Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG)
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Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG)

Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG)
vom 30. August 2024 ( JMBl/24, [Nr. 9] , S.100)
I.
Die Landesjustizverwaltungen haben die als Anlage abgedruckte Neufassung der Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG) vereinbart, die hiermit für das Land Brandenburg in Kraft gesetzt wird.
II.
Diese Allgemeine Verfügung tritt am 1. Oktober 2024 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verfügung vom 18. Juli 1994 ( JMBl.
S.
94; ABl.
S. 1334) außer Kraft.
Potsdam, den 30. August 2024
Die Ministerin der Justiz
Susanne Hoffmann
Anlage
Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz (RiJGG)
Einführung
Die bundeseinheitlichen Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz wenden sich vornehmlich an die Staatsanwaltschaft und geben für den Regelfall Anleitungen und Orientierungshilfen, von denen wegen der Besonderheit des Einzelfalles abgewichen werden kann.
Sie enthalten aber auch Hinweise und Empfehlungen an das Gericht. Soweit diese Hinweise nicht die Art der Ausführung eines Amtsgeschäfts betreffen, bleibt es dem Gericht überlassen, sie zu berücksichtigen. Auch im Übrigen enthalten die Richtlinien Grundsätze, die für das Gericht von Bedeutung sein können.
Soweit diese Richtlinien keine besonderen Bestimmungen aufweisen, gelten die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren.
Personen- und Funktionsbezeichnungen gelten jeweils in weiblicher und männlicher Form.
Richtlinien zu § 1:
Auf Handlungen, für die Ordnungs- oder Zwangsmittel vorgesehen sind, findet das Jugendgerichtsgesetz keine Anwendung.
Für das Bußgeldverfahren gelten die Vorschriften des Jugendgerichtsgesetzes sinngemäß, soweit das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten nichts anderes bestimmt (§ 46 Absatz 1 OWiG
). Bei der Anwendung des § 46 Absatz 6 OWiG, wonach im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38) abgesehen werden kann, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist, ist im gerichtlichen Verfahren Artikel 7 Absatz 9 der RL
( EU
) 2016/800 zu beachten. Demnach kann auf eine individuelle Begutachtung durch die Jugendgerichtshilfe nur verzichtet werden, wenn dies aufgrund der Umstände des Falles gerechtfertigt und mit dem Wohl des Jugendlichen vereinbar ist.
Richtlinie zu § 2:
Soweit die allgemeinen Vorschriften Anwendung finden, sind diese im Sinne des Erziehungsgedankens auszulegen.
Richtlinien zu § 3:
Verbleiben nach Ausschöpfung anderer Ermittlungsmöglichkeiten ernsthafte Zweifel an der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, ist zu prüfen, ob ein Sachverständigengutachten einzuholen ist ( vgl.
auch die §§ 38, 43, 73 und die Richtlinien dazu). Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.
Stellt die Staatsanwaltschaft ein Verfahren wegen Schuldunfähigkeit (vgl. § 19 StGB
) oder fehlender strafrechtlicher Verantwortlichkeit ein, so prüft sie, wer zu benachrichtigen ist (vgl. insbesondere § 70 Absatz 1 Satz 1, § 109 Absatz 1 Satz 3).
Ergibt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens, dass der Jugendliche mangels Reife nicht verantwortlich ist oder die Verantwortlichkeit nicht sicher festgestellt werden kann, so regt die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens an (§ 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4).
Richtlinie zu § 5:
Die therapeutische Behandlung im Maßregelvollzug erfordert persönlichen Einsatz der Verurteilten. Ein vorzeitig herbeigeführter Abbruch der therapeutischen Behandlung kann dazu führen, dass sich die Verurteilten jeglicher erzieherischen Einwirkung entziehen. Bei der Prüfung der Entbehrlichkeit der Jugendstrafen- oder Zuchtmittelanordnung kann der Erhalt einer ausreichenden Therapiemotivation daher Berücksichtigung finden. Erscheint die Jugendstrafen- oder Zuchtmittelanordnung nicht entbehrlich, so sind die Voraussetzungen der Anwendbarkeit beider Rechtsfolgen unabhängig voneinander zu prüfen. Daneben ist eine selbstständige Bemessung erforderlich, die vorrangig am erzieherischen Bedarf auszurichten ist.
Richtlinien zu § 6:
Soweit eine in § 6 nicht genannte Nebenstrafe oder Nebenfolge nicht zwingend vorgeschrieben ist, beantragt die Staatsanwaltschaft sie nur, wenn sie erzieherisch notwendig erscheint.
§ 6 findet auch im Verfahren gegen Heranwachsende Anwendung, sofern Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt (§ 105 Absatz 1). Wird allgemeines Strafrecht angewandt, ist § 106 Absatz 2 zu beachten.
Richtlinien zu § 7:
Auf die Richtlinie zu § 5 wird hingewiesen.
Angesichts der erheblichen Bedeutung des Vorbehalts der Anordnung der Sicherungsverwahrung ist möglichst frühzeitig ein Sachverständigengutachten einzuholen. Auf §§ 80a, 246a StPO
wird hingewiesen.
Bei der Auswahl der Sachverständigen, die Gutachten zur Frage des Vorbehalts der Anordnung der Sicherungsverwahrung oder der Anordnung einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung erstatten, sollte darauf geachtet werden, dass es sich um erfahrene Sachverständige handelt, die angemessene Kenntnisse im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie aufweisen.
Bei der Ausgestaltung des Vollzugs in einer Sozialtherapeutischen Einrichtung sollte das noch vorhandene Entwicklungspotential des Jugendlichen / Heranwachsenden besonders beachtet und durch geeignete Therapien gefördert werden.
Das bei dem Vorbehalt der Anordnung der Sicherungsverwahrung im Hinblick auf zwischenzeitliche Gesetzesänderungen anzuwendende Recht ergibt sich aus Artikel 316f und 316i EGStGB
.
§ 7 gilt auch im Verfahren gegen Heranwachsende, sofern Jugendstrafrecht zur Anwendung kommt (§ 105 Absatz 1). Wird auf Heranwachsende allgemeines Strafrecht angewendet, richten sich der Vorbehalt der Anordnung und die Anordnung der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung nach § 106 Absatz 3 bis Absatz 7.
Richtlinie zu § 9:
Wegen der Eintragung in das Zentralregister und das Erziehungsregister wird auf § 5 Absatz 2, § 60 Absatz 1 Nummer 2 BZRG
hingewiesen.
Richtlinien zu § 10:
Grundsätzlich sollen nur solche Weisungen erteilt werden, deren Befolgung der Jugendrichter überprüfen kann. Dabei sind Gebote, die die Lebensführung positiv gestalten sollen, Verboten vorzuziehen. Eine Weisung sollte, soweit möglich, so ausgestaltet werden, dass sie in einem inneren Zusammenhang mit der Tat steht.
Die Weisung, sich einem Betreuungshelfer zu unterstellen (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5), wird auch im Hinblick auf die damit für den Jugendlichen verbundenen Belastungen und den personellen und zeitlichen Aufwand im Bereich der Jugendgerichtshilfe bei geringfügigen Verfehlungen nicht in Betracht kommen. Widersprechen der Erziehungsberechtigte oder der gesetzliche Vertreter einer Betreuungsweisung, so sollte diese nur angeordnet werden, wenn ihre Durchführung nach Prüfung der Umstände des Einzelfalls erfolgversprechend erscheint. Kommt eine Anordnung der Maßnahme in Betracht, so empfiehlt es sich, frühzeitig mit der Jugendgerichtshilfe Verbindung aufzunehmen. Auf § 38 Absatz 5 Satz 3 und § 38 Absatz 6 Satz 2 sowie die Richtlinien dazu wird hingewiesen. Die Person des Betreuungshelfers ist möglichst genau zu bezeichnen. Im Verfahren nach §§ 45, 47 ist die Weisung nicht zulässig (vgl. § 45 Absatz 3 Satz 1, § 47 Absatz 1 Nummer 3).
Die Weisung, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 6), ist auch eine verhältnismäßig aufwendige Maßnahme, die für den Jugendlichen je nach struktureller und zeitlicher Gestaltung der Kurse mit nicht unerheblichen Belastungen verbunden sein kann. Nummer 2 Satz 1, 3 und 6 gilt entsprechend. Die Weisung, an anderen Formen sozialer Gruppenarbeit teilzunehmen, wird durch § 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 6 nicht ausgeschlossen.
Der Täter-Opfer-Ausgleich (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 7) zielt darauf ab, bei dem Verletzten den immateriellen und materiellen Schaden auszugleichen und bei dem Jugendlichen einen Lernprozess einzuleiten. Er verdient im gesamten Verfahren Beachtung (vgl. § 45 Absatz 2 Satz 2, § 45 Absatz 3 Satz 1, auch in Verbindung mit § 47 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3, § 23 Absatz 1 Satz 1, § 29 Satz 2 und § 88 Absatz 6 Satz 1, § 155a StPO). Nummer 2 Satz 3 gilt entsprechend.
Hinsichtlich des gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes bei Arbeitsleistungen wird auf § 2 Absatz 2 SGB VII
hingewiesen.
Vor der Anordnung einer Weisung, die mit Kosten verbunden ist, sollte geklärt werden, ob ein Kostenträger vorhanden ist, da die Finanzierung von Maßnahmen in den Ländern und Kommunen unterschiedlich ausgestaltet sein kann. Bezüglich einer Weisung nach § 10 Absatz 2 kann sich eine Verpflichtung dritter Stellen, die Kosten für die Durchführung der Weisung zu übernehmen, aus dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung, den §§ 35a, 90 ff.
SGB VIII
und dem SGB XII
(Hilfe bei Krankheit und vorbeugende Gesundheitshilfe nach §§ 47 f. SGB XII, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII) ergeben.
Die Staatsanwaltschaft wirkt darauf hin, dass das Gericht den Jugendlichen über die Bedeutung der Weisungen und Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung (§ 11 Absatz 3 Satz 1) belehrt und diese Belehrung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung vermerkt oder sonst aktenkundig gemacht wird.
Bevor Jugendlichen die Weisung erteilt wird, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, wird es in der Regel notwendig sein, einen Sachverständigen zu hören.
Richtlinien zu § 11:
Bei Weisungen, denen der Jugendliche längere Zeit hindurch nachzukommen hat, empfiehlt es sich, in angemessenen Zeitabständen zu prüfen, ob es aus Gründen der Erziehung geboten ist, die Weisung oder ihre Laufzeit zu ändern oder die Weisung aufzuheben. Zur Anhörung der Jugendgerichtshilfe, eines bestellten Betreuungshelfers und des Leiters eines sozialen Trainingskurses wird auf § 65 Absatz 1 Satz 2 hingewiesen.
Bei Zuwiderhandlungen gegen Weisungen soll Jugendarrest nur verhängt werden, wenn mildere Maßnahmen, z. B.
eine formlose Ermahnung, nicht ausreichen. Wird Jugendarrest nach § 11 Absatz 3 Satz 1 verhängt, so soll ein solches Maß festgesetzt werden, das im Wiederholungsfall gesteigert werden kann, falls sich dies aus erzieherischen Gründen als notwendig erweist.
Vor der Verhängung von Jugendarrest ist neben dem Jugendlichen auch seinem Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter Gelegenheit zur mündlichen Äußerung zu geben (§ 65 Absatz 1 Satz 3, § 67 Absatz 1).
Richtlinien zu § 12:
Der Erfolg der Maßnahmen nach § 12 hängt von der Mitwirkungsbereitschaft des Jugendlichen und seines Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreters ab. Auf deren Mitwirkungsbereitschaft ist gegebenenfalls hinzuwirken.
Auf die Richtlinie Nummer 2 zu § 105 wird hingewiesen.
Richtlinie zu § 13:
Wegen der Eintragung in das Zentralregister oder in das Erziehungsregister wird auf § 5 Absatz 2, § 60 Absatz 1 Nummer 2 BZRG hingewiesen.
Richtlinien zu § 15:
Die Wiedergutmachung des Schadens nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 kann auch in Arbeitsleistungen für den Geschädigten bestehen. Auf § 2 Absatz 2 SGB VII wird hingewiesen.
