Bremische Verordnung über den Betrieb eines Drogenkonsumraums
Bremische Verordnung über den Betrieb eines Drogenkonsumraums Vom 25. Februar 2020
Zum 17.10.2024 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe
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Aufgrund des § 10a Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch Verordnung vom 17. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2850) geändert worden ist, verordnet der Senat:
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§ 1 Anwendungsbereich
Diese Verordnung regelt die Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums nach § 10a Absatz 1 des Betäubungsmittelgesetzes in der Freien Hansestadt Bremen und legt Mindeststandards für die Sicherheit und Kontrolle beim Verbrauch von Betäubungsmitteln in Drogenkonsumräumen nach § 10a Absatz 2 des Betäubungsmittelgesetzes fest.
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§ 2 Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis
Die Erlaubnis zum Betrieb eines Drogenkonsumraums kann auf Antrag erteilt werden, wenn die in
§ 3
aufgeführten Betriebszwecke verfolgt werden und die Voraussetzungen nach
§§ 4
bis
12
vorliegen. Die Erlaubnis nach Satz 1 ersetzt nicht sonstige öffentlich-rechtliche Genehmigungen.
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§ 3 Zweck des Drogenkonsumraums
(1) Der Betrieb des Drogenkonsumraums muss der Gesundheits-, Überlebens- und Ausstiegshilfe für Betäubungsmittelabhängige dienen. Er muss ausstiegsorientiert und auf die Inanspruchnahme weiterführender Hilfen hin angelegt sein.
(2) Der Betrieb des Drogenkonsumraumes muss dazu beitragen,
1.
die durch Drogenkonsum bedingten Gefahren für die Gesundheit und das Leben der Betäubungsmittelabhängigen zu senken,
2.
die Bereitschaft der Betäubungsmittelabhängigen zur Nutzung von medizinischen, therapeutischen und sozialpädagogischen Hilfen zu wecken und die Inanspruchnahme weiterführender und ausstiegsorientierter Angebote der Beratung und Therapie einschließlich der ärztlichen Versorgung zu fördern,
3.
die Belastung der Öffentlichkeit durch konsumbezogene Verhaltensweisen zu verringern.
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§ 4 Grundsätzliche Vorgaben für den Betrieb des Drogenkonsumraums
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin des Drogenkonsumraums ist für die Einhaltung der in dieser Verordnung festgelegten Pflichten verantwortlich. Er oder sie hat Änderungen, die die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis nach
§ 2
betreffen, unverzüglich der zuständigen Behörde mitzuteilen.
(2) Der Betreiber oder die Betreiberin des Drogenkonsumraums muss ein Konzept vorlegen, das darstellt, auf welche Weise der Zweck des Drogenkonsumraums nach
§ 3
erfüllt wird. Es soll auch darlegen, wie der Drogenkonsumraum in das örtliche Sucht- und Drogenhilfesystem eingebunden ist und dass er in enger Verbindung mit Angeboten der Drogenberatung, der Substitutionsbehandlung und weiteren medizinischen Behandlungsangeboten steht. Das Konzept muss festlegen, für welche Betäubungsmittel und Konsumformen der Drogenkonsumraum vorgesehen ist. Das Konzept soll geschlechtsspezifische Bedürfnisse der Betäubungsmittelabhängigen berücksichtigen. Es muss ersichtlich sein, ob Substanzanalysen nach § 10a Absatz 4 des Betäubungsmittelgesetzes in einer hierzu betäubungsmittelrechtlich befugten Stelle veranlasst werden sollen.
(3) Der Betreiber oder die Betreiberin des Drogenkonsumraums bestimmt eine sachkundige Person nach § 10a Absatz 2 Satz 2 Nummer 10 des Betäubungsmittelgesetzes, die fachlich ausgebildet und zuverlässig sein muss und die ihr obliegenden Verpflichtungen ständig erfüllen kann (verantwortliche Person) sowie deren Stellvertretung. Diese Person ist verantwortlich für die Einhaltung der in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen und der hierzu ergehenden behördlichen Auflagen und Anordnungen.
(4) Der Betreiber oder die Betreiberin des Drogenkonsumraums muss dafür sorgen, dass für die Erfüllung der in dieser Rechtsverordnung genannten Anforderungen fachlich ausgebildetes Personal in ausreichendem Umfang eingesetzt wird. Er oder sie hat sicherzustellen, dass das im Drogenkonsumraum beschäftigte Personal weder selbst am Betäubungsmittelverkehr teilnimmt noch aktive Hilfe beim unmittelbaren Verbrauch der Betäubungsmittel leistet.
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§ 5 Nutzerkreis, Konsumstoffe und Konsumarten
(1) Den Drogenkonsumraum dürfen grundsätzlich nur volljährige Personen mit Betäubungsmittelabhängigkeit und Konsumerfahrung nutzen. Betäubungsmittelabhängigen Jugendlichen ab 16 Jahren mit Konsumerfahrung darf der Zugang nur dann gestattet werden, wenn die Zustimmung der Erziehungsberechtigten oder des gesetzlichen Vormundes vorliegt oder das Personal nach direkter Ansprache im Einzelfall andere Hilfemöglichkeiten sorgfältig geprüft und sich vom gefestigten Konsumentschluss überzeugt hat. Die Inhalte und Ergebnisse der Prüfung sind schriftlich in einem gesonderten Dokumentationsblatt festzuhalten.
