Übereinkommen Nr. 189 über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte
Abgeschlossen in Genf am 16. Juni 2011 Von der Bundesversammlung genehmigt am 20. Juni 2014¹ Ratifikationsurkunde von der Schweiz hinterlegt am 12. November 2014 In Kraft getreten für die Schweiz am 12. November 2015 (Stand am 10. Oktober 2024) ¹ AS 2015 4073
² SR 0.103.2 ³ SR 0.103.1 ⁴ SR 0.104 ⁵ SR 0.108 ⁶ SR 0.311.54 ⁷ SR 0.311.542 ⁸ SR 0.311.541 ⁹ SR 0.107
Art. 1
Zum Zwecke dieses Übereinkommens:
a) bezeichnet der Ausdruck «hauswirtschaftliche Arbeit» Arbeit, die in einem oder mehreren Haushalten oder für einen oder mehrere Haushalte durchgeführt wird;
b) bezeichnet der Ausdruck «Hausangestellter¹⁰» jede Person, die im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hauswirtschaftliche Arbeit verrichtet;
c) ist eine Person, die hauswirtschaftliche Arbeit nur gelegentlich oder sporadisch und nicht berufsmässig verrichtet, kein Hausangestellter.
¹⁰ Die männliche Form schliesst grundsätzlich die weibliche Form mit ein.
Art. 2
1. Das Übereinkommen gilt für alle Hausangestellten.
2. Ein Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann nach Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, folgende Gruppen ganz oder teilweise aus seinem Geltungsbereich ausnehmen:
a) Gruppen von Arbeitnehmern, denen auf andere Weise ein mindestens gleichwertiger Schutz geboten wird;
b) begrenzte Gruppen von Arbeitnehmern, bei denen besondere Probleme von erheblicher Bedeutung auftreten.
3. Jedes Mitglied, das die im vorstehenden Absatz gebotene Möglichkeit für sich in Anspruch nimmt, hat in seinem ersten Bericht über die Durchführung des Übereinkommens nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation¹¹ alle auf diese Weise ausgenommenen besonderen Gruppen von Arbeitnehmern und die Gründe für deren Ausnahme anzugeben und in späteren Berichten alle etwaigen Massnahmen anzugeben, die getroffen worden sind, um die Anwendung des Übereinkommens auf die betreffenden Arbeitnehmer auszudehnen.
¹¹ SR 0.820.1
Art. 3
1. Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um die wirksame Förderung und den wirksamen Schutz der Menschenrechte aller Hausangestellten, wie in diesem Übereinkommen festgelegt, sicherzustellen.
2. Jedes Mitglied hat in Bezug auf Hausangestellte die in diesem Übereinkommen dargelegten Massnahmen zu ergreifen, um die grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit zu achten, zu fördern und zu verwirklichen, nämlich:
a) die Vereinigungsfreiheit und die effektive Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen;
b) die Beseitigung aller Formen von Zwangs- oder Pflichtarbeit;
c) die effektive Abschaffung der Kinderarbeit;
d) die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.
3. Wenn sie Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte und die Arbeitgeber von Hausangestellten in den Genuss der Vereinigungsfreiheit und der effektiven Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen kommen, haben die Mitglieder das Recht der Hausangestellten und der Arbeitgeber von Hausangestellten zu schützen, Verbände, Vereinigungen und Bünde ihrer Wahl zu gründen und diesen, vorbehaltlich der Regeln des betreffenden Verbands, beizutreten.
Art. 4
1. Jedes Mitglied hat ein Mindestalter für Hausangestellte festzulegen, das mit den Bestimmungen des Übereinkommens (Nr. 138) über das Mindestalter¹², 1973, und des Übereinkommens (Nr. 182) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit¹³, 1999, in Einklang steht und nicht niedriger ist als das durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften für die Arbeitnehmer allgemein festgelegte Alter.
2. Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Arbeit, die von Hausangestellten verrichtet wird, deren Alter unter 18 Jahren und über dem Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung liegt, ihrer Schulpflicht nicht im Wege steht oder ihre Möglichkeiten zur Teilnahme an weiteren Bildungs- oder Berufsbildungsmassnahmen nicht beeinträchtigt.
¹² SR 0.822.723.8
¹³ SR 0.822.728.2
Art. 5
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte wirksam vor allen Formen von Missbrauch, Belästigung und Gewalt geschützt sind.
Art. 6
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte wie Arbeitnehmer allgemein, in den Genuss fairer Beschäftigungsbedingungen sowie menschenwürdiger Arbeitsbedingungen und, wenn sie im Haushalt wohnen, menschenwürdiger Lebensbedingungen, die ihre Privatsphäre achten, kommen.
