Gemeinsame Empfehlungen des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Vermeidung und Beseitigung von Wohnungsnotfällen
Gemeinsame Empfehlungen
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt,
des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung
und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
zur Vermeidung und Beseitigung von Wohnungsnotfällen
Vom 10. März 2021
Inhaltsübersicht
I.
Allgemeines
II.
Zusammenarbeit
III.
Begriffe
IV.
Vermeidung von Wohnungsnotfällen
V.
Überwindung von Wohnungsnotfällen
VI.
Unterbringung von Wohnungslosen
VII.
Ergänzende Leistungen
VIII.
Inkrafttreten
Das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, das Sächsische Staatsministerium für Regionalentwicklung und das Sächsische Staatsministerium des Innern empfehlen, bei Angelegenheiten von wohnungslosen beziehungsweise von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen wie folgt zu verfahren:
I. Allgemeines
Die Empfehlungen befassen sich mit Maßnahmen zum Schutz von wohnungslosen oder von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen und deren Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Sie sollen den zuständigen Behörden als Orientierungshilfe dienen.
Dem Problem der Wohnungslosigkeit ist am besten mit vorbeugenden Maßnahmen zu begegnen. Für Fälle, bei denen es trotz vorbeugender Maßnahmen zur Wohnungslosigkeit kommt, enthalten die Empfehlungen Hinweise für die örtlichen Behörden, wie die Probleme bewältigt werden können. Hierzu ist vor allem eine enge Zusammenarbeit mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie den öffentlichen Trägern von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) sowie mit den die Hilfe erbringenden freien Trägern erforderlich.
II. Zusammenarbeit
Die Integration und wirksame Unterstützung von Personen, bei denen ein Wohnungsnotfall vorliegt, erfordert intensive Sozialarbeit, das heißt intensive und persönliche Betreuung nach spezifischen Vorgehensweisen entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles sowie die Mitwirkung der Betroffenen. Dabei ist ein enges Zusammenwirken der Träger der Sozialhilfe mit anderen Stellen, insbesondere den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege beziehungsweise den die Hilfe erbringenden Trägern sowie den Trägern anderer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch unerlässlich (siehe §§ 4, 5 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
).
Hierzu gehören insbesondere
•
Ausländerbehörde
•
Bauamt und Amt für Stadtsanierung
•
Beratungsdienste (beispielsweise Familienhilfe, Psychosoziale Beratungs- und Behandlungsstelle, Erziehungs-, Sucht- oder Schuldnerberatung)
•
Betreuungsbehörde
•
Gerichtshilfe
•
Gesundheitsamt
•
Jugendamt
•
Jobcenter
•
medizinische Einrichtungen
•
Ortspolizeibehörde
•
Sozialpsychiatrischer Dienst
•
Sozialversicherungsträger
•
Straffälligenhilfe
•
Wohnungsamt und Wohnungsunternehmen, insbesondere kommunale und genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften
•
Wohnungsnotfallhilfe
Um die gemeinsame Durchführung von Maßnahmen zu beraten und konkrete Konzepte für die Unterstützung dieses Personenkreises zu erarbeiten und den notwendigen Informationsaustausch zu erleichtern, sollen örtliche Arbeitsstrukturen/regionale Netzwerke gebildet werden. Die erarbeiteten Wohnungsnotfallkonzepte sollen konkrete Zielsetzungen verbunden mit Beschreibungen der Leistung enthalten.
III. Begriffe
1.
Wohnungsnotfall
Soweit Menschen wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind oder sich in einer ähnlichen Situation befinden, handelt es sich nach der Definition des Deutschen Städtetages (vgl. Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V. (2017): Fachlexikon der Sozialen Arbeit, Berlin S. 992 ff.) um einen Wohnungsnotfall.
Als Wohnungsnotfall gelten hiernach Haushalte und Personen mit einem Wohnungsbedarf von hoher Dringlichkeit, die aufgrund besonderer Zugangsprobleme (finanzieller und/oder nicht-finanzieller Art) zum Wohnungsmarkt der besonderen institutionellen Unterstützung zur Erlangung und zum Erhalt von angemessenem Wohnraum bedürfen.