(2) Von der Nutzung des Drogenkonsumraumes sind auszuschließen:
1.
Offenkundige Erst- oder Gelegenheitskonsumierende und
2.
erkennbar intoxikierte Personen, bei denen die Nutzung des Drogenkonsumraums ein erhöhtes Gesundheitsrisiko verursachen könnte.
(3) Das Personal ist anzuhalten, offenkundige Erst- oder Gelegenheitskonsumierende durch direkte Ansprache an ein anderweitiges Beratungs- oder Hilfeangebot heranzuführen.
(4) Der Konsum von Betäubungsmitteln im Drogenkonsumraum kann insbesondere Opiate, Kokain, Amphetamine oder deren Derivate sowie Benzodiazepine betreffen und kann intravenös, inhalativ, nasal oder oral erfolgen.
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§ 6 Hausordnung
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin des Drogenkonsumraums hat eine Hausordnung zu erlassen. Die Hausordnung ist mit der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz abzustimmen und nach den jeweiligen Erfordernissen anzupassen. Die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz beteiligt den Senator für Inneres und die Senatorin für Justiz und Verfassung.
(2) Die Hausordnung ist in der Einrichtung gut sichtbar auszuhängen. Ihre Einhaltung wird vom Personal ständig überwacht.
(3) In der Hausordnung ist insbesondere zu regeln,
1.
dass die Betäubungsmittelabhängigen daraufhin zu überprüfen sind, ob sie zum Nutzerkreis nach
§ 5
gehören,
2.
zu welchen Zeiten der Drogenkonsumraum genutzt werden darf,
3.
dass Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, mit Ausnahme des Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes zum Eigenverbrauch in geringer Menge, innerhalb der Einrichtung nicht geduldet werden.
(4) Personen, die gegen die Hausordnung verstoßen, können durch die verantwortliche Person nach
§ 4
Absatz 3 Satz 1 von der Nutzung ausgeschlossen werden. Die Dauer des Ausschlusses ist im Einzelfall festzulegen.
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§ 7 Sachliche Ausstattung
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin hat sicherzustellen, dass der Drogenkonsumraum räumlich von der übrigen Einrichtung hinreichend abgegrenzt ist und die hygienischen Voraussetzungen zur Drogenapplikation nach Absatz 2 für einen ständig wechselnden Personenkreis bietet.
(2) Folgende Bedingungen müssen gewährleistet sein:
1.
Sämtliche Oberflächen des Drogenkonsumraums und der Einrichtungsgegenstände müssen aus glatten, abwaschbaren und desinfizierbaren Materialien bestehen;
2.
Der Drogenkonsumraum muss mit Konsumplätzen ausgestattet sein, die jeweils vollständig einsehbar sind;
3.
Konsumplätze für intravenösen oder inhalativen Konsum müssen räumlich voneinander getrennt und mit jeweils eigenem Eingang zugänglich sein;
4.
Es müssen ausreichend steriles Applikationszubehör, Desinfektionsmittel sowie durchstichsichere Entsorgungsbehälter bereitgestellt werden;
5.
Eine ständige Belüftung und hinreichende Beleuchtung muss gewährleistet sein;
6.
Die Räume müssen in sauberem Zustand gehalten sowie regelmäßig desinfiziert werden;
7.
Geeignete sanitäre Anlagen für die Betäubungsmittelabhängigen müssen vorgehalten werden;
8.
Für Frauen soll ein bei Bedarf nutzbarer geschützter Bereich vorgehalten werden;
9.
Eine sachgerechte Entsorgung gebrauchter Spritzbestecke und zum einmaligen Gebrauch bestimmter Konsumutensilien ist sicherzustellen.
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§ 8 Gewährleistung der Notfallversorgung
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin hat während des Betriebs des Drogenkonsumraums sicherzustellen, dass eine ständige Sichtkontrolle der Applikationsvorgänge durch in der Notfallversorgung geschultes Personal so erfolgt, dass im Notfall sofortige Beatmungs- und Reanimationsmaßnahmen und eine akute Wundversorgung möglich sind. Es sind ständig technische Notfallvorrichtungen im Drogenkonsumraum bereitzuhalten. Der Zugang zum Drogenkonsumraum muss für externe Rettungsdienste schnell und problemlos möglich sein.
(2) Der Betreiber oder die Betreiberin hat einen Notfallplan zu erstellen, in dem die Einzelheiten der Notfallversorgung nach Absatz 1 festzuhalten sind. Der Notfallplan soll auch Maßnahmen zum Unfallschutz und bei Verletzungen des Personals enthalten. Der Notfallplan ist dem Personal zur Verfügung zu stellen und regelmäßig zu aktualisieren. Der Betreiber oder die Betreiberin hat dafür Sorge zu tragen, dass der Notfallplan jederzeit umgesetzt werden kann.
