Anwendung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStG 1999 auf mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände
DE - Landesrecht Brandenburg

Anwendung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStG 1999 auf mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände

Anwendung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStG 1999 auf mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände
vom 16. Oktober 2000
Es wurde gefragt, wie die (Bildung und Auflösung der) Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR
1999 auf mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände, die aufgrund einer behördlichen Anordnung des Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamtes zu töten waren und für die von der Tierseuchenkasse des Landesamts für Ernährung, Landwirtschaft und Flurneuordnung eine Entschädigung geleistet wurde, anzuwenden ist. Hierzu nehme ich wie folgt Stellung:

1. Tatbestandliche Voraussetzungen für die Bildung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999

Nach R 35 EStR 1999 kann durch die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung eine Gewinnrealisierung durch Aufdeckung stiller Reserven ausnahmsweise dann vermieden werden, wenn ein Wirtschaftsgut des Anlage- oder Umlaufvermögens (a) aufgrund höherer Gewalt oder infolge bzw.
zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs (b) gegen eine Entschädigung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet und alsbald (c) ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut angeschafft wird.
Zweck des Rechtsinstituts der Rücklage für Ersatzbeschaffung ist, die durch das zwangsweise Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen erlangte Gegenleistung zur Ersatzbeschaffung verwenden zu können ( BFH
, Urteil vom 11.12.1984, IX R 27/82, BStBl II
1985, 250).
a) Höhere Gewalt ist grds. nur bei Elementarereignissen ( z. B.
Brand, Sturm oder Überschwemmung; R 35 Abs. 2 Satz 1 EStR 1999), ein behördlicher Eingriff nur bei hoheitlichen Maßnahmen (z. B. Maßnahmen zur Enteignung oder Inanspruchnahme für Verteidigungszwecke; R 35 Abs. 2 Satz 2 EStR 1999; BFH, Urteil vom 10.06.1992, I R 9/91, BStBl II 1993, 41, 43) anzunehmen. Die Veräußerung zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs steht nur dann einem behördlichen Eingriff gleich, wenn dadurch ein als sicher anzusehender behördlicher Eingriff vermieden werden soll (BFH, Urteil vom 29.03.1979, IV R 1/75, BStBl II 1979, 412). Eine moralische oder wirtschaftliche Zwangslage reicht jedenfalls für eine Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht aus. Die Grundsätze über die Bildung einer solchen Rücklage sind auf bestimmte Ausnahmetatbestände beschränkt und dürfen nicht entsprechend auf andere, wenn auch ähnliche, Tatbestände angewandt werden (BFH, Urteil vom 12.03.1969, I 97/65, BStBl II 1969, 381).
Im vorgetragenen Fall erfolgte die Tötung der Tiere und damit ihr Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen infolge eines behördlichen Eingriffs. Das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt ordnete die Tötung der Tiere an. Damit kommt grds. die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999 in Betracht.
b) Unter R 35 EStR 1999 fallen allerdings nur solche Entschädigungen oder Entgelte, die für das Wirtschaftsgut als solches und nicht für Folgeschäden (z. B. Entschädigungen für künftige Nachteile beim Wiederaufbau oder entgangene Gewinne) gewährt werden (BFH, Urteil vom 29.04.1982, IV R 10/79, BStBl II 1982, 568).
Somit sind Entschädigungen, die (kostenmäßig) nicht auf die zwangsweise ausgeschiedenen Tiere entfallen, sondern für (Folge-) Beeinträchtigungen geleistet wurden ( bspw.
für Kosten der Desinfektion oder des Transports), im Rahmen der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999 nicht zu berücksichtigen.
c) Ein Ersatzwirtschaftsgut ist ein neues Wirtschaftsgut, welches im Betrieb im wesentlichen die gleiche Funktion wie das alte Wirtschaftsgut erfüllt.