Es werden fünf Untergruppen unterschieden:
a)
Wohnungslose,
b)
unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht,
c)
in unzumutbaren Wohnverhältnissen lebend,
d)
ehemals von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht,
e)
als Zuwanderinnen und Zuwanderer in gesonderten Unterkünften von Wohnungslosigkeit aktuell betroffen, mit (Spät-)Aussiedlerstatus in speziellen Übergangsunterkünften oder als Flüchtlinge mit Aufenthaltsstatus von länger als einem Jahr von Wohnungslosigkeit betroffen und in speziellen Übergangsunterkünften untergebracht.
2.
Notunterkunft
Notunterkünfte dienen der Unterbringung der akut von einem Wohnungsnotfall betroffenen Personen. Die Notunterkunft gewährleistet ein vorübergehendes Unterkommen einfacher Art. Sie muss den Anforderungen an eine menschenwürdige Unterbringung entsprechen sowie Raum für die notwendigsten Lebensbedürfnisse bieten, wobei Gesundheitsgefahren auszuschließen sind. In der zur Verfügung gestellten Unterkunft sind getrennte Sanitäranlagen für Frauen und Männer unerlässlich, außerdem sollten Gemeinschaftsküchen eingerichtet sein. Für die jeweilige Einrichtung ist ein Hygieneplan gemäß § 36 Absatz 1 des
Infektionsschutzgesetzes
festzulegen. Dabei soll der Rahmenhygieneplan für Gemeinschaftsunterkünfte zugrunde gelegt werden.
Eine wohnungslose Person hat einen Anspruch auf eine Unterkunft, jedoch keinen Anspruch auf
•
Räume bestimmter Art, Lage und Größe,
•
den Aufenthalt für eine bestimmte Zeitdauer,
•
Raum für berufliche Arbeit und sonstige Beschäftigung,
•
Raum zur Unterbringung von Haustieren.
Auch wenn kein Anspruch auf einen Platz zur Unterbringung von Haustieren besteht, sollte jedoch im Einzelfall (insbesondere auch bei der Unterbringung von Hunden) großzügig verfahren werden.
Als Notunterkünfte kommen Behelfsunterkünfte wie Obdachlosenunterkünfte, gemeindeeigene Unterkünfte oder Pensionen und Hotels in Betracht. Die gemeindeeigene Unterkunft ist eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde. Gemäß § 4 der Sächsischen Gemeindeordnung kann die Gemeinde die Benutzung der Unterkünfte durch Satzung regeln. Diese kann auch die Festsetzung von Gebühren nach dem Sächsischen Kommunalabgabengesetz vorsehen. Bei Aufnahme in Obdachlosenunterkünften ist gemäß § 36 Absatz 4 des
Infektionsschutzgesetzes
der Ausschluss von Lungentuberkulose erforderlich.
IV. Unterbringung von Wohnungslosen
Vorrangiges Ziel ist es, den Einritt von Wohnungsnotfällen durch präventive Maßnahmen abzuwenden. Wird dem örtlich zuständigen Träger der Sozialhilfe beziehungsweise dem örtlich zuständigen Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Jobcenter) oder der von diesen beauftragten Stelle bekannt, dass eine Klage auf Räumung von Wohnraum im Falle der Kündigung des Mietverhältnisses nach § 543 Absatz 1, 2 Satz Nummer 1 Nummer 3 in Verbindung mit § 569 Absatz 3 des
Bürgerlichen Gesetzbuches
anhängig ist (§ 36 Absatz 2 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
beziehungsweise § 22 Absatz 9 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
oder unmittelbar bevorsteht, ist unverzüglich mit den vom Wohnungsverlust bedrohten Personen Kontakt aufzunehmen. Soweit die Wohnung angemessen ist, soll die Räumung der Wohnung durch Übernahme der Mietschulden abgewendet werden (§ 36 Absatz 1 Satz 2 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
– als Beihilfe oder Darlehen, beziehungsweise § 22 Absatz 8 S. 2 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
– in der Regel als Darlehen). Falls die Wohnung nicht gehalten werden kann oder sollte, sind weitere Maßnahmen zur anderweitigen Unterbringung durch den örtlichen Träger der Sozialhilfe zu ergreifen (vergleiche Nummer VI.2). Dabei sollte jeweils eine sozialpädagogische und hauswirtschaftliche Falldiagnose als Grundlage für weitere wirtschaftliche und personenbezogene Hilfen erstellt werden.
