Aufgaben und Organisation der Sozialen Dienste der Justiz im Land Brandenburg
DE - Landesrecht Brandenburg

Aufgaben und Organisation der Sozialen Dienste der Justiz im Land Brandenburg

Aufgaben und Organisation der Sozialen Dienste der Justiz im Land Brandenburg
vom 26. März 2020 ( JMBl/20, [Nr. 4] , S.30)

1 Fachbereiche

1.1 Für die im Rahmen der Sozialen Dienste der Justiz wahrzunehmenden Aufgaben sind die Fachbereiche
Gerichtshilfe
Täter-Opfer-Ausgleich
Bewährungshilfe/Führungsaufsicht
gebildet.
1.2 Die Einrichtung weiterer Fachbereiche bleibt der Entscheidung des für Justiz zuständigen Ministeriums vorbehalten.

2 Aufgaben

Die Aufgaben der Sozialen Dienste der Justiz sind:
2.1 Gerichtshilfe
In jedem Stadium des Strafverfahrens gegen erwachsene Personen kann die Gerichtshilfe (§§ 160 Absatz 3, 463d StPO
) herangezogen werden. Insbesondere obliegen der Gerichtshilfe folgende Aufgaben:
2.1.1 Die Erforschung der Persönlichkeit, der wirtschaftlichen Verhältnisse und des sozialen Umfelds sowie der Ursachen und Beweggründe für das strafbare Verhalten. Es sind die Gegebenheiten festzustellen, die für eine Vermeidung oder Verkürzung der Haft, namentlich im Rahmen von Entscheidungen über die Beantragung, Anordnung oder Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft, die Strafzumessung (§ 46 StGB
), für die Einstellung eines Verfahrens (§§ 153 und 153a StPO), die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 56 StGB) und die Anordnung der Besserung und Sicherung (§ 61 StGB) oder Gnadenentscheidungen von Bedeutung sein können.
2.1.2 Die rechtzeitige Einleitung sozialer Hilfsmaßnahmen, wenn sich bei der oder dem Beschuldigten oder ihren oder seinen Angehörigen im Rahmen von Ermittlungsverfahren Notlagen herausstellen, soweit die Einleitung und Durchführung dieser Hilfen nicht bereits durch andere Träger gewährleistet ist.
2.1.3 Die Durchführung von Maßnahmen, die der Abwendung der Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe durch freie Arbeit dienen.
2.1.4 Die Ermittlung der persönlichen Situation sowie der durch die Tat verursachten Folgen bei Personen, die von einer Straftat betroffen sind (Geschädigte, Zeugen und deren Angehörige).
2.2 Täter-Opfer-Ausgleich
Die Vermittlungstätigkeit im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs.
2.3 Bewährungshilfe/Führungsaufsicht
Bei Strafaussetzungen (§ 56 StGB, § 21 JGG
) und Reststrafaussetzungen zur Bewährung (§§ 57, 57a StGB, § 88 JGG) sowie nach Gnadenentscheidungen obliegt es den Sozialen Diensten der Justiz durch Beratung, Betreuung und Aufsicht, die soziale Integration der Bewährungsprobanden zu unterstützen und einer erneuten Straffälligkeit entgegenzuwirken (§ 56d StGB, § 24 JGG). Entsprechendes gilt bei angeordneter Führungsaufsicht nach den §§ 68, 68a des Strafgesetzbuches.
2.4 Sonstiges
Mitwirkung bei der Gründung von regionalen Arbeitsgemeinschaften der Straffälligenhilfe und Beteiligung an diesen Arbeitsgemeinschaften.

