Verwaltungsanweisung § 73 SGB XII Hilfe in sonstigen Lebenslagen
Verwaltungsanweisung § 73 SGB XII Hilfe in sonstigen Lebenslagen
Verwaltungsanweisung § 73 SGB XII Hilfe in sonstigen Lebenslagen
1. Auffangtatbestand | ||
Durch ihre offene Formulierung gilt die Vorschrift als Auffangklausel, die dem allgemeinen Auftrag der Sozialhilfe gerecht wird. Sie ermöglicht es, jedem der Menschenwürde widersprechenden Zustand zu begegnen, gerecht zu werden und verfassungskonforme Ergebnisse zu ermöglichen (Sozialstaatsgebot). Mit der Vorschrift wird eine Möglichkeit eröffnet, auf unbenannte Notlagen flexibel reagieren zu können. | Auffangtatbestand | |
2. Sonstige Lebenslage | ||
Eine sonstige Lebenslage ist dann anzunehmen, wenn die bedarfsauslösende Lebenslage weder innerhalb des SGB XII (§ 8 SGB XII) noch in den anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt wird.Das Bundessozialgericht (BSG) fordert allerdings eine „besondere, atypische Lebenslage, die eine Nähe zu den anderen im Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII geregelten Bedarfslagen, den unter Geltung des BSHG so bezeichneten „Hilfen in besonderen Lebenslagen“, aufzuweisen hat“.Zur Frage, ob eine atypische Bedarfslage vorliegt, führt das BSG aus, dass es nicht Voraussetzung für eine atypische Bedarfslage ist, dass der Bedarf nur im Einzel – oder Ausnahmefall vorliegt. D. h, es sind auch Bedarfslagen gemeint, die häufiger bzw. wiederholt anfallen.Maßgeblich ist nach Auffassung des BSG, dass ein den Grundrechtsbereich tangierender Bedarf ungedeckt bleibt. | sonstige Lebenslage | |
§ 73 übernimmt hingegen keine ergänzenden Funktionen gesetzlich ausdrücklich geregelter Lebenslagen, bei denen lediglich die Voraussetzungen nicht vorliegen. So kann § 73 zum Beispiel nicht herangezogen werden, um unzureichende Bedarfe, die von der Regelleistung erfasst sind, abzudecken oder um die Übernahme tatsächlicher Unterkunftskosten geltend zu machen, wenn nach § 35 Abs. 1 SGB XII nur noch die angemessenen Unterkunftskosten zustehen. | keine ergänzenden Funktionen | |
3. Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt? | ||
Die Gewährung der Hilfe ist daran geknüpft, dass der Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt ist. In die Entscheidung fließen damit fiskalische Erwägungen ein. Die Hilfe muss hinter dem Einsatz eigener Mittel zurückstehen (Nachrang). | Einsatz öffentlicher Mittel gerechtfertigt | |
Es ist zu prüfen, ob eine sofortige Bewilligung das Entstehen später eintretender höherer Kosten vermeidet. | ||
Wenn beispielsweise ein Bedarf für eine Wohnungsentrümpelung anerkannt und eine Leistung nach § 73 bewilligt wird (vgl. Punkt 6) können umfangreiche Folgekosten, die im Zusammenhang mit einem Wohnungsverlust stehen, vermieden werden. | ||
4. Einsatz von Einkommen und Vermögen | Einsatz von Einkommen und Vermögen | |
Es gelten die Bestimmungen nach den Vorschriften §§ 85 ff SGB XII zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen. | ||
5. Kann-Leistung | Kann-Leistung | |
§ 73 räumt dem Sozialhilfeträger sowohl hinsichtlich der Frage, „ob“ geleistet wird als auch in welcher Art und Weise („wie“) geleistet wird, Ermessen ein. Der Hilfebedürftige hat insofern keinen Anspruch auf die begehrte Leistung, sondern auf eine ermessensfehlerfreie EntscheidungDer Einzelfall muss in den Blick genommen werden, was nur bei einer sorgfältigen Sachverhaltsaufklärung gelingen wird. | ||
6. Anwendungsbeispiele | Anwendungsbeispiele | |