Im Hinblick auf eine Wiedergutmachung des Schadens oder eine Entschuldigung bei dem Verletzten wird auf die Richtlinie Nummer 4 zu § 10 hingewiesen.
Wegen der Kosten der Durchführung von Auflagen wird auf die Richtlinie Nummer 6 zu § 10 hingewiesen.
Die Staatsanwaltschaft wirkt darauf hin, dass das Gericht den Jugendlichen über die Bedeutung der Auflagen und Folgen schuldhafter Zuwiderhandlung (§ 11 Absatz 3 Satz 1) belehrt und diese Belehrung in der Niederschrift über die Hauptverhandlung vermerkt oder sonst aktenkundig gemacht wird.
Wegen der Folgen schuldhafter Nichterfüllung von Auflagen wird auf die Richtlinien Nummer 2 und 3 zu § 11 hingewiesen. Geldleistungen, die nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 4 auferlegt worden sind, können nicht zwangsweise beigetrieben werden.
Richtlinien zu § 16:
Sowohl die Art des Jugendarrestes als auch dessen Dauer sollen sich an dem Erziehungsbedarf des Jugendlichen orientieren. Arrest soll nur verhängt werden, wenn seine Durchführung geeignet erscheint, eine Einstellungsänderung zu bestimmten negativen Verhaltensweisen zu erreichen. Welche Angebote hierzu zur Verfügung stehen, ergibt sich aus den gegebenenfalls von den Ländern auf dem Gebiet des Jugendarrestvollzuges erlassenen Vorschriften.
Bei der Wahl zwischen Kurz- und Freizeitarrest sollte auch berücksichtigt werden, welche erzieherischen Angebote oder anderen sinnvollen Beschäftigungsmöglichkeiten zur erzieherischen Einwirkung auf die Verurteilten zur Verfügung stehen.
Wegen der Berücksichtigung von Untersuchungshaft bei Jugendarrest wird auf § 52 und die Richtlinien dazu verwiesen.
Richtlinien zu § 16a:
Die Anordnung des Jugendarrestes neben Jugendstrafe muss im Urteil erfolgen (§ 8 Absatz 2 Satz 2).
Die Anordnung von Jugendarrest neben Jugendstrafe ist auch in den Fällen der sogenannten Vorbewährung zulässig (§ 61 Absatz 3). Auch in diesen Fällen muss sie im Urteil erfolgen. Ausgeschlossen ist die spätere Anordnung in einem nachträglichen Beschluss.
Um die Auswahl geeigneter fördernder Angebote im Rahmen des Jugendarrests zu erleichtern, kann die Darlegung der Gründe, die zur Anordnung des Arrestes geführt haben, auch im Falle eines abgekürzten Urteils geboten sein.
Im Hinblick auf das in § 87 Absatz 4 Satz 2 verankerte Vollzugsverbot ist die Vollstreckung unverzüglich einzuleiten. Für weitere gerichtliche Maßnahmen zur Beschleunigung der Vollstreckung wird auf die Abschnitte IV und V der Richtlinien zu §§ 82 bis 85 und auf § 13 Absatz 3 Satz 1 StVollstrO
verwiesen.
Jugendarrest, der nach § 16a verhängt wurde, ist in dem Umfang, in dem er verbüßt wurde, auf die Jugendstrafe anzurechnen, wenn
die Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wird (§ 26 Absatz 3 Satz 3),
nach Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe nach § 27 (sogenannter Schuldspruch) eine Jugendstrafe verhängt wird (§ 30 Absatz 1 Satz 2),
nach Bildung einer Einheitsjugendstrafe Jugendstrafe vollstreckt wird (§ 31 Absatz 2 Satz 3) oder
nach einer sog.
Vorbewährung auf eine zu vollstreckende Jugendstrafe erkannt wird (§ 61b Absatz 4 Satz 3).
Richtlinie zu § 17:
Nach Maßgabe der Bestimmungen der Ländergesetze kommt auch ein Vollzug in freien Formen in Betracht.
Richtlinien zu § 18:
Der Umstand, dass Jugendstrafe von weniger als sechs Monaten nicht ausgesprochen werden kann, darf nicht dazu führen, dass Jugendarrest in Fällen verhängt wird, in denen dieser nicht angebracht ist. Ist weder Jugendstrafe noch Jugendarrest gerechtfertigt, so kann das Gericht mehrere Maßnahmen miteinander verbinden (§ 8) und vor allem Weisungen erteilen, die eine länger dauernde erzieherische Einwirkung ermöglichen (vgl. § 10 und die Richtlinien dazu).
Die vom Gesetz angeordnete vorrangige Berücksichtigung des Erziehungsgedankens bedeutet nicht, dass Belange des Schuldausgleichs ausgeschlossen wären. Sie darf nicht dazu führen, dass die obere Grenze schuldangemessenen Strafens überschritten wird.
Wegen der Anrechnung von Untersuchungshaft auf Jugendstrafe wird auf § 52a und die Richtlinien dazu hingewiesen.
Richtlinien zu § 21:
Aus erzieherischen Gründen empfiehlt es sich, dem Jugendlichen bewusst zu machen, dass die Vollstreckung der Jugendstrafe im Vertrauen auf seine Fähigkeit und seinen Willen, sich zu bewähren, ausgesetzt wird, und dass ihm daraus eine besondere Verpflichtung erwächst.
Die Möglichkeit, die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung auszusetzen, wenn erst die Verhängung eines Jugendarrests nach § 16a zu einer günstigen Prognose führt, gilt auch für Absatz 2.
Die Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als zwei Jahren wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen, wenn Strafaussetzung zur Bewährung bewilligt und diese Entscheidung nicht widerrufen worden ist (vgl. § 32 Absatz 2 Nummer 3 BZRG). Diese Ausnahmeregelung gilt allerdings nicht bei Verurteilungen wegen einer in § 32 Absatz 1 Satz 2 BZRG aufgeführten Straftat und bei Verurteilungen wegen einer in § 32 Absatz 5 BZRG aufgeführten Straftat, wenn ein erweitertes Führungszeugnis erteilt wird. Hierauf sollte der Jugendliche hingewiesen werden.
Richtlinien zu § 23:
Wegen des Inhalts von Weisungen und Auflagen im Rahmen der Bewährung wird auf Richtlinie Nummer 1 zu § 10 und die Richtlinien Nummer 1 und 2 zu § 15, wegen der Kosten ihrer Durchführung auf Richtlinie Nummer 6 zu § 10 hingewiesen.
Für die nachträgliche Änderung von Weisungen oder Auflagen gilt Richtlinie Nummer 1 zu § 11 entsprechend.
Die Weisungen oder Auflagen werden in einem Bewährungsplan zusammengestellt, der dem Jugendlichen persönlich auszuhändigen ist (§ 60). An die Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter soll eine entsprechende Mitteilung erfolgen (§ 67a Absatz 1).
Für die Befragung, ob der Jugendliche Zusagen machen oder sich zu Leistungen erbieten will, gilt § 57 Absatz 3 Satz 1.
Richtlinien zu §§ 24, 25:
Da der Bewährungshelfer seine Überwachungsaufgaben im Einvernehmen mit dem Gericht erfüllt und das Gericht ihm auch für seine betreuende Tätigkeit Anweisungen erteilen kann, ist eine enge persönliche Zusammenarbeit zwischen Gericht und Bewährungshelfer unerlässlich. Es empfiehlt sich jedoch, die Selbständigkeit des Bewährungshelfers bei der Betreuung des Jugendlichen möglichst nicht einzuschränken.
Um die Entwicklung des Jugendlichen während der Bewährungszeit beobachten zu können, empfiehlt es sich, dem Bewährungshelfer zur Pflicht zu machen, in anfangs kürzeren, später längeren Zeitabständen über seine Tätigkeit und über die Führung des Jugendlichen zu berichten (§ 25 Satz 3). Ferner empfiehlt es sich, darauf hinzuwirken, dass der Bewährungshelfer nicht nur gröbliche und beharrliche Verstöße des Jugendlichen gegen Weisungen, Auflagen, Zusagen oder Anerbieten (§ 25 Satz 4), sondern auch alles Wesentliche mitteilt, was ihm über die Entwicklung des Jugendlichen, seine Lebensverhältnisse und sein Verhalten bekannt wird. Besondere Vorfälle teilt der Bewährungshelfer dem Gericht sofort mit. Für den Schlussbericht des Bewährungshelfers wird auf Richtlinie Nummer 1 zu §§ 26, 26a hingewiesen.
Gegenüber anderen Personen und Stellen wird der Bewährungshelfer grundsätzlich Verschwiegenheit wahren, um insbesondere auch das für die Erziehungsarbeit notwendige Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Jugendlichen nicht zu beeinträchtigen. Dies gilt nicht im Verhältnis zu den dienstaufsichtsführenden Stellen und gegenüber Dritten, soweit der Bewährungshelfer zur Auskunft berechtigt oder verpflichtet ist.
Vor Bestellung eines ehrenamtlichen Bewährungshelfers soll seine Eignung für die Betreuung des Jugendlichen sorgfältig geprüft und seine Einwilligung eingeholt werden.
Soweit in den Ländern für die Tätigkeit der Bewährungshilfe, auch im Rahmen der Führungsaufsicht (§§ 68a ff. StGB), spezielle Verwaltungsvorschriften ergangen sind, wird auf diese hingewiesen.
Richtlinien zu §§ 26, 26a:
Vor Ablauf der Unterstellungszeit legt der Bewährungshelfer dem Gericht einen Schlussbericht so rechtzeitig vor, dass Maßnahmen nach § 26 Absatz 2 in der gebotenen Zeit getroffen werden können, namentlich die Bewährungs- oder Unterstellungszeit noch verlängert werden kann (§ 26 Absatz 2 Nummer 2, § 22 Absatz 2 Satz 2, § 24 Absatz 2 Satz 1). Der Bewährungshelfer ergänzt diesen Schlussbericht bis zum Ablauf der Unterstellungszeit, falls ihm Umstände bekannt werden, die für die Entscheidung über den Erlass der Jugendstrafe oder den Widerruf der Strafaussetzung von Bedeutung sein können.
Die Staatsanwaltschaft teilt dem Gericht im Rahmen ihrer Anhörung nach § 58 Absatz 1 Satz 2 mit, ob weitere Verfahren gegen den Verurteilten anhängig sind, sofern dadurch nicht der Ermittlungszweck des jeweiligen Verfahrens gefährdet wird. Bei der Berücksichtigung dieser Verfahren im Rahmen von Entscheidungen betreffend die Strafaussetzung kommt der Unschuldsvermutung besondere Bedeutung zu.
Wegen der Beseitigung des Strafmakels nach Erlass einer Strafe oder eines Strafrestes wird auf § 100 hingewiesen.
Falls der Widerruf der Aussetzung in Betracht kommt, kann das Gericht vorläufige Maßnahmen treffen, um sich der Person des Jugendlichen zu versichern (§ 58 Absatz 2 in Verbindung mit § 453c StPO).
Verbüßter Jugendarrest nach § 16a ist im Rahmen der Strafzeitberechnung im Umfang der Verbüßung anzurechnen. Noch nicht verbüßter Jugendarrest nach § 16a wird nach Widerruf nicht mehr vollstreckt (§ 87 Absatz 4 Satz 3 Nummer 1).
Richtlinie zu § 27:
Der Schuldspruch nach § 27 wird nicht in das Führungszeugnis aufgenommen (§ 32 Absatz 2 Nummer 2 BZRG).
Richtlinie zu § 30:
Verbüßter Jugendarrest nach § 16a ist im Rahmen der Strafzeitberechnung im Umfang der Verbüßung anzurechnen. Noch nicht verbüßter Jugendarrest nach § 16a wird nach Erkennung auf Jugendstrafe, deren Verhängung zur Bewährung ausgesetzt war, nicht mehr vollstreckt (§ 87 Absatz 4 Satz 3 Nummer 2).
Richtlinien zu § 31:
Ein rechtskräftiges Urteil wird im Gegensatz zu § 55 StGB auch einbezogen, wenn die weitere Straftat nach seiner Verkündung begangen worden ist.