3 Tätigwerden der Sozialen Dienste der Justiz

3.1 In den Fachbereichen Gerichtshilfe und Täter-Opfer-Ausgleich werden die mit diesen Aufgaben befassten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw.
die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen auf Ersuchen einer Staatsanwaltschaft, eines Gerichts, einer Gnadenstelle oder einer mit Register-Vergünstigungssachen befassten Stelle tätig. Ebenso können diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sozialen Dienste der Justiz auch auf Antrag der oder des von der Maßnahme Betroffenen tätig werden. Darüber unterrichten sie in diesen Fällen die zuständige Stelle (Gericht, Staatsanwaltschaft).
3.2 Im Fachbereich Bewährungshilfe werden die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. die Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen durch Beauftragung des erkennenden Gerichts, der Strafvollstreckungskammer oder der Gnadenbehörde tätig. Sie können auch vor Rechtskraft der Entscheidung, auf die Mitteilung des Gerichts, der Vollstreckungs-, Gnadenbehörde oder Justizvollzugsanstalt hin, dass die Bestellung einer Bewährungshelferin bzw. eines Bewährungshelfers zu erwarten ist, tätig werden, sofern die oder der Betroffene einverstanden ist. Mit Zustimmung der oder des Verurteilten können sie in Abstimmung mit der oder dem zuständigen Bediensteten der Justizvollzugsanstalt ebenfalls - gegebenenfalls durch Aufsuchen der Betroffenen bzw. des Betroffenen in der Justizvollzugsanstalt - tätig werden, wenn die Aussetzung der Strafe, der Reststrafe oder der Maßregel durch Widerruf oder durch eine neue Verurteilung erledigt und die oder der Verurteilte in eine Justizvollzuganstalt eingewiesen ist.
3.2.1 Standen Straf- und Jugendstrafgefangene vor ihrer Inhaftierung unter Bewährungs- und Führungsaufsicht, ist die für sie bislang zuständige Bewährungshelferin oder der für sie bislang zuständige Bewährungshelfer an der ersten Konferenz zur Erstellung eines Vollzugs- und Eingliederungsplans zu beteiligen (§ 14 Absatz 5 Satz 2 BbgJVollzG
). Bei der Vollstreckung von Freiheits- und Jugendstrafen bis zu zwei Jahren hält die bislang zuständige Bewährungshelferin bzw. der bislang zuständige Bewährungshelfer auch während des Vollzugs den Kontakt zu seiner Probandin bzw. seinem Probanden, beteiligt sich an der Gewährung der Hilfen und nimmt regelmäßig auch an den Folgekonferenzen zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans teil (§ 11 Absatz 1 und § 14 Absatz 5 Satz 3 BbgJVollzG). Wird Sicherungsverwahrung vollstreckt, ist eine Beteiligung der Bewährungshelferin bzw. des Bewährungshelfers bei vorangegangener Bewährungs- oder Führungsaufsichtsunterstellung an den Konferenzen zur Erstellung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans möglich (§ 8 Absatz 5 BbgSVVollzG
).
3.2.2 Darüber hinaus arbeiten die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen der Sozialen Dienste der Justiz im Hinblick auf die Wiedereingliederung der Inhaftierten bei Bedarf frühzeitig mit den Justiz- und Maßregelvollzugseinrichtungen, namentlich den dort tätigen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zusammen und wirken aktiv bei der Vorbereitung der Entlassung insbesondere dann mit, wenn zu erwarten oder bereits entschieden ist, dass sie Bewährungshilfeaufgaben für die Inhaftierte oder den Inhaftierten übernehmen (§§ 57 Absatz 3 Satz 2, 57a, 67b, 67d StGB und § 88 Absatz 1, 3, 6 JGG sowie § 50 Absatz 2 BbgJVollzG). Eine Teilnahme der künftig zuständigen Bewährungshelferin oder des künftig zuständigen Bewährungshelfers in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt an der Vollzugskonferenz soll erfolgen (§ 14 Absatz 7 BbgJVollzG). Bei voraussichtlichen Entlassungen aus der Sicherungsverwahrung soll gleichfalls eine rechtzeitige Beteiligung der künftig zuständigen Bewährungshelferin oder des künftig zuständigen Bewährungshelfers an den Vollzugskonferenzen erfolgen (§ 8 Absatz 7 BbgSVVollzG).

4 Organisation

4.1 Die Sozialen Dienste der Justiz gehören zum Geschäftsbereich des für Justiz zuständigen Ministeriums. Sie führen die Bezeichnung „Soziale Dienste der Justiz im Land Brandenburg“.
Die Sozialen Dienste der Justiz sind der Präsidentin oder dem Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts zugeordnet.
4.2 Bei der Präsidentin oder dem Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ist ein Sachgebiet für die Sozialen Dienste der Justiz eingerichtet.
4.3 Die Sozialen Dienste der Justiz gliedern sich in Dienstsitze, die gleichmäßig über die Regionen des Landes verteilt sind. Neben den Dienstsitzen und Außenstellen sollen bei Bedarf auch ortsnahe Außensprechstunden eingerichtet werden. Die Dienstsitze führen die Bezeichnung „Soziale Dienste der Justiz im Land Brandenburg - Dienstsitz …“.

5 Personal

5.1 Für die Leitung des Sachgebiets „Soziale Dienste der Justiz beim Brandenburgischen Oberlandesgericht“ wird eine Sachgebietsleiterin bzw. ein Sachgebietsleiter (Sozialarbeiterin bzw. Sozialarbeiter oder Sozialpädagogin bzw. Sozialpädagoge mit staatlicher Anerkennung und dem Abschluss Diplom,
Bachelor
oder
Master of Arts
Soziale Arbeit) bestellt. Das Sachgebiet ist mit der für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Zahl weiterer Bediensteter zu besetzen. Die Beschreibung der Aufgaben der Sachgebietsleitung obliegt der Präsidentin oder dem Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.
5.2 Zur Unterstützung der Sachgebietsleitung ist in den Geschäftsbereichen der Landgerichtsbezirke Cottbus, Frankfurt (Oder), Neuruppin und Potsdam jeweils eine Stelle für Gruppenleiterinnen bzw. Gruppenleiter eingerichtet. Im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben sind sie gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Geschäftsbereichs weisungsbefugt.
5.3 Darüber hinaus werden Stellen mit besonderen Aufgaben und Fachaufgaben eingerichtet. Diese Stellen sind mit Sozialarbeiterinnen bzw. Sozialarbeitern oder Sozialpädagoginnen bzw. Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung zu besetzen.
5.4 Die Beschreibung der Aufgaben der nach den Nummern 5.2 und 5.3 eingerichteten Stellen obliegt der Präsidentin oder dem Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts. Zur Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt eine Entlastung von sonstigen (allgemeinen) Aufgaben regelmäßig zu 55 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit. Die Stelleninhaberinnen bzw. Stelleninhaber unterliegen den Weisungen der Sachgebietsleitung.