Art. 7
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte in leicht verständlicher Weise über ihre Beschäftigungsbedingungen informiert werden, und zwar vorzugsweise, wenn möglich, durch schriftliche Verträge in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträgen, insbesondere über:
a) den Namen und die Anschrift des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers;
b) die Anschrift der gewöhnlichen Arbeitsstätte oder Arbeitsstätten;
c) das Anfangsdatum und, wenn der Vertrag für einen bestimmten Zeitraum gilt, seine Dauer;
d) die Art der auszuführenden Arbeit;
e) die Entlohnung, die Berechnungsmethode und das Zahlungsintervall;
f) die normale Arbeitszeit;
g) den bezahlten Jahresurlaub und die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten;
h) gegebenenfalls die Bereitstellung von Verpflegung und Unterkunft;
i) gegebenenfalls die Probezeit;
j) gegebenenfalls die Rückführungsbedingungen;
k) die Bedingungen für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, einschliesslich einer vom Hausangestellten oder vom Arbeitgeber gegebenenfalls einzuhaltenden Kündigungsfrist.
Art. 8
1. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften haben vorzuschreiben, dass migrantische Hausangestellte, die in einem Land angeworben werden, um hauswirtschaftliche Arbeit in einem anderen Land zu verrichten, ein schriftliches Stellenangebot oder einen schriftlichen Arbeitsvertrag, der in dem Land, in dem die Arbeit verrichtet werden soll, durchgesetzt werden kann, mit den in Artikel 7 genannten Beschäftigungsbedingungen erhalten, bevor sie zur Aufnahme der hauswirtschaftlichen Arbeit, für die das Angebot oder der Vertrag gilt, Landesgrenzen passieren.
2. Der vorangegangene Absatz gilt nicht für Arbeitnehmer, die gemäss bilateralen, regionalen oder multilateralen Vereinbarungen oder im Rahmen von Gebieten regionaler Wirtschaftsintegration für Beschäftigungszwecke Freizügigkeit geniessen.
3. Die Mitglieder haben Massnahmen zu ergreifen, um miteinander zusammenzuarbeiten, damit die wirksame Anwendung der Bestimmungen dieses Übereinkommens auf migrantische Hausangestellte sichergestellt wird.
4. Jedes Mitglied hat durch Rechtsvorschriften oder andere Massnahmen die Bedingungen festzulegen, unter denen migrantische Hausangestellte nach Ablauf oder Beendigung des Arbeitsvertrags, für den sie rekrutiert worden sind, Anspruch auf Rückführung haben.
Art. 9
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte:
a) mit ihrem Arbeitgeber oder potenziellen Arbeitgeber frei vereinbaren können, ob sie im Haushalt wohnen möchten;
b) die im Haushalt wohnen, nicht verpflichtet sind, während der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten oder des Jahresurlaubs im Haushalt oder bei Mitgliedern des Haushalts zu bleiben;
c) berechtigt sind, ihre Reise- und Identitätsdokumente in ihrem Besitz zu halten.
Art. 10
1. Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen mit dem Ziel, die Gleichbehandlung von Hausangestellten und Arbeitnehmern allgemein in Bezug auf die normale Arbeitszeit, die Überstundenvergütung, die täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und den bezahlten Jahresurlaub gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträgen sicherzustellen, wobei die besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit zu berücksichtigen sind.
2. Die wöchentliche Ruhezeit hat mindestens 24 aufeinanderfolgende Stunden zu betragen.
3. Zeiten, in denen Hausangestellte nicht frei über ihre Zeit verfügen können und sich zur Verfügung des Haushalts halten, um möglichen Aufforderungen Folge zu leisten, sind insoweit als Arbeitszeiten anzusehen, wie dies durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, Gesamtarbeitsverträge oder andere, der innerstaatlichen Praxis entsprechende Mittel festgelegt ist.
Art. 11
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte vom Mindestlohnschutz erfasst werden, soweit ein solcher Schutz besteht, und dass das Entgelt ohne Diskriminierung aufgrund des Geschlechts festgesetzt wird.
Art. 12
1. Hausangestellte sind in regelmässigen Zeitabständen und mindestens einmal im Monat direkt in bar zu entlohnen. Sofern die Zahlungsweise nicht durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträge vorgesehen ist, kann die Zahlung mit Zustimmung des betreffenden Arbeitnehmers per Banküberweisung, Bankscheck, Postscheck, Zahlungsanweisung oder durch ein anderes gesetzliches geldliches Zahlungsmittel erfolgen.
2. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften, Gesamtarbeitsverträge oder Schiedssprüche können die Zahlung eines begrenzten Teils des Entgelts der Hausangestellten in Form von Sachleistungen vorsehen, die nicht ungünstiger sind als diejenigen, die allgemein für andere Gruppen von Arbeitnehmern gelten, unter der Voraussetzung, dass Massnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass der Arbeitnehmer mit solchen Sachleistungen einverstanden ist, dass sie dem persönlichen Gebrauch und Nutzen des Arbeitnehmers dienen und dass der ihnen zugemessene Geldwert fair und angemessen ist.
