Anwendungshinweise zur Einführung eines Chancenaufenthaltsrechts vom 23. Dezember 2022, aktualisiert am 24. April 2024, ergänzt um landesspezifische Handlungsanweisungen (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2023.08 - AW-AuslR 2023.08)
Anwendungshinweise zur Einführung eines Chancenaufenthaltsrechts vom 23. Dezember 2022, aktualisiert am 24. April 2024, ergänzt um landesspezifische Handlungsanweisungen (Allgemeine Weisung im Ausländerrecht Nr. 2023.08 - AW-AuslR 2023.08)
vom 18. November 2023 geändert durch Verwaltungsvorschrift vom 30. Mai 2024
Die nachfolgenden Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts vom 23. Dezember 2022, aktualisiert am 24. April 2024 sind hiermit einschließlich der nachstehenden ergänzenden Handlungsanweisungen sowie der erbetenen Datenübermittlung (Ziffer 6) im Rahmen Ihrer Zuständigkeit verbindlich zu berücksichtigen.
Ziffer 1.1 der Allgemeinen Weisung Nr.
8/2020 vom 7. Dezember 2020 ( Az.
: 21-802-20) wird dahingehend angepasst, dass nach §
25a AufenthG
geduldeten ausländischen Jugendlichen (ab 14 Jahren) und jungen volljährigen Ausländern, die einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vor Vollendung des 27. Lebensjahres stellen, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden soll, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen vorliegen.
Ziffer 1.3 der Allgemeinen Weisung Nr. 8/2020 vom 7. Dezember 2020 (Az.: 21-802-20) wird aufgehoben.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass seit dem 31.12.2022 lediglich ein dreijähriger ununterbrochener erlaubter, geduldeter oder gestatteter Voraufenthalt vorauszusetzen ist. Entsprechend wurde auch § 25a Abs.
1 S.
1 Nr.
2 Alt.
1 AufenthG angepasst (dreijähriger erfolgreicher Schulbesuch). Dies ist bei einer Anwendung der Ziffern 1.6 f.
der Allgemeinen Weisung Nr. 8/2020 zu beachten. Des Weiteren wird darauf hingewiesen, dass bei Ziffer 1.5 der Allgemeinen Weisung Nr. 8/2020 nunmehr eine Mindestvorduldungszeit von 12 Monaten erforderlich ist, um u.a.
einen unmittelbaren Übergang vom Asylverfahren zu § 25a AufenthG zu vermeiden. Dies gilt nicht bei Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG.
I. Anwendungshinweise
0. Allgemeines
Mit dem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts wird ein Neuanfang in der Migrations- und Integrationspolitik gestartet und insgesamt ein wichtiger Beitrag zur Modernisierung des Migrationsrechts geleistet. Es eröffnet jenen Menschen Chancen und Perspektiven, die trotz bestehender Ausreisepflicht seit langer Zeit in Deutschland leben, keine Straftaten bzw.
nur geringfügige Straftaten oder Straftaten nur im ausländerrechtlichen Zusammenhang bzw. im Bereich jugendtypischer Delikte begangen haben und ein Teil unserer Gesellschaft geworden sind. Der Gesetzgeber hat bei diesem Personenkreis die Chance geschaffen, aus einem Aufenthaltstitel heraus die Voraussetzungen für ein humanitäres Bleiberecht zu erfüllen.
Die Verantwortung für das Erreichen der Voraussetzungen der §§ 25a, 25b AufenthG liegt bei den betreffenden Personen selber. Es sollen jedoch Anreize gesetzt werden und eine Unterstützung dergestalt erfolgen, dass ein Bleiberecht spätestens im Anschluss an den 18-monatigen Aufenthalt nach Möglichkeit erreicht werden kann. Im Interesse der Betroffenen sowie zur perspektivischen Entlastung der Ausländerbehörden sollte alles dafür getan werden, einen Rückfall in die Duldung mit den damit verbundenen negativen Implikationen in Bezug auf die Integrationsperspektiven der Betroffenen und mögliche Belastungen der steuerfinanzierten Sozialsysteme sowie ggf.
vermeidbaren bürokratischen Aufwand in den Ausländerbehörden nach Möglichkeit zu vermeiden.
Die Ausländerbehörden sind daher angehalten, die betroffenen Menschen in ihren Bemühungen zur Erlangung eines Bleiberechts zu unterstützen und auf weiterführende Hilfsangebote hinzuweisen sowie ggf. geeignete Ansprechpartner in anderen Behörden zu benennen (siehe hierzu auch Kapitel 1.11 sowie 3.3).
Konkret sollen die Betroffenen auf konkrete Unterstützungen hingewiesen werden, z.B.
um das Erfordernis überwiegender Lebensunterhaltssicherung bzw. eine entsprechende positive Prognoseentscheidung durch Qualifizierung und Arbeitsplatzsuche oder Vermittlung in Arbeit erfüllen zu können. Gleiches gilt bezüglich des Besuchs eines Integrations- oder Berufssprachkurses zum Erlangen der nötigen Kenntnisse der deutschen Sprache ( vgl.
dazu auch unter 3.). Die Ausländerbehörde sollte bei Antragstellung auf ein Chancen-Aufenthaltsrecht, auch stets die Voraussetzungen der §§ 25a, 25b AufenthG prüfen und bei Vorliegen der Voraussetzungen diese Titel erteilen.
Zum gesetzlichen Stichtag haben sich in der Bundesrepublik Deutschland laut den Angaben im Ausländerzentralregister (AZR) 248.182 geduldete Ausländer aufgehalten, davon 137.373 mit einer Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren. Mit dem Chancen-Aufenthalt soll den Betreffenden die Möglichkeit gegeben werden, in dem im Gesetz vorgesehenen Zeitraum von 18 Monaten die notwendigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht zu erfüllen.
1. § 104c AufenthG - Chancen-Aufenthalt
1.1 Allgemeines
Mit dem neuen § 104c AufenthG sollen Menschen, die am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben, ein 18-monatiges Chancen-Aufenthaltsrecht erwerben können, um die Möglichkeit zu erhalten, in dieser Zeit die übrigen Voraussetzungen für ein Bleiberecht nach den §§
25a und 25b AufenthG zu erfüllen. Dazu gehören insbesondere die eigenständige überwiegende Lebensunterhaltssicherung, Kenntnisse der deutschen Sprache und der Nachweis der Identität. Straftäter bleiben vom Chancen-Aufenthaltsrecht grundsätzlich ausgeschlossen, ebenso Personen, die ihre Abschiebung aufgrund von wiederholten, vorsätzlichen Falschangaben oder aktiver Identitätstäuschung verhindern.
Die Erteilung des Chancen-Aufenthaltstitels setzt ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung voraus. Die im Aufenthaltsgesetz normierten Regelerteilungsvoraussetzungen „Lebensunterhaltssicherung“ (§ 5 Absatz 1 Nummer 1 AufenthG), eine geklärte Identität (§ 5 Absatz 1 Nummer 1a AufenthG) sowie die Erfüllung der Passpflicht (§ 5 Absatz 1 Nummer 4 in Verbindung mit § 3 AufenthG) sind für die Erteilung des Chancen-Aufenthaltstitels nicht zu erfüllen. Das Chancen-Aufenthaltsrecht dient gerade dazu, diese fehlenden Anforderungen wie untenstehend nachzuholen und die Voraussetzungen während der 18-monatigen Geltungsdauer des Titels zu erreichen.
Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige, ledige Kinder, die mit dem Begünstigten in häuslicher Gemeinschaft leben, werden unter den gleichen Voraussetzungen begünstigt, auch wenn diese die erforderliche Voraufenthaltszeit nicht selbst vorweisen können. Das Gleiche gilt für volljährige ledige Kinder, wenn sie bei der Einreise in das Bundesgebiet noch minderjährig waren und weiterhin die häusliche Gemeinschaft gelebt wird (§ 104c Absatz 2 AufenthG). Der Begriff der häuslichen Gemeinschaft ist dabei unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles im Lichte von Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz auszulegen.
Sofern nach der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels von 18 Monaten die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG oder - im Rahmen der Altersgrenze von 27 Jahren - nach § 25a AufenthG nicht erfüllt sind, fallen die Betroffenen in den Status der Duldung - sofern deren Voraussetzungen vorliegen - zurück, da das Chancen-Aufenthaltsrecht nur mit einer 18-monatigen Geltungsdauer erteilt und nicht verlängert werden darf (siehe zur Intention des Chancen-Aufenthaltsrechts im Übri-gen die Ausführungen zu Kapitel 0).
Zu 1.1 gilt in Brandenburg ergänzend:
a) In den Fällen, in welchen sich bei der Prüfung des Antrages herausstellt, dass bereits die Voraussetzungen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG vorliegen, ist der Antrag umzudeuten und ein entsprechender Titel zu erteilen.
b) Die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen allein ist kein Grund einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG abzulehnen. Die Sachgründe für die Aufenthaltsbeendigung können jedoch auf einen atypischen Fall gemäß Ziffer 1.5 hinweisen, der eine Ablehnung rechtfertigt.
c) Wenn während der 18-monatigen Gültigkeit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG ein Antrag auf Erteilung eines Titels nach §§ 25a oder 25b AufenthG gestellt wird, gilt der Titel nach § 104c AufenthG ab dem Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde gemäß § 104c Abs. 3 S.
5 AufenthG i.V.m.
§ 81 Abs. 4 S. 1 AufenthG als fortbestehend. Dies gilt auch, wenn der Antrag unverschuldet verspätet gestellt wird, aber erkennbar (kursorische Prüfung) alle sonstigen Voraussetzungen des §§ 25a oder 25b AufenthG vorliegen. In diesen Fällen ist die Fortgeltung bis zur Entscheidung anzuordnen. § 81 Abs. 4 S. 3 AufenthG bleibt im Übrigen unberührt.
d) Es wird darauf hingewiesen, dass Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG keinem Erwerbstätigkeitsverbot unterliegen, dies gilt auch für Personen aus sicheren Herkunftsländern, vgl.
§ 4a AufenthG.
1.2 Antragsverfahren
Die Aufenthaltserlaubnis wird nur auf Antrag erteilt (§ 81 Absatz 1 AufenthG). Ein Antrag kann vom Tag des Inkrafttretens des Gesetzes am 31.12.2022 bis zum Ablauf des letzten Tages der Gültigkeit des mit dem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts eingeführten § 104c AufenthG, dem 30. Dezember 2025, gestellt werden. Über solche Anträge ist auch nach Außerkrafttreten der geltenden Regelung noch zu entscheiden. Die antragstellende Person bleibt bis zur Titelerteilung weiterhin vollziehbar ausreisepflichtig, und es wird mit der Antragstellung auch kein zusätzlicher Duldungsgrund geschaffen. Der Antrag löst nicht die Fiktionswirkung aus, da § 81 Absatz 3 AufenthG einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland voraussetzt. Die Ausländerbehörden sind gleichwohl angehalten, jedenfalls nach Antragstellung - sofern diese, etwa wegen klarer Nichterfüllung der erforderlichen Voraufenthaltszeiten, nicht offensichtlich unbegründet ist - bis zur Entscheidung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen abzusehen, da in der Antragstellung die Absicht zum Ausdruck kommt, das Chancenaufenthaltsrecht nutzen zu wollen.