V. Überwindung von Wohnungsnotfällen
Sofern besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind und diese nicht aus eigener Kraft überwunden werden können, besteht ein Anspruch auf Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67 ff. des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
einschließlich DVO. Dazu gehören alle Maßnahmen, die notwendig sind, um die Schwierigkeiten abzuwenden oder zu mildern, insbesondere Beratung und persönliche Betreuung für die Leistungsberechtigten und ihre Angehörigen sowie Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung. Diese Leistungen werden in der Regel durch freie Träger über entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarungen auf Grundlage des Rahmenvertrages gemäß § 80 Absatz 1 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
für den Freistaat Sachsen erbracht.
Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
sowie weitere Leistungen nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
bleiben davon unberührt.
Der Anspruch auf Übernahme der Mietkosten für eine beibehaltene Wohnung während der Inhaftierung ist nicht allein von der Haftdauer abhängig. Dazu bedarf es im Einzelfall einer Prognoseentscheidung unter Berücksichtigung der restlichen Haftdauer und der zu erwartenden Situation nach der Haftentlassung (siehe Sozialhilferichtlinien zu § 68 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
). In diesem Zusammenhang ist auch zu prüfen, ob für die Dauer der Haft die Kosten der Unterkunft durch Direktzahlung an den Vermieter übernommen werden können.
VI. Unterbringung von Wohnungslosen
1.
Zuständigkeit
Im Falle einer plötzlich auftretenden Wohnungslosigkeit ist die örtlich zuständige Gemeinde als Ortspolizeibehörde (§ 1 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes) berechtigt, Maßnahmen zum Schutz der betroffenen Person nach pflichtgemäßem Ermessen zu ergreifen (§§ 2, 12 oder 25 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes oder bei Gefahr im Verzug [§ 2 Absatz 3 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes] der Polizeiverzugsdienst gemäß §§ 2, 12 oder 31 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes).
Hierbei sind alle Umstände, insbesondere die
•
Gründe der Wohnungslosigkeit,
•
Größe des Haushalts und
•
Zahl der Kinder
zu berücksichtigen.
Die nach Nummer II. zu beteiligenden Stellen sind bei der Entscheidung über die Maßnahme hinzuzuziehen oder soweit ihre vorherige Beteiligung nicht möglich war, unverzüglich über die ergriffenen Maßnahmen zu unterrichten.
2.
Vorübergehende Unterbringung
a)
Unterbringung in Notunterkünften
Soweit mietvertraglich abgesicherter Wohnraum kurzfristig nicht zur Verfügung steht, kann die Unterbringung in Notunterkünften erfolgen. Die Räume werden der wohnungslosen Person durch privatrechtliche Vereinbarung oder durch Verwaltungsakt zugewiesen. Die zugewiesenen Räume sind genau zu bezeichnen.
Für die Benutzung gemeindeeigener Unterkünfte kann die Gemeinde eine Gebühr oder ein Entgelt entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung fordern. Soweit weder eine Gebührensatzung noch eine vertragliche Regelung vorliegt, kann die Gemeinde in entsprechender Anwendung der Bereicherungsvorschriften der §§ 812 ff. des
Bürgerlichen Gesetzbuches
ein Benutzungsentgelt verlangen, wie es üblicherweise am Ort für eine Wohnung dieser Art bezahlt wird. Dies gilt auch für sonstige unmittelbare Leistungen der Gemeinde an die wohnungslose Person (zum Beispiel: Verpflegung).
b)
Unterbringung in sichergestellten privaten Unterkünften
Sofern eine Unterbringung in einer Notunterkunft nicht möglich ist, kann eine Unterbringung in einer sichergestellten privaten Unterkunft erfolgen. Umgangssprachlich versteht man unter einer Sicherstellung privater Unterkünfte die Beschlagnahme privater Unterkünfte. Auf die näheren Erläuterungen in der Anlage zur Gemeinsamen Bekanntmachung wird verwiesen.
3.
Langfristige Unterbringung in mietvertraglich abgesichertem Wohnraum
Die langfristige Unterbringung in mietvertraglich abgesichertem Wohnraum ist oberstes Ziel aller Maßnahmen zur Integration einer wohnungslosen Person. Hilfreich sind insbesondere für Menschen mit erschwertem Zugang zum Wohnungsmarkt Angebote der kommunalen Wohnungsgesellschaften oder mietpreis- und belegungsgebundene Wohnungen.
VII. Ergänzende Leistungen
1.
