläuterungen zum Initiativtext veröffentlicht. Die Volksinitiative sieht vor, dass Artikel 59 und 61 BV angepasst werden und eine Ausführungsbestimmung zu diesen Anpassungen in Artikel 197 festgeschrieben wird. Die Volksinitiative fordert zwingend, dass die Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ausgedehnt wird und öffnet dem Gesetzgeber die Möglichkeit, dass auch Personen ohne Schweizer Bürgerrecht Dienst leisten. Die spezifische Ausgestaltung der damit einhergehenden Neuerungen bleibt im Initiativtext unbestimmt.
Artikel 59 Absatz 1 E-BV soll dahingehend angepasst werden, dass die Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ausgeweitet wird. Davon ausgehend, dass die heutigen Tauglichkeitsgrundsätze auch auf Schweizer Frauen angewendet werden, wird sich die Anzahl Dienstpflichtiger pro Jahr von heute rund 35 000 auf rund 70 000 verdoppeln. ¹7 Wenn die Tauglichkeitskriterien angepasst werden, könnte dies zu einer noch grösseren Anzahl Dienstpflichtiger führen.
Der zivile Ersatzdienst wird nicht mehr explizit erwähnt, sondern in der Dienstpflicht gemäss Artikel 59 Absatz 1 E-BV subsumiert. Aus Sicht des Bundesrates belässt die Verfassung dem Gesetzgeber auch unter dem Initiativtext genügend Spielraum, um den zivilen Ersatzdienst mit der Tatbeweislösung fortzuführen, sodass weiterhin jeder Militärdienstpflichtige jederzeit einen Gewissenskonflikt deklarieren und einen zivilen Ersatzdienst leisten könnte. Militärdiensttaugliche sollen weiterhin das verfassungsmässige Recht haben, jederzeit einen Gewissenskonflikt zu deklarieren. Um die Attraktivität des zivilen Ersatzdienstes nicht zu erhöhen, müsste der zivile Ersatzdienst weiterhin 1,5-mal länger dauern als der Militärdienst.
Artikel 59 Absatz 2 E-BV sieht vor, dass die Dienstpflicht als gleichwertiger Gemeinschaftsdienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt geleistet werden kann. Die Initiative fordert einen Gemeinschaftsdienst, der über die Bereiche von Armee, Zivilschutz und Zivildienst hinausgeht und den Umweltschutz verstärkt einbezieht. Es müsste definiert werden, welche konkreten Bereiche und Einsatzgebiete umfasst werden und wie die Dienstpflichtigen ausgebildet und eingesetzt werden sollen. Da der Initiativtext von «anderen Milizdiensten» spricht, könnte die Dienstpflicht nach Auffassung des Bundesrates auch die Ausübung politischer Ämter, die Leistung von Dienst in der Freiwilligenfeuerwehr, in Samaritervereinen oder in den heutigen Bereichen des Zivildienstes (Naturschutz, Pflege, Kinderbetreuung, Schule) geleistet werden.
Die Dienstdauer und die Einteilung der Dienstpflichtigen werden im Initiativtext nicht geregelt. Im heutigen Dienstpflichtsystem orientieren sich Dienstdauer und Einteilung an den Ausbildungs- und Alimentierungsbedürfnissen der Armee. Diese Regelung könnte nach Auffassung des Bundesrates auch im Falle der Umsetzung der Initiative weitergeführt werden.
In Artikel 59 Absatz 3 E-BV soll eine Garantie für den Sollbestand der Kriseninterventionsdienste (insbesondere Armee und Zivilschutz) eingeführt werden. Die Sicherstellung der Bestände von Armee und Zivilschutz ist für den Bundesrat ein zentrales Anliegen. Der Initiativtext macht dem Gesetzgeber keine Vorgaben dazu, wie dies konkret sichergestellt werden soll. Es besteht ausreichend Spielraum, um Dienstpflichtige zu einem Dienst in Armee oder Zivilschutz zu verpflichten. Es gäbe administrative Herausforderungen beispielsweise betreffend Rekrutierung, Zuteilung oder Wehrpflichtersatzabgabe bei Nichterfüllen der Dienstpflicht. So müsste die Frage geklärt werden, inwiefern die Möglichkeit bestünde, zwischen den verschiedenen Dienstarten zu wechseln. Die Initiative überlässt es aber dem Gesetzgeber zu entscheiden, ob eine Wahlfreiheit bezüglich der Dienstart bestehen und ob zwischen den Dienstarten gewechselt werden können soll. Deshalb geht der Bundesrat davon aus, dass eine Umsetzung möglich wäre, die eine ausreichende Alimentierung von Armee und Zivilschutz sicherstellt.