Zu 1.2 gilt in Brandenburg ergänzend:
a) Personen, die sich zum Stichtag 31. Oktober 2022 bereits fünf Jahre geduldet, gestattet oder erlaubt im Bundesgebiet aufgehalten haben
und
noch immer geduldet sind, sind spätestens im Rahmen der Vorsprache zur Duldungsverlängerung darauf hinzuweisen, dass sie eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG beantragen können, vgl. § 82 Abs. 3 AufenthG. Hierbei sind sowohl die
Vorteile (erlaubter Aufenthalt für 18 Monate, kein Erwerbstätigkeitsverbot, Aussicht auf einen dauerhaften Aufenthaltstitel) als auch die
Pflichten (Spracherwerb, Lebensunterhaltssicherung, Identitätsklärung)
aufzuzeigen.
b) Es wird darauf hingewiesen, dass es beim Status der Duldung nicht auf den faktischen Besitz einer gültigen Duldungsbescheinigung ankommt, sondern darauf, dass ein materieller Duldungsgrund vorlag/vorliegt (Anwendungshinweise des BMI zur Duldungserteilung nach § 60a AufenthG in der jeweils geltenden Fassung). Insoweit genügt auch das Vorliegen einer sogenannten Verfahrensduldung, vgl. OVG
Magdeburg, Beschluss vom 13.04.2023 - 2 M 18/23, Rn.
7;
BVerwG
, Urteil vom 18. Dezember 2019 -
1 C 34.18
, Rn. 24.
Allerdings genügt es nicht, wenn der Duldungsanspruch allein aus der Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG abgeleitet wird, es muss sich hierbei vielmehr um einen sonstigen Duldungsgrund handeln, vgl. OVG Bautzen, Beschluss vom 27.06.2023 - 3 B 72/23, Rn. 32.
Auch Personen mit einer Duldung mit dem Zusatz „für Personen mit ungeklärter Identität“ (§§ 60a, 60b AufenthG) sind vom Anwendungsbereich des § 104c AufenthG grundsätzlich mitumfasst (vgl. § 104c Abs. 1 S. 3 AufenthG), außer der Duldungsgrund führt zu einem Ausschluss nach § 104c Abs. 1 S. 2 AufenthG. Siehe auch Ziffer 1.3.
c) Wird ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG gestellt und ist dieser nicht offensichtlich unbegründet, ist der Aufenthalt bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG zu dulden, soweit der bisherige Duldungsgrund nicht ohnehin fortbesteht.
1.3. Geduldeter Aufenthalt
Der Ausländer muss zum Zeitpunkt der Antragstellung geduldet sein. Eine bestimmte Vorduldungszeit ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist, dass einer der in § 60a Absatz 2 AufenthG genannten Duldungsgründe vorliegt. Es kommt in diesem Fall nicht darauf an, dass der Ausländer eine förmliche Duldungsbescheinigung innehat (§ 60a Absatz 4 AufenthG). Das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen genügt. Ist der Ausländer aufgrund einer bevorstehenden freiwilligen Ausreise oder Rückführung im Besitz einer Grenzübertrittbescheinigung, ohne dass ein Duldungsgrund vorliegt, erfüllt dieser nicht die Voraussetzungen an einen geduldeten Aufenthalt und somit auch nicht die Voraussetzungen für die Erteilung des Chancen-Aufenthaltstitels.
1.4 Voraufenthaltszeiten
Mit dem Chancen-Aufenthalt werden die Geduldeten begünstigt, die sich am 31. Oktober 2022 seit fünf Jahren ununterbrochen geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis im Bundesgebiet aufgehalten haben. Anrechenbar sind alle ununterbrochenen Voraufenthaltszeiten, in denen sich der Ausländer in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren, also geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis, im Bundesgebiet aufgehalten hat. Kurzfristige Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet von bis zu drei Monaten, die keine Verlegung des Lebensmittelpunkts beinhalten, sind unschädlich. Dazu gehören kurzfristige Ausreisen, etwa zum Urlaub oder für Besuche, soweit währenddessen der Aufenthaltsschwerpunkt bei einer verständigen Gesamtbetrachtung in Deutschland geblieben ist. Dies gilt auch bei mehrfachen Ausreisen, soweit die Kumulierung der Aufenthaltsunterbrechungen in der Gesamtschau und in Anbetracht der dazwischenliegenden Aufenthaltszeiten im Bundesgebiet nicht zu der Annahme führt, dass der eigentliche Lebensmittelpunkt außerhalb des Bundesgebiets liegt.
Nach § 104c Absatz 1 Satz 3 AufenthG sind darüber hinaus Zeiten im Besitz einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität in Abweichung von der Regelung in § 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG als Vorduldungszeiten anrechenbar; waren Falschangaben beziehungsweise eine Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit für die Erteilung der Duldung für Personen mit ungeklärter Identität maßgeblich, ist jedoch der Versagungsgrund nach Absatz 1 Satz 2 zu beachten.
Unterbrechungen des Aufenthalts aufgrund einer vorherigen Rückführung wie auch Zeiten des Aufenthalts ohne Aufenthaltstitel, Duldung oder Aufenthaltsgestattung werden hingegen nicht angerechnet, wobei es auch hier nicht auf die Duldungsbescheinigung gemäß § 60a Absatz 4 AufenthG, sondern auf das Vorliegen der Tatbestandsvorausset-zungen einer Duldung ankommt. Zeiten, in denen ein Duldungsanspruch bestand, sind anzurechnen. Dies gilt auch für Zeiten, in denen der Ausländer unverschuldet daran ge-hindert war, einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung rechtzeitig zu verlängern (z.B. we-gen Krankheit).
Zu 1.4 gilt in Brandenburg ergänzend:
a) Soweit ein Asylfolgeantrag (§ 71 AsylG) oder Zweitantrag (§ 71a AsylG) gestellt wurde, darf gem.
§ 10 Abs. 1 AufenthG bis zum bestands- oder rechtskräftig abgeschlossen Asylverfahren kein Aufenthaltstitel nach § 104c AufenthG erteilt werden, da dieser keinen Anspruch auf Titelerteilung vermittelt; siehe nachfolgend Ziffer 1.5; außerdem findet Ziffer 1.5.8 der AW
Nr. 08/2020 entsprechende Anwendung (grundsätzlicher Ausschluss der Zusicherung/Verfahrensabrede).
b) Bei der Prüfung des § 104c AufenthG als unschädlich gewertete kurzfristige Unterbrechungen werden auch bei der Erteilung eines Anschlusstitels nach §§ 25a oder 25b AufenthG als unschädlich gewertet.
1.5 „Soll“-Erteilung
Die Ausländerbehörden sollen bei Vorliegen der Voraussetzungen in der Regel die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG erteilen. Dies bedeutet, dass der Titel bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen grundsätzlich zu erteilen ist. Ausnahmen sind nur bei Vorliegen
atypischer Umstände
denkbar. Diese sind zu begründen und kommen nur dann in Betracht, wenn zwar formal die Erteilungsvoraussetzungen für ein Chancen-Aufenthaltsrecht erfüllt sind, aber der gesetzliche Zweck, den Übergang in ein Bleiberecht auf rechtssicherer Grundlage zu ermöglichen, durch Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erkennbar nicht erreicht werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn in der Gesamtschau eine Erfüllung der Integrationsvoraussetzungen nach §§ 25a, 25b AufenthG auch bei einer auf 18 Monate ausgerichteten Prognose augenscheinlich nicht in Betracht kommt. Dies ist im Wege der Einzelfallbetrachtung zu entscheiden. Beispiele für atypische Fälle können ein widersprüchliches Verhalten des Ausländers sein, wenn dieser zwar ein Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung ablegt, sein tatsächliches Verhalten aber eine andere Schlussfolgerung rechtfertigt oder die Sicherheitsbehörden über Erkenntnisse zu einem Extremismus- oder Terrorismusbezug verfügen, oder tatsächliche Anhaltspunkte für eine sonstige Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung haben. Eine Einschätzung, ob hinreichende mündliche deutsche Sprachkenntnisse er-langt oder die überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts auch prognostisch erreicht werden können, kann zum Zeitpunkt der Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts in der Regel nicht belastbar erfolgen, so dass sich hieraus regelmäßig keine Atypik herleiten lässt.
Insbesondere ist darauf zu achten, dass die vom Gesetzgeber getroffenen Wertungen nicht unterlaufen werden. So können etwa Nichtmitwirkungen unterhalb der Schwelle von § 104c Absatz 1 Satz 2 AufenthG nicht als „atypische Umstände“ herangezogen werden.
1.6 Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung (FDGO)
Der Ausländer muss sich nach § 104c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 AufenthG zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen.
Auf die Ausführungen in den Anwendungshinweisen des BMI zur Einfügung des § 25b Aufenthaltsgesetz durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27. Juli 2015 ( BGBl. I
S. 1386) zu diesem Punkt wird verwiesen.
Auf die Information Nr. 19 vom 31. Mai 2016 - Allgemeine Anwendungshinweise des BMI zu § 25b AufenthG wird aufmerksam gemacht.
Danach ist zur Auslegung dieses Tatbestandmerkmals auf das Staatsangehörigkeitsrecht zurückzugreifen. Das Bekenntnis ist schriftlich einzuholen. Es sollten die im Einbürgerungsverfahren verwendeten Muster in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung kommen. Auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum StAG
( VAH-StAG
) in der aktuellen Fassung wird ergänzend verwiesen https://www.bmi.bund.de/Shared-Docs/downloads/DE/veroeffentlichungen/themen/verfassung/stag-anwendungshinweise-06-15.html) . Das Verfahren ist bei Antragstellern bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres nicht anzuwenden.
Der Ausländer muss den Inhalt des von ihm abgegebenen oder abzugebenden Bekenntnisses verstanden haben und zumindest dessen Kerninhalte kennen. Diese Voraussetzung ist im Rahmen einer persönlichen Befragung zu prüfen. Ein rein verbales Bekenntnis des Ausländers zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung reicht nicht aus. Vor dem Hintergrund, dass als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG keine Kenntnisse der deutschen Sprache oder Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse nachgewiesen werden müssen, kann für das Bekenntnis ein Sprachmittler hinzugezogen werden. Die Ausländerbehörde muss zur Überzeugung gelangen, dass der Ausländer - ggf. unter Zuhilfenahme eines Sprachmittlers - zumindest die (wesentlichen) Inhalte des Bekenntnisses kennt und versteht.
