Anfragen und Auskunftsersuchen für wissenschaftliche Zwecke
Anfragen und Auskunftsersuchen für wissenschaftliche Zwecke
vom 7. Dezember 2012 ( JMBl/13, [Nr. 1] , S.2)
I.
Für die Behandlung von Anfragen, Auskunftsersuchen und Anträgen auf Akteneinsicht oder Durchführung von Befragungen, die von wissenschaftlichen Institutionen oder Einzelpersonen zur Durchführung von Forschungsvorhaben oder sonstigen wissenschaftlichen Ausarbeitungen an Justizbehörden gerichtet werden, gelten die folgenden Richtlinien. Bereichsspezifische Regelungen in Verfahrensordnungen und die Regelungen des Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetzes bleiben unberührt.
1 Zuständigkeit
1.1 Vorbehaltlich der Nummern 1.2 bis 1.4 entscheidet die Leiterin oder der Leiter der Behörde, die über die Daten verfügt, die betreffenden Akten führt oder bei der die Befragung stattfinden soll. Soweit das Justizprüfungswesen betroffen ist, entscheidet die Präsidentin oder der Präsident des Gemeinsamen Juristischen Prüfungsamtes der Länder Berlin und Brandenburg.
1.2 Betrifft das Ersuchen um Unterstützung eines Forschungsvorhabens erkennbar mehrere Gerichte oder Staatsanwaltschaften, entscheidet die Präsidentin oder der Präsident des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg und die Generalstaatsanwältin oder der Generalstaatsanwalt als übergeordnete Behörde jeweils für ihren Geschäftsbereich.
1.3 Soweit das Ersuchen mehrere Justizvollzugsanstalten betrifft oder anstaltsübergreifende Belange berührt werden und bei Forschungsvorhaben bei einzelnen Justizvollzugsanstalten, die für den Strafvollzug von besonderem Interesse sind, entscheidet das Ministerium der Justiz.
1.4 Das Ministerium der Justiz entscheidet auch, wenn erkennbar mehrere ihm nachgeordnete Geschäftsbereiche betroffen sind, wenn eine Auslandsberührung vorliegt oder für die Durchführung des Forschungsvorhabens die Zusammenarbeit mit einem Bundes- oder einem anderen Landesministerium erforderlich ist. Letzteres ist nicht schon dann der Fall, wenn eine nachgeordnete Behörde eines anderen Landes in die Erhebung einbezogen ist.
1.5 Für den Fall, dass die Entscheidung dem Ministerium der Justiz obliegt und Belange der gemeinsamen Fachobergerichte berührt werden, ist das Einvernehmen mit der zuständigen Senatsverwaltung in Berlin herzustellen.
2 Geschäftliche Behandlung
2.1 Allgemeines
Forschungsvorhaben sind zu unterstützen, sofern rechtliche Gründe oder dienstliche Belange nicht entgegenstehen. Erfordert das Ersuchen umfangreiche Ermittlungen (zum Beispiel die Heranziehung und Auswertung von Akten), die mit erheblichem personellen, organisatorischen, oder Kosten verursachenden Einsatz verbunden wären, oder zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Dienstgeschäfte führen würden, so soll es, wenn nicht ein überwiegendes Interesse allgemeiner, dienstlicher oder wissenschaftlicher Art an dem Forschungsvorhaben besteht, unter Hinweis auf die Geschäftsbelastung der Justizbehörde abgelehnt werden.
2.2 Verarbeitung personenbezogener Daten
2.2.1 Die Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung mit Einwilligung der oder des Betroffenen (zum Beispiel bei Befragungen und Interviews) richten sich nach § 4 des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes (BbgDSG).
2.2.2 Soweit bereichsspezifische gesetzliche Regelungen fehlen, beurteilt sich die datenschutzrechtliche Zulässigkeit für die Verarbeitung personenbezogener Daten ohne Einwilligung der oder des Betroffenen nach § 28 Absatz 1 BbgDSG. Danach dürfen Justizbehörden als öffentliche Stellen personenbezogene Daten ohne Einwilligung für ein bestimmtes Forschungsvorhaben erheben, speichern, verändern, nutzen und an andere Stellen oder Personen zu diesem Zweck übermitteln, wenn
schutzwürdige Belange der oder des Betroffenen wegen der Art der Daten, wegen ihrer Offenkundigkeit oder wegen der Art der Verwendung nicht beeinträchtigt werden,
eine Rechtsvorschrift dies vorsieht oder
das öffentliche Interesse an der Durchführung des Forschungsvorhabens die schutzwürdigen Belange der oder des Betroffenen überwiegt und der Zweck der Forschung nicht auf andere Weise erreicht werden kann.
2.2.3 Ein Überwiegen des öffentlichen Interesses liegt in der Regel dann vor, wenn ein Allgemeininteresse an der Durchführung gerade dieses Forschungsvorhabens besteht. Bei Prüfungsarbeiten oder Dissertationen ist hiervon regelmäßig nur dann auszugehen, wenn sie Teil eines größeren Vorhabens - zum Beispiel einer Universität - sind. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die persönlichkeitsrechtliche Bedeutung von personenbezogenen Daten nicht allein vom Inhalt der Daten, sondern von ihrem Verwendungszusammenhang abhängt, und dass die Wissenschaft in den meisten Forschungsgebieten nicht an der Identität der einzelnen Personen, sondern allein an dem Individuum als Träger bestimmter Merkmale interessiert ist.
2.2.4 Der wissenschaftliche Zweck der Datenverarbeitung muss unter Nennung eines konkreten Forschungsziels dargelegt werden.
2.2.5 Soweit die Vorschriften des Brandenburgischen Datenschutzgesetzes auf die Empfängerin oder den Empfänger keine Anwendung finden, muss diese oder dieser eine schriftliche Verpflichtung abgeben, deren Inhalt sich im Einzelnen aus § 28 Absatz 3 BbgDSG ergibt.
2.2.6 Die oder der behördliche Datenschutzbeauftragte ist vor einer Entscheidung über das Ersuchen, in der eine Übermittlung personenbezogener Daten gestattet werden soll, zu beteiligen.
2.2.7 Die Entscheidung, mit der eine Übermittlung personenbezogener Daten gestattet wird, ist nach § 28 Absatz 2 BbgDSG mit den Auflagen zu verbinden, dass
die Daten zu einem möglichst frühen Zeitpunkt der Verarbeitung zu anonymisieren oder zu löschen sind
und
bis dahin die Merkmale gesondert zu speichern sind, mit denen Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können.
2.2.8 Die wissenschaftliche Forschung betreibenden öffentlichen Stellen dürfen personenbezogene Daten nur veröffentlichen, wenn die oder der Betroffene eingewilligt hat oder dies für die Darstellung von Forschungsergebnissen über Ereignisse der Zeitgeschichte unerlässlich ist (§ 28 Absatz 4 BbgDSG). Hierauf ist in der Entscheidung über das Ersuchen hinzuweisen.
II.
Diese Allgemeine Verfügung tritt am 1. Februar 2013 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Allgemeine Verfügung vom 8. April 1999 ( JMBl.
S.
59), zuletzt geändert durch die Allgemeine Verfügung vom 14. Februar 2008 (JMBl. S. 30) außer Kraft.
Potsdam, den 7. Dezember 2012
Der Minister der Justiz
Dr. Volkmar Schöneburg
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