6 Dienstsitzsprecherinnen/Dienstsitzsprecher

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines Dienstsitzes bestimmen aus ihren Reihen eine Sprecherin oder einen Sprecher (Sozialarbeiterin oder Sozialarbeiter).

7 Geschäftsverteilung

7.1 Die Präsidentin oder der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts bestimmt durch Geschäftsverteilungsplan, wie die Aufgaben der Sozialen Dienste der Justiz auf die einzelnen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zu verteilen sind. Unberührt hiervon bleibt das Bestimmungsrecht der Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatanwälte im Einzelfall. Durch die Geschäftsverteilung ist sicherzustellen, dass Aufgaben oder Aufgabengruppen von fachlich entsprechend qualifizierten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern bzw. Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen wahrgenommen werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind in der Regel in zwei Fachbereichen tätig. Über Abweichungen von dieser Regel entscheidet die Präsidentin oder der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts.
7.2 Eine Sozialarbeiterin und ein Sozialarbeiter bzw. eine Sozialpädagogin und ein Sozialpädagoge sollen jedoch nicht Tätigkeiten verschiedener Fachbereiche ausüben, sofern diese ein und dieselbe Probandin bzw. ein und denselben Probanden betreffen. Von dieser Regel kann abgewichen werden,
bei Tätigkeiten im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn vor Einleitung der Ausgleichsmaßnahmen oder nach abgeschlossenen Ausgleichsbemühungen Gerichtshilfeaufgaben in Bezug auf den Täter wahrgenommen werden,
bei Tätigkeiten im Rahmen des Täter-Opfer-Ausgleichs, wenn nach abgeschlossenen Ausgleichsbemühungen eine Bestellung der Vermittlerin bzw. des Vermittlers zur Bewährungshelferin bzw. zum Bewährungshelfer in Betracht kommt,
bei Tätigkeiten im Rahmen der Gerichts- und Bewährungshilfe, wenn die Klientin bzw. der Klient die Übernahme von Aufgaben beider Fachbereiche durch dieselbe Sozialarbeiterin bzw. denselben Sozialarbeiter oder dieselbe Sozialpädagogin bzw. denselben Sozialpädagogen wünscht.
7.3 Es bedarf einer schriftlichen Einverständniserklärung der Probandin bzw. des Probanden bei Übernahme von Gerichtshilfeaufgaben nach vorausgegangenen abgeschlossenen Ausgleichsbemühungen durch dieselbe Mitarbeiterin bzw. denselben Mitarbeiter und bei Tätigkeiten ein und derselben Mitarbeiterin bzw. ein und desselben Mitarbeiters im Rahmen der Gerichtshilfe und Bewährungshilfe.

8 Fortbildung

Fortbildung und Supervision sind unverzichtbare Bestandteile professioneller Sozialarbeit. Sie dienen der Kontrolle beruflichen Handelns und sind darauf gerichtet, die Kompetenz der Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter bzw. der Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in den Arbeitsfeldern der Sozialen Dienste der Justiz im Land Brandenburg zu fördern. Die Präsidentin oder der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts trägt Sorge für die fachliche Förderung und die fachliche Weiterentwicklung der Sozialen Dienste der Justiz. Dazu gehören insbesondere:
Planung, Organisation und Durchführung von Supervisionsgruppen, Facharbeitsgruppen, Fortbildungen und Fachtagen
Weiterentwicklung und Aktualisierung der fachlichen Standards
Weiterentwicklung von Qualitätskriterien für alle drei Fachbereiche.

9 Aufsicht

9.1 Das für Justiz zuständige Ministerium ist oberste Dienst- und Fachaufsichtsbehörde für die Sozialen Dienste der Justiz.
9.2 Die unmittelbare Dienst- und Fachaufsicht über die Sozialen Dienste der Justiz übt die Präsidentin oder der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts aus. Die fachliche Weisungsbefugnis der Richterinnen und Richter bzw. Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bleibt davon unberührt.
9.3 Änderungen, die Organisations- und Personalstruktur sowie die Dienstsitze der Sozialen Dienste betreffen, bedürfen der Zustimmung des für Justiz zuständigen Ministeriums. Dies gilt auch für die durch die Präsidentin oder den Präsidenten des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ergänzend zu dieser Allgemeinen Verfügung zu erlassende Dienstanweisung.

10 Inkrafttreten, Außerkrafttreten

Diese Allgemeine Verfügung tritt am Tag nach der Veröffentlichung im Justizministerialblatt für das Land Brandenburg in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verfügung vom 30. Juli 2007 ( JMBl.
S.
125), die zuletzt durch die Allgemeine Verfügung vom 11. April 2018 (JMBl. S. 45) geändert worden ist, außer Kraft.
Potsdam, den 26. März 2020
Die Ministerin der Justiz
Susanne Hoffmann
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