Einen Vordruck zum Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie ein Informationsblatt nebst Übersetzung in insgesamt 19 verschiedene Sprachen hat das BMI den Ländern mit Schreiben vom 23. Mai 2023 mit der Bitte um Weiterleitung an die Ausländerbehörden zur Verfügung gestellt.
1.7 Straffreiheit / Verhältnis zu § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG
Nach § 104c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 AufenthG darf der Ausländer grundsätzlich keine Straftaten begangen haben und deswegen verurteilt worden sein. Ausgenommen sind aber Straftaten mit Verurteilungen zu Geldstrafen von nicht mehr als 50 Tagessätzen sowie Straftaten nach dem Aufenthalts- oder Asylgesetz mit Verurteilung zu Geldstrafen von nicht mehr als 90 Tagessätzen, sowie Straftaten, für die eine Verurteilung nach Jugendstrafrecht ohne Jugendstrafe erfolgte. Diese Vorgabe ist auch für die Beurteilung eines möglichen Ausweisungsinteresses im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG heranzuziehen. Das bedeutet, dass bei der vorzunehmenden Prüfung, ob ein Ausweisungsinteresse vorliegt, Straftaten unterhalb dieser Schwelle unbeachtlich sind.
Abweichungen von den in Nummer 2 genannten gesetzlichen Vorgaben sind im Rahmen der Prüfung des § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG nur nach umfassender Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls in äußerst außergewöhnlichen Fallkonstellationen zulässig. Sie müssen jeweils insbesondere mit Blick auf Ziel und Zweck des Chancen-Aufenthaltsrechts konkret begründet werden. Ermessenserwägungen, die bei der Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts eine Rolle gespielt haben, sind auch bei einer späteren Prüfung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25a oder § 25b AufenthG zu übernehmen, wenn der Sachverhalt unverändert geblieben ist.
Wird gegen den Antragsteller wegen des Verdachts einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit ermittelt, gilt § 79 Absatz 2 AufenthG. Getilgte Strafen stellen kein Ausweisungsinteresse mehr dar.
Bei einer Verurteilung wegen mehrerer im Bundesgebiet begangener Straftaten, wobei es sich um eine Kumulierung von Straftaten handelt, die von jedermann begangen werden kann sowie von ausländerrechtlichen Sonderdelikten, ist darauf hinzuweisen, dass es Ziel des Gesetzgebers war, bestimmten ausreisepflichtigen Ausländern ohne Bleiberecht eine Legalisierung ihres Aufenthaltes in Aussicht zu stellen. Bei wiederholter Verurteilung wegen Straftaten zu einer Strafe unterhalb der oben genannten Tagessätze ist aufgrund des Verhaltens des Ausländers von einem nicht unerheblichen Integrationsdefizit auszugehen. In diesen Fällen kann daher, wenn die Addition der Tagessätze aller rechtskräftig verhängten, im BZR noch nicht gelöschten und noch nicht löschungsreifen Verurteilungen 90 Tagessätze bei ausländerrechtlichen Sonderdelikten bzw. 50 Tagessätze, soweit es sich um andere Straftaten handelt, übersteigt, nicht mehr davon ausgegangen werden, dass diese Verurteilungen außer Betracht bleiben.
Zu 1.7 gilt in Brandenburg ergänzend:
Bei strafrechtlichen Verurteilungen kommt es nicht darauf an, dass diese im fünfjährigen Zeitraum vor dem Stichtag 31. Oktober 2022 erfolgten. Der Fünfjahreszeitraum bezieht sich nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich auf die Aufenthaltsdauer.
1.8 Soll-Ausschlussgrund nach § 104c Absatz 1 Satz 2 AufenthG
Nach § 104c Absatz 1 Satz 2 AufenthG soll die Aufenthaltserlaubnis versagt werden, wenn der Ausländer wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit getäuscht hat und seine Abschiebung dadurch verhindert. Die bloße Nicht-Mitwirkung - also das Unterlassen zumutbarer Handlungen zur Passbeschaffung und fehlende Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen - ist hingegen unschädlich.
Der Ausschlussgrund kann nur in Fällen einer besonderen Intensität und Dauerhaftigkeit der Täuschung in Betracht kommen. Regelmäßig keine Täuschung ist beispielsweise die Verwendung zulässiger Varianten von Transliterationen. Herkunftsstaaten transliterieren Namen aus anderen Schriftarten unterschiedlich und häufig auch innerhalb der eigenen Verwaltung uneinheitlich, und es ist einem Ausländer aus einem Staat, der standardmäßig keine lateinische Schrift verwendet, oftmals nicht bekannt, welche Variante des Namens in lateinischer Schrift sein Herkunftsstaat in einem bestimmten Zusammenhang verwendet. Die Behörde kann aber regelmäßig die Angabe des Namens in der im Herkunftsstaat gebräuchlichen Schrift verlangen. Die Täuschungshandlung muss durch den Ausländer selbst und vorsätzlich erfolgt sein. Dabei sind vom Ausländer stammende Falschangaben, die durch Beauftragte des Ausländers (zum Beispiel Rechtsanwältinnen oder Rechtsanwälte) weitergegeben werden, dem Ausländer zuzurechnen. Nicht dem Ausländer zuzurechnen sind insbesondere Falschangaben seiner Eltern oder seines Vormundes, es sei denn, der volljährige (§ 80 Absatz 3 AufenthG) Ausländer bestätigt diese Falschangaben selbst und ist nicht ausnahmsweise selbst von den eigenen Eltern der dem Vormund über die wahre Identität im Unklaren gelassen worden, so dass dem Ausländer nicht bewusst ist, dass er falsche Angaben macht. Gleichermaßen gilt, dass dem Ausländer unrichtige Angaben, die dieser als Minderjähriger gemacht hat, nur bei bewusster Bestätigung in Kenntnis der Unrichtigkeit als Volljähriger angerechnet werden können.
Ergänzend teilt das Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) mit E-Mail vom 29.05.2024 klarstellend mit:
„Hierzu ist festzuhalten, dass diese Aussage in Fortgeltung der bisherigen BMI-Auffassung nicht den Umkehrschluss zulässt, dass ein Minderjähriger überhaupt keine Täuschung über die Identität vornehmen kann.“
Ebenfalls nicht dem Ausländer zuzurechnen sind objektiv falsche Daten, die in der Behörde generiert worden sind, etwa auf Grund fehlerhafter Zuordnung von Aliaspersonalien aus Datenbankabgleichen. Auch hier beginnt aber eine Zurechenbarkeit, sobald der Ausländer die falschen Daten in Kenntnis der Unrichtigkeit bestätigt.
Bloßes Schweigen ist keine Täuschung. Ebenso liegt keine Täuschung vor, wenn ein Ausländer lediglich über eine Registrierung mit falschen Daten, die nicht von ihm selbst stammen, unterrichtet wird und sich hierzu verschweigt.
Eine Täuschung über die Staatsangehörigkeit liegt vor, wenn der Ausländer selbst und bewusst
eine andere Staatsangehörigkeit angibt, als er tatsächlich besitzt,
trotz der Frage nach allen Staatsangehörigkeiten eine Staatsangehörigkeit verschweigt oder
unrichtig angibt, keine Staatsangehörigkeit zu besitzen.
Im ersten Fall ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Falschangaben bewusst gemacht werden, weil es außerhalb der Lebenserfahrung liegt, dass jemand seine eigene Staatsangehörigkeit nicht kennt. Im zweiten Fall muss, um eine Täuschungshandlung anzunehmen, feststehen, dass der Ausländer zum einen weiß, dass er alle Staatsangehörigkeiten und nicht nur eine anzugeben hat, und zum anderen, dass ihm das Vorhandensein einer oder mehrerer zusätzlicher Staatsangehörigkeiten bekannt ist. Dies muss wegen der Komplexität des Staatsangehörigkeitsrechts einiger Staaten nicht zwingend der Fall sein, wenn ein Ausländer in der Vergangenheit von der anderen Staatsangehörigkeit niemals Gebrauch gemacht hatte (sich insbesondere niemals einen Pass dieses Staates hatte ausstellen lassen oder sich sogar niemals dort aufgehalten hatte). Im dritten Fall liegt keine Täuschungshandlung in Fällen vor, in denen zwar eine Staatsangehörigkeit vorliegt, sich ein Ausländer aber als staatenlos bezeichnet, weil kein Staatsangehörigkeitsstaat ihn trotz der abweichenden Rechtslage als eigenen Staatsangehörigen in Anspruch nimmt (sogenannte faktische Staatenlosigkeit).
Eine Ursächlichkeit für die Unmöglichkeit der Vollziehung der Abschiebung ist insbesondere gegeben, wenn die Einholung des Einvernehmens eines Herkunftsstaats mit einer Abschiebung, insbesondere die Beschaffung eines Passes oder Passersatzes, durch die Täuschung vereitelt wird. Ebenso liegt eine Ursächlichkeit für die Unmöglichkeit der Vollziehung der Abschiebung vor, wenn mit Bezug auf einen bekannten Herkunftsstaat - wenn auch zu Recht - ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis angenommen wird, dieses Abschiebungshindernis jedoch mit Bezug auf den verschwiegenen anderen Herkunftsstaat nicht vorliegt.
Für die Annahme einer Täuschung ist es nicht erforderlich, dass die Behörde die richtigen Daten kennt. Es genügt, dass feststeht, dass die vom Ausländer selbst gemachten Angaben falsch sind. Letzteres ist vor allem der Fall, wenn der Ausländer einander widersprechende Angaben gemacht hat. Zudem genügt es für die Annahme einer Täuschung, dass der Ausländer gegenüber verschiedenen Behörden - etwa gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Polizeibehörden, Justizbehörden und Ausländerbehörden - verschiedene Identitätsangaben verwendet, so dass bei einer Zusammenführung der Daten unterschiedliche Aliasnamen bekannt sind, von denen jeweils nicht bekannt ist, ob bzw. welche dieser Identitätsangaben korrekt ist. Auch wenn Behörden dann aus verwaltungspraktischen Gründen eine Version als „leitend“ festlegen, setzt sich die Täuschung fort, wenn keine gesicherte Kenntnis von der vom Herkunftsstaat festgelegten Personalien besteht und sich dies auf die Möglichkeit der Rückführung auswirkt.
Voraussetzung für den Versagungsrund ist ein aktives eigenverantwortliches Verhalten des Ausländers in der Vergangenheit, das kausal für die Verhinderung der Aufenthaltsbeendigung ist. Zur Prüfung der Versagungsgründe kann auf aktenkundige Vorkommnisse zurückgegriffen werden.
„Wiederholt“ bedeutet mindestens zwei tatbestandsmäßige Falschangaben bzw. Täuschungshandlungen. Insbesondere liegt ein wiederholtes Handeln vor, wenn der Betreffende gegenüber verschiedenen Behörden Falschangaben gemacht oder getäuscht hat.