Ist durch das frühere Urteil Jugendstrafe verhängt und die Vollstreckung nach § 21 zur Bewährung ausgesetzt worden, so bedarf es zur Einbeziehung nicht des Widerrufs der Aussetzung. Das gleiche gilt, wenn nach §§ 88, 89 während der Vollstreckung einer Jugendstrafe Aussetzung zur Bewährung angeordnet worden ist. Ist in dem früheren Urteil nach § 27 lediglich die Schuld festgestellt worden, so wird durch die Einbeziehung dieses Urteils auch das ihm zugrundeliegende Verfahren erledigt.
Bei der neuen Entscheidung ist von den tatsächlichen Feststellungen und dem Schuldspruch des einzubeziehenden rechtskräftigen Urteils auszugehen. Es wird jedoch insoweit erneut Beweis zu erheben sein, als dies für die Gesamtbeurteilung des Angeklagten, insbesondere im Hinblick auf die Festsetzung einer neuen Maßnahme oder Jugendstrafe erforderlich ist.
Hat der bereits verurteilte Jugendliche eine neue Straftat begangen und ist eine wesentliche Änderung der bereits rechtskräftig festgesetzten Rechtsfolgen nicht zu erwarten, so sollte die Staatsanwaltschaft auch die Möglichkeit einer Verfahrenserledigung, gemäß § 154 StPO oder gemäß § 45 Absatz 2 JGG
prüfen.
Über die Anrechnung oder Berücksichtigung von Untersuchungshaft, die im Zusammenhang mit einem einbezogenen Urteil vollzogen worden ist, ist in dem einbeziehenden Urteil neu zu entscheiden, wobei gemäß § 52a im Regelfall eine Anrechnung zu erfolgen hat.
Über die Anrechnung von Jugendarrest, der im Zusammenhang mit einem einbezogenen Urteil verbüßt wurde, ist im Falle der Verhängung einer Jugendstrafe im neuen Urteil nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Anrechnung ist zwingend, wenn es sich um Jugendarrest gemäß § 16a handelt (§ 31 Absatz 2 Satz 3, § 26 Absatz 3 Satz 3, § 30 Absatz 1 Satz 2).
Richtlinien zu § 34:
Zu den Aufgaben des Jugendrichters gehören nach § 34 Absatz 1 auch die richterlichen Handlungen im Ermittlungsverfahren sowie die Erledigung der Rechtshilfeersuchen in Jugendsachen. Es empfiehlt sich, ihm bei der Geschäftsverteilung auch die Erledigung der Rechtshilfe in sonstigen Strafsachen zu übertragen, wenn um Vernehmung von Minderjährigen ersucht wird.
Wird der Richter beim Amtsgericht als Jugendrichter oder Vollstreckungsleiter mit Jugendlichen befasst, für die ein anderes Amtsgericht als Familiengericht zuständig ist, besteht die Möglichkeit, dass das Gericht des Jugendrichters oder Vollstreckungsleiters gemäß §§ 4, 5 FamFG
die Aufgaben des Familiengerichts übernimmt. Die übernommenen familiengerichtlichen Aufgaben kann der Jugendrichter nach den gleichen Vorschriften wieder abgeben.
Werden nach Einleitung eines Strafverfahrens familiengerichtliche Maßnahmen für Jugendliche erforderlich, gegen die Anklage vor einem anderen Gericht erhoben ist oder erhoben werden soll, so sollte das Familiengericht prüfen, ob sich die Abgabe der familiengerichtlichen Aufgaben an das Jugendgericht empfiehlt, das bereits mit ihnen befasst ist oder demnächst befasst werden wird.
Richtlinien zu §§ 36, 37:
Bei der Besetzung der Jugendgerichte und bei der Auswahl der Jugendstaatsanwälte soll in besonderem Maße auf Eignung und Interesse Rücksicht genommen werden.
In der Jugendstrafrechtspflege sind besondere Erfahrungen notwendig, die regelmäßig erst im Laufe längerer Zeit erworben werden können. Ein häufiger Wechsel der Richter bei den Jugendgerichten und der Jugendstaatsanwälte soll daher vermieden werden.
Die Richter bei den Jugendgerichten und die Jugendstaatsanwälte sollen sich regelmäßig durch die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oder auf andere geeignete Weise auf den Gebieten der Kriminologie, Pädagogik, Sozialpädagogik sowie der Jugendpsychologie fortbilden.
Richtlinien zu § 37a:
Die in Absatz 1 beschriebene Zusammenarbeit wird Jugendrichtern und Jugendstaatsanwälten empfohlen.
Bei einzelfallbezogener Zusammenarbeit ist die Zulässigkeit des Austauschs personenbezogener Daten von allen Beteiligten gegenüber allen anderen beteiligten Stellen nach den allgemeinen und den jeweils geltenden bereichsspezifischen Datenschutzbestimmungen zu prüfen.
Richtlinien zu § 38:
Die Staatsanwaltschaft und das Gericht wirken darauf hin, dass der Bericht, in dem die Jugendgerichtshilfe ihre Erhebungen niederlegt, unter Verzicht auf Ausführungen zur Schuldfrage ein Bild von der Persönlichkeit, der Entwicklung und der Umwelt der beschuldigten Person ergibt. Der Bericht soll angeben, auf welchen Informationen er beruht. Werden im Bericht nicht alle vorliegenden Informationen verarbeitet, so soll dies zum Ausdruck gebracht werden. Es ist anzugeben, ob Leistungen der Jugendhilfe in Betracht kommen (§ 52 Absatz 2 SGB VIII). Um ein koordiniertes Vorgehen sicherzustellen, wirken Staatsanwaltschaft und Gericht zudem darauf hin, dass sich der Bericht auch dazu verhält, ob und inwieweit eine andere Stelle der Jugendhilfe über den Tatvorwurf informiert wurde, und ob und welche familiengerichtlichen Maßnahmen oder sonstigen Hilfeplanungen veranlasst werden sollen bzw.
worden sind.
Der Bericht kann auch mündlich oder telefonisch erstattet werden; dies gilt insbesondere für eine Stellungnahme nach § 38 Absatz 3 Satz 1 im Vorverfahren. Den Inhalt eines solchen Berichts oder einer solchen Stellungnahme vermerkt die Staatsanwaltschaft in den Akten, wenn der Bericht oder die Stellungnahme außerhalb der Hauptverhandlung erfolgt. Bei Nichterscheinen des Jugendlichen zu einem Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe kann der Bericht nach Aktenlage erfolgen. In derartigen Fällen wird eine Verzichtbarkeit der Anwesenheit der Jugendgerichtshilfe in einer stattfindenden Hauptverhandlung besonders sorgfältig zu prüfen sein.
Im Rahmen der nach § 38 Absatz 7 vorzunehmenden Abwägung, ob im Einzelfall auf die Anwesenheit der Jugendgerichtshilfe oder auf deren Berichterstattung im Vorverfahren verzichtet werden kann, sollen insbesondere die Schwere der Tat, die voraussichtlichen Rechtsfolgen und das Wohl des Jugendlichen oder Heranwachsenden Berücksichtigung finden. Richtlinie Nummer 5 zu § 50 ist zu beachten. Ein Verzicht auf die Anwesenheit in der Hauptverhandlung lässt das Recht der Jugendgerichtshilfe, an der Hauptverhandlung teilzunehmen und auf Verlangen das Wort zu erhalten, unberührt.
Die Verzichtsmöglichkeiten nach § 38 Absatz 7 beziehen sich nur auf die Pflichten der Jugendgerichtshilfe nach § 38 Absatz 3 und Absatz 4. Andere Vorschriften zur Beteiligung und Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe, etwa nach § 38 Absatz 6 Satz 3, § 50 Absatz 3 Satz 1 und Satz 2, § 70 Absatz 2, § 72a, sind von einem solchen Verzicht nicht betroffen.
Das Jugendgericht ist an eine Verzichtserklärung der Jugendstaatsanwaltschaft nach Absatz 7 nicht gebunden.
Berichte der Jugendgerichtshilfe sind zum Schutz der darin enthaltenen personenbezogenen Daten grundsätzlich von der Akteneinsicht an Personen und Stellen, die nicht Teil der Strafrechtspflege sind, auszuschließen. Zu diesem Zweck kann es angebracht sein, die Berichte gesondert zu führen (vgl. Nummer 186 Absatz 2 RiStBV
).
Richtlinien zu §§ 39, 40, 41:
Eine Entscheidung der Jugendkammer nach § 40 Absatz 2 kann nicht die Staatsanwaltschaft oder der Angeschuldigte, sondern nur der Vorsitzende des Jugendschöffengerichts herbeiführen. Für die Übernahme kommen namentlich Strafsachen in Betracht, die wegen der großen Anzahl von Angeschuldigten oder Zeugen von einem Berufsrichter allein nicht sachgemäß erledigt werden können.
Erhebt die Staatsanwaltschaft gemäß § 41 Absatz 1 Nummer 4 Anklage bei der Jugendkammer, soll sie diese Entscheidung begründen, sofern die Umstände nicht ausnahmsweise offensichtlich sind.
Richtlinien zu § 42:
Bei Verfehlungen von geringem Unrechtsgehalt, bei denen familiengerichtliche Maßnahmen nicht erforderlich sind, stellt die Staatsanwaltschaft den Antrag in der Regel bei dem Jugendgericht, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält (§ 42 Absatz 1 Nummer 2) oder in dessen Bezirk der Beschuldigte ergriffen worden ist (§ 9 StPO).
Wird die Anklage im Falle des § 42 Absatz 1 Nummer 3 nicht vor dem danach zuständigen Gericht erhoben, so übersendet die Staatsanwaltschaft dem für die Vollstreckung der Jugendstrafe zuständigen Vollstreckungsleiter eine Abschrift der Anklage. Nach Abschluss des Verfahrens veranlasst das Gericht dessen Unterrichtung über den Ausgang.
Richtlinien zu § 43:
Zur Optimierung der Verfahrensabläufe arbeitet die Staatsanwaltschaft eng mit der Polizei und der Jugendgerichtshilfe zusammen. Auf § 37a Absatz 2 wird hingewiesen.
Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dienen auch dem Ziel, eine sachgerechte Entscheidung über die Rechtsfolgen der Tat zu ermöglichen. Auf Nummer 17 RiStBV wird hingewiesen.
Soweit erforderlich, sollen im Rahmen der Ermittlungen nach Absatz 1 Akten über Vorstrafen angefordert werden. Wichtige Aufschlüsse über die Persönlichkeit des Jugendlichen können auch Akten der Familiengerichte oder von Vollzugsanstalten, Berichte von Heimen der Jugendhilfe sowie Aufzeichnungen der Schule geben.
Befindet sich der Jugendliche in Untersuchungshaft, so fordert die Staatsanwaltschaft oder das Gericht in der Regel von der Einrichtung für den Vollzug einen Bericht über das Verhalten des Jugendlichen in der Anstalt und über seine besonderen Eigenarten sowie eventuelle sonstige, für die Ermittlungen nach Absatz 1 relevante Erkenntnisse an. Ebenso ist zu verfahren, wenn der Jugendliche sich im Vollzug einer Jugendstrafe befindet. Ist die einstweilige Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Absatz 2, § 72 Absatz 4) erfolgt, so soll die Heimleitung gehört werden.
Wird dem Beschuldigten Hilfe zur Erziehung in einem Heim oder einer vergleichbaren Einrichtung gewährt, so soll außer der Jugendgerichtshilfe auch die Leitung der Einrichtung unmittelbar um Äußerung ersucht werden.
Untersteht der Beschuldigte der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers oder ist für ihn ein Erziehungsbeistand bestellt, so soll auch dieser gehört werden, soweit dies für die Ermittlungen nach Absatz 1 erforderlich ist. Dies gilt entsprechend, wenn der Beschuldigte einem Betreuungshelfer unterstellt ist oder an einem sozialen Trainingskurs teilnimmt.
Die Untersuchung des Jugendlichen durch einen Sachverständigen kann über die in § 43 Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 2 genannten Fälle hinaus insbesondere veranlasst sein,
wenn Grund zu der Annahme besteht, dass die Verfehlung mit einer psychischen Krankheit des Jugendlichen zusammenhängt,
wenn der Jugendliche durch seelische, geistige oder körperliche Besonderheiten auffällt oder
wenn der Jugendliche ohne erkennbare Ursachen erheblich verwahrlost ist.