In Artikel 59 Absatz 4 E-BV sieht der Initiativtext vor, dass Personen, die nicht für den Dienst geeignet sind, eine Ersatzabgabe zu entrichten haben. Es ist offen, ob die heute geltenden Tauglichkeitskriterien weiterhin angewandt werden sollen. Die Ausweitung der Tätigkeitsfelder auf weitere Bereiche ausserhalb von Armee und Zivilschutz lässt den Schluss zu, dass auch die Tauglichkeitskriterien angepasst werden könnten. Die geltenden Regelungen im Wehrpflichtersatzrecht, namentlich im Bundesgesetz vom 12. Juni 1959 ¹8 über die Wehrpflichtersatzabgabe, müssten angepasst werden.
Artikel 59 Absatz 5 E-BV sieht vor, dass der Gesetzgeber regelt, ob und in welcher Form für Personen ohne Schweizer Bürgerrecht ein Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt zu leisten ist. Ob es sich dabei um eine Dienstpflicht oder um einen freiwilligen Dienst handelt, geht aus dem Initiativtext nicht abschliessend hervor.
Artikel 59 Absatz 6 und 7 E-BV beschreiben den angemessenen Ersatz des Erwerbsausfalls und die Ansprüche von Dienstleistenden, die gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren. Die heutigen Regelungen im Erwerbsersatzrecht, namentlich im Erwerbsersatzgesetz vom 25. September 1952 ¹9 , müssten vom Gesetzgeber mit Blick auf die erweiterten Dienstarten angepasst werden. Die vom heute gültigen Artikel 59 BV abgeleiteten Regelungen des Bundesgesetzes vom 19. Juni 1992 2⁰ über die Militärversicherung bezüglich der Ansprüche von Dienstleistenden, die gesundheitlichen Schaden erleiden oder ihr Leben verlieren, blieben hingegen unverändert.
In Artikel 61 BV sollen die Absätze 3 bis 5 aufgehoben werden. Damit soll der Schutzdienst neu unter der Dienstpflicht in Artikel 59 BV subsumiert werden, während der angepasste Artikel 61 lediglich die Zuständigkeiten des Bundes im Zivilschutz regelt.
In Artikel 197 BV soll das Parlament beauftragt werden, innerhalb von fünf Jahren nach der Annahme durch Volk und Stände die Ausführungsbestimmungen zum revidierten Artikel 59 zu erlassen. Falls die Ausführungsbestimmungen in dieser Frist nicht in Kraft treten, soll der Bundesrat sie innert drei Jahren nach Ablauf dieser Frist erlassen.
¹7 Die Zahl entspricht einem Mittelwert an jährlichen Dienstpflichtigen, wenn die Dienstpflicht auf Schweizer Frauen ausgedehnt wird. Diese Zahl kann von Jahr zu Jahr schwanken. Quelle: Szenarien zur Bevölkerungsentwicklung der Schweiz 2015-2045, Neuenburg 2015.