Bei mehreren Ursachen muss die Falschangabe beziehungsweise Täuschung wesentlich ursächlich gewesen sein. Sofern ein anderer Duldungsgrund vorliegt („Mischfälle“), liegt kein Ausschlussgrund vor.
Der Ausschlussgrund soll im Übrigen nicht die im Gesetz gerade angelegte Möglichkeit konterkarieren, die Identität während der 18-monatigen Gültigkeitsdauer zu klären. Sofern während dieser Gültigkeitsdauer die Identität geklärt wird und sich dabei ergibt, dass der Ausländer zuvor getäuscht hat, führt diese Erkenntnis nicht zu einem Erlöschen des Chancen-Aufenthaltstitels. Es entspricht der Intention des Gesetzes, dass sich die „Ehrlichmachung“ für ihn nicht nachteilig auswirken soll. Mit der nunmehr geklärten Identität ist im Übrigen auch die Voraussetzung des § 5 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1a AufenthG für den Anschlusstitel erfüllt.
Zu 1.8 gilt in Brandenburg ergänzend:
In der Vergangenheit vorsätzlich erfolgte Falschangaben oder Täuschungshandlungen über die tatsächliche Identität oder Staatsangehörigkeit müssen zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung fortwirken und auch kausal für die Unmöglichkeit der Abschiebung sein, vgl.VG Düsseldorf (22. Kammer), Beschluss vom 28.03.2024 - 22 L 495/24, Rn. 44. Soweit der Antragsteller zwischenzeitlich die ihm zumutbaren Handlungen zur Beseitigung der Fehlvorstellung unternommen hat und damit die Ausländerbehörde/Zentrale Ausländerbehörde in die Lage versetzt hat, beispielsweise die notwendigen Reisepapiere (Passersatzpapiere) zu besorgen, beruht die Verhinderung/Verzögerung der Abschiebung (nicht mehr) auf der früheren Falschangabe oder Täuschung des Antragstellers.
Auch bei der anzustellenden Prognoseentscheidung, ob innerhalb der 18 Monate die Voraussetzungen für eine Titelerteilung nach §§ 25a oder 25b AufenthG erreicht werden können (Prüfung, ob ein atypischer Fall nach Ziffer 1.5 vorliegt) ist die Intention des Bundesgesetzgebers entsprechend zu berücksichtigen und im Sinne des Antragstellers wohlwollend zu entscheiden. Auch soweit nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2019 (Az. 1 C 34.19 -Rn. 56) im Rahmen der Prüfung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bei § 25b AufenthG zurückliegende, nicht mehr fortwirkende Täuschungshandlungen über die Identität oder Staatsangehörigkeit als Ausweisungsinteresse berücksichtigt werden können, ist kritisch zu hinterfragen, ob vergangene Fehlhandlungen die vorliegende oder zu erwartende Integrationsleistung überwiegen.
1.9 § 104c Absatz 2 AufenthG
Mit der Regelung wird sichergestellt, dass auch der Ehegatte, der Lebenspartner (im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes) sowie die minderjährigen ledigen Kinder des Begünstigten nach Absatz 1 ein Chancen-Aufenthaltsrecht erhalten, selbst wenn diese nicht die Voraussetzung eines fünfjährigen Aufenthalts zum Stichtag 31. Oktober 2022 erfüllen. Damit soll verhindert werden, dass einzelne Familienmitglieder vollziehbar ausreisepflichtig bleiben, obwohl einem Familienmitglied mit dem Chancen-Aufenthaltsrecht eine aufenthaltsrechtliche Perspektive in Deutschland eröffnet wurde. Es soll damit ein Auseinanderreißen der Familie verhindert und auch ein einheitlicher Rahmen für die notwendige Identitätsklärung aller in häuslicher Gemeinschaft lebenden Familienangehörigen während der 18-monatigen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis geschaffen werden.
Im Übrigen müssen die potenziell Begünstigten die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 1 und 2 erfüllen. Auch der Soll-Versagungsgrund nach Absatz 1 Satz 2 findet Anwendung. Für inzwischen volljährig gewordene Kinder gilt die Regelung entsprechend, wenn diese bei Einreise noch minderjährig waren und weiterhin die häusliche Gemeinschaft gelebt wird. Lebt das mittlerweile volljährige Kind nicht mehr in häuslicher Gemeinschaft, besteht die Gefahr eines rechtlichen Auseinanderreißens der Familie nicht.
Jedem Familienmitglied im Sinne des Absatzes 2 bleibt es unbenommen, die Voraussetzungen ggf. in eigener Person zu erfüllen und eigenständig einen Antrag auf Erteilung einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu stellen.
Zu 1.9 gilt in Brandenburg ergänzend:
Erfüllt ein minderjähriges ausländisches Kind grundsätzlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104c AufenthG, ist aber bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag absehbar, dass die Voraussetzungen des Anschlusstitels nach § 25a AufenthG nach Ablauf der 18-monatigen Befristung nicht vorliegen werden, weil das erforderliche Alter von 14 Jahren (§ 25a Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 1 Abs. 2 JGG) oder der erforderliche dreijährige Schulbesuch nicht erreicht werden wird und auch eine Ableitung eines Aufenthaltsrechts von einem Stammberechtigten (Eltern) nach § 25a Abs. 2 S. 2 AufenthG oder § 25b Abs. 4 S. 1 AufenthG nicht möglich ist, da diese(r) aufgrund der Ausschlussgründe oder eines Versagensgrundes keinen Titel nach § 104c AufenthG bzw. §§ 25a oder 25b AufenthG erhalten, so kann von einer atypischen Fallkonstellation ausgegangen werden. In dieser Konstellation kann im Rahmen der anzustellenden Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung aller Besonderheiten des Einzelfalls zum Ergebnis gelangt werden, dass keine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu erteilen ist, weil bereits der Zweck der Norm (Bleiberecht nach §§ 25a oder 25b AufenthG) nicht erreicht werden kann. Auf Ziffer 1.5 sowie die Ergänzungen wird verwiesen.
1.10 § 104c Absatz 3 AufenthG (Titelerteilung/Zweckwechselverbot)
Die Aufenthaltserlaubnis kann abweichend von § 10 Absatz 3 Satz 2 AufenthG erteilt werden. Die Ausländerbehörde kann demnach auch bei Ablehnung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet nach § 30 Absatz 3 Nummer 1 bis 6 AsylG im Ermessen einen Chancen-Aufenthaltstitel erteilen. Bei der Ermessensausübung sind die konkreten Umstände des Einzelfalls zu würdigen und angemessen zu berücksichtigen. Ein zugunsten des Ausländers zu berücksichtigender Umstand liegt etwa vor, wenn er bei der Asylantragsstellung noch minderjährig war beziehungsweise der Asylantrag gemeinsam mit den Eltern gestellt wurde, da die Gründe der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet in diesen Fällen gegebenenfalls nicht vollumfänglich im Verantwortungsbereich des minderjährigen Ausländers liegen. Wurde der Asylantrag gemäß § 30 Absatz 3 Nr. 2 AsylG abgelehnt, ist im Ermessen insbesondere die erhöhte Anforderung an die Täuschungshandlung nach § 104c Absatz 1 Satz 2 AufenthG zu beachten. Personen aus sicheren Herkunftsstaaten sind vom Chancen-Aufenthalt nicht ausgeschlossen.
Das Chancen-Aufenthaltsrecht wird für die Gültigkeitsdauer von 18 Monaten erteilt. Der elektronische Aufenthaltstitel (eAT) kann zur Vereinfachung der Prozesse und zur Entlastung der Ausländerbehörden für die Gesamtzeit der 18 Monate ausgestellt werden, auch wenn das zugehörige Passdokument zuvor abläuft. In diesen Fällen ist der eAT ausnahmsweise als Ausweisersatz auszustellen ohne den Zusatz, dass die Personalien auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen. Die Angaben zum Passdokument können im Anmerkungsfeld auf der Rückseite oder auf einem Zusatzblatt erfolgen. Der Titelinhaber sollte gleichwohl darauf hingewiesen werden, sich um eine Verlängerung bzw. Neuausstellung seines Passes nachdrücklich zu bemühen. Die 18-monatige Geltungsdauer des Titels beginnt mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis (Aushändigung des eAT) und der Titel gilt als Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 5 (Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen). Damit wird die Anwendbarkeit von Vorschriften dieses Abschnitts und der Normen, die hierauf Bezug nehmen, sichergestellt (z.B. § 5 Absatz 3 Satz 2 oder § 10 Absatz 3 Satz 1 AufenthG). Um die Inhaber des Chancen-Aufenthaltsrechts bereits zum Zeitpunkt der Bestellung des eAT in die Lage zu versetzen, mit den Bemühungen zur Erlangung der in den Anschlusstiteln der §§ 25a, 25b AufenthG bezeichneten Voraussetzungen zu beginnen (Ermöglichung des Besuches ei-nes Integrationskurses), sollte die Ausländerbehörde dem Ausländer zu diesem Zeitpunkt als einfaches Behördenschreiben eine Bescheinigung darüber ausstellen, dass über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG positiv entschieden wurde und die Herstellung des eAT in Auftrag gegeben worden ist. Die wesentlichen Elemente des Titels (Name, Bezeichnung des Titels, Beantragung des Titels) sollten in diesem Schreiben enthalten sein. Damit wird dem Ausländer ermöglicht, die Geltungsdauer des Titels bestmöglich zu nutzen, etwa einen Integrationskurs zu besuchen und eine Erwerbstätigkeit - soweit diese nicht bereits im Rahmen der Duldung erlaubt war - auszuüben.
Zu 1.10 gilt in Brandenburg ergänzend:
Spätestens bei Aushändigung des eAT sind auch etwaig einbehaltene Reisepapiere auszuhändigen. § 50 Abs. 5 AufenthG gestattet die Verwahrung von Pass oder Passersatzpapieren lediglich bei ausreisepflichtigen Ausländern (Sicherung der Ausreise). Titelinhaber nach § 104c AufenthG sind jedoch gerade nicht mehr ausreisepflichtig und eine längerfristige Verwahrung kann nicht auf § 48 Abs. 1 AufenthG gestützt werden.
Während des Aufenthalts mit einem Chancen-Aufenthaltstitel kann nur in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG gewechselt werden; ein unmittelbarer Wechsel aus dem Chancen-Aufenthalt in einen anderen Aufenthaltstitel ist demnach nicht möglich. Aus einer Aufenthaltserlaubnis nach §§ 25a, 25b AufenthG besteht dann aber die Möglichkeit, in einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszeck zu wechseln; § 39 Satz 1 Nummer 1 der Aufenthaltsverordnung findet Anwendung.