Richtlinien zu § 44:
Hinsichtlich der Belehrung und Unterrichtung sowie der Art und Weise der Vernehmung wird auf §§ 70a bis 70c verwiesen, hinsichtlich der notwendigen Verteidigung auf § 68 Nummer 5 und § 70c Absatz 4.
Die Vernehmung dient vor allem dem Zweck, vor der Hauptverhandlung, in der sich der Jugendliche vielfach nicht unbefangen gibt, ein persönliches Bild von ihm zu erhalten und dadurch auch die Prüfung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit (§ 3) zu erleichtern. Eine solche Vernehmung kann auch im Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten angezeigt sein, obwohl sie dort nicht vorgeschrieben ist (§ 104); das gleiche gilt im Hinblick auf § 105 auch im Verfahren gegen Heranwachsende (§ 109). Die Vernehmung kann die Grundlage für die Entschließung bilden, ob eine Untersuchung des Jugendlichen nach § 43 Absatz 2 oder § 73 Absatz 1 angezeigt ist. Dies gilt auch für die Entscheidung über eine Verteidigerbestellung gemäß § 68, wenn bei Vernehmungsbeginn eine Jugendstrafe zwar möglich, aber noch nicht im Sinne überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Ergibt sich die Erwartung während der Vernehmung, ist § 70c Absatz 4 zu beachten.
Richtlinien zu § 45:
Bei kleineren bis mittelschweren Verfehlungen ist stets zu prüfen, ob auf eine jugendstrafrechtliche Sanktion durch Urteil verzichtet werden kann. Soweit in den Ländern Diversionsrichtlinien bestehen, sind diese zu berücksichtigen.
Eine Anwendung von § 45 Absatz 1 ist insbesondere bei Taten erstmals auffälliger Jugendlicher zu prüfen, wenn es sich um jugendtypisches Fehlverhalten mit geringem Schuldgehalt und geringen Auswirkungen handelt, das über die bereits von der Entdeckung der Tat und dem Ermittlungsverfahren ausgehenden Wirkungen hinaus keine erzieherischen Maßnahmen erfordert.
Erzieherische Maßnahmen im Sinne von § 45 Absatz 2 sollen geeignet sein, die Einsicht des Jugendlichen in das Unrecht der Tat und deren Folgen zu fördern. Sie können von den Erziehungsberechtigten, aber z. B. auch vom Jugendamt, der Schule oder dem Ausbilder ausgehen. Ist noch keine angemessene erzieherische Reaktion erfolgt, so prüft die Staatsanwaltschaft, ob sie - gegebenenfalls mit Unterstützung der Jugendgerichtshilfe - die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens herbeiführen kann (z. B. indem sie ein erzieherisches Gespräch mit dem Jugendlichen führt oder ihn ermahnt oder eine Schadenswiedergutmachung im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs anregt). Erforderlich hierfür ist, dass der Beschuldigte den Tatvorwurf nicht ernstlich bestreitet, das Anerbieten der Staatsanwaltschaft annimmt und die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter nicht widersprechen.
Erwägt die Staatsanwaltschaft eine Anregung nach § 45 Absatz 3, so unterrichtet sie die Jugendgerichtshilfe unter Mitteilung des Tatvorwurfs, sofern sie diese nicht schon zur Vorbereitung dieser Entscheidung gehört hat.
Richtlinien zu § 46:
Auf eine für den Beschuldigten verständliche Fassung der Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft besonderes Gewicht zu legen. Einzelheiten über Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder kriminelle Methoden und ähnliche Angaben sind nur insoweit aufzunehmen, als dies unerlässlich ist. Ausführungen über eine mangelhafte Erziehung des Jugendlichen durch die Eltern sollen unterbleiben.
Wenn auch § 46 im Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten und im Verfahren gegen Heranwachsende nicht unmittelbar gilt (§§ 104, 109), so wird doch sein Grundgedanke auch dort zu beachten sein.
Richtlinie zu § 46a:
Bei der Beurteilung, ob eine Anklageerhebung vor Berichterstattung dem Wohl des Jugendlichen dient, sind insbesondere die im konkreten Einzelfall drohenden negativen Folgen einer Verfahrensverlängerung zu berücksichtigen, beispielsweise die Verlängerung von Untersuchungshaft, besondere seelische Belastungen des Jugendlichen oder etwaige Beeinträchtigungen seiner Ausbildungs-, Arbeits- oder Sozialbeziehungen.
Richtlinien zu § 47:
Das Gericht kann in jedem Verfahrensstadium - auch schon vor Eröffnung des Hauptverfahrens - prüfen, ob die Durchführung oder Fortsetzung einer Hauptverhandlung erforderlich ist oder mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft nach § 47 in Verbindung mit § 45 verfahren werden kann. Dies wird insbesondere in Betracht kommen, wenn inzwischen angemessene erzieherische Reaktionen im sozialen Umfeld des Jugendlichen erfolgt sind oder sich aufgrund der Einschaltung der Jugendgerichtshilfe entsprechende Möglichkeiten eröffnen. Hält die Staatsanwaltschaft aus diesen Gründen eine Ahndung für entbehrlich, regt sie die Einstellung des Verfahrens an.
Im vereinfachten Jugendverfahren bedarf es der Zustimmung der Staatsanwaltschaft zu der Einstellung des Verfahrens nach § 47 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 1 in der mündlichen Verhandlung nicht, wenn die Staatsanwaltschaft an dieser nicht teilnimmt (§ 78 Absatz 2 Satz 2).
Richtlinie zu § 48:
Personen, die sich im juristischen Studium oder Vorbereitungsdienst befinden, sowie Personen, die in Ausbildung bei der Polizei oder für soziale Dienste stehen, kann die Anwesenheit im Allgemeinen gestattet werden.
Aus erzieherischen Gründen empfiehlt es sich nicht, Schulklassen oder anderen größeren Personengruppen die Teilnahme an der Verhandlung zu erlauben. Dies gilt auch für die Presse, deren Informationsbedürfnis durch die Pressesprecher der Gerichte hinreichend Rechnung getragen werden kann; entschließt sich der Vorsitzende dennoch, die Presse in der Hauptverhandlung zuzulassen, so sollte er darauf hinwirken, dass in den Presseberichten der Name des Jugendlichen nicht genannt, sein Lichtbild nicht veröffentlicht und auch jede andere Angabe vermieden wird, die auf die Person des Jugendlichen hindeutet. Nummer 131 Absatz 2 Satz 3 RiStBV ist zu beachten.
Richtlinien zu § 50:
Im Jugendstrafverfahren ist der persönliche Eindruck, den das Gericht von dem Jugendlichen erhält, von entscheidender Bedeutung. Eine Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten sollte deshalb nur in Erwägung gezogen werden, wenn es sich um eine geringfügige Verfehlung handelt, auf Grund des Berichts der Jugendgerichtshilfe ein klares Persönlichkeitsbild vorliegt und das Erscheinen des Jugendlichen wegen weiter Entfernung mit großen Schwierigkeiten verbunden ist oder wenn gegebenenfalls eine Abtrennung des Verfahrens gegen den abwesenden Jugendlichen mit Rücksicht auf eine umfangreiche Beweisaufnahme unangebracht ist.
Nimmt die Staatsanwaltschaft im vereinfachten Jugendverfahren an der mündlichen Verhandlung nicht teil, so bedarf es ihrer Zustimmung zur Durchführung der Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht (§ 78 Absatz 2 Satz 2).
Hinsichtlich der Ladung der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter gemäß Absatz 2 wird auf § 67 Absatz 5 hingewiesen. Wird auf deren Ladung verzichtet, muss dennoch gemäß § 67a Absatz 1 eine Mitteilung über Zeit und Ort der Hauptverhandlung erfolgen.
Schon vor der Hauptverhandlung sollte geprüft werden, ob es im Interesse des Angeklagten angezeigt ist, den in § 50 Absatz 4 Satz 2 und § 48 Absatz 2 genannten Helfern und Betreuungspersonen im Hinblick auf die Betreuung Nachricht vom Hauptverhandlungstermin auch dann zu geben, wenn ihre Ladung nicht aus anderen Gründen erforderlich ist.
Eine Mitteilung an die Jugendgerichtshilfe nach Absatz 3 Satz 1 ist auch erforderlich, wenn ein Berichts- oder Anwesenheitsverzicht (§ 38 Absatz 7) erklärt wurde.
Richtlinien zu § 51:
Wegen der gegebenenfalls notwendigen Verteidigung wird auf § 68 Nummer 3 hingewiesen.
Der Begriff des „nicht unerheblichen Teils“ der Hauptverhandlung ist im Interesse des Schutzes des Jugendlichen weit auszulegen. Er umfasst jedenfalls wichtige Teile der Beweisaufnahme, die über Schuld und Sanktionierung des Angeklagten entscheiden.
Soweit ein Ausschluss der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter des Jugendlichen bereits zum Zeitpunkt der Terminierung in Betracht kommen, soll der Vorsitzende über die Jugendgerichtshilfe vor der Hauptverhandlung darauf hinwirken, dass eine geeignete volljährige Vertrauensperson benannt wird. Von der Entpflichtung des Vertreters der Jugendgerichtshilfe von der Teilnahme an der Hauptverhandlung nach § 38 Absatz 7 soll in diesen Fällen abgesehen werden.
Richtlinie zu §§ 52, 52a:
Als eine andere wegen der Tat erlittene Freiheitsentziehung im Sinne von §§ 52, 52a Absatz 1 Satz 1 ist namentlich die Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe oder einer Anstalt nach § 71 Absatz 2, § 72 Absatz 4 und § 73 anzusehen.
Richtlinie zu § 53:
Hält das Gericht im Verfahren gegen Jugendliche vor den für allgemeine Strafsachen zuständigen Gerichten Erziehungsmaßregeln für erforderlich, so hat es deren Auswahl und Anordnung dem Familiengericht zu überlassen, selbst wenn es zugleich auf Jugendstrafe erkennt (§ 104 Absatz 4).
Richtlinien zu § 54:
Für die Entscheidung im Jugendstrafverfahren ist die Persönlichkeit des Jugendlichen von ausschlaggebender Bedeutung. Dies sollte sich auch in den Urteilsgründen widerspiegeln, zumal sie eine wertvolle Grundlage für die Erziehungsarbeit im Vollzug und andere spätere Maßnahmen bilden. Der Vorschrift, dass in den Gründen des schuldigsprechenden Urteils die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Jugendlichen berücksichtigt werden soll, wird durch eine bloße Schilderung des Lebenslaufes nicht genügt. Das gilt namentlich für Urteile, in denen für Jugendliche eine Betreuungsweisung (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5) erteilt, Hilfe zur Erziehung (§ 12) angeordnet, Jugendstrafe verhängt (§ 17 Absatz 2), die Schuld des Angeklagten festgestellt (§ 27) oder in einem der genannten Fälle gegen Heranwachsende Jugendstrafrecht wegen mangelnder Reife (§ 105 Absatz 1 Nummer 1) angewendet wird.
Die Verkündung des Urteils ist für die Erziehung von besonderer Bedeutung. Die mündliche Eröffnung der Urteilsgründe soll dem Wesen und dem Verständnis der Jugendlichen angepasst sein. Alle nicht unbedingt gebotenen rechtlichen Ausführungen können unterbleiben. Erörterungen, die für die Erziehung der Jugendlichen nachteilig sein können, sollten vermieden werden. Auf § 70b wird hingewiesen.
Soll der Jugendliche eine Ausfertigung oder eine Abschrift des Urteils mit Gründen erhalten (etwa nach § 35 Absatz 1 Satz 2, § 316 Absatz 2, § 343 Absatz 2 StPO), so bestimmt der Vorsitzende, inwieweit ihm die schriftlichen Urteilsgründe mitgeteilt werden. Erhält der Jugendliche nur einen Auszug der Gründe, so wird dies auf der Ausfertigung oder der Abschrift vermerkt, die für ihn bestimmt ist.