¹8 SR 661
¹9 SR 834.1
2⁰ SR 833.1
4 Würdigung der Initiative
4.1 Würdigung der Anliegen der Initiative
Ein Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt, wie ihn die Initiative fordert, könnte das Engagement der Schweizer Bürgerinnen und Bürger für die Gesellschaft stärken. Ein solcher Dienst kann einen Beitrag zur sozialen und kulturellen Integration leisten. Es ist auch anzuerkennen, dass die Initiative die aktive Solidarität und die individuelle und kollektive Verantwortung von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern fördern möchte. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten würden es Schweizer Bürgerinnen und Bürgern erlauben, ihre Fähigkeiten und Interessen in verschiedenen Sicherheitsbereichen oder Bereichen zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt einzubringen. Dies könnte insbesondere dort zu Entlastungen führen, wo bereits heute Schwierigkeiten bestehen, genügend Freiwillige und Ehrenamtliche zu finden. Durch den verstärkten Einbezug des Umweltschutzes könnte ein Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt die gesellschaftliche Sensibilisierung für Umweltschutzfragen fördern. Das Anliegen, den Zusammenhalt der Gesellschaft über ein Engagement für die Sicherheit oder für die Umwelt zu stärken, hat ebenfalls seine Berechtigung. Das zivilgesellschaftliche Engagement im Klimabereich lässt auch vermuten, dass ein Engagement für die Umwelt attraktiv sein könnte. Eine Bürgerdienstpflicht, bei der sowohl Schweizer Bürgerinnen als auch Schweizer Bürger dienstpflichtig wären, könnte auch der Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau (Art. 8 Abs. 3 BV) dienen. Ein freiwilliger Dienst von Personen ohne Schweizer Bürgerrecht könnte die Integration und die interkulturelle Verständigung fördern.
4.2 Auswirkungen der Initiative bei einer Annahme
Der Bundesrat anerkennt die Zielsetzungen der Initiative. Aus seiner Sicht ist aber nicht gerechtfertigt, dass die Dienstpflicht auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt wird, zumal gemäss Initiative eine derart grosse Anzahl von Personen rekrutiert würden, die für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsorgane nicht benötigt werden. Es sollen nur so viele Stellungspflichtige zur Dienstleistung verpflichtet werden, wie für die Erbringung von Leistungen mit Sicherheitsbezug, die einem Bedarf der Gesellschaft entsprechen, zwingend nötig sind. In der von der Initiative vorgeschlagenen Dienstpflicht würden alle stellungspflichtigen Schweizerinnen und Schweizer, die nicht für die Bestände von Armee und Zivilschutz benötigt werden, in Bereichen ohne direkten Bezug zur Sicherheit eingesetzt. Für die Alimentierung von Armee und Zivilschutz werden jährlich rund 30 400 Dienstpflichtige benötigt (25 000 für die Armee und 5400 für den Zivilschutz). 2¹ Mit der Bürgerdienstpflicht würden jährlich rund 70 000 Schweizerinnen und Schweizer stellungspflichtig (gerundeter Wert auf der Basis der statistischen Bevölkerungsentwicklung gemäss Bundesamt für Statistik). 2² Bei gleichbleibenden Tauglichkeitsraten würden weiterhin rund zwanzig Prozent der Dienstpflichtigen, also rund 14 000 Personen, weder Militärdienst noch Dienst im Zivilschutz leisten. Damit stünden der Armee und dem Zivilschutz rund 56 000 Stellungspflichtige pro Jahr zur Verfügung, also 25 600 mehr als für ihre Alimentierung notwendig. Daraus folgt, dass mit der Einführung des Bürgerdienstes fast die Hälfte aller Dienstpflichtigen nicht in der Armee und im Zivilschutz, sondern in Einsatzbereichen ohne direkten Bezug zur Sicherheit eingesetzt würden, beispielsweise für ein Engagement im Umweltbereich, wie von der Initiative gefordert. Falls - in Abkehr von der heutigen Praxis - auch Personen Dienst leisten, die weder für den Militärdienst noch für den Schutzdienst tauglich sind, würden noch mehr Diensttage ohne Sicherheitsbezug geleistet. Das Gleiche gilt, wenn die Möglichkeit, Dienst zu leisten, auf Personen ohne Schweizer Bürgerrecht ausgedehnt würde, wie das die Initiative ermöglichen will. Aus Sicht des Bundesrates käme eine Ausweitung der Dienstpflicht nur auf Personen mit Stimmrecht in Frage. Personen ohne Schweizer Bürgerrecht sind in der Schweiz auf Bundesebene von den politischen Mitbestimmungsrechten ausgeschlossen, weshalb es unangemessen wäre, sie zu einer Dienstleistung zu verpflichten. Eine freiwillige Dienstleistung wäre denkbar, müsste im Falle einer Umsetzung fallweise je nach Dienstart beurteilt werden.