Art. 13
1. Jeder Hausangestellte hat das Recht auf eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung. Jedes Mitglied hat in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der innerstaatlichen Praxis unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit wirksame Massnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit und Gesundheit der Hausangestellten bei der Arbeit sicherzustellen.
2. Die im vorstehenden Absatz genannten Massnahmen können in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, schrittweise durchgeführt werden.
Art. 14
1. Jedes Mitglied hat in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit geeignete Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellten im Bereich der Sozialen Sicherheit, einschliesslich des Mutterschutzes, Bedingungen zugute kommen, die nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für Arbeitnehmer allgemein gelten.
2. Die im vorstehenden Absatz genannten Massnahmen können in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, schrittweise umgesetzt werden.
Art. 15
1. Um Hausangestellte, einschliesslich migrantischer Hausangestellter, die von privaten Arbeitsvermittlern angeworben oder vermittelt worden sind, wirksam vor missbräuchlichen Praktiken zu schützen, hat jedes Mitglied:
a) die für die Tätigkeit von privaten Arbeitsvermittlern, die Hausangestellte anwerben oder vermitteln, massgeblichen Bedingungen in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der innerstaatlichen Praxis festzulegen;
b) sicherzustellen, dass angemessene Einrichtungen und Verfahren zur Untersuchung von Beschwerden, angeblichem Missbrauch und angeblichen betrügerischen Praktiken hinsichtlich der Tätigkeiten privater Arbeitsvermittler im Zusammenhang mit Hausangestellten vorhanden sind;
c) alle erforderlichen und geeigneten Massnahmen im Rahmen seiner Zuständigkeit und gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern zu treffen, um einen ausreichenden Schutz für Hausangestellte vorzusehen und Missbräuche gegenüber Hausangestellten zu verhindern, die in seinem Hoheitsgebiet durch private Arbeitsvermittler angeworben oder vermittelt worden sind. Diese Massnahmen haben Rechtsvorschriften zu umfassen, die die jeweiligen Verpflichtungen des privaten Arbeitsvermittlers und des Haushalts gegenüber dem Hausangestellten festlegen und Zwangsmassnahmen vorsehen, einschliesslich des Verbots privater Arbeitsvermittler, die Missbrauch betreiben oder betrügerische Praktiken anwenden;
d) wenn Hausangestellte in einem Land für eine Arbeit in einem anderen Land angeworben werden, den Abschluss von bilateralen, regionalen oder multilateralen Vereinbarungen in Erwägung zu ziehen, um Missbrauch und betrügerische Praktiken bei der Anwerbung, Vermittlung und Beschäftigung zu verhindern;
e) Massnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die von privaten Arbeitsvermittlern erhobenen Gebühren nicht vom Entgelt der Hausangestellten abgezogen werden.
2. Bei der Durchführung jeder der Bestimmungen dieses Artikels hat jedes Mitglied sich mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, zu beraten.
Art. 16
Jedes Mitglied hat Massnahmen zu ergreifen, um in Übereinstimmung mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der innerstaatlichen Praxis sicherzustellen, dass alle Hausangestellten entweder von sich aus oder über einen Vertreter effektiven Zugang zu Gerichten oder anderen Streitbeilegungsmechanismen haben unter Bedingungen, die nicht ungünstiger sind als diejenigen, die Arbeitnehmern allgemein zur Verfügung stehen.
Art. 17
1. Jedes Mitglied hat wirksame und zugängliche Beschwerdemechanismen und Mittel zu schaffen, um die Einhaltung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften zum Schutz der Hausangestellten sicherzustellen.
2. Jedes Mitglied hat unter gebührender Berücksichtigung der besonderen Merkmale der hauswirtschaftlichen Arbeit Massnahmen gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf Arbeitsaufsicht, Durchsetzung und Zwangsmassnahmen zu entwickeln und durchzuführen.
3. Soweit dies mit den innerstaatlichen Rechtsvorschriften vereinbar ist, haben solche Massnahmen die Bedingungen festzulegen, unter denen unter gebührender Achtung der Privatsphäre Zugang zu den Räumlichkeiten des Haushalts gewährt werden kann.
Art. 18
Jedes Mitglied hat die Bestimmungen dieses Übereinkommens in Beratung mit den massgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden durch Rechtsvorschriften sowie Gesamtarbeitsverträge oder zusätzliche der innerstaatlichen Praxis entsprechende Massnahmen durchzuführen, indem je nach Sachlage bestehende Massnahmen auf Hausangestellte ausgedehnt oder an diese angepasst werden oder indem spezifische Massnahmen für sie entwickelt werden.