Für Inhaber einer Chancen-Aufenthaltserlaubnis folgt daraus, dass beim Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 25a, 25b AufenthG gleichwohl die Möglichkeit besteht, aus dem Bleiberecht nach einer „logischen Sekunde“ sofort in die gewünschte Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Aufenthaltszweck (z.B. Familiennachzug oder Erwerbstätigkeit) zu wechseln, sofern die Voraussetzungen hierfür jeweils erfüllt sind. Das Erfüllen der in den §§ 25a, 25b AufenthG normierten Voraussetzungen ist dafür unabdingbare Voraussetzung. Das bedeutet, dass vor einem Wechsel in einen Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck sämtliche für § 25a bzw. § 25b AufenthG geforderten Integrationsvoraussetzungen vorliegen müssen. Dies steht im Einklang mit der Intention des Gesetzgebers, bei Nachweis von Integrationsleistungen und der übrigen Voraussetzungen einen Bleiberechtstitel zu erteilen. Bei einem möglichen Wechsel zu einem anderen - also nicht-humanitären - Aufenthaltszweck (z.B. zum Zwecke des Familiennachzugs oder der Erwerbstätigkeit) ist allerdings das Zweckwechselverbot nach § 10 Absatz 3 Satz 1 AufenthG zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch die Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels nach §§ 25a, 25b AufenthG nicht aufgehoben wird (Urteil vom 26.05.2020 - BVerwG 1 C 12.19.). Danach ist ein solcher Zweckwechsel für einen Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist oder der seinen Asylantrag zurückgenommen hat, grundsätzlich nur möglich, wenn ein Anspruch auf Erteilung des Aufenthaltstitels besteht (§ 10 Absatz 3 Satz 3 AufenthG); i.d.Z. wird auf die Änderungen des § 10 Absatz 3 im Zuge des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge vom 20. Dezember 2023 - BGBl. I Nr. 390 - sowie auf die aktualisierten An-wendungshinweise zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz; Ziffer 10.3f.; S.19ff. verwiesen).
1.11 § 104c Absatz 4 - Hinweispflichten der Ausländerbehörden bzw. Aufzeigen von Handlungspflichten
Nach § 82 AufenthG ist der Ausländer verpflichtet, seine Belange und für ihn günstigen Umstände - soweit sie nicht offenkundig oder bekannt sind - unter Angabe nachprüfbarer Umstände unverzüglich geltend zu machen und die erforderlichen Nachweise über seine persönlichen Verhältnisse u.a. unverzüglich beizubringen. Zugleich soll der Ausländer nach § 82 Absatz 3 Satz 1 AufenthG auf seine wesentlichen Rechte und Pflichten nach diesem Gesetz hingewiesen werden, insbesondere zu seinen ausweisrechtlichen Pflichten (§ 48 AufenthG) sowie die Pflichten zur Identitätsklärung (§ 25a Absatz 6; § 25b Absatz 8 AufenthG). Hierbei ist darauf Rücksicht zu nehmen, dass Antragsteller oftmals aus sprachlichen und sozialen Gründen, mangelnder Vertrautheit mit der deutschen Behördenorganisation sowie der Komplexität der Rechtsmaterie Schwierigkeiten haben können, ihre Rechte und Pflichten zu überblicken (vgl. Ziffer 82.3 AVV-AufenthG), eine verständliche Erläuterung ist daher wichtig.
Der Ausländer ist nach § 104c Absatz 4 spätestens bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c konkret darauf hinzuweisen, welche Voraussetzungen nach dem Ablauf der 18 Monate der Chancen-Aufenthaltserlaubnis für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG und, falls er das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, nach § 25a AufenthG erfüllt sein müssen. Hinsichtlich der Altersgrenze in § 25a AufenthG ist maßgeblich auf den Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen. Das Erreichen der Altersgrenzen nach Antragstellung ist unbeachtlich. Dabei soll die Ausländerbehörde auch konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.
Die Betroffenen sind individualisiert auf die Voraussetzungen der weiterführenden Aufenthalte hinzuweisen. Die Mitteilung hat schriftlich zu erfolgen sowie in einer für den Betroffenen verständlichen Sprache, die zudem dem Alter und Reifegrad angemessen Rechnung trägt.
Die Ausländerbehörde soll den Ausländer, etwa durch ein umfassendes und verständliches Merkblatt, darauf hinweisen, dass ein weiterer erlaubter Aufenthalt von der Erfüllung bestimmter weiterer Voraussetzungen abhängen wird. Ein Merkblatt ist diesen Anwendungshinweisen als Anlage beigefügt. Sie soll ihn bei seinem Bemühen um Erfüllung dieser Voraussetzungen unterstützen, z.B. durch Benennung von geeigneten Hilfs- und Beratungsangeboten oder weiterer Ansprechpartner in Behörden. Damit soll er motiviert werden, die Chance, die ihm durch die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG eingeräumt wird, auch zu nutzen. Es sind somit die Voraussetzungen des § 25b AufenthG bzw. des § 25a AufenthG im Einzelnen darzulegen. Hierzu gehören die Anforderungen an die Klärung der Identität nach § 25a Absatz 6 AufenthG beziehungsweise § 25b Absatz 8 AufenthG. Insbesondere auch hierzu soll die Ausländerbehörde konkrete Handlungspflichten, die in zumutbarer Weise zu erfüllen sind, bezeichnen.
Die Ausländerbehörden sind gehalten, Informationen und Hinweise barrierefrei zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen in Kapitel 0 hingewiesen.
Spätestens mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG erfolgt für Leistungsberechtigte ein Rechtskreiswechsel aus dem AsylbLG in das SGB II. Der Rechtskreiswechsel gilt ab dem Folgemonat. Für den Rechtskreiswechsel genügt bereits ein einfaches Schreiben der Ausländerbehörde (vgl. oben unter 1.10), sofern die Identität der antragstellenden Person sichergestellt werden kann (z.B. durch Duldung und das Schreiben). Für den Rechtskreiswechsel müssen die wesentlichen Elemente des Titels (Name, Bezeichnung des Titels, Beauftragung des Titels) in diesem Schreiben jedoch zwingend enthalten sein. Auf die Aushändigung des elektronischen Aufenthaltstitels kommt es dann nicht mehr an. Die dreimonatige Ausschlussfrist nach § 7 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 SGB II gilt in diesen Fällen ebenfalls nicht.
Der Ausländer soll auf die durch den Rechtskreiswechsel begründete Zuständigkeit der Jobcenter (gemeinsame Einrichtungen oder zugelassene kommunale Träger) und deren Förderinstrumente hingewiesen werden. Damit die Erfüllung der Voraussetzungen des § 25b AufenthG bestmöglich unterstützt werden kann, ist eine Abstimmung mit den gemeinsamen Einrichtungen oder zugelassenen kommunalen Trägern vor Ort über die Prognosekriterien des § 25b Absatz 1 Satz 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthG angezeigt.
Den Betreffenden sollen bereits bei Antragstellung erste Hinweise gegeben werden und sie sollten dabei neben den Beratungsangeboten auch auf die Eigenverantwortung hingewiesen werden, die notwendigen Voraussetzungen in eigener Person zu erfüllen. In diesem Zusammenhang sollten die Ausländerbehörden eng mit der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) und den Landesmigrationsberatungsstellen sowie den Jugendmigrationsdiensten für junge Menschen zwischen 12 und 27 Jahren (JMD) zusammenarbeiten. Die MBE und JMD sollen eine verweisberatende Funktion einnehmen, sodass die nach § 104c Absatz 1 Satz 1 AufenthG begünstigten Ratsuchenden an die Ausländerbehörden zur Antragstellung vermittelt werden können. Dementsprechend sollen auch Personen Beratungsleistungen in Anspruch nehmen können, die einen Antrag nach § 104c AufenthG noch nicht gestellt haben. Daneben können auch die MBE und JMD die ratsuchenden Inhaber eines Chancen-Aufenthaltsrechts innerhalb des 18-monatigen Zeitraums ergänzend dabei unterstützen, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 25a, 25b AufenthG zu erfüllen. Mit den Beratungseinrichtungen des Bundes MBE und JMD stellt die Bundesregierung ein den Integrationskurs ergänzendes migrationsspezifisches Beratungsangebot für erwachsene und jugendliche Zugewanderte zur Verfügung. Die MBE berät und unterstützt u.a. bei der Wohnungssuche, Vermittlung zu Integrationskursträgern, in behördlichen Angelegenheiten, bei der finanziellen Absicherung des Lebensunterhalts, bei Arbeitssuche und Berufswahl sowie der berufsbezogenen Sprachförderung und der beruflichen Fortbildung. Die JMD unterstützen im Schwerpunkt bei der sozialen und beruflichen Integration.
Zu 1.11 gilt in Brandenburg ergänzend:
a) Im Rahmen der Beratung soll zudem darauf hingewiesen werden, dass die Vorlage von Reisepapieren oder sonstigen Identitätsdokumenten, auch soweit diese erkennbar bereits längere Zeit im Besitz der Betroffenen gewesen sind, nicht zum Nachteil gereicht. Insoweit wird auf Ziffer 1.8 sowie den Gesetzeszweck verwiesen.
Der Betroffene sollte zudem darauf hingewiesen werden, dass die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG nicht verlängerbar ist (
einmalige
Erteilung), ein Wechsel während des Aufenthalts auf der Grundlage des § 104c AufenthG nur in die §§ 25a oder 25b AufenthG möglich ist, die Erwerbstätigkeit mit Erhalt des Titels gestattet und ein Familiennachzug grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Zur Erlangung eines Platzes in einem Integrationskurs, kann auf das Online-Tool „BAMF NAvI“ aufmerksam gemacht werden, dieses ist unter
https://bamf-navi.bamf.de
abrufbar. Unter diesem Link können auch Standorte der Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) sowie Jugendmigrationsdienste abgerufen werden. Auch das Goethe-Institut bietet unter
https://www.goethe.de/de/spr/kup/deu.html
Übungsmaterial zum Spracherwerb sowie zur Vorbereitung auf den Deutsch-Test für Zuwanderer an.
Zur individuellen Beratung kann auf das Programm „Telefon- und Videodolmetschen in Brandenburg“ zurückgegriffen werden.
Über die erfolgte Beratung nach § 104c Abs. 4 AufenthG und Aushändigung des Merkblatts, welches übersetzt in diverse Sprachen mit Information Nr. 2 vom 2. Januar 2023 zur Kenntnis gebracht wurde, empfiehlt es sich einen Aktenvermerk in die Ausländerakte aufzunehmen.
b) Hinsichtlich der Prüfung des Tatbestandsmerkmals „überwiegende Sicherung des Lebensunterhalts“ beim Übergang in eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG gelten die Anwendungshinweise zu § 25b AufenthG des BMI, welche mit Information Nr. 19 vom 31.05.2016 zur Kenntnis gegeben wurden. Von einer überwiegenden Sicherung des Lebensunterhalts ist auszugehen, wenn trotz Bezug von Sozialleistungen die Einnahmen aus der Erwerbstätigkeit überwiegen, vgl.
OVG Brem Beschluss vom 22.11.2010 - 1 B 154/10.