Richtlinie zu § 55:
Aus erzieherischen Gründen ist es regelmäßig erwünscht, dass das Jugendstrafverfahren möglichst schnell zum Abschluss gebracht wird. Bei der Einlegung von Rechtsmitteln zu Ungunsten des Angeklagten ist daher besondere Zurückhaltung geboten (vgl. im Übrigen die Nummern 147 ff. RiStBV).
Richtlinie zu § 56:
Von der Möglichkeit, die Teilvollstreckung einer nach § 31 gebildeten Einheitsstrafe anzuordnen, wird nur mit Zurückhaltung Gebrauch gemacht werden können. Es ist vor allem zu bedenken, ob sich bei einem Wegfall einzelner Schuldfeststellungen ein anderes Bild von der Persönlichkeit des Jugendlichen ergeben und damit die Verhängung von Jugendstrafe überhaupt entbehrlich werden könnte.
Richtlinie zu § 60:
Es empfiehlt sich, die Aushändigung des Bewährungsplans und die Belehrung des Jugendlichen in einem gesonderten Termin außerhalb der Hauptverhandlung in Gegenwart der Erziehungsberechtigten, der gesetzlichen Vertreter und des Bewährungshelfers vorzunehmen.
Richtlinien zu § 61:
Von der Möglichkeit einer Vorbewährung soll Gebrauch gemacht werden, um bei der späteren Entscheidung noch ungewisse Prognosetatsachen berücksichtigen zu können. Die Entscheidung bedarf einer sachlichen Begründung. Die Vorbewährung dient nicht dazu, neue Prognosetatsachen zu schaffen. Ist die Sache in der Hauptverhandlung entscheidungsreif, ist eine Entscheidung im Urteil zu treffen.
Das erkennende Gericht kann gemäß § 13 Absatz 3 Satz 1 StVollstrO die Rechtskraft bereits vor Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe bescheinigen und der Bewährungshilfe den Bewährungsbeschluss unverzüglich übersenden. Dadurch kann im Hinblick auf die relativ kurze Bewährungszeit die Umsetzung der verhängten Auflagen und Weisungen beschleunigt werden.
Ein Jugendarrest neben Jugendstrafe (§ 16a) kann im Vorbehaltsurteil verhängt werden, nicht jedoch neben der später ausgesprochenen Bewährungsentscheidung.
Richtlinien zu § 61a:
Besondere Gründe im Sinne des § 61a Absatz 1 Satz 3 können insbesondere vorliegen, wenn sich eine positive Entwicklung des Jugendlichen noch nicht verfestigt hat, mit erheblichen Veränderungen im Lebensumfeld des Jugendlichen in naher Zukunft zu rechnen ist oder ergebnisoffene therapeutische Interventionen noch nicht abgeschlossen sind.
Das Berufungsgericht ist auch in den Fällen für die vorbehaltene Entscheidung zuständig, in denen es einen erstinstanzlich erklärten Vorbehalt durch Verwerfung einer Berufung bestätigt hat.
Die notwendige Beteiligung des Verteidigers, der Erziehungsberechtigten und der gesetzlichen Vertreter ist zu beachten.
Richtlinien zu § 61b:
Das Gericht soll nur solche Weisungen und Auflagen erteilen, die in der Höchstfrist des § 61a erfüllbar und zumutbar sind. Die Verhängung eines Jugendarrests nach § 11 Absatz 3 ist gemäß § 61b Absatz 1 Satz 1 2. Halbsatz ausgeschlossen.
Grundsätzlich ist der Jugendliche der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers zu unterstellen. Dies dient dazu, eine erfolgreiche Nutzung der Vorbewährung (mit dem Ziel einer positiven Bewährungsentscheidung nach Ablauf der Frist des § 61a) sicherzustellen. Die Zuständigkeit der Jugendgerichtshilfe bzw. der Jugendhilfe nach dem SGB VIII bleibt durch die Vorbewährung unberührt. Während der Bewährungszeit arbeiten Jugendgerichtshilfe bzw. Jugendhilfe eng mit dem Bewährungshelfer zusammen (§ 38 Absatz 5 Satz 4). Ist kein Bewährungshelfer bestellt, wachen sie darüber, dass der Jugendliche Auflagen oder Weisungen nachkommt (§ 38 Absatz 5 Satz 1 und 2).
Bewährungshilfe und Jugendgerichtshilfe sollen bereits ab Rechtskraft des Urteils gezielt auf eine Resozialisierung des Jugendlichen hinwirken. Sie haben das Gericht unverzüglich zu unterrichten, sofern sich vor Ablauf der nach § 61a Absatz 1 maßgeblichen Frist hinreichende Gründe für die Annahme ergeben, dass eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung abgelehnt wird. Vor der nachträglichen Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe soll das Gericht regelmäßig Berichte der Jugendgerichtshilfe und der Bewährungshilfe einholen.
Nach § 16a angeordneter und verbüßter Jugendarrest ist gemäß § 61b Absatz 4 Satz 3 in Verbindung mit § 26 Absatz 3 Satz 3 anzurechnen.
Vor der Ablehnung der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung sind der Jugendliche sowie der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter zu hören.
Richtlinien zu § 66:
Liegen die Voraussetzungen des Absatz 1 vor, ist eine gerichtliche Entscheidung herbeizuführen. Das Gericht kann von der einheitlichen Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe absehen (§ 31 Absatz 3).
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Durchführung einer Hauptverhandlung nach Absatz 2 vor allem dann, wenn zu erwarten ist, dass die ergänzende Entscheidung von den früheren Entscheidungen erheblich abweicht.
Richtlinien zu § 67:
In der Hauptverhandlung wirkt die Staatsanwaltschaft darauf hin, dass auch den Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern stets von Amts wegen das letzte Wort erteilt wird.
Die Voraussetzungen des Anwesenheitsrechts nach Absatz 3 Satz 1 werden gemäß Absatz 3 Satz 2 vermutet, wenn keiner der in Satz 2 genannten Ausschlussgründe vorliegt. Trotz deren Nichtvorliegens können im Einzelfall die Voraussetzungen des Absatz 3 Satz 1 zu verneinen sein. Im Hinblick auf Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 ist - unter Beachtung von Artikel 6 Absatz 2 GG
- auch der Wille des Jugendlichen zu berücksichtigen.
Die Angemessenheit der Frist in § 67 Absatz 3 Satz 3 bestimmt sich im Einzelfall unter Abwägung des Wohls des Jugendlichen und verfahrensbezogener Erfordernisse.
Richtlinien zu § 67a:
Die Unterrichtung erfolgt durch die zum jeweiligen Zeitpunkt das Verfahren führende Stelle.
Eine bestimmte Form der Unterrichtung ist gesetzlich nicht vorgesehen. Erfolgt die Unterrichtung nicht schriftlich oder ergänzend mündlich oder in anderer Weise, sollte dies aktenkundig gemacht werden; siehe auch § 67a Absatz 2, § 70a Absatz 5. Auf die Richtlinie zu § 70a wird hingewiesen.
Richtlinien zu §§ 68, 68a, 68b:
In den Fällen des § 68 Nummer 1 in Verbindung mit § 140 Absatz 2 StPO sind das Alter und die Reife des Beschuldigten zu berücksichtigen. Im Hinblick auf dessen geringere Lebenserfahrung wird allgemein eher die Beiordnung eines Pflichtverteidigers erforderlich sein als im Verfahren gegen einen Erwachsenen.
In den Fällen des § 68 Nummer 5 sind die genannten Rechtsfolgen zu erwarten, wenn sie, unter Heranziehung erreichbarer prognoserelevanter Erkenntnisquellen, gegebenenfalls auch Einholung von Registerauskünften, wahrscheinlicher werden als eine andere Sanktionierung.
Die Staatsanwaltschaft ist gehalten, regelmäßig zu prüfen, ob ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt. Bejahendenfalls soll sie auf eine möglichst frühzeitige Verteidigerbestellung hinwirken. Eine besondere Regelung zum spätesten Zeitpunkt der Verteidigerbestellung enthält § 68a Absatz 1 Satz 1, Absatz 2, mit begrenzten Ausnahmen in § 68a Absatz 1 Satz 2 und in § 68b. Im Übrigen gelten für den Bestellungszeitpunkt über § 2 Absatz 2 die allgemeinen Bestimmungen des § 141 StPO, mit Ausnahme von § 141 Absatz 2 Satz 2 StPO (§ 68a Absatz 2).
Vor der Pflichtverteidigerbestellung sind der Jugendliche sowie die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter zu hören.
Richtlinien zu § 70:
Eine Benachrichtigung der Schule ist in der Regel angezeigt, wenn Interessen der Schule berührt sind. Dies ist vornehmlich bei schwerwiegenden Straftaten wie Drogen-, Waffen-, Sexual- oder Gewaltdelikten bzw. bei Straftaten im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schulbetrieb oder zum Nachteil anderer Schüler oder des Lehrkörpers gegeben. Stets ist zwischen der Gefahr einer unnötigen Stigmatisierung des Jugendlichen und einem - entsprechend ihrem Aufgabenbereich möglicherweise berechtigten - Interesse der Schule an einer Benachrichtigung abzuwägen. Etwaige landesspezifische Regelungen über die Zusammenarbeit von Schule, Polizei und Justiz sind zu beachten.
Eine Mitteilung an das Familiengericht ist in der Regel angezeigt, wenn sich aus den Informationen familiengerichtlicher Handlungsbedarf ergeben könnte.
Die Jugendstaatsanwaltschaft leitet Mitteilungen des Familiengerichts an das zuständige Jugendgericht weiter, wenn dort andere Straf- oder Vollstreckungsverfahren gegen den Beschuldigten anhängig sind, soweit diese Daten aus ihrer Sicht für diese Verfahren erforderlich sind.
Auf die Regelungen in den Nummern 31 bis 33 MiStra
wird hingewiesen.
Richtlinie zu § 70a:
Bei der Erfüllung der in § 70a aufgestellten Informations- und Unterrichtungspflichten können folgende bundeseinheitlich erarbeitete Merkblätter bzw. Belehrungsformulare genutzt werden:
Merkblatt „Informationen über die Grundzüge eines Jugendstrafverfahrens“,
Beschuldigtenbelehrung nach § 136 Absatz 1 StPO, §§ 70a, 70b, 109 Absatz 1 JGG,
Belehrung von aufgrund eines Haftbefehls festgenommenen Personen im Jugendstrafverfahren,
Belehrung von vorläufig festgenommenen Personen im Jugendstrafverfahren,
Belehrung von aufgrund eines Unterbringungsbefehls oder Sicherungsunterbringungsbefehls festgenommenen Personen im Jugendstrafverfahren,
Belehrung von zur Identitätsfeststellung festgehaltenen Personen im Jugendstrafverfahren.
Richtlinien zu § 70b:
Die in der Richtlinie zu § 70a aufgeführten Belehrungsformulare stehen in verschiedenen Sprachen zur Verfügung. Den Beschuldigten und ihren gesetzlichen Vertretern sollen diese möglichst auch in ihrer Muttersprache übergeben werden.
Vor der Vernehmung müssen sich die Vernehmungspersonen vergewissern, dass die Beschuldigten und ihre anwesenden Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertreter den Inhalt ihrer Rechte verstanden haben.
Richtlinien zu § 71:
Vor Erlass einer vorläufigen Anordnung über die Erziehung sind die Staatsanwaltschaft (§ 33 Absatz 2 StPO) und die Jugendgerichtshilfe (§ 38 Absatz 6) sowie regelmäßig die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter (§ 33 Absatz 3 StPO in Verbindung mit § 67 Absatz 1) zu hören. Von der Anhörung der Erziehungsberechtigten bzw. der gesetzlichen Vertreter kann abgesehen werden, wenn die Anordnung dem Zweck der Untersuchungshaftvermeidung dient (§ 72 Absatz 4 Satz 1) oder wenn die vorherige Anhörung den Zweck der Anordnung gefährden würde (§ 33 Absatz 4 Satz 1 StPO). In diesem Fall kann eine nachträgliche Anhörung angezeigt sein. Der Beschluss über die vorläufige Anordnung ist zu begründen (§ 34 StPO).