Art. 19
Dieses Übereinkommen berührt nicht günstigere Bestimmungen, die aufgrund anderer internationaler Arbeitsübereinkommen auf Hausangestellte anwendbar sind.
Art. 20
Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.
Art. 21
1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eingetragen ist.
2. Es tritt, zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind, in Kraft.
3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.
Art. 22
1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren seit seinem erstmaligen Inkrafttreten durch förmliche Mitteilung an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Sie wird zwölf Monate nach der Eintragung wirksam.
2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und binnen eines Jahres nach Ablauf der in Absatz 1 genannten zehn Jahre von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für weitere zehn Jahre gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen innerhalb des ersten Jahres jedes neuen Zehnjahres-Zeitraums nach Massgabe dieses Artikels kündigen.
Art. 23
1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die von den Mitgliedern mitgeteilt worden sind.
2. Der Generaldirektor macht die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die mitgeteilt worden ist, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam, zu dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.
Art. 24
Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zur Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen¹⁴ vollständige Auskünfte über alle nach Massgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.
¹⁴ SR 0.120
Art. 25
Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes erstattet der Allgemeinen Konferenz, wann immer er es für nötig erachtet, einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens und prüft, ob die Frage seiner Neufassung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.
Art. 26
1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen neu fasst, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gilt Folgendes:
a) die Ratifikation des neu gefassten Übereinkommens durch ein Mitglied hat ungeachtet des Artikels 22 ohne weiteres die Wirkung einer sofortigen Kündigung des vorliegenden Übereinkommens, sofern das neu gefasste Übereinkommen in Kraft getreten ist;
b) vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neu gefassten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.
2. In jedem Fall bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt für diejenigen Mitglieder in Kraft, die dieses, nicht jedoch das neu gefasste Übereinkommen ratifiziert haben.
Art. 27
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise massgebend.
(Es folgen die Unterschriften)
Empfehlung Nr. 201 betreffend menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 1. Juni 2011 zu ihrer hundertsten Tagung zusammengetreten ist;
die das Übereinkommen über Hausangestellte, 2011, angenommen hat,
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und
dabei bestimmt, dass diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über Hausangestellte, 2011, erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 16. Juni 2011, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte, 2011, bezeichnet wird.
1. Die Bestimmungen dieser Empfehlung ergänzen diejenigen des Übereinkommens über Hausangestellte, 2011 (im Folgenden «das Übereinkommen» genannt), und sollten in Verbindung mit ihnen berücksichtigt werden.
2. Wenn sie Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte in den Genuss der Vereinigungsfreiheit und der effektiven Anerkennung des Rechts zu Kollektivverhandlungen kommen, sollten die Mitglieder:
a) alle gesetzlichen oder administrativen Beschränkungen oder sonstigen Hindernisse für das Recht von Hausangestellten, eigene Verbände zu gründen oder Arbeitnehmerverbänden eigener Wahl beizutreten, und für das Recht von Verbänden von Hausangestellten, Arbeitnehmerverbänden, -vereinigungen und -bünden beizutreten, ermitteln und beseitigen;
b) erwägen, Massnahmen zu ergreifen oder zu unterstützen, um die Fähigkeit der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände, der Verbände, die Hausangestellte vertreten, und derjenigen der Arbeitgeber von Hausangestellten zu stärken, die Interessen ihrer Mitglieder wirksam zu fördern, vorausgesetzt, dass die Unabhängigkeit und Autonomie solcher Verbände innerhalb des rechtlichen Rahmens jederzeit geschützt werden.
3. Wenn sie Massnahmen für die Beseitigung von Diskriminierung in Bezug auf Beschäftigung und Beruf ergreifen, sollten die Mitglieder im Einklang mit internationalen Arbeitsnormen u.a.:
a) dafür sorgen, dass Vorkehrungen für arbeitsbezogene ärztliche Untersuchungen den Grundsatz der Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten und die Privatsphäre der Hausangestellten achten und mit der IAA-Richtliniensammlung «Schutz der personenbezogenen Arbeitnehmerdaten» (1997) und anderen einschlägigen internationalen Datenschutznormen im Einklang stehen;
b) jede Diskriminierung im Zusammenhang mit solchen Untersuchungen verhindern;
c) sicherstellen, dass von Hausangestellten keinesfalls verlangt wird, einen HIV- oder Schwangerschaftstest durchzuführen oder den HIV- oder Schwangerschaftsstatus preiszugeben.