Soweit der Lebensunterhalt zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung noch nicht überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert werden kann, lässt § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthG eine Prognoseentscheidung zu. Dabei muss hinreichend wahrscheinlich sein, dass der Lebensunterhalt vollständig gesichert werden wird. Diese Prognoseentscheidung fällt in der Regel positiv aus, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass die wirtschaftliche Integration in die Lebensverhältnisse in Deutschland gelingen wird. Hierbei sind zum einen die bisherige Erwerbsbiografie, der Schul- und Ausbildungsstand, Deutschkenntnisse oder ein konkretes Arbeitsplatzangebot mit zu berücksichtigen. Auch hinreichend sichere Berufsaussichten eines anderen Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft, die den Lebensunterhalt der gesamten Bedarfsgemeinschaft potentiell sichern kann, können mit in die Prognoseentscheidung eingestellt werden.
Beruht die Entscheidung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf § 25b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Alt. 2 AufenthG (Prognoseentscheidung), soll die Aufenthaltserlaubnis zunächst auf ein Jahr befristet werden. Dies gewährleistet, dass der Eintritt oder positive Verlauf des prognostizierten Ereignisses engmaschig begleitet und überprüft werden kann (u.a. befristetes Arbeitsverhältnis mit Aussicht auf Verlängerung, konkretes Arbeitsplatzangebot). Soweit das Ergebnis der Prognose ist, dass die Sicherung des Lebensunterhalts entsprechend § 2 Abs. 3 AufenthG aufgrund der Umstände derzeit noch nicht wahrscheinlich aber möglich ist, kann die Aufenthaltserlaubnis auch mit einer kürzeren Befristung versehen werden, diese sollte jedoch sechs Monate nicht unterschreiten. Auf den notwendigen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist der Begünstigte hinzuweisen.
1.12 Sonstige Rechtsfolgen bei Titelerteilung
Inhaber eines Chancen-Aufenthalts unterliegen keiner wohnsitzbeschränkenden Auflage kraft Gesetzes nach § 12a Abs. 1 AufenthG.
Zu 1.12 gilt in Brandenburg ergänzend:
Soweit der Lebensunterhalt des Begünstigten nach § 104c AufenthG nicht gesichert ist (Bezug von Leistungen nach dem SGB II oder XII), kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 12 Abs. 2 AufenthG mit einer Wohnsitzauflage verfügt werden. Insoweit wären die Ausführungen unter Nr. 12.2.5.2.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVV zum AufenthG) zu beachten. Diese sind grundsätzlich bei der Ermessensausübung zur Anwendung zu bringen, weil § 104c AufenthG gem. § 104c Abs. 3 S. 2 AufenthG ein humanitärer Titel entsprechend des 2. Kapitels Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes ist. Die Konkretisierung der Beschränkung der Wohnsitzverpflichtung ist hierbei Teil der Ermessensentscheidung. Insoweit können auch integrationspolitische Erwägungen mit eingestellt werden, sowohl was den individuellen Bedarf des Begünstigten betrifft als auch das vorhandene Angebot (Integrationskurse, Arbeitsmarktzugang, Wohnraum, Kinderbetreuungsmöglichkeiten etc.) im Landkreis bzw. in der kreisfreien Stadt. Das Verfahren zum Wechsel des Wohnsitzes nach Nr. 12.5.2.4 bis 12.2.5.2.5 AVV zum AufenthG findet Anwendung. Die vorgenannten Erwägungen sind mit dem Gesetzeszweck in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. Eine Wohnsitzverpflichtung darf nicht dazu führen, dass konkrete Beschäftigungsverhältnisse nicht eingegangen werden können.
Ein Familiennachzug zum Titelinhaber ist nach der Regelung in § 29 Abs. 3 S. 3 ausgeschlossen.
Beim Chancen-Aufenthaltsrecht handelt es sich um eine Aufenthaltserlaubnis, so dass eine etwaig bestehende Abschiebungsandrohung nicht nur gehemmt wird. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG führt daher dazu, dass die Abschiebungsandrohung ebenso wie die Duldung erlischt, da beide Maßnahmen ein Fortbestehen der Ausreisepflicht voraussetzen (§§ 58 Abs. 1 Satz 1,60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 50 Abs. 1 AufenthG).
Hierzu gilt in Brandenburg ergänzend:
Soweit bereits eine Meldung zum Vollzug der Abschiebung nach §§ 4, 3 Nr. 6 AuslRZV an die Zentrale Ausländerbehörde (ZABH) ergangen ist, ist diese unverzüglich unter Angabe des Grundes (Titelerteilung nach § 104c AufenthG) zurückzuziehen. Bereits zum Zeitpunkt der Antragstellung ist die ZABH formlos hierüber zu informiert werden, soweit der Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist, etwa, weil er allein dazu dient, den Vollzug der Abschiebung zu verhindern.
1.13 Ausstellung des Chancen-Aufenthaltstitels als Ausweisersatz
Das Chancen-Aufenthaltsrecht soll einem geduldeten Ausländer nach § 104c AufenthG u.a. abweichend von § 5 Absatz 1 Nummer 1a und Nummer 4 AufenthG erteilt werden (vgl. § 104c Absatz 1 Satz 1 AufenthG). Die Klärung der Identität sowie die Erfüllung der Passpflicht sind demnach keine Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht. Vielmehr soll die 18-monatige Gültigkeitsdauer des Chancen-Aufenthalts dazu genutzt werden, diese Voraussetzungen für die Erteilung eines Anschlusstitels nach §§ 25a oder 25b AufenthG zu erfüllen. Damit die Inhaber des Chancen-Aufenthaltsrechts ihren ausweisrechtlichen Pflichten in der Bundesrepublik Deutschland genügen, sollte die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG bei Ausländern, die keinen anerkannten und gültigen Pass oder Passersatz vorlegen, als Ausweisersatz bezeichnet werden.
Der Gesetzgeber hat hinsichtlich des Chancen-Aufenthalts in § 104c AufenthG bereits die grundsätzliche Entscheidung getroffen, von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen der geklärten Identität und der Passpflicht abzusehen. Daher ist es folgerichtig, auch die Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG als Ausweisersatz auszustellen. Bei der in § 48 Absatz 2 AufenthG geregelten Voraussetzung, zur Erfüllung der Ausweispflicht alles Zumutbare zur Erlangung eines Passes oder Passersatzes zu unternehmen, sind an die Zumutbarkeit entsprechend dem Zweck des § 104c AufenthG nur eingeschränkt hohe Anforderungen zu stellen.
Diese Wertung steht im Einklang mit der schon jetzt bestehenden Rechtslage: § 5 Absatz 3 AufenthG sieht bei Inhabern humanitärer Aufenthaltstitel die Möglichkeit vor, von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der geklärten Identität und der Passpflicht abzusehen, und zwar bei bestimmten Titeln (§ 24, § 25 Absatz 1 bis 3, § 25 Absatz 4a und 4b AufenthG) als gebundene Entscheidung sowie in den übrigen Fällen der Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels im Ermessen.
Bis zur Aushändigung des eAT soll dem Ausländer sein bisheriges Duldungsdokument (mit Lichtbild) belassen werden, um sich zusammen mit dem einfachen Behördenschreiben zur Titelerteilung nach § 104c AufenthG ausreichend identifizieren zu können.
2. Übergang vom Chancen-Aufenthalt in die Bleiberechtstitel der §§ 25a, 25b AufenthG
2.1 Allgemein
Durch die Änderung von § 25a AufenthG im Zuge des Chancen-Aufenthaltsrechtsgesetzes sollen gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige bereits nach drei Jahren Aufenthalt in Deutschland sowie bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten. Dies entspricht dem Ziel, die Bleiberechte gerade den langjährig Geduldeten zu ermöglichen, die sich trotz des unsicheren Status einer Duldung gut in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert haben. Ergänzend wurde neu geregelt, dass der Ausländer bei Antragstellung bereits seit zwölf Monaten geduldet gewesen sein muss, um angesichts der verkürzten Voraufenthaltszeit Fälle eines nahezu unmittelbaren Übergangs vom Asylverfahren in ein Bleiberecht zu vermeiden. In Fällen, in denen geduldete Ausländer einen Antrag auf § 25a AufenthG vor Inkrafttreten des Chancen-Aufenthaltsrechtsgesetzes gestellt haben und die Erteilungsvoraussetzungen vorgelegen haben, ist bei der Entscheidung auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Antrag-stellung abzustellen. Für Inhaber eines Chancen-Aufenthaltsrechts, die kraft Gesetzes bereits einen mindestens fünfjährigen Voraufenthalt in Deutschland haben, gilt das Erfordernis der Vorduldungszeit ausdrücklich nicht. Ferner wurde die bereits in § 25b Absatz 3 bestehende Härtefallklausel für die Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration im Falle einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG übertragen, so dass auch Jugendliche und junge Volljährige von der Härtefallklausel profitieren können.
Um besondere Integrationsleistungen von geduldeten Menschen zu würdigen, werden die in § 25b AufenthG vorgesehenen Voraufenthaltszeiten ebenfalls reduziert. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG soll somit bereits nach sechs beziehungsweise vier Jahren (sofern minderjährige ledige Kinder in häuslicher Gemeinschaft leben) möglich sein.
Aus den verkürzten Voraufenthaltszeiten könnte sich die Möglichkeit ergeben, dass ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG beantragt, bereits für einen Bleiberechtstitel der §§ 25a, 25b AufenthG in Betracht kommt. Der Ausländer sollte ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen werden.
Zeiten der Duldung, in denen der Ausländer im Besitz einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität war, werden gemäß § 60b Absatz 5 Satz 1 AufenthG unverändert nicht für eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b angerechnet. Geduldete sollen insoweit nicht von Vorduldungszeiträumen profitieren können, in denen sie nicht zur Klärung ihrer Identität beigetragen haben. Anderes gilt nur für Inhaber des Chancen-Aufenthaltsrechts, die ihre Identitätsklärung innerhalb des 18-monatigen Erteilungszeitraums nachgeholt haben.
2.2 Wechsel in die §§ 25a, 25b AufenthG
Die Erteilung eines Bleiberechtstitels im Anschluss an den Chancen-Aufenthalt hängt davon ab, ob die Voraussetzungen und Anforderungen der §§ 25a, 25b AufenthG erfüllt sind; der Antrag ist noch vor Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG zu stellen. Die materiellen Voraussetzungen bleiben im Übrigen nahezu unverändert. Für Inhaber des Chancen-Aufenthaltsrechts sind die in § 25a Absatz 5 und 6 bzw. § 25b Absatz 7 und 8 AufenthG festgelegten Sonderregelungen zur Identitätsklärung und zur Anrechnung von Vorduldungszeiten zu beachten (s. oben 1.4 und im Weiteren 2.3).