Wohngeld
Wohngeld soll unzumutbare Belastungen für den Mieter durch Mietzinszahlung verhindern. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich bei der Wohnung um Wohnraum im Sinne des
Wohngeldgesetzes
handelt. Anspruch auf Wohngeld besteht grundsätzlich auch für wohnungslose beziehungsweise von Wohnungslosigkeit bedrohte Personen, soweit sie nicht Empfänger von Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
oder dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
sind und sobald und soweit sie für eine Wohnung mietzahlungspflichtig sind.
2.
Gesundheitshilfe
Wohnungslose Personen bedürfen gesundheitlicher Hilfen in besonderem Maße, da infolge der Lebensumstände die Gefahr des Auftretens psychischer und körperlicher, insbesondere auch übertragbarer Krankheiten größer und die medizinische Betreuung nicht immer von vornherein gewährleistet ist.
Jede Gemeinde sollte mit medizinischem Fachpersonal wie Ärzten und Psychologen sowie Krankenkassen zusammenarbeiten, um die Versorgung dieses Personenkreises sicherzustellen. Eine intensive Zusammenarbeit kann den Gesundheitszustand verbessern und damit die gesellschaftliche Integration wie beispielsweise die Vermittlung in Arbeit oder eine gemeinnützige Tätigkeit beschleunigen.
3.
Krankenversicherung
Bei Leistungsberechtigten nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
besteht ein Krankenversicherungsschutz. Dies gilt grundsätzlich auch für Empfänger der Leistungen nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
. Ein Krankenversicherungsschutz besteht ausnahmsweise im Rahmen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch nicht, soweit der Leistungsberechtigte voraussichtlich nur weniger als einen Monat ununterbrochen Hilfe zum Lebensunterhalt erhält oder ihm ausschließlich Beiträge nach § 33 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Bedarfe für die Vorsorge) beziehungsweise § 11 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
(Beratung und Unterstützung, Aktivierung) gewährt werden. In diesen Fällen besteht bei Bedürftigkeit Anspruch auf die Gewährung von vorbeugender Gesundheitshilfe und Krankenhilfe (§§ 47 und 48 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
).
4.
Leistungen nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
(Grundsicherung für Arbeitsuchende)
a)
Eingliederung in Arbeit und Sicherung des Lebensunterhaltes
Leistungsberechtigte nach
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
haben Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch). Die Leistungen umfassen neben der Regelleistung auch die angemessenen Unterkunftskosten sowie die Heizkosten. Darüber hinaus können sie bei Vorliegen der Fördervoraussetzungen Leistungen zur Eingliederung in Arbeit (§§ 14 ff. des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
) sowie Beratungs- und Betreuungsleistungen (§ 16a des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
) erhalten.
b)
Einmalige Leistungen
Neben der Regelleistung können im Einzelfall Leistungen in den nach § 24 Absatz 3 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
bestimmten Fällen gewährt werden, insbesondere für Erstausstattung für Wohnung und Bekleidung.
c)
Übernahme von Mietschulden
Sofern Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II) für den Bedarf der Unterkunft und Heizung erbracht werden, können vom Träger der Grundsicherung Mietschulden nach § 22 Absatz 8 des
Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
(in der Regel als Darlehen) übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und ansonsten ein Wohnungsnotstand einzutreten droht.
5.
Leistungen nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
(Sozialhilfe)
a)
Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung
Nicht erwerbsfähige Personen, bei denen ein Wohnungsnotfall vorliegt oder die von einem solchen bedroht sind (und deren mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden nicht erwerbsfähigen Angehörigen), haben bei Vorliegen der Voraussetzungen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff. des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
) oder auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
). Beide Leistungen umfassen neben dem Regelbedarf und etwaigem Mehrbedarf auch angemessene Unterkunftskosten (Kaltmiete zuzüglich Nebenkosten) und Heizkosten – gegebenenfalls auch Übernachtungskosten in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.
b)
Einmalige Leistungen
Neben den laufenden Leistungen nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
werden einmalige Beihilfen nur in den in § 31 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
bestimmten Fällen, insbesondere für die Wohnungserstausstattung und Erstausstattung für Bekleidung gewährt.
c)
Übernahme der Mietschulden
Für Empfänger von Hilfe zum Lebensunterhalt beziehungsweise Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung können Mietschulden als Darlehen oder Beihilfe nach § 36 Absatz 1 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst ein Wohnungsnotstand einzutreten droht.
6.