Bei Annahme der Initiative würden die Einsatzbereiche von Dienstpflichtigen gegenüber heute massiv erweitert. Dieser Möglichkeit, Milizdienstleistungen ausserhalb von Militär, Zivilschutz und Zivildienst, wie beispielsweise das Ausüben von politischen Mandaten oder die Freiwilligenarbeit in Samaritervereinen, neu über die allgemeine Bürgerdienstpflicht abzugelten, steht der Bundesrat kritisch gegenüber. Eine Erweiterung, wie sie die Initiative vorsieht, würde aus Sicht des Bundesrates dazu führen, dass viel zu viele Dienstpflichtige Leistungen ohne oder mit schwachem Sicherheitsbezug erbringen würden.
Hinzu kommt die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Dienstgerechtigkeit. Die verschiedenen Dienstarten müssen nach Massgabe der Belastung der Dienstleistenden, konkret bezüglich Anzahl Diensttage und Einteilungsdauer so gleichwertig wie möglich sein. Im heutigen Dienstpflichtsystem ist das gewährleistet. Artikel 31 BZG sieht vor, dass Schutzdienstpflichtige sind gleich lange dienstpflichtig wie Armeeangehörige und gleich viele Diensttage leisten müssen. Zivildienstpflichtige leisten 1,5-mal mehr Diensttage, damit der zivile Ersatzdienst bezüglich der Belastung der Dienstpflichtigen mit dem Militärdienst gleichwertig ist. Der Grundsatz der Gleichwertigkeit muss aus Sicht des Bundesrates bei einer Umsetzung der Initiative für alle Dienstarten gelten. Es ist somit fraglich, ob bei einer Erweiterung der Bereiche zur Erfüllung der Dienstpflicht im Sinne der Initiative die Dienstgerechtigkeit sichergestellt werden könnte.
4.2.1 Auswirkungen auf die Alimentierung von Armee und Zivilschutz
Der Initiativtext macht dem Gesetzgeber kaum Vorgaben dazu, wie er die Rekrutierung und Alimentierung der verschiedenen Dienstarten zu regeln hat, schreibt aber vor, dass der Sollbestand der Kriseninterventionsdienste, insbesondere der Armee und des Zivilschutzes, garantiert werden muss (Art. 59 Abs. 3 E-BV). Die Umsetzung wäre durch den Gesetzgeber im Rahmen der Ausführungsbestimmungen zu definieren. Der Initiativtext belässt dem Gesetzgeber damit ausreichend Spielraum, den Dienstpflichtigen nötigenfalls vorzuschreiben, ihre Dienstpflicht in der Armee oder im Zivilschutz zu leisten. Selbst wenn die Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen den Rekrutierungspool gegenüber heute verdoppeln würde, wäre eine ausreichende und nachhaltige Alimentierung für Armee und Zivilschutz davon abhängig, ob diese Dienstarten priorisiert alimentiert würden. Es kann im Falle der freien Wahl nicht davon ausgegangen werden, dass genügend Dienstpflichtige diese Dienstarten freiwillig wählen würden. Eine nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz ist deshalb aus Sicht des Bundesrates nur gesichert, wenn wie heute Armee und Zivilschutz priorisiert alimentiert würden und die anderen Dienstarten erst danach zum Zuge kämen. Ein Wechsel zwischen den verschiedenen Dienstarten könnte möglich gemacht werden. Um die Bestände der Armee nicht zu gefährden, sollten Wechsel aus der Armee aus Sicht des Bundesrates aber mindestens den heute geltenden gesetzlichen Regeln für den Wechsel in den Zivildienst unterliegen: Artikel 8 Absatz 1 ZDG sieht heute vor, dass der Zivildienst grundsätzlich 1,5-mal so lange dauert wie die Gesamtdauer der noch nicht geleisteten Ausbildungsdienste nach der Militärgesetzgebung.
