Duldung wegen Reiseunfähigkeit
Duldung wegen Reiseunfähigkeit
Duldung wegen Reiseunfähigkeit
Erlass des Senators für Inneres und Sport vom 29. Januar 2008 – e08-01-02 Duldung Reiseunfähigkeit
1.
Vorlage aktueller ärztlicher Gutachten
In den Fällen, in denen Duldungen wegen Reiseunfähigkeit erteilt werden, ist grundsätzlich in regelmäßigen Zeitabständen von den betroffenen Ausländern die Vorlage aktueller ärztlicher Gutachten zu fordern.
Erhält ein Ausländer erstmals eine Duldung wegen Reiseunfähigkeit, ist er darauf hinzuweisen, dass er bei der Beantragung der Erneuerung der Duldung einen Nachweis darüber erbringen muss, dass er weiterhin reiseunfähig ist.
1
Ermöglicht ein vom Ausländer vorgelegtes privatärztliches Attest der Ausländerbehörde keine abschließende Beurteilung der Reisefähigkeit, ist ein Gutachten des Gesundheitsamtes einzuholen.
2
Für die Dauer bis zum Erhalt dieses amtsärztlichen Gutachtens ist die Duldung nur für einen kurzen Zeitraum zu erteilen.
1
Mit dieser Vorgehensweise soll sichergestellt werden, dass Duldungen wegen Reiseunfähigkeit nur auf der Grundlage aktueller ärztlicher Gutachten erteilt und erneuert werden.
2
Es soll nicht der Eindruck entstehen, dass es ausreichend ist, einmal von einem Arzt die Reiseunfähigkeit diagnostizieren zu lassen und sodann auf Grundlage dieser Diagnose fortlaufend einen Anspruch auf Erneuerung der Duldung zu haben.
2.
Informations- und Kriterienkatalog zur Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungs- bzw. zielstaatsbezogener Abschiebungshindernisse
Bei der Prüfung möglicher gesundheitlicher Abschiebungshindernisse ist stets zwischen einem sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernis und einer möglichen (Flug) Reiseuntauglichkeit als sog. inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis zu unterscheiden.
1
Eine Prüfung der zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse erfolgt im Rahmen des asylrechtlichen Verfahrens abschließend durch das BAMF, so dass diese Fragen nicht Gegenstand der Untersuchung durch das Gesundheitsamt sein können.
2
In diesen Fällen bezieht sich der Begutachtungsauftrag der Ausländerbehörde ausschließlich auf die Frage, ob aufgrund einer nach Abschluss des Asylverfahrens eingetretenen akuten Erkrankung ein tatsächliches Abschiebungshindernis gem. § 60a AufenthG besteht.
1
Für die Prüfung inlandsbezogener Vollstreckungshindernisse im Rahmen ausländerrechtlicher Verfahren ist hingegen die Ausländerbehörde zuständig.
2
Sie hat zu prüfen, ob aufgrund einer Erkrankung des Betroffenen bei Rückkehr in das Herkunftsland erhebliche konkrete Gefahren für diesen bestehen oder ob tatsächliche Abschiebungshindernisse gem. § 60a AufenthG vorliegen.
1
Vor der zwangsweisen Durchsetzung der Ausreisepflicht haben die Ausländerbehörden zu jedem Zeitpunkt beachtlichen Hinweisen auf eine gesundheitliche Beeinträchtigung des Betroffenen nachzugehen, soweit diese Auswirkungen auf die Flugreisetauglichkeit haben und damit ein mögliches Vollstreckungshindernis darstellen könnten.
2
Die Notwendigkeit einer Feststellung der Reisefähigkeit ergibt sich auch aus den Dienstvorschriften des Bundesgrenzschutzes „Bestimmungen für die Rückführung ausländischer Staatsangehöriger auf dem Luftweg“ (Best.-Rück. Luft).
3
Danach sind die Ausländerbehörden verpflichtet, der Bundespolizei spätestens bei der Übergabe des Rückzuführenden eine Bescheinigung über dessen Flugreisetauglichkeit auszuhändigen.
Vor diesem Hintergrund ist das Gesundheitsamt insbesondere im Hinblick auf die Bestimmung des Untersuchungsumfanges darauf angewiesen, dass die asyl- und ausländerrechtlichen Bezüge des Einzelfalles bekannt sind.
1
Es ist daher erforderlich, den Untersuchungsauftrag genau zu definieren und die rechtlichen Rahmenbedingungen sowie relevanten Fragestellungen für den jeweiligen Gutachter in verständlicher Weise darzustellen.
2
Wichtig ist dabei der Hinweis, ob es sich um eine ärztliche Begutachtung zur Feststellung eines tatsächlichen Abschiebungshindernisses handelt oder um eine ärztliche Begutachtung im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen gem. § 60 AufenthG.
1
Zu diesem Thema hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Beteiligung medizinischer Experten einen Informations- und Kriterienkatalog entwickelt, auf dessen Inhalte sich die Ausländerbehörden bei der Erteilung von Gutachteraufträgen stützen können.
2
Diesen Katalog habe ich als Anlage
1
beigefügt.
3
Die dort erarbeiteten Fragestellungen sind – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls – im Rahmen der Formulierung von Prüfaufträgen für das Gesundheitsamt heranzuziehen.
3.
Amtsärztliche Überprüfung der Erwerbsfähigkeit
Wird ein Ausländer zwecks Überprüfung seiner Reisefähigkeit an das Gesundheitsamt überwiesen, ist in der Zuschrift an das Gesundheitsamt darauf hinzuweisen, dass neben der Frage der Reisefähigkeit auch zu der Frage der Erwerbsfähigkeit Stellung genommen werden soll.
Bisher wird in den amtsärztlichen Gutachten lediglich eine Aussage darüber getroffen, ob jemand reisefähig ist, da dies für die Frage des Bestehens von Abschiebungshindernissen entscheidend ist.
Geht es jedoch um die Frage, ob ein Ausländer, der über einen längeren Zeitraum geduldet wird, Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG hat, ist es im Rahmen der Prüfung der Regelversagungsgründe von entscheidender Bedeutung, ob er auch erwerbsunfähig ist.
1
Aus ausländerrechtlicher Sicht ist bei der ärztlichen Feststellung der Erwerbsfähigkeit deshalb entscheidend, ob jemand aufgrund seiner physischen und psychischen Verfassung in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu sichern.
2
In diesem Zusammenhang kommt es auch darauf an, in welchem Umfang eine Erwerbstätigkeit dem Betroffenen zumutbar ist, d.h. ob er einer Vollzeiterwerbstätigkeit oder aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur einer stundenweisen Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Liegt eine Erwerbsunfähigkeit vor, kann dem Ausländer der Regelversagungsgrund der fehlenden Sicherung des Lebensunterhalts gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG grundsätzlich nicht entgegengehalten werden (vgl. Erlass e07-11-03 zu § 5 AufenthG vom 16. 11. 2007)
4.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1
Der Erlass tritt nach Veröffentlichung in Kraft.
2
Der Erlass 04-01-02 tritt zeitgleich außer Kraft.
3
Der Erlass ist bis zum 31. 01. 2013 befristet.
Fußnoten
1)
Anlage hier nicht wiedergegeben.
Feedback