Der einstweiligen Unterbringung in einem geeigneten Heim der Jugendhilfe kommt besondere Bedeutung zu, wenn die Voraussetzungen für den Erlass eines Haftbefehls gemäß §§ 112 ff. StPO vorliegen (§ 72 Absatz 4 Satz 1). Ist die Maßnahme durchführbar und reicht sie aus, so darf Untersuchungshaft nicht angeordnet oder vollzogen werden (§ 72 Absatz 1 Satz 1 und 3). Staatsanwaltschaft und Gericht sollten deshalb frühzeitig prüfen, ob ein geeignetes Heim zur Verfügung steht und gegebenenfalls mit der Leitung der Einrichtung in Verbindung treten. Die Jugendgerichtshilfe ist heranzuziehen. Auf § 72a und die Richtlinien dazu wird ergänzend hingewiesen.
Ist ein Haftbefehl bereits erlassen und stellt sich nachträglich heraus, dass die Unterbringung möglich ist, so kann der Haftbefehl durch einen Unterbringungsbefehl ersetzt werden.
Der Unterbringungsbefehl nach § 71 Absatz 2 sollte insbesondere durch einen Haftbefehl ersetzt werden, wenn sich die einstweilige Unterbringung als undurchführbar oder ungeeignet erweist und die Haftvoraussetzungen fortbestehen (§ 72 Absatz 4 Satz 2).
Richtlinien zu § 72:
Das Verfahren gegen verhaftete Jugendliche soll durch Ermittlungen gegen Mitbeschuldigte oder durch kommissarische Zeugenvernehmungen nicht verzögert werden. Erforderlichenfalls ist das Verfahren abzutrennen.
Werden Jugendliche an einem Ort ergriffen, der weder ihr gewöhnlicher Aufenthaltsort ist noch zum Bezirk des Gerichts gehört, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, so veranlasst die Staatsanwaltschaft in der Regel unverzüglich, dass die Jugendlichen durch Einzeltransport dem Gericht überstellt werden, das für die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben zuständig ist. Gleichzeitig beantragt sie beim bisherigen Haftrichter, dass dieser seine Aufgaben auf das Gericht überträgt, das die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben wahrzunehmen hat.
Zur einstweiligen Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe wird auf die Richtlinien zu § 71 hingewiesen.
Wegen des Vollzugs der Untersuchungshaft wird auf die ergänzenden landesgesetzlichen Regelungen hingewiesen.
Richtlinie zu § 72a:
Staatsanwaltschaft und Gericht tragen dafür Sorge, dass die Jugendgerichtshilfe und, sofern der Inhaftierte unter Bewährungsaufsicht steht, der Bewährungshelfer so früh wie möglich, gegebenenfalls durch die Polizei, unterrichtet wird. Ist gemäß § 128 StPO eine Vorführung zu erwarten, so teilen sie der Jugendgerichtshilfe auch Ort und Termin der Vorführung mit.
Richtlinie zu § 72b:
Auf die allgemeine Vorschrift des § 119 Absatz 4 StPO wird hingewiesen.
Richtlinien zu § 73:
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Unterbringung zur Vorbereitung eines Gutachtens über den Entwicklungsstand von Jugendlichen nur, wenn die Bedeutung der Strafsache diese schwerwiegende Maßnahme rechtfertigt und eine Untersuchung nach § 43 Absatz 2 nicht ausreicht. Darüber hinaus sind die Nummern 61 ff. RiStBV zu beachten.
Dem Beschuldigten, der keinen Verteidiger hat, ist ein solcher zu bestellen (§ 68 Nummer 4).
Richtlinien zu § 74:
Kosten und Auslagen werden Jugendlichen nur aufzuerlegen sein, wenn anzunehmen ist, dass sie aus Mitteln bezahlt werden, über die sie selbständig verfügen können, und wenn ihre Auferlegung aus erzieherischen Gründen angebracht erscheint. Reichen die Mittel der Jugendlichen zur Bezahlung sowohl der Kosten als auch der Auslagen nicht aus, so können ihnen entweder nur die Kosten oder nur die Auslagen oder ein Teil davon auferlegt werden.
Eine Entscheidung über die Kosten und Auslagen wird auch bei der Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen nach § 66 getroffen. Wenn in einer einbezogenen Entscheidung (§ 31 Absatz 2, § 66) von der Ermächtigung des § 74 kein Gebrauch gemacht worden ist, kann in der neuen Entscheidung ausgesprochen werden, dass es insoweit bei der früheren Kostenentscheidung verbleibt. Das wird sich besonders dann empfehlen, wenn auf Grund der früheren Kostenentscheidung bereits Kosten oder Auslagen eingezogen worden sind.
Hinsichtlich der Berechnung der Gerichtsgebühren wird auf die Vorbemerkung 3.1 der Anlage 1 zu § 3 Absatz 2 GKG
hingewiesen. Bei der Einbeziehung einer Strafe nach § 31 Absatz 2 oder bei Ergänzung rechtskräftiger Entscheidungen nach § 66 ist bei der Berechnung der Gerichtsgebühren Absatz 5 dieser Vorbemerkung zu beachten.
Zu den Auslagen des Verfahrens gehören auch die Kosten einer einstweiligen Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe (§ 71 Absatz 2, § 72 Absatz 4) und einer Unterbringung zur Beobachtung (§ 73).
Die Kosten, die Jugendlichen dadurch entstehen, dass sie einer ihnen erteilten Weisung (§ 10) oder Auflage (§ 15) nachkommen, gehören nicht zu den Kosten und Auslagen im Sinne des § 74. Sie werden von ihnen selbst oder von für sie leistungspflichtigen oder leistungsbereiten Dritten getragen. Auf die Richtlinie Nummer 6 zu § 10 wird hingewiesen.
Richtlinien zu § 76:
Liegen die Voraussetzungen des § 76 Satz 1 vor, ist eine umfangreiche Beweisaufnahme nicht erforderlich und kommt ein Absehen von der Verfolgung nach § 45 nicht in Betracht, so stellt die Staatsanwaltschaft in aller Regel Antrag auf Entscheidung im vereinfachten Jugendverfahren.
Die Staatsanwaltschaft wird den Antrag im Allgemeinen schriftlich stellen, um dem Jugendrichter eine einwandfreie Grundlage für seine Entscheidung nach § 77 Absatz 1 und für das spätere Urteil zu geben. Ein schriftlicher Antrag ist besonders dann angebracht, wenn die Staatsanwaltschaft an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen will. In dem Antrag werden die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat und das anzuwendende Strafgesetz bezeichnet.
Richtlinie zu § 77:
Hält der Jugendrichter eine richterliche Ahndung der Tat für entbehrlich, so kann er nach § 47 verfahren. In der mündlichen Verhandlung bedarf es hierzu der Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht, wenn diese an der Verhandlung nicht teilnimmt (§ 78 Absatz 2 Satz 2).
Richtlinie zu § 78:
Für die rechtzeitige, notfalls fernmündliche Benachrichtigung der Jugendgerichtshilfe vom Verfahren und vom Verhandlungstermin sollte stets Sorge getragen werden.
Richtlinie zu § 79:
Wegen des Strafbefehls und des beschleunigten Verfahrens gegen Heranwachsende wird auf die Richtlinien Nummer 2 und 4 zu § 109 hingewiesen.
Richtlinien zu § 80:
Gründe der Erziehung können die Verfolgung eines Privatklagedeliktes namentlich dann erfordern, wenn Jugendliche wiederholt oder schwere Straftaten begangen haben und eine Ahndung zur Einwirkung auf sie geboten ist oder wenn Art und Ausführung der Tat oder die Persönlichkeit des Jugendlichen erzieherische Einwirkung erforderlich erscheinen lassen, um der künftigen Begehung von Straftaten entgegenzuwirken.
Ein berechtigtes, dem Erziehungszweck nicht entgegenstehendes Interesse des Verletzten an der Verfolgung ist in der Regel anzunehmen, wenn der Geschädigte erhebliche materielle oder immaterielle Schäden erlitten hat.
Für die Widerklage bleibt das mit der Privatklage befasste Gericht zuständig. Gegen den jugendlichen Widerbeklagten kann das für allgemeine Strafsachen zuständige Gericht nur Zuchtmittel (§ 13) selbst verhängen; hält es Erziehungsmaßregeln für erforderlich, so verfährt es nach § 104 Absatz 4 Satz 1.
Richtlinie zu § 81:
Es kann erzieherisch geboten sein, den Jugendlichen zur Wiedergutmachung des Schadens zu veranlassen. Auf die Möglichkeiten des Täter-Opfer-Ausgleichs (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 7) und der Schadenswiedergutmachung (§ 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1) wird hingewiesen.
Richtlinien zu §§ 82 bis 85:
I. Zuständigkeit zur Vollstreckung
Bei der Vollstreckung von Erziehungsmaßregeln und Zuchtmitteln - mit Ausnahme des Jugendarrestes (vgl. § 85 Absatz 1 zur notwendigen Abgabe der Vollstreckung) - ist Vollstreckungsleiter bei Entscheidungen
eines Jugendrichters der erkennende Jugendrichter (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1),
eines Jugendschöffengerichts der diesem vorsitzende Jugendrichter (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1),
eines Bezirksjugendgerichts der Bezirksjugendrichter (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1, § 33 Absatz 3),
einer Jugendkammer der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 2, § 34 Absatz 3) und
eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 2, § 34 Absatz 3).
Bei der Vollstreckung von Jugendarrest sind für die Zuständigkeit § 85 Absatz 1, § 90 Absatz 2 Satz 2 und gegebenenfalls landesspezifische Regelungen zu beachten.
Bei Verurteilung zu einer Jugendstrafe ist Vollstreckungsleiter
bei Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung und vor Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe
der Jugendrichter, der oder unter dessen Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat, bei Entscheidungen einer Jugendkammer oder eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1 und 2, § 34 Absatz 3),
im Falle einer zu vollstreckenden Jugendstrafe nach Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe
der Jugendrichter des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 1) bzw. dessen Zuständigkeit durch Rechtsverordnung oder Ländervereinbarung bestimmt wurde (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 2 und 3 und Absatz 3).
Von der Zuständigkeit in Ziffer 3 unberührt bleiben die weiteren Entscheidungen, die in Folge der Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich werden (z. B. Änderung von Bewährungsauflagen oder -weisungen). Auf die Zuständigkeitsregelung in § 58 Absatz 3 wird hingewiesen.
In den Fällen der Vorbewährung (§ 61) und der Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe (§ 27) verbleibt es bis zu der dabei vorbehaltenen Entscheidung bei der Zuständigkeit des erkennenden Gerichts (§ 61b Absatz 1 Satz 6 in Verbindung mit § 58 Absatz 3 Satz 1; § 62 Absatz 4 in Verbindung mit § 58 Absatz 3 Satz 1).
Bei der Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung in Form von
Unterbringung in einem psychiatrischen Kranken aus (§ 61 Nummer 1 StGB) ist Vollstreckungsleiter aa) in Fällen der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung der Jugendrichter, unter dessen Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat, bei Entscheidungen einer Jugendkammer oder eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1 und 2, § 34 Absatz 3), bb)
vor
Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Unterbringung der Jugendrichter, unter dessen Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat, bei Entscheidungen einer Jugendkammer oder eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1 und 2, § 34 Absatz 3), cc)
nach
Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Unterbringung der Jugendrichter des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 1, Absatz 4) bzw. dessen Zuständigkeit durch Rechtsverordnung bestimmt wurde (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 2 und 3 und Absatz 4).
Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 61 Nummer 2 StGB) aa) in Fällen der Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung der Jugendrichter, der oder unter dessen Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat, bei Entscheidungen einer Jugendkammer oder eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1 und 2, § 34 Absatz 3); bb)
vor
Aufnahme des Verurteilten in die Entziehungsanstalt der Jugendrichter, der oder unter dessen Vorsitz das Jugendschöffengericht im ersten Rechtszug erkannt hat, bei Entscheidungen einer Jugendkammer oder eines Erwachsenengerichts der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§ 82 Absatz 1, § 84 Absatz 1 und 2, § 34 Absatz 3), cc)
nach
Aufnahme des Verurteilten in die Entziehungsanstalt der Jugendrichter des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Einrichtung liegt (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 4) bzw. dessen Zuständigkeit durch Rechtsverordnung bestimmt wurde (§ 82 Absatz 1, § 85 Absatz 2 Satz 2 und 3 und Absatz 4),
Sicherungsverwahrung nach § 7 Absatz 2 und 4 ist Vollstreckungsbehörde die Staatsanwaltschaft, sofern der Verurteilte das 21. Lebensjahr vollendet hat (§ 82 Absatz 3, §§ 463, 451 StPO), im Übrigen der Jugendrichter des Amtsgerichts, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen (§§ 82 Absatz 1, 84 Absatz 1 und 2, 34 Absatz 3),
Führungsaufsicht und Entziehung der Fahrerlaubnis gelten die allgemeinen Vorschriften über die Zuständigkeit (vgl. die Ausführungen zu I. Nummer 1).