4.2.2 Auswirkungen auf die Volkswirtschaft
Im heutigen Dienstpflichtsystem gibt es Einschränkungen für den Einsatz von Dienstpflichtigen bezüglich der Arbeitsmarktneutralität. So dürfen mit dem Einsatz von Zivildienstpflichtigen gemäss Artikel 6 Absatz 1 ZDG keine Arbeitsplätze gefährdet werden, die Lohn- und Arbeitsbedingungen im Einsatzbetrieb nicht verschlechtert und Wettbewerbsbedingungen auf dem zivilen Arbeitsmarkt nicht verfälscht werden. Ähnliche Einschränkungen für Tätigkeiten ausserhalb der jeweiligen Kernbereiche finden sich auf Weisungsstufe für die Armee ²3 und auf Verordnungsstufe für den Zivilschutz. ²4
Die Verdoppelung der heute rund 35 000 auf geschätzt rund 70 000 Dienstpflichtige pro Jahrgang brächte eine Verdoppelung der geleisteten Diensttage und eine Ausweitung der Einsatzbereiche mit sich. Mit diesem Ausbau an Diensttagen und Einsatzbereichen stellt sich die grundsätzliche Frage, ob der Anspruch der Arbeitsmarktneutralität auch auf Dienstleistungen bestehen soll, die ausserhalb des heutigen Militär-, Schutz- und Zivildienst erbracht werden. Gemäss Artikel 94 Absatz 4 BV kann durch eine Regelung auf Verfassungsstufe vom Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Staates abgewichen werden. Es wäre also theoretisch möglich, in Kauf zu nehmen, dass mit dem Einsatz von Dienstpflichtigen bestehende Arbeitsplätze gefährdet werden, Lohn- und Arbeitsbedingungen in Einsatzbetrieben verschlechtert oder die Wettbewerbsbedingungen verfälscht würden. Aus Sicht des Bundesrates sollte darauf jedoch verzichtet werden. Alle Diensttage ohne direkten Bezug zur Sicherheit sollten den gleichen Kriterien bezüglich der Arbeitsmarktneutralität genügen wie die heutigen Tätigkeiten von Zivildienstpflichtigen. Die Folgefrage ist, ob sich ein Umsetzungsmechanismus finden liesse, mit welchem der Einsatz von Dienstpflichtigen mit der Arbeitsmarktneutralität vereinen lässt. Wenn dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute doppelt so viele Arbeitskräfte entzogen würden, wäre es schwierig, die Arbeitsmarktneutralität konsequent einzuhalten, zumal viele Dienstleistende potenziell andere gering qualifizierte Arbeitskräfte (zum Beispiel Raumpflegepersonal oder Pflegehilfen) zumindest teilweise verdrängen würden.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der volkswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit eines Dienstes zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt, wie ihn die Initiative vorsieht. Es erscheint nicht sinnvoll, der Wirtschaft doppelt so viel Personal zu entziehen, um es für Aufgaben einzusetzen, für die es weniger qualifiziert ist für seine angestammte berufliche Tätigkeit. Die zusätzlichen Kosten und negativen Folgen eines solchen Systems für die Volkswirtschaft wären beträchtlich. Die Erwerbsersatzkosten dürften sich ungefähr verdoppeln und Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer weiter belasten. Hinzu käme ein zusätzlicher Personalaufwand für Administration und Vollzug beim Einsatz der Dienstpflichtigen. Erst auf Gesetzesstufe könnte geklärt werden, ob und in welchem Umfang Einnahmen aus finanziellen Abgaben der Einsatzbetriebe als Gegenleistung für die erhaltene Arbeitskraft generiert werden können.
²3 Ziff. 2 Bst. b der Weisungen vom 30. November 2006 über die gewerblichen Tätigkeiten im VBS, abrufbar unter:
www.ar.admin.ch
> Immobilien > Immo-Portal.
²4 Art. 46 Abs. 1 Bst c der Zivilschutzverordnung vom 11. November 2020 ( SR 520.11 ).
4.2.3 Kostenschätzung
Bei einer Annahme der Initiative dürfte mit bedeutenden Kosten für den vorgeschlagenen Dienst zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt zu rechnen sein. Mit der Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen stellt sich ungefähr eine Verdoppelung der Diensttage ein. Damit verdoppeln sich auch die Kosten für Erwerbsersatz, Sold und Versicherungen. Daneben dürfte die Einführung eines allgemeinen Bürgerdienstes aufgrund der Ausfälle am Arbeitsplatz hohe volkswirtschaftliche Kosten verursachen. 2022 beliefen sich die Kosten für den Erwerbsersatz auf 806 Millionen Franken. ²5 Bei doppelter Anzahl Diensttage müsste mit rund 1,6 Milliarden Franken jährlich gerechnet werden. Die Kosten für die Militärversicherung beliefen sich 2023 auf rund 163 Millionen Franken. ²6 Bei einer Umsetzung der Initiative müsste mit rund 330 Millionen Franken jährlich gerechnet werden. Diesen Mehrkosten stünden Mehreinnahmen über die Wehrpflichtersatzabgabe gegenüber. Im Jahr 2022 wurden rund 165 Millionen Franken an Wehrpflichtersatzabgaben eingenommen. ²7 Bei einer Umsetzung der Initiative könnten sich diese Einnahmen gemäss Schätzungen auf rund 330 Millionen Franken jährlich erhöhen. Die gesamten Kosten können zurzeit indes nicht geschätzt werden, weil diese von der genauen, auf Gesetzes- und Verordnungsstufe zu bestimmenden Ausgestaltung des Bürgerdienstes abhängen.