Die Aufzählung ist nicht abschließend.Sofern hier nicht wörtlich aufgeführte Bedarfe geltend gemacht werden, hat die Prüfung, ob es sich um eine Hilfe nach § 73 handelt, nach Maßgabe der Ziffern 1, 2 und 3 dieser Verwaltungsanweisung zu erfolgen | ||
Entrümpelungskosten | Entrümpelungskosten | |
Stellt der zuständige soziale Dienst die Notwendigkeit einer Wohnungsentrümpelung fest, die dem Erhalt einer bewohnten Unterkunft dient, erfolgt die Kostenübernahme nach § 73 SGB XII. | ||
Nur wenn der/die Hilfesuchende dem Personenkreis nach dem 8. Kapitel SGB XII zuzuordnen ist und weitere Begleitleistungen nach den §§ 67/68 SGB XII erforderlich sind, sind auch die Kosten einer Wohnungsentrümpelung den Leistungen nach dem 8. Kapitel SGB XII zuzuordnen. | ||
Dies gilt auch für Leistungsempfänger-/innen nach SGB II. | ||
Dolmetscherkosten bei ambulanter Psychotherapie | Dolmetscherkosten bei ambulanter Psychotherapie | |
Dolmetscherkosten (Übersetzung in die deutsche Sprache) bei ambulanter Psychotherapie werden nicht durch den Leistungskatalog des SGB V abgedeckt.Daher kommt § 73 für die Übernahme von Dolmetscherkosten in Betracht. Voraussetzung ist, dass eine von der Krankenkasse bewilligte Leistung (Psychotherapie oder vergleichbare Maßnahmen) nur dann einen Heilungserfolg hat, wenn ein Dolmetscher zur sprachlichen Umsetzung dieser Leistung hinzugezogen wird, also ohne den Dolmetscher eine Heilung nicht erreicht werden kann. Eine Leistung kommt in Betracht, wenn die Krankenversicherung die Psychotherapiekosten übernimmt und vom Arzt bzw. Therapeuten bescheinigt wird, dass ohne Dolmetscher keine Heilungschancen bestehen. Die Dolmetscherkosten sind dann auf die Zahl der bewilligten Therapiesitzungen zu beschränken. | ||
hier geht es zur Verwaltungsanweisung zu § 6 AsylbLG Leistungen nach §§ 3, 6 AsylbLG können auch Personen aus dem Personenkreis nach § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG, sofern nicht die Voraussetzung für eine Anspruchseinschränkung nach § 1 a AsylbLG erfüllt sind. | ||
Passkosten | Keine Passkosten | |
Kosten für eine Passbeschaffung sind nicht den Hilfen nach § 73 zuzuordnen, sondern es handelt sich um Bedarfe, die dem 03. bzw. 4. Kapitel SGB XII zuzuordnen sind.In der Verwaltungsanweisung zu § 23 SGB XII -Sozialhilfe für Ausländerinnen und Ausländer - Punkt 5 wurde eine Regelung getroffen. Hierunter fallen auch Fälle nach § 2 AsylbLG. | ||
hier geht es zur Verwaltungsanweisung zu § 23 SGB XII | ||
Hilfe zur Pflege unterhalb des Pflegegrades 2 | Hilfe zur Pflege | |
In der Verwaltungsanweisung Hilfe zur Pflege, Teil 3, Ziffer 7 wurden für den Personenkreis der pflegebedürftigen Menschen unterhalb des Pflegegrades 2 weitere Regelungen gem. § 73 SGB XII getroffen. Diese Regelungen folgen der Empfehlung der Konferenz der Obersten Landessozialbehörden und vermeiden Versorgungs- bzw. Finanzierungslücken. | ||
hier geht es zur Verwaltungsanweisung Hilfe zur Pflege, siehe Ziffer 7 | ||
7. Art der Leistung | ||
Die Entscheidung über die Hilfegewährung als Beihilfe oder Darlehen ist im pflichtgemäßen Ermessen zu treffen und zu dokumentieren | ||
Die Gewährung als Beihilfe kommt in der Regel in Betracht, wenn der Leistungsberechtigte in absehbarer Zeit finanziell nicht in der Lage ist, ein Darlehen zu tilgen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Hilfe ist eine Prognose anzustellen, ob es sich um eine vorübergehende Notlage handelt. Dafür sind konkrete Anhaltspunkte erforderlich. | ||
8. Inkrafttreten | Inkrafttreten | |
Diese Verwaltungsanweisung tritt am 02.05.2019 in Kraft. |
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