4. Mitglieder, die ärztliche Untersuchungen für Hausangestellte in Betracht ziehen, sollten erwägen:
a) Mitgliedern des Haushalts und Hausangestellten öffentliche Gesundheitsinformationen über die vorrangigen Gesundheitsprobleme und Krankheiten zur Verfügung zu stellen, die im jeweiligen innerstaatlichen Kontext Anlass für die Notwendigkeit ärztlicher Untersuchungen geben;
b) Mitgliedern des Haushalts und Hausangestellten Informationen über freiwillige ärztliche Untersuchungen, ärztliche Behandlungen und bewährte Gesundheits- und Hygienepraktiken zur Verfügung zu stellen, die mit öffentlichen Gesundheitsinitiativen für die Bevölkerung insgesamt im Einklang stehen;
c) Informationen über vorbildliche Praktiken für arbeitsbezogene ärztliche Untersuchungen zu verbreiten und dafür zu sorgen, dass diese angepasst werden, um der besonderen Natur der hauswirtschaftlichen Arbeit Rechnung zu tragen.
5. (1) Die Mitglieder sollten unter Berücksichtigung der Bestimmungen des Übereinkommens (Nr. 182) und der Empfehlung (Nr. 190) über die schlimmsten Formen der Kinderarbeit, 1999, die Arten von hauswirtschaftlicher Arbeit, die ihrer Natur nach oder aufgrund der Umstände, unter denen sie verrichtet werden, für die Gesundheit, die Sicherheit oder die Sittlichkeit von Kindern schädlich sind, ermitteln und solche Arten von Kinderarbeit ausserdem verbieten und beseitigen.
(2) Bei der Regelung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Hausangestellten sollten die Mitglieder den Bedürfnissen von Hausangestellten unter 18 Jahren und über dem durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften festgelegten Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung besondere Aufmerksamkeit widmen und Massnahmen zu ihrem Schutz ergreifen, u.a. durch: a) eine strikte Beschränkung ihrer Arbeitszeit, um zu gewährleisten, dass sie über ausreichende Zeit für Erholung, Bildung und Ausbildung, Freizeitaktivitäten und Kontakte zu ihrer Familie verfügen;
b) das Verbot von Nachtarbeit;
c) die Beschränkung von Arbeit, die körperlich oder psychisch übermässig belastend ist;
d) die Einrichtung oder Stärkung von Mechanismen zur Überwachung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.
6. (1) Die Mitglieder sollten erforderlichenfalls geeignete Unterstützung bieten, um sicherzustellen, dass die Hausangestellten ihre Beschäftigungsbedingungen verstehen.
(2) Zusätzlich zu den in Artikel 7 des Übereinkommens aufgeführten Angaben sollten die Beschäftigungsbedingungen auch Folgendes umfassen: a) eine Stellenbeschreibung;
b) Krankenurlaub und gegebenenfalls jeder sonstige Urlaub aus persönlichen Gründen;
c) die Höhe des Entgelts oder des Ausgleichs für Überstunden und Bereitschaftszeiten entsprechend Artikel 10 (3) des Übereinkommens;
d) alle anderen Zahlungen, auf die der Hausangestellte¹⁵ Anspruch hat;
e) alle Sachleistungen und ihr Geldwert;
f) Einzelheiten der bereitgestellten Unterkunft;
g) alle zulässigen Abzüge vom Entgelt des Arbeitnehmers.
(3) Die Mitglieder sollten die Ausarbeitung eines Musterarbeitsvertrags für hauswirtschaftliche Arbeit in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, in Betracht ziehen.
(4) Der Mustervertrag sollte Hausangestellten, Arbeitgebern, repräsentativen Verbänden und der Allgemeinheit jederzeit unentgeltlich verfügbar gemacht werden.
7. Die Mitglieder sollten die Einrichtung von Mechanismen zum Schutz der Hausangestellten vor Missbrauch, Belästigung und Gewalt in Betracht ziehen, beispielsweise:
a) die Einrichtung von zugänglichen Beschwerdemechanismen, damit Hausangestellte Fälle von Missbrauch, Belästigung und Gewalt melden können;
b) sicherstellen, dass alle Beschwerden wegen Missbrauch, Belästigung und Gewalt untersucht und gegebenenfalls strafrechtlich verfolgt werden; und
c) die Einrichtung von Programmen für den Wegzug aus dem Haushalt und die Rehabilitation von Hausangestellten, die Missbrauch, Belästigung und Gewalt ausgesetzt waren, einschliesslich der Bereitstellung einer vorübergehenden Unterkunft und gesundheitlicher Betreuung.
8. (1) Die Arbeitszeiten, einschliesslich der Überstunden und der Bereitschaftszeiten entsprechend Artikel 10 (3) des Übereinkommens, sollten genau aufgezeichnet werden, und diese Informationen sollten dem Hausangestellten frei zugänglich sein.
(2) Die Mitglieder sollten diesbezüglich die Ausarbeitung einer Anleitung für die Praxis in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, in Erwägung ziehen.