Straftaten, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG aufgrund der Regelung in § 104c Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 unbeachtlich waren, hindern auch nicht die anschließende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß den §§ 25a, 25b AufenthG. Eine Straffälligkeit, die sich während der Gültigkeitsdauer des Chancen-Aufenthalts ergeben hat, könnte allerdings gemäß § 5 Absatz 1 Nummer 2 AufenthG zu einer Versagung des Bleiberechts führen, ggf. auch zu einer Verkürzung oder einem Widerruf der Chancen-Aufenthaltserlaubnis oder zu einer Ausweisung. Jedenfalls bei Straftaten, die erkennbar deutlich über dem für die Erteilung des § 104c AufenthG genannten Rahmen liegen wird das grundsätzlich der Fall sein. Die Folgen sind jeweils im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu bewerten. Die für humanitäre Aufenthaltserlaubnisse geltende Ermessensregelung des § 5 Absatz 3 Satz 2 ist dabei stets zu beachten.
Ob eine nachhaltige Integration erfolgte, kann nicht schematisch beurteilt werden, sondern beruht auf einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.
Zu 2.2 gilt in Brandenburg ergänzend:
Die Ausführungen unter Ziffer 6.2 ff. der Allgemeinen Weisung Nr. 8 vom 7. Dezember 2020 (Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen an gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende und an deren Familienangehörige nach § 25a AufenthG) sind zu beachten.
Im Übrigen ist auch beim Wechsel vom Chancen-Aufenthaltsrecht in das Bleiberecht § 79 Absatz 2 AufenthG zu beachten.
2.3 Geklärte Identität nach § 25a Absatz 6 und § 25b Absatz 8
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis setzt in der Regel nach § 5 Absatz 1 Nummer 1a AufenthG voraus, dass die Identität des Ausländers geklärt ist. Von dieser Regelerteilungsvoraussetzung kann bei Aufenthaltstiteln aus humanitären Gründen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes gemäß § 5 Absatz 3 Satz 2 AufenthG abgesehen werden. Für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG ist Voraussetzung für den Wechsel in ein Bleiberecht, dass die Voraussetzungen des § 5 Absatz 1 Nr. 1a AufenthG erfüllt sind. Sofern der Ausländer jedoch alle erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen zur Identitätsklärung ergriffen hat, die Identität aber - beispielsweise, weil die zuständige Auslandsvertretung des entsprechenden Herkunftslandes nicht die erforderlichen Dokumente ausstellt oder beantragte Dokumente nicht bis zum Ablauf der Chancen-Aufenthaltserlaubnis eingetroffen sind - nicht zur Überzeugung der Ausländerbehörde feststeht, kann die Behörde im Ermessen hiervon absehen.
Zu 2.3 gilt in Brandenburg ergänzend:
a) Wenn die Identität bis zum Ablauf der Chancen-Aufenthaltserlaubnis nicht zur Überzeugung der Ausländerbehörde feststeht, weil beantragte Dokumente (noch) nicht vorliegen, ist die Entscheidung zunächst auszusetzen. Dies gilt insbesondere dann, wenn alle sonstigen Voraussetzungen nach §§ 25a oder 25b AufenthG vorliegen. Der potentiell Begünstigte muss jedoch nachvollziehbar darlegen, dass er alle ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat und die noch ausstehenden Nachweise innerhalb einer Frist von einem Monat nachgereicht werden können.
b) Sofern zur Erlangung eines Reiseausweises die persönliche Vorsprache des Betroffenen bei Behörden seines Herkunftsstaates zwingend erforderlich ist, kann seitens der zuständigen Ausländerbehörde ein befristeter Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Die Befristung ist so zu fassen, dass der Betroffene alle notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Reiseausweises in seinem Herkunftsstaat vornehmen kann.
Den Nachweis seiner Identität hat der Ausländer in erster Linie und in der Regel durch Vorlage eines anerkannten und gültigen Passes oder Passersatzes (Passpapiere) zu führen. An der Echtheit der Dokumente dürfen keine Zweifel bestehen.
Sofern der Ausländer Passpapiere nicht in zumutbarer Weise erlangen kann, sollte sich das weitere Verfahren an dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 (Az. 1 C 36/19) in einem Einbürgerungsverfahren orientieren, das ein Stufenmodell zur Klärung der Identität vorsieht. Hiernach ist die Klärung der Identität jeweils bei Unmöglichkeit bzw. Unzumutbarkeit der Beibringung eines Passes, bestimmter amtlicher Dokumente oder sonstiger nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz zugelassener Beweismittel jeweils in der nachfolgenden Stufe möglich.
Es wird auf die Information Nr. 56 vom 26. August 2021, insbesondere Anlage 2, verwiesen.
Bei der Prüfung der Umstände, ob ein Ausländer Passpapiere in zumutbarer Weise erlangen kann, sind zunächst die in der Rechtsordnung geregelten Anforderungen zu beachten, die in § 5 der AufenthV hinsichtlich der Ausstellung eines Reiseausweises als Passersatz, in § 56 der AufenthV hinsichtlich der ausweisrechtlichen Pflichten, in § 48 AufenthG hinsichtlich der Passvorlagepflicht sowie weiterer Mitwirkungspflichten und in § 60b AufenthG hinsichtlich der besonderen Passbeschaffungspflicht für vollziehbar Ausreisepflichtige angelegt sind. Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit ist stets eine Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Aufgrund der Personal- und Passhoheit des Herkunftsstaates ist ein strenger Maßstab anzulegen. Danach können amtliche Dokumente wie Passpapiere in zumutbarer Weise aus objektiven Gründen nicht erlangt werden, wenn dies aus tatsächlichen Gründen nicht möglich ist, z.B. Nichtvorhandensein von Vordrucken aufgrund einer Pandemie mit dauerhaft gestörten Lieferketten. Hierbei sind aus Gründen der völkerrechtlichen Personal- und Passhoheit internationale Maßstäbe und die humanitären Ziele der gesetzlichen Änderungen zu berücksichtigen.
Eine subjektive Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Herkunftsstaats zu bemühen, kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn im konkreten Fall Erkenntnisse dafür vorliegen, dass der Ausländer selbst oder im Herkunftsland lebende Angehörige durch den Kontakt zu staatlichen Stellen des Herkunftslandes gefährdet werden würden. Hierbei sind die Schwere der besonderen Gefährdungs- und Verfolgungsumstände, die verstrichene Zeit nach Ausreise sowie weitere Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Die Gebührenhöhe ist für die Annahme einer Unzumutbarkeit nicht ausreichend.
Es gilt der Grundsatz, dass eine Vorsprache bei den zuständigen Stellen des Herkunftsstaats zur Erlangung von Passdokumenten als grundsätzlich zumutbar anzusehen ist und eine entsprechende Vorsprache des Ausländers durch die Ausländerbehörde im Einzelfall zu prüfen ist. Eine pauschale Behauptung der Unzumutbarkeit der Kontaktaufnahme zu Behörden des Herkunftsstaats kann diesen Grundsatz nicht entkräften.
Ist ein Ausländer nicht im Besitz von Passpapieren als international anerkannte amtliche Identitätsdokumente und ist ihm deren Erlangung trotz hinreichender Bemühungen objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, kann er seine Identität auch mittels anderer geeigneter amtlicher Dokumente nachweisen.
Hierfür sind insbesondere amtliche Dokumente geeignet, bei deren Ausstellung Gegenstand der Überprüfung auch die Richtigkeit der Verbindung von Person und Name ist, insbesondere wenn diese mit einem Lichtbild versehen sind. Dokumenten mit biometrischen Merkmalen kommt ein höherer Beweiswert zu als solchen ohne diese Merkmale.
Ist der Ausländer auch nicht im Besitz solcher amtlichen Dokumente des Herkunftsstaats und ist ihm deren Erlangung trotz hinreichender Mitwirkung objektiv nicht möglich oder subjektiv nicht zumutbar, so kann er sich zum Nachweis seiner Identität sonstiger zugelassener Beweismittel bedienen. Hierzu zählen insbesondere nichtamtliche Dokumente des Herkunftsstaats oder amtliche Dokumente eines dritten Staats, die im Einzelfall geeignet sind, die Angaben zu seiner Person zu belegen.
Die Identität des Ausländers gilt als geklärt im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 1a AufenthG, wenn die Angaben zur Person auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des gesamten Vorbringens des Ausländers zur Überzeugung der Ausländerbehörde feststehen.
Im Rahmen der freien Beweiswürdigung nach § 24 VwVfG bzw. § 108 VwGO muss die Ausländerbehörde eine volle Überzeugung von der Richtigkeit der angegebenen Personalien im Sinne einer Wahrheit und nicht nur ihrer Wahrscheinlichkeit erlangt haben. Dabei dürfen keine unerfüllbaren Beweisanforderungen gestellt und keine unumstößliche Gewissheit verlangt werden, sondern es genügt in tatsächlich zweifelhaften Fällen für die Überzeugungsbildung ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, auch wenn sie nicht völlig auszuschließen sind (vgl. BVerwG, NVwZ 2021, 494 Rn. 20; BVerwGE 71, 180, (181)).
Ein Reiseausweis für Ausländer kann insbesondere dann in diesem Zusammenhang erteilt werden, wenn der Ausländer eine Ausreise aus dem Bundesgebiet beabsichtigt, um einen Pass seines Heimatstaates zu erlangen, soweit die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis vorliegen, und es unzumutbar ist, ein Rückreisedokument seines Heimatstaates zu erhalten. Die Gültigkeitsdauer eines Reiseausweises für Ausländer soll sich auf die voraussichtliche Dauer des Verfahrens der Passbeschaffung beschränken.
2.4 Überwiegende Lebensunterhaltssicherung bzw. positive Prognoseentscheidung
Nach § 25b Absatz 1 Satz 2 Nummer 3 AufenthG muss der Ausländer entweder seinen Lebensunterhalt überwiegend durch Erwerbstätigkeit sichern oder es muss bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten sein, dass die Person ihren Lebensunterhalt im Laufe der Zeit selbst sichern wird. Dies kann z.B. angenommen werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt oder die Schul-, und Berufsausbildung sowie die bisherigen Integrationsleistungen in Sprache und Gesellschaft nahelegen, dass der Lebensunterhalt gesichert sein wird. Die Tatsache, dass ein Arbeitsvertrag befristet ist, kann eine negative Prognose hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung überwiegend durch Erwerbstätigkeit allein nicht begründen.
Beim Übergang vom Chancen-Aufenthalt in den Folgetitel des § 25b AufenthG sollte der Aspekt der langfristigen und nachhaltigen Arbeitsmarktintegration z.B. durch eine Teilnahme an berufsabschlussorientierten Maßnahmen besonders gewürdigt werden.
3. Integrationsmaßnahmen
3.1 Möglichkeit der Verpflichtung zum Integrationskurs
Die Erteilung eines regulären Aufenthaltstitels nach § 25b AufenthG setzt bei Ausländern nach Vollendung des 27. Lebensjahres regelmäßig voraus, dass der Ausländer über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 des Gemeinsamen Europäische Referenzrahmens für Sprachen (GER) verfügt. Der Nachweis dieser Kenntnisse hat dabei nicht zwingend durch Vorlage eines Sprachzertifikats zu erfolgen.