²5 Statistik der Erwerbsersatzordnung (EO-Statistik) 2022, abrufbar unter:
www.bsv.admin.ch
> Sozialversicherungen > Erwerbsersatzordnung (EO) > Statistik > Erwerbsersatzstatistik 2022.
²6 Statistik der Militärversicherung 2023, abrufbar unter:
www.suva.ch
> Downloads > Statistik der Militärversicherung 2023.
²7 Statistik der Fiskaleinnahmen des Bundes, abrufbar unter: www.estv.admin.ch > Die ESTV > Steuerstatistiken > Fiskaleinnahmen des Bundes.
2¹ Siehe hierzu den Bericht des Bundesrates vom 30. Juni 2021 über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 1: Analyse und kurz- und mittelfristige Massnahmen ( BBl 2021 1555 ).
2² Siehe hierzu den Bericht des Bundesrates vom 4. März 2022 über die Alimentierung von Armee und Zivilschutz, Teil 2: Möglichkeiten zur langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems ( BBl 2022 665 ).
4.3 Vereinbarkeit mit internationalen Verpflichtungen
Es stellt sich die Frage, ob der Bedarf der Gesellschaft an Leistungen von Dienstpflichtigen jenseits von Armee und Zivilschutz erheblich und dringend genug wäre, um eine derart weitgehende Pflicht der gesamten Bevölkerung zu rechtfertigen und das verfassungs- und völkerrechtliche Verbot der Zwangsarbeit nicht zu verletzen. Als Zwangsarbeit wird jede Art von Arbeit oder Dienstleistung definiert, die von einer Person unter Androhung von Strafe verlangt wird und für die sie sich nicht freiwillig zur Verfügung gestellt hat. Das internationale Völkerrecht, insbesondere Artikel 4 Absatz 3 der Konvention vom 4. November 1950 ²8 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, sowie Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c des Internationalen Pakts vom 16. Dezember 1966 ²9 über bürgerliche und politische Rechte, verbietet Zwangsarbeit. In Abwesenheit einer positivrechtlichen Definition formuliert es Ausnahmen von Dienstpflichten, die keine Zwangsarbeit darstellen. Dazu gehören - neben Arbeiten im Freiheitsentzug und Militärdienst - Aufgaben, die von Bürgerinnen und Bürgern im Zusammenhang mit der Aufrechterhaltung der Sicherheit und zur Behebung von Notständen und Katastrophen verlangt werden können sowie sogenannte «übliche Pflichten», wie beispielsweise die unentgeltliche Prozessvertretung, der medizinische Notfalldienst oder das Wirken als Geschworene oder Geschworener.
Das heutige Dienstpflichtsystem hält das Zwangsarbeitsverbot ein. Zum einen hat die grosse Mehrheit der geleisteten Diensttage den genannten Bezug zu Sicherheitsaufgaben. Zum anderen werden die Dienstleistungen, die in Bereichen ohne Bezug zur Sicherheit erbracht werden, z. B. im Gesundheitswesen und im Umweltschutz, in Form von zivilem Ersatzdienst erbracht. Als Ersatzdienst für den Militärdienst gehören sie zu den vom Völker- und Verfassungsrecht anerkannten Ausnahmen des Zwangsarbeitsverbots.