Kinder-, Jugend- und Familienhilfe
Kinder, Jugendliche, Frauen und Familien, bei denen ein Wohnungsnotfall vorliegt oder die von einem solchen bedroht sind, bedürfen aufgrund ihres spezifischen und zugleich komplexen Hilfebedarfs der besonderen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Probleme. Daher ist ein bedarfsgerechtes Angebot an geeigneten Hilfen zur Förderung der Kinder und Jugendlichen selbst sowie zur Unterstützung der Eltern bei der Erziehungsarbeit erforderlich. Zusätzlich zu den in den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere dem
Achten Buch Sozialgesetzbuch
– Kinder- und Jugendhilfe –, vorgesehenen Hilfen durch Fachkräfte können zur Unterstützung bei der Bewältigung des Alltages ehrenamtliche Helfer zum Einsatz kommen. Schwerpunkt der Integrationsbemühungen sollte dabei stets die Stärkung der Potentiale der Familien selbst sowie ihres sozialen Umfeldes sein.
Neben Angeboten der Ehe-, Familien- und Lebensberatung können auch aufsuchende Hilfen oder Hilfen zur Erziehung erforderlich sein.
Zuständig für diese Leistungen ist das örtliche Jugendamt.
Frauen sollen regelmäßig auf die besonderen sozialen Hilfen für Schwangere und junge Familien, vor allem auf die Unterstützungsleistungen der Stiftung „Hilfe für Familien, Mutter und Kind“ sowie auf die Leistungen nach dem
Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz
und dem Landeserziehungsgeldgesetz hingewiesen werden.
VIII. Inkrafttreten
Die Gemeinsamen Empfehlungen treten am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft.
Dresden, den 10. März 2021
Sächsisches Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt Uwe Gaul Staatssekretär
Sächsisches Staatsministerium für Regionalentwicklung Dr. Frank Pfeil Staatssekretär
Sächsisches Staatsministerium des Innern Thomas Rechentin Staatssekretär
ANLAGE zu VI. Nummer 2b)
Unterbringung in sichergestellten privaten Unterkünften
a)
Voraussetzungen
Sind die Möglichkeiten zur Unterbringung in Notunterkünften erschöpft und besteht für die unterzubringende Person wegen bereits eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Wohnungslosigkeit eine gegenwärtige Gefahr für Leben oder Gesundheit, können aufgrund von §§ 2, 12, 17 und 25 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes sowie §§ 2, 9, 12 und 31 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes auch die Räume eines Dritten sichergestellt werden. Dabei kommt vorrangig die Sicherstellung von leerstehenden oder bisher von der unterzubringenden Person gemieteten Räumen in Frage. Andere Räume können nur in ganz besonderen Ausnahmesituationen (zum Beispiel Katastrophenfall) zur Abwehr einer gemeinen Gefahr oder einer Lebensgefahr für einzelne Personen in Anspruch genommen werden (Artikel 2 und 13 des
Grundgesetzes
, Artikel 15 und 30 der Verfassung des Freistaates Sachsen). Die Dauer der Sicherstellung von leerstehendem Wohnraum in § 28 Absatz 1 Satz 5 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes und § 34 Absatz 1 Satz 5 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes ist ebenso wie in § 27 Absatz des 3 Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen auf maximal zwölf Monate beschränkt. Für andere Räume gilt sechs Monate, es sei denn, nach Ablauf der Frist liegen die Voraussetzungen für eine erneute Sicherstellung noch vor.
b)
Anordnung der Sicherstellung
Bei der Anordnung einer Sicherstellung und der Auswahl der Räume ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel gemäß § 13 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes sowie § 5 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes zu beachten.
Vor Anordnung der Sicherstellung der bisher als Mietwohnung (auch werkseigene) genutzten Wohnung sind nachfolgende Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen:
•
Vorhandensein eines Räumungsurteils (vorher Prüfung der Zumutbarkeit für den Vermieter; Mietrückstände allein begründen im Regelfall nicht die Unzumutbarkeit der Sicherstellung für den Vermieter),
•
Interesse des ehemaligen Vermieters an der Räumung,
•
örtliche Wohnverhältnisse,
•
Größe des von Wohnungslosigkeit betroffenen Haushalts sowie seine Zusammensetzung nach Alter und Geschlecht,
•
besondere Belastungen des Mieters oder des Haushalts durch Krankheit, Arbeitsunfähigkeit, Schwangerschaft oder ähnliches,
•
Erfolglosigkeit aller anderen Unterbringungsbemühungen,
•
möglichst keine mehrfache Belastung desselben privaten Vermieters.