9. (1) Hinsichtlich der Zeiten, in denen Hausangestellte über ihre Zeit nicht frei verfügen können und sich zur Verfügung des Haushalts halten, um möglichen Aufforderungen nachzukommen (Bereitschaftszeiten), sollten die Mitglieder, soweit dies durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträge festgelegt wird, Folgendes regeln: a) die Höchstzahl der Stunden pro Woche, Monat oder Jahr, während deren von einem Hausangestellten Bereitschaftszeiten verlangt werden können, und die Art und Weise, wie diese gemessen werden könnten;
b) den Ruhezeitausgleich, auf den ein Hausangestellter Anspruch hat, wenn die normale Ruhezeit durch Bereitschaftszeiten unterbrochen wird;
c) die Höhe des Entgelts für Bereitschaftszeiten.
(2) Hinsichtlich Hausangestellten, deren normale Aufgaben nachts verrichtet werden, und unter Berücksichtigung der mit Nachtarbeit verbundenen Zwänge sollten die Mitglieder Massnahmen in Erwägung ziehen, die den in Unterabsatz 9 (1) vorgeschriebenen vergleichbar sind.
10. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellte während des Arbeitstags Anspruch auf angemessene Ruhezeiten haben, die es ihnen gestatten, Mahlzeiten einzunehmen und Ruhepausen einzulegen.
11. (1) Die wöchentliche Ruhezeit sollte mindestens 24 aufeinanderfolgende Stunden betragen.
(2) Der festgelegte wöchentliche Ruhetag sollte von den Parteien gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträgen und unter Berücksichtigung der Arbeitserfordernisse und der kulturellen, religiösen und sozialen Bedürfnisse des Hausangestellten einvernehmlich bestimmt werden.
(3) Falls die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträge die Kumulierung der wöchentlichen Ruhezeit über einen längeren Zeitraum als sieben Tage für die Arbeitnehmer allgemein vorsehen, sollte ein solcher Zeitraum 14 Tage für Hausangestellte nicht überschreiten.
12. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gesamtarbeitsverträge sollten die Gründe bestimmen, aus denen von Hausangestellten verlangt werden kann, während der täglichen oder wöchentlichen Ruhezeit zu arbeiten, und ungeachtet eines etwaigen finanziellen Ausgleichs einen angemessenen Ruhezeitausgleich vorsehen.
13. Wenn Hausangestellte die Mitglieder des Haushalts während des Urlaubs begleiten, sollte die entsprechende Zeit nicht als Teil ihres Jahresurlaubs zählen.
14. Wenn die Zahlung eines begrenzten Teils des Entgelts in Form von Sachleistungen vorgesehen wird, sollten die Mitglieder Folgendes in Erwägung ziehen:
a) die Festlegung einer Gesamtbegrenzung des Anteils des Entgelts, der in Sachleistungen gezahlt werden kann, um das für den Unterhalt der Hausangestellten und ihrer Familienangehörigen notwendige Entgelt nicht über Gebühr zu vermindern;
b) die Berechnung des Geldwerts der Sachleistungen unter Bezugnahme auf objektive Kriterien wie, je nachdem, Marktwert, Selbstkostenpreis oder behördlich festgesetzte Preise;
c) die Beschränkung der Sachleistungen auf diejenigen, die für den persönlichen Gebrauch und Nutzen des Hausangestellten eindeutig geeignet sind, wie Verpflegung und Unterkunft;
d) sicherstellen, dass, wenn ein Hausangestellter in einer vom Haushalt bereitgestellten Unterkunft wohnen muss, kein Abzug vom Entgelt in Bezug auf diese Unterkunft vorgenommen werden darf, es sei denn, der Arbeitnehmer ist damit einverstanden;
e) sicherstellen, dass Gegenstände, die einen unmittelbaren Bezug zur Verrichtung der hauswirtschaftlichen Arbeit haben, wie Uniformen, Werkzeuge oder Schutzausrüstungen, sowie ihre Reinigung und Instandhaltung nicht als Sachleistungen angesehen werden und ihre Kosten nicht vom Entgelt des Hausangestellten abgezogen werden.
15. (1) Hausangestellte sollten zum Zeitpunkt jeder Zahlung eine leicht verständliche schriftliche Aufstellung des ihnen zustehenden Gesamtentgelts und des genauen Betrags und Zwecks aller vorgenommenen Abzüge erhalten.
(2) Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sollten alle ausstehenden Zahlungen unverzüglich geleistet werden.
16. Die Mitglieder sollten Massnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass Hausangestellten in Bezug auf den Schutz der Forderungen der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit oder Tod des Arbeitgebers Bedingungen zustehen, die nicht ungünstiger sind als diejenigen der Arbeitnehmer allgemein.