Er ist beispielsweise auch dann erbracht, wenn der Ausländer bereits längere Zeit im Berufsleben gestanden hat und Gespräche bei der Ausländerbehörde ohne Zuhilfenahme von Dolmetschern geführt werden können oder er den erfolgreichen Besuch einer deutsch-sprachigen Schule, den Abschluss einer deutschen Berufsbildung oder eines deutsch-sprachigen Studiums an einer deutschsprachigen (Fach-)Hochschule nachweisen kann.
Zu 3.1 gilt in Brandenburg ergänzend:
Die hinreichenden mündlichen Deutschkenntnisse im Sinne des Niveaus A 2 GER können auch ohne gesonderte Vorsprache bei der Ausländerbehörde nachgewiesen werden, wenn in der Vergangenheit einfache Gespräche in der Ausländerbehörde ohne Inanspruchnahme eines Dolmetschers geführt werden konnten. Entsprechendes gilt bei einem nachgewiesenen mindestens vierjährigen erfolgreichen Besuch einer deutschsprachigen Schule, dem Erwerb eines Hauptschul- oder gleichwertigen deutschen Schulabschlusses oder der Versetzung in die 10. Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule, vgl. BT-Drs. 18/4097, 43.
Der Abschluss eines Integrationskurses ist damit grundsätzlich nicht Voraussetzung für die Erteilung des Aufenthaltstitels. Das Ziel-Sprachniveau eines Integrationskurses ist zudem B 1 GER. Nachdem sich der Personenkreis am 31.10.2022 bereits fünf Jahre in Deutschland aufgehalten haben muss, kann bei einem Teil der Personen vermutlich vom Vorhandensein grundlegender Deutschkenntnisse ausgegangen werden. Der Schwerpunkt der Bemühungen des Ausländers dürfte sich in diesen Fällen auf Erreichen der übrigen Voraussetzungen richten. Die Teilnahme am Integrationskurs wäre dann nicht zweckmäßig.
Falls gleichwohl keinerlei Deutschkenntnisse vorliegen und nicht zu erwarten ist, dass der Antragsteller diese selbständig erlangt und insofern die zwingende Notwendigkeit der Teilnahme an einem Sprachkurs gesehen wird, dürfte von einem besonderen Integrationsbedarf auszugehen sein. Insofern kann die Verpflichtung des Ausländers zur Teilnahme an einem Integrationskurs gemäß § 44a Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 AufenthG zweckmäßig sein. Damit können Verzögerungen beim Zugang zum Integrationskurs vermieden werden. Es ist eine Abwägung im Einzelfall empfehlenswert, ob die Verpflichtung zum Integrationskurs notwendig erscheint. Der Besuch eines Integrationskurses kann sinnvoll oder erforderlich sein, um die Voraussetzung einer überwiegenden Lebensunterhaltssicherung bzw. positiven Prognoseentscheidung erfüllen zu können. Für Ausländer, die mit der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG Leistungsberechtigte nach dem SGB II werden, können die Jobcenter in sorgfältiger Abwägung der individuellen Integrationsstrategie eine Teilnahme am Integrationskurs vorsehen und eine Zulassung zur Teilnahme ausstellen.
3.2 Hinweise an Antragsteller: Zugang zum Integrationskurs
Die Teilnahme am Integrationskurs kann bei der Erlangung der erforderlichen Sprachkenntnisse unterstützen.
Titelinhaber von § 104c AufenthG haben auf Antrag einen Zugang zum Integrationskurs. Ein solcher Antrag kann bei der für den Wohnort zuständigen Regionalstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge eingereicht werden. Welche Regionalstelle zuständig ist und wo Integrationskurse angeboten werden, lässt sich mit Hilfe des Auskunftssystems BAMF-NAvI ermitteln (https://bamf-navi.bamf.de/de/). Der Antrag auf Zulassung kann auch über die Träger der Integrationskurse gestellt werden. Diese beraten gerne und können als erste Ansprechpartner genutzt werden.
Für die Teilnahme am Integrationskurs muss grundsätzlich ein Kostenbeitrag gezahlt werden. Unter bestimmten Voraussetzungen können Teilnehmer vom Kostenbeitrag befreit werden, zum Beispiel beim Bezug von Sozialleistungen oder wenn die Person aus anderen Gründen finanziell bedürftig ist. Seit dem 1. Mai 2023 können auch Beschäftigte, deren Bruttoentgelt einen bestimmten Betrag nicht übersteigt, auf Antrag und gegen Vorlage aktueller Nachweise von der Kostenbeitragspflicht befreit werden (§ 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 Integrationskursverordnung). Die Befreiung vom Kostenbeitrag kann bei einer Regionalstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge beantragt werden.
3.3 Individuelle Beratung, Unterstützung und Begleitung
Die Ausländerbehörden sollen auf die Beratung durch Agenturen für Arbeit, Jobcenter, Jugendberufshilfe und weitere Anlaufstellen hinweisen. Geduldete mit der Erlaubnis zur Aufnahme einer Beschäftigung können bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen von den Agenturen für Arbeit mit Instrumenten der aktiven Arbeitsförderung oder der Vermittlung in einen Berufssprachkurs (in bestimmten Fällen auch einen Integrationskurs) unterstützt werden. Bei entsprechender Verweisung durch die Ausländerbehörden kann bereits die Wartezeit bis zur Erteilung des Aufenthaltstitels nach § 104c AufenthG sinnvoll genutzt werden.
Die Bundesregierung stellt Beratungs- und Unterstützungsangebote unter anderem mit der MBE und den JMD (s.o. unter 1.11) sowie den ESF_Plus-Programmen „WIR“ und „MYTURN“ zur Verfügung. Im Programm „WIR“ sind u.a. Schulungsmaßnahmen vorgesehen für Einrichtungen der öffentlichen Verwaltung, Betriebe sowie für sonstige Stellen, die mit der Zielgruppe in Kontakt stehen. Ziele der Förderung sind Maßnahmen zur Arbeitsmarktintegration der Zielgruppe mit dem Ziel der Aufnahme einer Beschäftigung und / oder Ausbildung, der (Wieder-)Aufnahme des Schulbesuchs, der Begleitung des Übergangs Schule-Beruf und der Förderung der Beschäftigungsfähigkeit.
Eine WIR-Projektliste mit Ansprechpartnern vor Ort ist hier abrufbar:
https://www.esf.de/portal/SharedDocs/PDFs/DE/Programme-2021-2027/BMAS/wir_pro-jektliste.pdf?__blob=publicationFile&v=4. 4. Folgen bei Nichterfüllung der Voraussetzungen nach §§ 25a,25b AufenthG
4. Folgen bei Nichterfüllung der Voraussetzungen nach §§ 25a,25b AufenthG
Titelinhaber nach § 104c AufenthG, die zum Geltungsablauf des Aufenthaltstitels die notwendigen Voraussetzungen für einen Titel nach § 25a oder § 25b AufenthG nicht erfüllen, werden danach wieder vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht entsteht nach § 50 Abs. 1 AufenthG, da der Ausländer einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 AufenthG vollziehbar (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG). Soll der Ausländer abgeschoben werden, müssen jedoch die Voraussetzungen hierfür erneut geprüft werden (vollziehbare Ausreisepflicht, Ausreisefrist nicht gewährt oder abgelaufen, freiwillige Ausreise nicht gesichert, kein Duldungstatbestand nach den §§ 60a bis 60d AufenthG erfüllt). Liegen die bezeichneten Voraussetzungen vor, hat die Ausländerbehörde den Ausländer abzuschieben. Liegen jedoch die Voraussetzungen für eine Duldung vor, so ist diese nach den §§ 60a bis 60d AufenthG zu erteilen. Es handelt sich konkret um die Erteilung einer neuen Duldung nach erneuter Prüfung der Voraussetzungen. Diese weitere Duldung kann auch auf anderen Gründen beruhen als diejenige Duldung, die dem Ausländer vor Erteilung des Chancen-Aufenthaltsrechts erteilt worden war.
Zu 4. gilt in Brandenburg ergänzend:
Soweit der Titelinhaber nach § 104c AufenthG zum Geltungsablauf des Aufenthaltstitels nicht die notwendigen Voraussetzungen für einen Anschlusstitel nach §§ 25a oder 25b AufenthG erfüllt, ist die Ausländerbehörde gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 Ausländerrechtzuständigkeitsverordnung (AuslRZV) für die vorgenannten ausländerrechtlichen Maßnahmen zuständig, in deren Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen Aufenthalt genommen hat. Da Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG grundsätzlich keiner Wohnsitzbeschränkung unterliegen, können sie einen rechtmäßigen Aufenthalt an einem anderen Ort als dem ihrer Zuweisungsentscheidung begründen. Dies gilt auch für länderübergreifende Sachverhalte. Die Ausführungen unter Ziffer 1.12 (Wohnsitzauflage bei nicht gesicherten Lebensunterhalt) bleiben hiervon unbenommen.
Auf den erneuten Rechtskreiswechsel vom SGB II oder XII in das Asylbewerberleistungsrecht (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 AsylbLG) wird hingewiesen.
5. AZR-Speichersachverhalte
Damit die mit der Durchführung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften betrauten Behörden die Erteilung eines „Chancen-Aufenthaltsrechts“ im Ausländerzentralregister (AZR) speichern können, ist im Zuge der Dritten Verordnung zur Änderung der AZRG-Durchführungsverordnung eine Ergänzung der Anlage der AZRG-Durchführungsverordnung (AZRG-DV) erfolgt. Mit der technischen Umsetzung der neu eingeführten Speichersachverhalte wurde die Erfassung der neuen Aufenthaltserlaubnisse im AZR durch die Ausländerbehörden ermöglicht.
6. Statistik
Ab dem 1. Juli 2024 sind nachfolgende Daten, differenziert nach Staatsangehörigkeit, quartalsmäßig dem Fachreferat zu melden:
Anzahl der Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG
Anzahl der abgelehnten Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG
Anzahl der erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG im Anschluss eines Aufenthaltshalts nach § 104c AufenthG
Anzahl der erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG im Anschluss eines Aufenthaltshalts nach § 104c AufenthG
Anzahl der Personen, die nach einem erlaubten Aufenthalt nach § 104c AufenthG (erneut) vollziehbar ausreisepflichtig geworden sind
Die erste Meldung wird zum 31. März 2024 an das Funktionspostfach
auslaenderangelegenheiten@mik.brandenburg.de
erbeten. Für die Meldung ist die dieser Allgemeinen Weisung als Anlage beiliegende Tabelle zu verwenden.
II. Inkrafttreten
Diese Allgemeine Weisung tritt mit Veröffentlichung in Kraft. Die Regelungen dieser Allgemeinen Weisung treten zum 30.06.2027 außer Kraft.
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