Die Sicherstellung soll, wo es in sinnvoller Weise möglich ist, auf Teile einer Wohnung beschränkt werden; dies gilt immer, wenn einzelne Räume für sich vermietet werden können.
Die Anordnung ist zu begründen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung zu versehen und dem Verfügungsberechtigten zuzustellen. Die wohnungslose Person, gegebenenfalls das Vollstreckungsgericht und der Gerichtsvollzieher erhalten jeweils Durchschriften. Die sichergestellten Räume sind genau zu bezeichnen.
Um einem drohenden Wohnungsnotstand wirksam zu begegnen, empfiehlt es sich in der Regel, die sofortige Vollziehung der Anordnung nach § 80 Absatz 2 Nummer 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung
anzuordnen.
c)
Beendigung der Sicherstellung
Die Sicherstellung ist auf eine unabweisbar notwendige Frist zu beschränken. Dabei sind die gesetzlichen Fristen gemäß § 28 des Sächsischen Polizeibehördengesetzes sowie § 34 Absatz 1 des Sächsischen Polizeivollzugsdienstgesetzes einzuhalten. Eine Verlängerung dieser Frist ist grundsätzlich nicht möglich. Eine Verlängerung ist aber von Verfassungs wegen (Artikel 20 Absatz 1 und 3 des
Grundgesetzes
) ausnahmsweise zulässig, wenn eine unmittelbare Gefährdung von Leben und Gesundheit des Eingewiesenen vorliegt und eine Räumung daher unverhältnismäßig wäre. Das wäre insbesondere der Fall, wenn die Behörde innerhalb von zwölf Monaten keinen Ersatzwohnraum gefunden oder kein vertragliches Mietverhältnis mit dem Eigentümer begründen konnte. Die zuständigen Stellen, insbesondere die Kommunen, haben sich vom Tage der Sicherstellung an mit Nachdruck um eine anderweitige Unterbringung für die betroffene Person zu bemühen. Die eingewiesene Person ist aufzufordern, sich auch selbst um eine neue Unterkunft zu bemühen und hierüber Nachweise vorzulegen.
d)
Kosten
Die Behörde hat mit der Erklärung der Inanspruchnahme des sichergestellten Raumes zu erklären, dass sie die Kosten der getroffenen Maßnahmen trägt. Dem Verfügungsberechtigten ist eine Nutzungsentschädigung, in der Regel in Höhe der bisher gezahlten Miete, ansonsten der angemessenen Miete, zu entrichten.
Die Gemeinde kann die Erstattung der Aufwendungen in entsprechender Anwendung der Bereicherungsvorschriften nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch von der untergebrachten Person verlangen. Ist die eingewiesene Person anspruchsberechtigt nach dem
Zwölften Buch Sozialgesetzbuch
, ist zu prüfen, ob die Gemeinde hinsichtlich der Kosten für die sie vorläufig eingetreten ist, einen Erstattungsanspruch nach § 25 des
Zwölften Buches Sozialgesetzbuch
gegen den Träger der Sozialhilfe hat. Ist die eingewiesene Person anspruchsberechtigt nach dem
Zweiten Buch Sozialgesetzbuch
hat die Gemeinde einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. des
Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
zu prüfen.
e)
Aufhebung der Sicherstellung
Die Sicherstellung einer im Eigentum eines privaten Vermieters stehenden Wohnung ist aufzuheben, wenn der Vermieter und die zugewiesene Person einen Mietvertrag schließen oder die Person vor Ablauf der festgelegten Frist freiwillig auszieht.
Wird die Sicherstellung durch Fristablauf oder Rücknahme unwirksam, hat die Behörde die beanspruchte Wohnung zu räumen. Erfolgt die Räumung nicht freiwillig, ist sie gegenüber der Person, der die Wohnung zugewiesen wurde, im Rahmen der Folgenbeseitigung durch Bescheid anzuordnen, der wegen des überwiegenden Interesses des Verfügungsberechtigten gemäß § 80 Absatz 2 Nummer 4 der
Verwaltungsgerichtsordnung
für sofort vollziehbar zu erklären ist und notfalls nach den Vorschriften des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für den Freistaat Sachsen zu vollstrecken ist.
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