2. Viehbewertung mit Durchschnittswerten

2.1 Wirtschaftsgüter, auch Tiere, sind grds. einzeln mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten (§ 6 Abs.
1 Nr.
1 und 2 EStG). Daneben kommt für Tiere als weitere Bewertungsmethode auch die Gruppenbewertung nach § 240 Abs. 4 HGB
in Betracht. Innerhalb dieser beiden Bewertungsmethoden (Einzel- oder Gruppenbewertung) sind verschiedene Wertermittlungsverfahren zulässig ( u. a.
die Durchschnittsbewertung; vgl. nachfolgend unter 2.2). Nach dem Grundsatz der Bewertungsstetigkeit ist die gewählte Bewertungsmethode und das Verfahren zur Wertermittlung grds. beizubehalten; das gilt auch für Bestandszugänge (BMF, Schreiben vom 22.02.1995, BStBl I
1995, 179).
2.2 Im Rahmen der Durchschnittsbewertung werden Erträge aufgrund der Veräußerung und Aufwendungen aufgrund der Anschaffung oder Herstellung von Tieren jeweils sofort erfolgswirksam erfasst. Auf den Bestandskonten „Tiere“ werden die Tiere lediglich (fiktiv) mit Durchschnittswerten („Buchwerten“) geführt. Der Wert der Tiere insgesamt (Buchwert) wird am Ende des Wirtschaftsjahres jeweils entsprechend dem Tierbestand erfolgswirksam angepasst. Damit werden infolge der Durchschnittsbewertung die Bestandskonten „Tiere“ unmittelbar durch Geschäftsvorfälle nicht berührt. Es erfolgt weder eine Zuaktivierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten noch eine Erfassung des Abgangs.
Bestandsveränderungen werden (allein) am Ende des Wirtschaftsjahres durch Inventur ermittelt und entsprechend berücksichtigt.

3. Anwendung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999 auf mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände

Nach R 35 EStR 1999 kann eine Rücklage für Ersatzbeschaffung in Höhe der aufgedeckten stillen Reserven eines zwangsweise ausgeschiedenen Wirtschaftsguts gebildet werden, die auf ein funktionsgleiches Ersatzwirtschaftsgut übertragen werden sollen (R 35 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 EStR 1999).
3.1 Höhe der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999
Für mit Durchschnittswerten bewertete Tierbestände sind zwar keine individuellen Buchwerte einzelner Tiere vorhanden; deshalb können im Fall des (zwangsweisen) Ausscheidens aus dem Betriebsvermögen die auf das einzelne Tier entfallenden aufgedeckten stillen Reserven nicht unmittelbar bestimmt werden. Entschädigungen würden sich damit grds. in voller Höhe erfolgswirksam (Ertrag) auswirken.
Ich halte es gleichwohl für sachgerecht, in diesen Fällen eine Rücklage für Ersatzbeschaffung i. S. d.
R 35 EStR 1999 zu bilden. Aufgrund der unter 2. dargestellten Besonderheiten bei der Viehbewertung mit Durchschnittswerten ermittelt sich die Höhe der Rücklage für Ersatzbeschaffung aus der Differenz zwischen den auf die zwangsweise ausgeschiedenen Tiere entfallenden Entschädigungen und den auf die ausgeschiedenen Tiere anteilig entfallenden Durchschnittswerten.
Entschädigungen, die auf die zwangsweise ausgeschiedenen Tiere entfallen
abzgl. Durchschnittswerte, die auf die ausgeschiedenen Tiere anteilig entfallen
= Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999
3.2 Auflösung/Übertragung der Rücklage für Ersatzbeschaffung nach R 35 EStR 1999
Da für mit Durchschnittswerten bewertete Tiere keine individuellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten einzelner Tiere bilanziert werden, kann die Rücklage für Ersatzbeschaffung auch nicht auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der neu angeschafften oder hergestellten Tiere übertragen werden.
Im Hinblick auf den Zweck der Rücklage für Ersatzbeschaffung, die durch das zwangsweise Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen erlangte Gegenleistung zur Ersatzbeschaffung nutzen zu können, ist die Rücklage für Ersatzbeschaffung im Wirtschaftsjahr der Anschaffung der neuen Tiere gewinnwirksam aufzulösen (grds. spätestens am Schluss des ersten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres; R 35 Abs. 4 Satz 3 EStR 1999). Insoweit ist darauf abzustellen, wann und in welchem Umfang die Ersatzbeschaffung der Tiere erfolgt. Diese Behandlung halte ich auch deshalb für sachgerecht, weil im Jahr der Ersatzbeschaffung die Aufwendungen für die hinzu erworbenen Wirtschaftsgüter aufgrund der angewandten Durchschnittsbewertung sofort gewinnwirksam gebucht werden.
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