Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 Staffelbauordnung (StBO) bei Wintergärten
Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 Staffelbauordnung (StBO) bei Wintergärten
Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 Staffelbauordnung (StBO) bei Wintergärten
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Verwaltungsvorschrift des Senators für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa vom 30. November 2010
Um eine Überschreitung hinterer Baugrenzen durch verglaste Vorbauten (insbesondere durch Wintergärten) als Ausnahme zulassen zu können, werden die nach Maßgabe des Bundesbaugesetzes (Baugesetzbuch) und der Baunutzungsverordnung aufgestellten Bebauungspläne stadtteilweise durch ergänzende textliche Festsetzungen geändert.
Auch auf den Grundstücken, die im Geltungsbereich übergeleiteter Bebauungspläne liegen, können Wintergärten oft nur durch Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 Staffelbauordnung (StBO) hergestellt werden.
Daraus resultiert jedoch in der Regel kein Planungsbedürfnis, weil die bestehende Rechtslage die Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 StBO durch Wintergärten bereits als Ausnahme zulässt.
Das Ziel dieser Dienstanweisung ist es, auf diese Rechtslage erläuternd hinzuweisen und in gewissem Umfang Vorgaben für die im Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung zu geben.
1.
[Definition]
Wintergärten im Sinne dieser Dienstanweisung sind verglaste Vorbauten,
•
deren oberer Raumabschluss in die Verglasung einbezogen ist,
•
die den Gebäudeabschluss des „Hauptgebäudes“ bestehen lassen,
•
die nicht zum ständigen Aufenthalt von Menschen bestimmt sind.
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Diese begriffliche Abgrenzung gegenüber das Hauptgebäude erweiternde Glasanbauten ist auch bei den an die Bauausführung zu stellenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen zu berücksichtigen.
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Im Übrigen bleiben die Vorschriften des Bauordnungsrechts von dem Regelungsinhalt dieser Dienstanweisung unberührt.
2.
Rechtsgrundlage
Für die Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 StBO durch Wintergärten gilt der
§ 15 Absatz 1 und 2 StBO
als eine gem. § 173 Absatz 3 BauGB übergeleitete Ausnahmeregelung im Sinne des § 31 Absatz 1 BauGB, da der § 15 StBO insoweit Ausnahmen zulässt, die nach Art und Umfang den in der BauNVO normierten Ausnahmen im Sinne des § 23 Absatz 2 Satz 3 und Absatz 5 Satz 2 BauNVO entsprechen.
Die Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 StBO durch Wintergärten liegt daher im Ermessen der Baugenehmigungsbehörde, wenn die in § 15 Absatz 1 StBO genannten Ausnahmegründe (wirtschaftliche, baukünstlerische Rücksichten oder Billigkeitsgründe) vorliegen.
Ob dies der Fall ist, bedarf im Einzelfall keiner besonderen Begründung, denn allgemein kann unterstellt werden, dass es unbillig wäre, den im Geltungsbereich übergeleiteter Bebauungspläne wohnenden Bürgern den Anbau eines energiesparenden Wintergartens mit hohem Freizeitwert vorzuenthalten, während gleichzeitig große Anstrengungen unternommen werden, um die textlichen Festsetzungen zu Bebauungsplänen nach BauGB und BauNVO so zu ändern, dass die Errichtung von Wintergärten auf nicht bebaubarer Fläche als Ausnahme zugelassen werden kann.
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Diese bedeutet jedoch nicht, dass die Überschreitung hinterer Baulinien nach § 21 StBO durch Wintergärten in jedem Fall zu genehmigen ist.
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Das Vorliegen von Ausnahmegründen ist lediglich die Voraussetzung für die Ausübung des durch § 15 Absatz 1 StBO eingeräumten Ermessens.
3.
Ermessen
Für das nach § 15 Absatz 1 StBO auszuübende Ermessen ist die konkrete städtebauliche Situation, die insbesondere durch die auf dem Baugrundstück und den Nachbargrundstücken vorhandene Bebauung geprägt wird, von maßgeblicher Bedeutung.
Die beantragte Überschreitung muss unter Berücksichtigung der konkreten städtebaulichen Situation städtebaulich vertretbar sein und auf die schutzwürdigen Belange der Nachbarschaft ausreichend Rücksicht nehmen, zumal § 15 Absatz 2 StBO Ausnahmen nur zulässt, wenn keine überwiegenden Interessen anderer entgegenstehen.