17. Unterkunft und Verpflegung sollten, wenn sie bereitgestellt werden, unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gegebenheiten Folgendes umfassen:
a) ein separates, privates Zimmer, das angemessen möbliert, ausreichend belüftet und mit einem Schloss versehen ist, dessen Schlüssel dem Hausangestellten ausgehändigt werden sollte;
b) Zugang zu geeigneten sanitären Einrichtungen, die gemeinsam oder privat genutzt werden;
c) angemessene Beleuchtung und gegebenenfalls Heizung und Klimatisierung entsprechend den im Haushalt vorherrschenden Bedingungen;
d) qualitativ gute und ausreichende Mahlzeiten, die, soweit es vertretbar ist, den etwaigen kulturellen und religiösen Erfordernissen des betreffenden Hausangestellten angepasst sind.
18. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber aus anderen Gründen als einer schweren Verfehlung sollte Hausangestellten, die im Haushalt wohnen, eine angemessene Kündigungsfrist und Freizeit während dieser Frist eingeräumt werden, damit sie sich eine neue Beschäftigung und eine neue Unterkunft suchen können.
19. Die Mitglieder sollten in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, Massnahmen ergreifen, um:
a) Hausangestellte zu schützen, indem arbeitsbezogene Gefahren und Risiken, soweit es praktisch durchführbar ist, beseitigt oder auf ein Mindestmass beschränkt werden, um Schäden, Erkrankungen und Todesfälle zu vermeiden und die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in der Arbeitsstätte Haushalt zu fördern;
b) ein angemessenes und zweckmässiges Aufsichtssystem im Einklang mit Artikel 17 des Übereinkommens und angemessene Zwangsmassnahmen bei Verstössen gegen die Vorschriften über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vorzusehen;
c) Verfahren zur Erhebung und Veröffentlichung von Statistiken über Unfälle und Krankheiten im Zusammenhang mit hauswirtschaftlicher Arbeit und von anderen Statistiken festzulegen, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie im Rahmen der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zur Verhütung von Risiken und Unfällen beitragen;
d) Ratschläge zu Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit zu erteilen, einschliesslich ergonomischer Aspekte und Schutzausrüstung;
e) Ausbildungsprogramme zu entwickeln und Richtlinien zu verbreiten zu Anforderungen im Bereich der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit, die speziell für hauswirtschaftliche Arbeit gelten.
20. (1) Die Mitglieder sollten gemäss den innerstaatlichen Rechtsvorschriften Mittel in Erwägung ziehen, um die Zahlung der Sozialabgaben durch Arbeitgeber, auch für Hausangestellte, die für mehrere Arbeitgeber tätig sind, zu erleichtern, beispielsweise durch ein vereinfachtes Zahlungssystem.
(2) Die Mitglieder sollten den Abschluss von bilateralen, regionalen oder multilateralen Vereinbarungen in Erwägung ziehen, um migrantischen Hausangestellten, für die solche Vereinbarungen gelten, Gleichbehandlung in Bezug auf die Soziale Sicherheit sowie den Zugang zu Ansprüchen der Sozialen Sicherheit und deren Wahrung oder Übertragbarkeit zu gewährleisten.
(3) Der Geldwert von Sachleistungen sollte für die Zwecke der Sozialen Sicherheit gebührend berücksichtigt werden, auch in Bezug auf den Beitrag der Arbeitgeber und die Leistungsansprüche der Hausangestellten.
21. (1) Die Mitglieder sollten zusätzliche Massnahmen in Erwägung ziehen, um den effektiven Schutz von Hausangestellten und insbesondere von migrantischen Hausangestellten sicherzustellen, beispielsweise: a) die Einrichtung einer innerstaatlichen Hotline mit Dolmetschdiensten für Hausangestellte, die Unterstützung benötigen;
b) im Einklang mit Artikel 17 des Übereinkommens die Einrichtung eines Systems für Vorabbesuche der Haushalte, in denen migrantische Hausangestellte beschäftigt werden sollen;
c) die Entwicklung eines Netzwerks von Notunterkünften;
d) Sensibilisierung der Arbeitgeber für ihre Pflichten durch die Bereitstellung von Informationen über bewährte Praktiken bei der Beschäftigung von Hausangestellten, arbeits- und einwanderungsrechtliche Pflichten gegenüber migrantischen Hausangestellten, Vollstreckungs- und Zwangsmassnahmen bei Verstössen sowie Unterstützungsdienste, die Hausangestellten und ihren Arbeitgebern zur Verfügung stehen;
e) Sicherstellung des Zugangs von Hausangestellten zu Beschwerdemechanismen und ihrer Möglichkeit, zivil- und strafrechtliche Rechtsmittel zu ergreifen, sowohl während als auch nach der Beschäftigung, unabhängig von der Ausreise aus dem betreffenden Land;
f) Einrichtung eines öffentlichen Beratungsdienstes zur Unterrichtung von Hausangestellten in einer Sprache, die sie verstehen, über ihre Rechte, einschlägige Rechtsvorschriften, verfügbare Beschwerdemechanismen und Rechtsbehelfe sowohl hinsichtlich des Arbeitsrechts als auch des Einwanderungsrechts, und Rechtsschutz gegen Verbrechen wie Gewalt, Menschenhandel und Freiheitsentzug sowie zur Bereitstellung aller sonstigen sachdienlichen Informationen, die sie möglicherweise benötigen.