Bei der Vollstreckung von Entscheidungen gegen Heranwachsende,
die nach Jugendstrafecht verurteilt worden sind, gelten die Nummern 1 bis 6 entsprechend (§ 110 Absatz 1)
die nach Allgemeinem Strafrecht verurteilt worden sind, ist Vollstreckungsbehörde die Staatsanwaltschaft (§ 451 StPO).
II. Stellung des Vollstreckungsleiters und Entscheidungen im Vollstreckungsverfahren
Der Jugendrichter nimmt als Vollstreckungsleiter Justizverwaltungsaufgaben wahr, soweit seine Entscheidungen nicht jugendrichterliche Entscheidungen nach § 83 Absatz 1 und § 112c Absatz 1 sind. Hinsichtlich dieser Entscheidungen unterliegt er der Dienstaufsicht und ist daher weisungsgebunden. Auf § 21 Absatz 1 Nummer 1 StVollstrO wird hingewiesen.
Handelt es sich bei den Entscheidungen des Vollstreckungsleiters um Justizverwaltungsakte, ist grundsätzlich der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG
gegeben. Ausnahmen bestehen allerdings für die in den § 458 Absatz 1 und 2, § 462 Absatz 1 StPO genannten vollstreckungsrechtlichen Verwaltungsentscheidungen. Über Einwendungen gegen diese entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. War allerdings der Vollstreckungsleiter an der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts beteiligt, ist für die Entscheidung über die Einwendungen die Jugendkammer zuständig (§ 83 Absatz 2 Nummer 1).
Handelt es sich bei den Entscheidungen des Vollstreckungsleiters um jugendrichterliche Entscheidungen (§ 83 Absatz 1, § 112c Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1), ist für Einwendungen gegen diese der Jugendrichter anstelle der Strafvollstreckungskammer als Vollstreckungsleiter nach § 82 Absatz 1 Satz 2 zuständig. Eine Ausnahme besteht dann, wenn dieser in Wahrnehmung der Aufgaben der Strafvollstreckungskammer über seine eigene vollstreckungsrechtliche Anordnung zu entscheiden hätte (§ 83 Absatz 2 Nummer 2). In diesen Fällen ist die Jugendkammer zuständig.
Gegen die in Nummer 2 Satz 2 und Nummer 3 genannten gerichtlichen Entscheidungen ist die sofortige Beschwerde zulässig (§ 83 Absatz 3 Satz 1).
III. Allgemeines zur Vollstreckung
Die Vollstreckung ist wegen des Beschleunigungsgebots zeitnah einzuleiten.
Vor und während der Vollstreckung von Weisungen, Auflagen und Jugendarrest soll der Vollstreckungsleiter prüfen, ob der Erziehungsgedanke die Vollstreckung noch erfordert. Gegebenenfalls sind die Maßnahmen aufzuheben bzw. ist von ihrer Vollstreckung abzusehen (§ 11 Absatz 2, § 15 Absatz 3 und § 87 Absatz 3).
Hat ein Mitangeklagter gegen die Verurteilung wegen einer Tat, an der der rechtskräftig Verurteilte nach den Urteilsfeststellungen beteiligt war, Revision eingelegt, so ist dem Vollstreckungsheft eine Abschrift der Revisionsbegründung beizufügen oder nachzusenden. Auf die Beachtung von § 19 StVollstrO und § 357 StPO wird hingewiesen.
Wird die Teilvollstreckung einer Einheitsstrafe nach § 56 angeordnet, so werden dem Vollstreckungsleiter unverzüglich nach Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses je zwei beglaubigte Abschriften des vollständigen Urteils und des Beschlusses übersandt.
Auch hinsichtlich der dem Rechtspfleger übertragenen Geschäfte der Vollstreckung bleibt der Vollstreckungsleiter für die Vollstreckung insgesamt verantwortlich.
IV. Ergänzende Richtlinien für die Vollstreckung von Weisungen, Auflagen und Hilfen zur Erziehung
Bei der Vollstreckung von Weisungen oder Auflagen wird der Jugendgerichtshilfe oder in Bewährungsfällen (§§ 21, 27, 57) dem Bewährungshelfer eine beglaubigte Abschrift des Urteils mit dem Ersuchen übersandt, die Befolgung der Weisungen bzw. Erfüllung der Auflagen zu überwachen, erhebliche Zuwiderhandlungen mitzuteilen (§ 38 Absatz 5 Satz 2) und gegebenenfalls eine Änderung oder Aufhebung der Weisungen oder Auflagen (§ 11 Absatz 2, § 15 Absatz 3) anzuregen.
Bei der Vollstreckung von Hilfe zur Erziehung im Sinne von § 12 übersendet der Vollstreckungsleiter die Strafakten mit der Bescheinigung der Rechtskraft des Urteils dem zuständigen Familiengericht (§ 82 Absatz 2).
V. Ergänzende Richtlinien für die Vollstreckung von Jugendarrest
Bei der Vollstreckung von Jugendarrest übersendet der zunächst zuständige Vollstreckungsleiter unmittelbar nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils dem zuständigen Vollstreckungsleiter die Strafakten mit der Bescheinigung der Rechtskraft des Urteils. Falls die Akten zunächst noch nicht entbehrlich sind, leitet er diesem ein Vollstreckungsheft zu. Etwaige landesspezifische Regelungen sind zu beachten.
In Fällen des Jugendarrests neben Jugendstrafe (§ 16a) ist das Verfahren bei der Übersendung der Akten an den Vollstreckungsleiter als besonders eilbedürftig zu kennzeichnen, weil in diesen Fällen drei Monate nach Eintritt der Rechtskraft nicht mehr mit dem Vollzug des Arrestes begonnen werden darf (§ 87 Absatz 4 Satz 2).
Der Vollstreckungsleiter lädt auf freiem Fuße befindliche Verurteilte unter Einhaltung einer angemessenen Frist zum Antritt des Jugendarrestes. Im Hinblick auf eine mögliche spätere Zuführung zum Arrest sollte die Ladung mit Postzustellungsurkunde erfolgen. Bei der Festsetzung der Antrittszeit sind die Schul-, Ausbildungs- und Berufsverhältnisse der Verurteilten (insbesondere Ferien- und Urlaubszeiten) sowie die Verkehrsverhältnisse zu berücksichtigen. Bei nachträglichem Bekanntwerden soll die Arrestzeit angepasst werden. Nichtdeutsche Jugendliche sind spätestens bei Arrestantritt zu befragen, ob sie die unverzügliche Benachrichtigung des Konsulats wünschen (Artikel 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 - WÜK). Zugleich mit der Ladung sind die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter, in Fällen der Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII auch das Jugendamt, von der Ladung zu benachrichtigen und zu ersuchen, für den rechtzeitigen Antritt des Jugendarrestes zu sorgen.
Folgen Verurteilte der Ladung zum Antritt des Jugendarrestes ohne genügende Entschuldigung nicht, veranlasst der Vollstreckungsleiter, dass sie dem Vollzug zugeführt werden. Für die Zwangszuführung kann sich der Vollstreckungsleiter der Hilfe der Polizei oder anderer geeigneter Stellen bedienen. Die Polizei ist auf die Dringlichkeit der Vorführung - insbesondere in den Fällen, in denen Jugendarrest neben Jugendstrafe vollstreckt werden soll - und die strikte Trennung von Arrestanten und Strafgefangenen hinzuweisen. Insbesondere ist mitzuteilen, dass eine Beförderung im Gefangenensammeltransport nicht in Betracht kommt.
Bei der Vollstreckung von Jugendarrest neben Jugendstrafe (§ 16a) hält der Vollstreckungsleiter bereits während des Vollzuges engen Kontakt zu dem Bewährungshelfer, um dem Verurteilten den Übergang in die Bewährungszeit zu erleichtern. Er hat das Gericht, das die Bewährungsaufsicht führt, über das Verhalten des Verurteilten im Vollzug schriftlich zu unterrichten. Der Vollstreckungsleiter hat dafür Sorge zu tragen, dass die Erfassung der Verhängung von Jugendarrest neben Jugendstrafe statistisch ordnungsgemäß erfolgt.
Im Übrigen wird auf die in den Ländern geltenden Vorschriften zum Vollzug des Jugendarrests verwiesen.
VI. Ergänzende Richtlinien für die Vollstreckung von Jugendstrafe
Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils veranlasst der Vollstreckungsleiter (vgl. Nummer I. 3.) die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten zum Strafantritt bzw. die Einweisung des in Untersuchungshaft befindlichen oder einstweilen untergebrachten Verurteilten (§ 71 Absatz 2, § 72 Absatz 4) in die für den Vollzug der Jugendstrafe zuständige Einrichtung.
Der Umstand, dass das Urteil noch nicht mit den Gründen bei den Akten ist, rechtfertigt einen Aufschub der Vollstreckung nicht. In den Fällen, in denen dem Aufnahmeersuchen eine Abschrift des vollständigen Urteils nicht beigefügt wurde, ist die Abschrift der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe nachzureichen, sobald das Urteil abgefasst ist. Auch hierbei ist Beschleunigung geboten, da die Kenntnis des Urteilsinhalts für die wirksame Gestaltung des Vollzugs unentbehrlich ist.
Der Vollstreckungsleiter weist den Verurteilten in die zuständige Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe ein und führt die Vollstreckung so lange, bis der Verurteilte in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe aufgenommen worden ist. Dem Aufnahmeersuchen sollen mindestens zwei Abschriften des vollständigen Urteils beigefügt oder nachgesandt werden. War gegen den Verurteilten früher Hilfe zur Erziehung nach § 12 angeordnet worden, so sollte dies der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe unter Angabe der mit der Durchführung der Erziehungsmaßregel befassten Behörde mitgeteilt werden. Nach Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung geht die Vollstreckung auf den neuen Vollstreckungsleiter über (Nummer I. 3).
Zugleich mit der Ladung sollen die Erziehungsberechtigten und die gesetzlichen Vertreter, in Fällen der Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII auch das Jugendamt von der Ladung benachrichtigt und ersucht werden, für den rechtzeitigen Antritt der Jugendstrafe zu sorgen.
Nichtdeutsche Verurteilte sind spätestens bei Strafantritt zu befragen, ob sie die unverzügliche Benachrichtigung des Konsulats wünschen (Artikel 36 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. April 1963 - WÜK).
Sobald der zunächst zuständige Vollstreckungsleiter Nachricht von der Aufnahme von Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe erhalten hat (Strafantrittsanzeige), übersendet er die Strafakten oder das Vollstreckungsheft an den neuen Vollstreckungsleiter (vgl. Nummer I. 3).
Im Falle der Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung soll die Vollstreckung an den für den zukünftigen Aufenthaltsort des Verurteilten zuständigen Jugendrichter übertragen werden (§ 85 Absatz 5).
Bei über 24 Jahre alten Verurteilten kann die Vollstreckung nach § 85 Absatz 6 an die Staatsanwaltschaft abgegeben werden. Zuvor muss die Ausnahme vom Jugendstrafvollzug erfolgen (§ 89b Absatz 2).
VII. Ergänzende Richtlinien für die Vollstreckung von Maßregeln der Besserung und Sicherung in Form der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt
Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils sorgt der Vollstreckungsleiter für die Vollstreckung der Maßregeln der Besserung und Sicherung.