In der von der Volksinitiative vorgeschlagenen Dienstpflicht würden alle rekrutierungspflichtigen Schweizerinnen und Schweizer, die nicht für die Bestände von Armee und Zivilschutz benötigt werden, in Bereichen ohne Bezug zur Sicherheit eingesetzt. Für die Alimentierung von Armee und Zivilschutz werden wie in Kapitel 4.2. dargestellt jährlich rund 30 400 Dienstpflichtige benötigt. Mit der Bürgerdienstpflicht stünden der Armee und dem Zivilschutz bei Beibehaltung der heutigen Tauglichkeitskriterien wie erläutert rund 25 600 Stellungspflichtige mehr zur Verfügung als für die Alimentierung notwendig. Diese aus Alimentierungssicht überzähligen Dienstpflichtigen würden in Einsatzbereichen ohne Bezug zur Sicherheit eingesetzt. Es bleibt aus Sicht des Bundesrates offen, ob genügend andere Milizdienste vorgesehen werden könnten, die das völkerrechtlich Verbot der Zwangsarbeit einhalten.
²8 SR 0.101
²9 SR 0.103.2
5 Schlussfolgerungen
Die Volksinitiative fokussiert bei der Ausgestaltung der Dienstpflicht auf Gleichstellung, aktive Solidarität sowie individuelle und kollektive Verantwortung von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern. Aus Sicht des Bundesrates muss der Fokus des Dienstpflichtsystems aber auch in Zukunft darauf gerichtet sein, die Sicherheitsorganisationen Armee und Zivilschutz zu alimentieren und damit einen Beitrag zur Sicherheit der Schweiz zu leisten. Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Dienstpflicht auf die gesamte Bevölkerung ausgedehnt wird, zumal gemäss Initiative eine sehr grosse Anzahl von Personen rekrutiert würde, die für die Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsorgane nicht benötigt werden. Die Bevölkerung sollte nur insofern zu Leistungen verpflichtet werden, als die Gesellschaft auf den Einsatz von Dienstpflichtigen angewiesen ist. Bei Annahme der Initiative würden jedes Jahr mindestens rund 70 000 Dienstpflichtige rekrutiert, doppelt so viele wie heute. Mit der zusätzlichen Einführung einer freiwilligen Dienstpflicht für Personen ohne Schweizer Bürgerrecht wären es noch mehr. Es ist nicht ersichtlich, dass ein sicherheitspolitischer Bedarf an wesentlich mehr Leistungen ohne direkten Sicherheitsbezug als heute besteht; die Sicherheitsbedürfnisse können mit den heutigen Organisationen abgedeckt werden. Die Einführung eines Dienstes zugunsten der Allgemeinheit und der Umwelt würde dazu führen, dass dem Arbeitsmarkt im Vergleich zu heute doppelt so viele Arbeitskräfte entzogen würden, was die Wirtschaft belasten würde und aus Sicht des Bundesrates kaum mit der heute geltenden Regelung bezüglich der Arbeitsmarktneutralität vereinbar wäre. Eine Abkehr von diesem Grundsatz hält der Bundesrat aus volkswirtschaftlichen Gründen nicht für opportun. Im Vergleich zum heutigen Dienstpflichtsystem würde sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem völkerrechtlich übergeordneten Verbot von Zwangsarbeit stellen. Ein grosser Teil der erbrachten Leistungen hätte keinen Bezug zu Sicherheitsaufgaben des Staates und es bliebe offen, ob ausreichend alternative Milizdienste geschaffen werden könnten, bei denen das Verbot der Zwangsarbeit eingehalten würde.
