Verfahrensrichtlinie zur Verleihung der Bezeichnung "Stadt" gem. § 11 Abs. 2 Gemeindeordnung
DE - Landesrecht Brandenburg

Verfahrensrichtlinie zur Verleihung der Bezeichnung "Stadt" gem. § 11 Abs. 2 Gemeindeordnung

Verfahrensrichtlinie zur Verleihung der Bezeichnung "Stadt" gem. § 11 Abs. 2 Gemeindeordnung
vom 31. März 1998
(Kabinettbeschluss vom 31.03.1998)
Gemäß § 11 Abs.
2 Satz 2 Gemeindeordnung kann die Landesregierung einer Gemeinde die Bezeichnung „Stadt“ verleihen, wenn sie nach
Einwohnerzahl,
Siedlungsform und
ihren kulturellen und wirtschaftlichen Verhältnissen
städtischen Charakter hat.

1. Voraussetzungen zur Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ gem. § 11 Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung

a) Einwohnerzahl
Unter Beachtung der differenzierten Siedlungs- und Einwohnerstruktur im Land Brandenburg ist bei der Festlegung von Einwohnermindestgrößen zwischen dem engeren Verflechtungsraum Brandenburg-Berlin und dem äußeren Entwicklungsraum zu unterscheiden. Als Voraussetzung für die Verleihung des Stadtrechtes soll im dicht besiedelten engeren Verflechtungsraum in der Regel eine Einwohnerzahl von 10.000 und im äußeren Entwicklungsraum eine Einwohnerzahl von mindestens 5.000 zugrunde gelegt werden. Die Mehrzahl der Einwohner soll dabei in einem geschlossenen Siedlungsgebiet wohnen. Im Regelfall erfüllen Gemeinden, die als Mittelzentren im Rahmen der zentralörtlichen Gliederung durch die Landesplanung ausgewiesen sind, diese Voraussetzungen. Bei Grundzentren bedarf es einer deutlichen Ausprägung der weiteren nach b) und c) genannten Voraussetzungen.
b) Siedlungsform
Voraussetzung für die Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ ist eine Siedlungsstruktur mit städtischem Charakter. Sie liegt vor, wenn eine geschlossene und zumindest teilweise mehrgeschossige Bauweise vorherrscht. Ein als Zentrum ausgeprägter Siedlungskern soll vorhanden sein oder auf der Grundlage verbindlicher Bauleitplanungen mittelfristig entstehen.
In diesem Kern sollen Verwaltungs- und Dienstleistungseinrichtungen der privaten und öffentlichen Hand (Rathaus) sowie Handels- und Gewerbeeinrichtungen vorhanden sein. Die Gemeinde soll verkehrsmäßig erschlossen sein. Dies betrifft sowohl den öffentlichen Personnahverkehr als auch den motorisierten und nicht motorisierten Individualverkehr. Die überörtliche Verkehrsanbindung soll gewährleisten können, dass die Gemeinde ihre zentralörtliche Versorgungsfunktion für das Umland wahrnehmen kann. Die weitere Entwicklung der Gemeinde muss auf der Grundlage einer geordneten Bauleitplanung sowohl bauseitig als auch verkehrsmäßig gesichert sein
c) Kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse
Kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse, die die Bezeichnung „Stadt“ rechtfertigen, sind regelmäßig nur in Gemeinden gegeben, die mindestens über die Regelausstattung an Einrichtungen (Anhang zum Erläuterungsbericht des Landesentwicklungsplans Brandenburg - LEP I) in den Bereichen Bildung/Jugend, Kultur, Sport, Gesundheit und Soziales eines Grundzentrums gemäß Landes- und Regionalplanung verfügen.
Die Stadt soll als zentraler Ort zugleich Arbeitsplatz-, Wirtschafts- und Wohnstandort sein. Indiz dafür ist eine nennenswerte Anzahl von Industrie- und Gewerbebetrieben. Soweit es sich um eine Gemeinde im Brandenburger Teil des engeren Verflechtungsraumes handelt, sollte sie eine Funktion als Siedlungsschwerpunkt im engeren Verflechtungsraum haben. Eine Ausweisung im LEP e. V. als „potentieller Siedlungsbereich (Typ 1-Gemeinde)“ oder die im LEP e. V.
enthaltene Empfehlung zur Ausweisung als „weiterer Siedlungsschwerpunkt (Typ 2-Gemeinde)“ und deren Festlegung im Regionalplan ist hierfür maßgeblich.
Die Stadt soll in diesem Zusammenhang auch eine besondere Versorgungsfunktion für das Umland zukommen. Dabei sollen neben Einrichtungen zur Deckung des Grundbedarfs auch Einrichtungen für den gehobenen Bedarf vorhanden sein.
Beispiele für stadtprägende Einrichtungen sind insbesondere weiterführende Schulen, Volkshochschulen, Frei- und Hallenbäder, Sportplätze, Mehrzweckhallen, Theater, Kinos und Bibliotheken sowie eine gute ärztliche Regel- oder Grundversorgung.
Historische Bezüge, insbesondere hinsichtlich eines früher verliehenen und später verlorengegangenen Stadtrechts, sind jeweils zu beachten; sie können aber für die Entscheidung nicht allein ausschlaggebend sein.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen antragstellender Gemeinden ist die Gesamtheit der vorgenannten Kriterien jeweils zu berücksichtigen. Wird die vorgegebene Einwohnerzahl, z. B.
durch den Zusammenschluss vieler kleiner Gemeinden zu einer größeren Gemeinde erreicht, die Voraussetzungen gemäß Ziffer b) oder c) jedoch nicht erfüllt, kann die Gemeinde in der Regel die Bezeichnung „Stadt“ nicht erhalten.

2. Verfahren

Der für die Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Gemeindeordnung notwendige Antrag der Gemeinde ist an das Ministerium des Innern zu richten. Das Ministerium des Innern prüft federführend im Einvernehmen mit dem Ministerium für Stadtentwicklung, Wohnen und Verkehr und dem Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung die Voraussetzungen für die Verleihung des Stadtrechts unter Beachtung der o. g.
Kriterien.
Der Minister des Innern unterbreitet der Landesregierung einen entsprechenden Beschlussvorschlag zur endgültigen Entscheidung.
Vor einem Beschluss der Landesregierung über die Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ soll dem Städte- und Gemeindebund Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.
Die Ausfertigung und Überreichung der Urkunde zur Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ erfolgt durch den Minister des Innern.
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