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§ 9 Medizinische Beratung und Hilfe, Vermittlung von weiterführenden und ausstiegsorientierten Angeboten
(1) Während des Betriebs des Drogenkonsumraums muss geschultes Personal die Betäubungsmittelabhängigen, insbesondere bei akuten oder chronischen Krankheiten, über Infektionsrisiken, Toxizität der verwendeten Betäubungsmittel, Maßnahmen zur Vorbeugung von Wundinfektionen sowie risikoärmere Konsumformen beraten können und im Bedarfsfall Krisenintervention leisten. Medizinische Hilfe und Beratung muss im Bedarfsfall unverzüglich erfolgen.
(2) Das eingesetzte Personal muss über eine suchtspezifische Erstberatung hinaus über weitergehende und ausstiegsorientierte Angebote der Beratung, Behandlung und Therapie informieren und auf Wunsch Kontakte zu geeigneten Einrichtungen vermitteln. Personen, die einen Entgiftungswunsch äußern, ist Hilfestellung beim Kontakt zu geeigneten Einrichtungen zu leisten.
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§ 10 Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten im Drogenkonsumraum
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin muss durch geeignete Maßnahmen, insbesondere Anweisungen an das Personal, darauf hinwirken, dass Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, mit Ausnahme des Besitzes von Betäubungsmitteln nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 des Betäubungsmittelgesetzes zum Eigenverbrauch in geringer Menge, innerhalb des Drogenkonsumraums nicht geduldet werden und dass die Nutzerinnen und Nutzer darauf hinzuweisen sind.
(2) Bleiben diese Maßnahmen erfolglos, ist das Personal verpflichtet, die Ordnungs- und Strafverfolgungsbehörden zu benachrichtigen.
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§ 11 Maßnahmen zur Verhinderung von Straftaten im Umfeld des Drogenkonsumraums
(1) Zur Verhinderung von Straftaten im Umfeld des Drogenkonsumraums hat der Betreiber oder die Betreiberin mit dem Senator für Inneres Grundzüge ihrer Zusammenarbeit in einer Kooperationsvereinbarung schriftlich festzulegen. Der Senator für Inneres stellt das Benehmen mit der Senatorin für Justiz und Verfassung her.
(2) In der Kooperationsvereinbarung nach Absatz 1 ist festzulegen, dass die verantwortliche Person nach
§ 4
Absatz 3 Satz 1 konsumbezogene Auswirkungen auf das unmittelbare räumliche Umfeld des Drogenkonsumraums zu beobachten hat und regelmäßig Kontakt insbesondere zu den Polizei- und Ordnungsbehörden hält. Auch sind Mitteilungspflichten bei Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im unmittelbaren Umfeld des Drogenkonsumraums gegenüber den zuständigen Behörden zu konkretisieren.
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§ 12 Dokumentation und Evaluation
(1) Der Betreiber oder die Betreiberin hat eine fortlaufende Dokumentation über den Betrieb des Drogenkonsumraums in anonymer Form zu führen. Hierzu sind Tagesprotokolle zu fertigen, die insbesondere über Umfang und Ablauf der Nutzer- und Nutzerinnenkontakte, Zahl und Tätigkeit des eingesetzten Personals sowie besondere Vorkommnisse in medizinischer, ordnungs- oder strafrechtlicher Hinsicht Auskunft geben. Diese Protokolle sind in einem quartalsweisen Bericht zusammenzufassen und auszuwerten.
(2) Die Berichte sind der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz und dem Senator für Inneres quartalsweise vorzulegen und mit diesen regelmäßig zu erörtern.
(3) Der Betreiber oder die Betreiberin hat einen jährlichen Bericht im Hinblick auf die Zielerreichung und Perspektiven zu fertigen und der Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz sowie dem Senator für Inneres vorzulegen.
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§ 13 Erlaubnisverfahren
(1) Für das Erlaubnisverfahren gelten § 7 Satz 1 und Satz 2 Nummern 1 bis 4 und 8, § 8, § 9 Absatz 2 und § 10 des Betäubungsmittelgesetzes entsprechend.
(2) Dem Antrag müssen darüber hinaus folgende Unterlagen und Nachweise beigefügt werden:
1.
Konzept nach
§ 4
Absatz 2,
2.
Bestimmung einer verantwortlichen Person und deren Stellvertretung nach
§ 4
Absatz 3 Satz 1,
3.
Angaben über das eingesetzte Personal und dessen Qualifikation nach
§ 4
Absatz 4,
4.
Muster eines Dokumentationsblatts nach
§ 5
Absatz 1 Satz 3,
5.
Hausordnung nach
§ 6
,
6.
Angaben über die sachliche Ausstattung nach
§ 7
,
7.
Plan für die medizinische Notfallversorgung nach
§ 8
Absatz 2,
8.
Kooperationsvereinbarung nach
§ 11
Absatz 1,
9.
Muster eines Tagesprotokolls nach
§ 12
Absatz 1 Satz 2.
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§ 14 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft.
Beschlossen, Bremen, den 25. Februar 2020
Der Senat
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