Im Fall der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt veranlasst er die Ladung des auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten zum Strafantritt bzw. die Einweisung des in Untersuchungshaft befindlichen oder einstweilen untergebrachten Verurteilten (§ 71 Absatz 2, § 72 Absatz 4) in die für den Vollzug der Maßregel zuständige Einrichtung, gegebenenfalls nach Maßgabe der nach Landesrecht für die Vergabe von Maßregelvollzugsplätzen zuständigen zentralen Stelle.
Der Umstand, dass das Urteil noch nicht mit den Gründen bei den Akten ist, rechtfertigt einen Aufschub der Vollstreckung nicht. In den Fällen, in denen dem Aufnahmeersuchen eine Abschrift des vollständigen Urteils nicht beigefügt wurde, ist die Abschrift der Einrichtung für den Vollzug der Maßregel nachzureichen, sobald das Urteil abgefasst ist.
Der Vollstreckungsleiter weist den Verurteilten, gegebenenfalls nach Maßgabe der für die Platzvergabe nach Landesrecht zuständigen zentralen Stelle, in die zuständige Einrichtung für den Vollzug der Maßregel ein und führt die Vollstreckung so lange, bis der Verurteilte in die Einrichtung aufgenommen worden ist. Dem Aufnahmeersuchen sollen mindestens zwei Abschriften des vollständigen Urteils beigefügt oder nachgesandt werden. Zugleich mit der Ladung sollen die Erziehungsberechtigten, in Fällen der Hilfe zur Erziehung nach § 34 SGB VIII das Jugendamt, von der Ladung benachrichtigt und ersucht werden, für den rechtzeitigen Antritt der Maßregel zu sorgen.
Sobald der Vollstreckungsleiter Nachricht von der Aufnahme des Verurteilten in die Einrichtung für den Vollzug der Maßregel erhalten hat, übersendet er die Strafakten oder das Vollstreckungsheft an denjenigen Jugendrichter, auf den die Vollstreckung nach § 85 Absatz 4 in Verbindung mit Absatz 2 mit der Aufnahme übergegangen ist.
Im Falle der Aussetzung einer Maßregel zur Bewährung (§ 67b Absatz 1, § 67d Absatz 2 StGB) soll die Vollstreckung an den für den zukünftigen Aufenthaltsort des Verurteilten zuständigen Jugendrichter übertragen werden (§ 85 Absatz 5).
Richtlinie zu §§ 88, 89:
Auf die Gesetze der Länder über den Vollzug der Jugendstrafe und auf die Beseitigung des Strafmakels nach § 100 wird hingewiesen.
Richtlinien zu § 89b:
Auch wenn zu Jugendstrafe Verurteilte das 18. Lebensjahr bereits vollendet haben, werden sie in der Regel zunächst in eine Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe eingewiesen, damit geprüft werden kann, ob eine spezielle Förderung möglich ist. Lediglich in den Fällen, in denen die mangelnde Eignung für den Jugendstrafvollzug offenkundig ist, werden sie sogleich in die zuständige Justizvollzugsanstalt eingewiesen.
Ein Verurteilter, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, eignet sich nicht mehr für den Jugendstrafvollzug, wenn die erzieherische Einwirkung in der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe bei ihm keinen Erfolg verspricht oder von seiner Anwesenheit in der Jugendstrafanstalt Nachteile für die Erziehung der anderen Gefangenen zu befürchten sind. Die fehlende Eignung ist sorgfältig zu prüfen und zu begründen.
Die Entscheidung über die Eignung von Verurteilten für den Jugendstrafvollzug (§ 89b Absatz 1) wird von dem nach § 85 Absatz 2 oder Absatz 3 zuständigen Vollstreckungsleiter nach Anhörung des Verurteilten und Einholung einer Stellungnahme der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe getroffen. Soweit erforderlich, sind auch das erkennende Gericht und die Jugendgerichtshilfe anzuhören.
Richtlinien zu § 89c:
§ 89c wird ergänzt durch Regelungen in Landesgesetzen zum Vollzug der Untersuchungshaft, soweit diese Vorschriften zur Trennung von minderjährigen oder jungen Untersuchungsgefangenen von Untersuchungsgefangenen anderer Altersgruppen enthalten.
Auch in den Fällen des § 89c Absatz 1 Satz 1 trifft das Gericht eine Entscheidung, indem es die zur Tatzeit jugendlichen, nunmehr heranwachsenden Gefangenen nur dann in eine für junge Gefangene vorgesehene Einrichtung einweist, wenn diese nicht offenkundig für den Untersuchungshaftvollzug an jungen Gefangenen ungeeignet sind. Dies ist der Fall, wenn von ihrer Anwesenheit in der für junge Gefangene vorgesehenen Einrichtung Nachteile für die Erziehung und Förderung oder sonst für das Wohl der anderen Gefangenen zu befürchten sind. Die fehlende Eignung ist sorgfältig zu prüfen und zu begründen.
Vor den Entscheidungen nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 soll neben dem Beschuldigten und der Jugendgerichtshilfe auch die Staatsanwaltschaft, die den Haftbefehl beantragt hat, angehört werden. Im Falle einer Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 soll diese Anhörung nur erfolgen, wenn das Gericht heranwachsende Gefangene mangels Eignung nicht in eine für junge Gefangene vorgesehene Einrichtung einweisen will.
Richtlinie zu § 90:
Für den Vollzug des Jugendarrestes in Vollzugseinrichtungen der Landesjustizverwaltungen bestimmen die Gesetze der Länder über den Vollzug des Jugendarrestes beziehungsweise die Jugendarrestvollzugsordnung das Nähere.
Richtlinien zu § 97:
Wird wegen einer Jugendstrafe eine Vergünstigung nach §§ 39, 49 BZRG erbeten, so ist das Gesuch in der Regel zunächst dem nach § 98 zuständigen Jugendgericht vorzulegen, damit dieses prüfen kann, ob die Beseitigung des Strafmakels durch Richterspruch angebracht ist. Wird der Strafmakel als beseitigt erklärt, so ist dem Verurteilten zu eröffnen, dass sein Gesuch als damit erledigt angesehen wird.
Wegen der Eintragung der Entscheidung nach § 97 in das Zentralregister wird auf § 13 Absatz 1 Nummer 5 BZRG hingewiesen.
Richtlinien zu § 98:
In dem Verfahren zur Beseitigung des Strafmakels empfiehlt es sich in der Regel, außer den Strafakten und den Vollstreckungsvorgängen die Personalakten der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe heranzuziehen.
Bei der Erteilung von Ermittlungsaufträgen empfiehlt es sich, die beauftragte Stelle auf die Notwendigkeit schonen der Durchführung der Ermittlungen hinzuweisen. Es muss vermieden werden, dass die Verurteilung Personen bekannt wird, die bisher darüber nicht unterrichtet waren.
Richtlinie zu § 100:
Wegen der Eintragung in das Zentralregister wird auf § 13 Absatz 1 Nummer 5 BZRG hingewiesen.
Richtlinie zu § 101:
Wegen der Eintragung in das Zentralregister wird auf § 13 Absatz 1 Nummer 6 BZRG hingewiesen.
Richtlinien zu § 103:
Die Verbindung von Strafsachen gegen Jugendliche und Erwachsene ist im Allgemeinen nicht zweckmäßig. Sie ist namentlich dann nicht angebracht, wenn der Jugendliche geständig und der Sachverhalt einfach ist oder wenn es sich bei den Erwachsenen um die Eltern des Jugendlichen handelt.
Die Staatsanwaltschaft beantragt die Trennung der verbundenen Sachen, sobald sich die gesonderte Bearbeitung als zweckmäßig erweist (z. B. wenn gegen die erwachsenen Beschuldigten in Abwesenheit des Jugendlichen verhandelt worden und ein Urteil ergangen ist oder der Durchführung des Verfahrens gegen die erwachsenen Beschuldigten für längere Zeit Hindernisse entgegenstehen).
Richtlinie zu § 104:
Als Verfahrensvorschriften, deren Anwendung nach Absatz 2 im Ermessen des Gerichts steht, kommen z. B. § 51 (zeitweilige Ausschließung von Beteiligten), § 69 (Beistand), § 71 (vorläufige Anordnung über die Erziehung) und § 72 Absatz 4 (Unterbringung in einem Heim der Jugendhilfe anstelle von Untersuchungshaft) in Betracht.
Richtlinien zu § 105:
Die strafrechtliche Verantwortlichkeit Heranwachsender kann nicht wegen mangelnder Reife nach § 3 ausgeschlossen sein; sie wird nur nach den allgemeinen Vorschriften beurteilt. Schwerwiegendere Entwicklungsmängel können Anlass zu der Prüfung geben, ob die Schuldfähigkeit nach §§ 20 bzw. 21 StGB ausgeschlossen oder vermindert ist.
Hilfe zur Erziehung (§ 9 Nummer 2, § 12) kann gegen Heranwachsende nicht angeordnet werden. Stattdessen kommt namentlich die Weisung in Betracht, sich einem Betreuungshelfer zu unterstellen (§ 10 Absatz 1 Satz 3 Nummer 5).
Richtlinie zu § 108:
Die Staatsanwaltschaft erhebt die Anklage gegen den Beschuldigten, der sich auf freiem Fuß befindet, grundsätzlich bei dem Gericht, in dessen Bezirk er sich zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält. Eine Anklageerhebung kann aus überwiegenden Gründen der Verfahrensökonomie ausnahmsweise bei dem für den Tatort zuständigen Gericht erfolgen. Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn eine größere Zahl von am Tatort wohnenden Zeugen zu vernehmen sein wird, für die eine Anreise zu dem für den Aufenthaltsort des Beschuldigten zuständigen Gericht einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde.
Richtlinien zu § 109:
Im Gegensatz zum Verfahren gegen Jugendliche ist das Verfahren gegen Heranwachsende grundsätzlich öffentlich. Die Öffentlichkeit kann aber nicht nur aus den in §§ 171 a, 171 b, 172 GVG genannten Gründen, sondern auch im Interesse der Heranwachsenden ausgeschlossen werden (vgl. hierzu die Richtlinie zu § 48).
Gegen Heranwachsende darf ein Strafbefehl nur erlassen werden, wenn das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist (§ 109 Absatz 2, § 79 Absatz 1). Die Staatsanwaltschaft beantragt deshalb den Erlass eines Strafbefehls gegen Heranwachsende nur, wenn sie Ermittlungen nach § 43 angestellt hat und zu der Auffassung gelangt ist, dass das allgemeine Strafrecht anzuwenden ist.
Das vereinfachte Jugendverfahren ist gegen Heranwachsende nicht zulässig.
Das beschleunigte Verfahren nach §§ 417 ff. StPO ist gegen Heranwachsende zulässig. Angesichts der dort geltenden kurzen Fristen (vgl. § 418 StPO) können einer Anwendung dieser Verfahrensart jedoch der Umfang der Ermittlungen nach § 43 und die Heranziehung der Jugendgerichtshilfe nach § 38 entgegenstehen.
Privatklage, Nebenklage und das Adhäsionsverfahren sind gegen Heranwachsende zulässig, unabhängig davon, ob allgemeines Strafrecht oder Jugendstrafrecht anzuwenden ist. Auch insoweit ist grundsätzlich das Jugendgericht zuständig.
Die Staatsanwaltschaft wendet § 45 bei Heranwachsenden an, wenn sie auf Grund der Ermittlungen nach § 43 zu der Auffassung gelangt ist, dass Jugendstrafrecht anzuwenden ist.
Richtlinien zu § 114:
Zu Freiheitsstrafe Verurteilte unter 24 Jahren sind für den Jugendstrafvollzug nicht geeignet, wenn die erzieherische Einwirkung in der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe bei ihnen keinen Erfolg verspricht und von ihrer Anwesenheit in der Jugendstrafanstalt Nachteile für die Erziehung der anderen Gefangenen zu befürchten sind.
Die Entscheidung darüber, ob zu Freiheitsstrafe Verurteilte unter 24 Jahren in die Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe oder in die Justizvollzugsanstalt einzuweisen sind, wird dem Rechtspfleger nicht übertragen.
Über die endgültige Übernahme von Verurteilten in den Jugendstrafvollzug und über ihr Verbleiben in der Einrichtung für den Vollzug der Jugendstrafe entscheidet die Leitung dieser Anstalt.
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