(2) Mitglieder, die Herkunftsländer von migrantischen Hausangestellten sind, sollten den effektiven Schutz der Rechte dieser Arbeitnehmer unterstützen, indem sie diese vor der Abreise über ihre Rechte unterrichten, Rechtshilfefonds, Sozialdienste und spezielle konsularische Dienste einrichten und andere zweckmässige Massnahmen treffen.
22. Die Mitglieder sollten nach Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, erwägen, durch Rechtsvorschriften oder andere Massnahmen die Bedingungen festzulegen, unter denen migrantische Hausangestellte nach Ablauf oder Beendigung des Arbeitsvertrags, für den sie rekrutiert worden sind, Anspruch auf unentgeltliche Rückführung haben.
23. Die Mitglieder sollten bei privaten Arbeitsvermittlern bewährte Praktiken in Bezug auf Hausangestellte, einschliesslich migrantische Hausangestellte, fördern, wobei die Grundsätze und Ansätze in dem Übereinkommen (Nr. 181) über private Arbeitsvermittler, 1997, und in der Empfehlung (Nr. 188) betreffend private Arbeitsvermittler, 1997, berücksichtigt werden sollten.
24. Soweit dies mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis betreffend die Achtung der Privatsphäre vereinbar ist, können die Mitglieder die Bedingungen in Erwägung ziehen, unter denen Arbeitsinspektoren oder andere mit der Durchsetzung der für hauswirtschaftliche Arbeit geltenden Vorschriften beauftragte Bedienstete befugt sein sollten, die Räumlichkeiten zu betreten, in denen die Arbeit durchgeführt wird.
25. (1) Die Mitglieder sollten in Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, Politiken und Programme festlegen, um: a) die kontinuierliche Entwicklung der Kompetenzen und Qualifikationen von Hausangestellten zu fördern, gegebenenfalls einschliesslich einer Ausbildung im Lesen und Schreiben, um ihre berufliche Entwicklung und ihre Beschäftigungschancen zu verbessern;
b) den Bedürfnissen der Hausangestellten im Zusammenhang mit der Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben Rechnung zu tragen;
c) sicherzustellen, dass die Anliegen und Rechte von Hausangestellten im Rahmen allgemeinerer Bemühungen um die Vereinbarkeit von Arbeit und Familienpflichten berücksichtigt werden.
(2) Die Mitglieder sollten nach Beratung mit den massgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer und, soweit solche bestehen, mit den Verbänden, die Hausangestellte vertreten, und denjenigen, die Arbeitgeber von Hausangestellten vertreten, geeignete Indikatoren und Messsysteme entwickeln, um die innerstaatlichen Statistikämter besser zu befähigen, wirksam die Daten zu erheben, die erforderlich sind, um eine effektive Politikgestaltung auf dem Gebiet der hauswirtschaftlichen Arbeit zu unterstützen.
26. (1) Die Mitglieder sollten erwägen, untereinander zusammenzuarbeiten, um die wirksame Anwendung des Übereinkommens über Hausangestellte, 2011, und dieser Empfehlung auf migrantische Hausangestellte sicherzustellen.
(2) Die Mitglieder sollten auf bilateraler, regionaler und globaler Ebene im Hinblick auf die Verbesserung des Schutzes von Hausangestellten zusammenarbeiten, insbesondere in Angelegenheiten, die die Prävention von Zwangsarbeit und Menschenhandel, den Zugang zur Sozialen Sicherheit, die Überwachung der Tätigkeiten von privaten Arbeitsvermittlern, die Personen für eine Tätigkeit als Hausangestellte in einem anderen Land anwerben, die Verbreitung von bewährten Praktiken und die Erhebung von Statistiken über hauswirtschaftliche Arbeit betreffen.
(3) Die Mitglieder sollten geeignete Schritte unternehmen, um sich bei der Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens durch verstärkte internationale Zusammenarbeit oder Unterstützung oder beides, einschliesslich der Unterstützung für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung, für Programme zur Beseitigung von Armut und für universelle Bildung, gegenseitig behilflich zu sein.
(4) Im Rahmen der diplomatischen Immunität sollten die Mitglieder erwägen: a) Politiken und Verhaltensregeln für diplomatisches Personal anzunehmen mit dem Ziel, Verletzungen der Rechte von Hausangestellten zu verhindern;
b) auf bilateraler, regionaler und multilateraler Ebene zusammenzuarbeiten, um sich mit missbräuchlichen Praktiken gegenüber Hausangestellten zu befassen und solche Praktiken zu verhindern.
¹⁵ Die männliche Form schliesst grundsätzlich die weibliche Form mit ein.
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