Eine umfassende Anpassung des Dienstpflichtsystems sollte dann angestrebt werden, wenn die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz nicht gesichert ist. Der Bundesrat hat mit dem ersten Alimentierungsbericht aber Massnahmen ergriffen, um die Bestände des Zivilschutzes kurz- und mittelfristig zu verbessern. Um die Bestände der Armee dauerhaft zu alimentieren, wurden im zweiten Alimentierungsbericht vier Varianten einer langfristigen Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems erarbeitet. Die beiden Varianten der Bürgerdienstpflicht haben inhaltliche Ähnlichkeiten mit der Initiative. Der Bundesrat hat diese geprüft und verworfen, weil sie die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz bei freier Wahl nicht gewährleistet und der Bezug der Dienstleistung zur Sicherheit nicht ausreichend gegeben ist. Inwiefern sich die verbliebenen Varianten ( Sicherheitsdienstpflicht und bedarfsorientierte Dienstpflicht ) und der Orientierungstag für Frauen ( Status quo plus ) als direkter Gegenentwurf eignen würden, kann zum heutigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, weil deren Prüfung nicht abgeschlossen ist und Entscheide zu einer allfälligen Umsetzung noch ausstehen. Zu den beiden Varianten kann aus heutiger Sicht Folgendes festgehalten werden:
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In der Variante Sicherheitsdienstpflicht ist weder eine Ausweitung der Dienstpflicht auf Schweizer Frauen noch eine Ausdehnung der möglichen Tätigkeitsfelder für Dienstpflichtige vorgesehen; beides sind zentrale Anliegen der Volksinitiative. Es sind weiterhin nur Schweizer Männer dienstpflichtig, und Dienst wird ausschliesslich in der Armee, im Zivilschutz und in Einsatzbetrieben des zivilen Ersatzdienstes geleistet. Damit ist fraglich, ob die Sicherheitsdienstpflicht dem Sinn der Volksinitiative nahe genug kommen könnte, um sich als direkter Gegenentwurf zu eignen.
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Die Variante bedarfsorientierte Dienstpflicht sieht wie die Service-citoyen-Initiative vor, dass auch Schweizer Frauen dienstpflichtig werden. Im Gegensatz zur Volksinitiative würden bei dieser Variante aber nur diejenigen Schweizer Bürgerinnen und Bürger tatsächlich Dienst leisten, die für die nachhaltige Alimentierung von Armee und Zivilschutz notwendig sind, also etwas weniger als die Hälfte aller Dienstpflichtigen. Dienstpflichtige würden bei diesem Modell ausschliesslich in den gleichen Tätigkeitsfeldern eingesetzt wie heute, nämlich in der Armee, dem Zivilschutz und den Einsatzbetrieben des zivilen Ersatzdienstes. Somit wird ein wichtiges Anliegen, das die Initiative verfolgt, mit einer bedarfsorientierten Dienstpflicht nicht aufgenommen, nämlich die Ausdehnung der Dienstpflicht auf neue Tätigkeitsfelder, beispielsweise Beschäftigungen zugunsten von Gemeinden und Vereinen, das Ausüben von öffentlichen Ämtern oder den Feuerwehrdienst. Mit der Ausdehnung der Dienstpflicht auf Frauen hingegen wäre eines der wichtigen Anliegen der Initiative erfüllt. Wie dargelegt, hat der Bundesrat Vertiefungsarbeiten zu diesem Dienstmodell und zur Sicherheitsdienstpflicht in Auftrag gegeben, deren Resultate bis Ende 2024 vorliegen.
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Die Variante Status quo plus verpflichtet Schweizer Frauen neu durch Bundesrecht zur Teilnahme an einem obligatorischen Orientierungstag. Daraus erwüchse aber keine Dienstpflicht in Armee oder Zivilschutz und auch eine Teilnahme an der Rekrutierung bliebe freiwillig. Es bleibt offen, wie viele Frauen aufgrund der Erfahrungen am Orientierungstag dann auch Militärdienst oder Schutzdienst leisten würden, denn ein solcher Dienst bleibt für sie weiterhin freiwillig. Somit brächte der obligatorische Orientierungstag für Frauen auch keine gesicherte Ausweitung der Dienstpflicht auf Frauen mit sich. Auch eine Ausweitung der Tätigkeitsfelder wäre mit dieser Variante nicht vorgesehen. Damit wird aus Sicht des Bundesrates dem Sinn der Volksinitiative nicht entsprochen, weshalb sich der Status quo plus nicht als direkter Gegenentwurf zur Volksinitiative eignet.
Neue Bürgerdienstpflichten können ohne verfassungsrechtliche Grundlagen nicht auf Gesetzesstufe geregelt werden, weshalb aus Sicht des Bundesrates keine Möglichkeit für einen indirekten Gegenvorschlag besteht.
Aus den genannten Gründen beantragt der Bundesrat den eidgenössischen Räten, Volk und Ständen die Initiative ohne direkten Gegenentwurf und ohne indirekten Gegenvorschlag zur Ablehnung zu empfehlen.
Bundesrecht
Botschaft zur Volksinitiative «Für eine engagierte Schweiz (Service-citoyen-Initiative)
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