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Es ist deshalb durchaus sachgerecht, die Erteilung der Ausnahme von einer bestimmten Ausbildung oder Gestaltung des Wintergartens abhängig zu machen, wenn derartige Forderungen geeignet sind, Beeinträchtigungen der Nachbarschaft zu mindern und/oder städtebauliche Bedenken auszuräumen.
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Als Orientierungshilfe für die zu treffenden Ermessensentscheidungen wird auf folgendes hingewiesen:
3.1
Bei Wintergärten, die die hintere Baulinie
bis zu 2 m
überschreiten, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung in der Regel städtebaulich vertretbar ist und schutzwürdige Belange der Nachbarschaft nicht verletzt werden.
Von dieser Regelvermutung abweichend ist eine auf den Einzelfall abgestellte Würdigung der städtebaulichen Situation und der Belange der Nachbarschaft nach Maßgabe der Ziffer 3.2 nur dann erforderlich, wenn die Gesamtsituation offensichtlich durch besondere Umstände geprägt ist.
3.2
Eine generelle Begrenzung der Überschreitung auf lediglich 2 m analog zu den textlichen Festsetzungen der bisher geänderten Bebauungspläne „neuen Rechts“ ist nicht zwingend. Das Abwägungsergebnis dieser Bebauungspläne kann nicht grundsätzlich auf die gem. § 15 StBO in Verbindung mit § 31 Absatz 1 BauGB im Einzelfall zu treffende Ermessensentscheidung übertragen werden. Bei Wintergärten, die die hintere Baulinie um
mehr als 2 m
überschreiten, kann jedoch nicht mehr – wie bei Ziffer 3.1 – unterstellt werden, dass die Überschreitung in der Regel städtebaulich vertretbar und mit den schutzwürdigen Belangen der Nachbarschaft vereinbar ist.
Diese Beurteilung ist deshalb in jedem Einzelfall unter Würdigung insbesondere der folgenden Kriterien vorzunehmen:
a)
grundstücksbezogene Kriterien:
•
Breite und Tiefe des Baugrundstücks und der Nachbargrundstücke,
•
das zulässige und/oder tatsächliche Maß der baulichen Nutzung des Baugrundstücks,
•
die zulässige und/oder tatsächliche Bebauungsdichte in der näheren Umgebung,
•
die Stellung der Gebäude zueinander, insbesondere hinsichtlich evtl. vorhandener seitlicher Abstände und unterschiedlicher Bautiefen sowie eine daraus abzuleitende Beschattung der Nachbargrundstücke durch den beantragten Wintergarten,
•
auf der nicht bebaubaren Grundstücksfläche bereits vorhandene oder geplante bauliche Anlagen (z.B. durch Windschutzwände abgegrenzte Freisitze, hohe Einfriedigungen, Gartenhäuser, Fahrradschuppen, Garagen etc.).
b)
vorhabenbezogene Kriterien:
•
Breite des Wintergartens im Verhältnis zur Gebäudebreite
•
Abstände des Wintergartens zu den seitlichen Grundstücksgrenzen
•
Höhe des Wintergartens (ein- oder mehrgeschossig)
•
ganz oder teilweise massive Ausbildung der Seitenwände des Wintergartens (positiv falls die Abschirmung im Interesse der Nachbarn liegt, negativ hinsichtlich einer optischen „Verdichtung“ der Bebauung und einer intensiveren Beschattung der Nachbargrundstücke)
•
Abwinkelung der seitlichen „Wände“ des Wintergartens zu den Außenwänden der Nachbargrundstücke.
3.3
Eine Überschreitung der hinteren Häuserlinie durch Wintergärten
um mehr als 3 m
führt in der Regel zu einer erblichen Beeinträchtigung der nachbarlichen Belange und/oder zu einer nicht vertretbaren Verschlechterung der städtebaulichen Situation.
Von dieser Regelvermutung abweichend ist eine auf den Einzelfall abgestellte Würdigung der städtebaulichen Situation und der schutzwürdigen Belange der Nachbarschaft nach Maßgabe von Ziffer 3.2 nur erforderlich, wenn offensichtlich ist, dass die Gesamtsituation durch ganz besondere Umstände geprägt ist.
[Außerkrafttreten]
Diese Dienstanweisung tritt am 31. Dezember 2015 außer Kraft.
Fußnoten
1)
Das Gesetz tritt mit Ablauf des 31. 12. 2015 außer Kraft.
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