VwV Verdachtsunabhängige Kontrollen
DE - Landesrecht Sachsen

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Durchführung ereignis- und verdachtsunabhängiger Kontrollen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen (VwV Verdachtsunabhängige Kontrollen)

Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern
zur Durchführung ereignis- und verdachtsunabhängiger Kontrollen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen
(VwV Verdachtsunabhängige Kontrollen)
Vom 21. Juli 2004

A.
Zweck der ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen
§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5
SächsPolG
gibt der Polizei zum Zwecke der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität die Befugnis zur Identitätsfeststellung. Mit der Einführung der ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, die Allgemeinheit vor international operierenden Straftätern und den Folgen ihrer Straftaten zu schützen. Der Wegfall der Grenzkontrollen infolge des Schengen-Abkommens im Westen und die Öffnung der Grenzen im Osten haben zu einem deutlich verstärkten Reiseverkehr geführt. Diese Veränderungen machen sich auch international und grenzüberschreitend agierende Straftäter zu Nutze. Der Verlust der Filterfunktion grenzpolizeilicher Kontrollen soll mit der ereignis- und verdachtsunabhängigen Befugnis zur Identitätsfeststellung ausgeglichen werden, indem die Kontrollbefugnis in das Binnenland verlagert wird.
Unter grenzüberschreitender Kriminalität ist jede Form von Kriminalität zu verstehen, die sich die Grenzsituation als solche und die durch die Existenz der Grenzen bedingte Erschwerung der Strafverfolgung zur Tatbegehung zunutze macht, etwa indem der Tatbeteiligte sich selbst oder seine Beute im Ausland dem Zugriff der Strafverfolgungsorgane entziehen will. Es werden auch Straftaten erfasst, bei denen sich der Täter den fortschreitenden Wegfall der Filterfunktion von Grenzkontrollen und den zunehmenden freien Verkehr von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital zunutze macht.
Dabei soll in besonderer Weise organisierter oder schwerer Kriminalität, welche die Besonderheiten der Grenzsituation ausnutzt, entgegengetreten werden. Erfasst werden daher beispielsweise Kraftfahrzeugverschiebung, Schleusungskriminalität, Menschen- sowie Rauschgift- und illegaler Waffenhandel. Aber auch weniger schwerer Kriminalität vorzubeugen ist ein vom weiten Begriff der vorbeugenden Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität umfasstes Ziel, das heißt, es kommt nicht darauf an, ob bestimmte Straftatbestände oder Deliktgruppen gegeben sind. Entscheidend ist vielmehr, dass die Tatbegehung einen Grenzbezug aufweist.
Die vorbeugende Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität muss das den Kontrollanlass bestimmende Kriterium im Einzelfall sein. Die Identitätskontrollen erfolgen weitgehend ohne Gefahrenprognose, sie dürfen jedoch nicht willkürlich durchgeführt werden:
Erkenntnisse der Polizei und anderer Behörden und bestehende Erfahrungswerte zur grenzüberschreitenden Kriminalität stellen die Entscheidungsgrundlage dar, in welchem Umfang und an welchen Orten Kontrollen zweckmäßig durchgeführt werden können. Dabei muss ein angemessenes Verhältnis zwischen den vorliegenden Erkenntnissen und Erfahrungswerten und der Anzahl der durchzuführenden Kontrollen bestehen. Deshalb können an Orten, bei denen zahlreiche Erkenntnisse oder Erkenntnisse über schwerwiegende Kriminalität vorliegen, häufiger Kontrollen durchgeführt werden. Zur Vermeidung von Doppelkontrollen soll eine Abstimmung mit dem Bundesgrenzschutz erfolgen.

B.
Grenzgebiet (30-km-Bereich)
Der Begriff „Grenzgebiet“ bezeichnet den Bereich an dem Teil der Landesgrenze, der gleichzeitig Grenze der Bundesrepublik Deutschland zur Tschechischen Republik und zur Republik Polen ist. Der 30-km-Bereich wird bestimmt durch eine von dieser Grenze landeinwärts zu messende Tiefe von 30 km. In diesem Bereich ist die Möglichkeit von ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen nicht auf bestimmte Kontrollorte beschränkt.
Die innerhalb des 30-km-Bereichs liegenden Gemeinden ergeben sich aus der Anlage 1. Gemeinden, deren Gemarkungen sich nur teilweise innerhalb des 30-km-Bereichs befinden, sind im Hinblick auf die Kontrollbefugnis als außerhalb des 30-km-Bereichs liegend zu betrachten, damit es nicht zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommt. Dies gilt insbesondere auch für die Städte Chemnitz, Dresden und Zwickau.

C.
Kontrollorte außerhalb des 30-km-Bereichs
I.
Öffentliche Anlagen, Einrichtungen, Verkehrsmittel des internationalen Verkehrs und Bundesfernstraßen
Außerhalb des 30 km-Bereichs können Kontrollen in den Verkehrsmitteln des internationalen Verkehrs (zum Beispiel Bahn, Flugzeug, Schiff), einschließlich der dazugehörigen Anlagen und Einrichtungen (zum Beispiel Bahnhöfe, Flugplätze und Häfen sowie Tank- und Rastanlagen und Parkplätze an Bundesfernstraßen) sowie in unmittelbarer Nähe hiervon durchgeführt werden.
Zu den Bundesfernstraßen gehören alle Bundesstraßen und Bundesautobahnen.
II.
Andere Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität
Die anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität werden in Lagebildern aufgrund von Lageerkenntnissen festgelegt.
Die Bewertung, ob eine bestimmte Straße von erheblicher Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität ist, setzt auf Tatsachen oder tatsächlichen Anhaltspunkten beruhende, hinreichend präzise Lageerkenntnisse voraus. Lageerkenntnisse können sich beispielsweise aus Ergebnissen vorangegangener Kontrollen oder Ermittlungen (zum Beispiel Aussagen von Beschuldigten und Zeugen) ergeben. Diese müssen den Schluss erlauben, dass die konkrete Straße in nennenswertem Umfang zu Zwecken der grenzüberschreitenden Kriminalität genutzt wird. Dabei ist in der Regel ein Bezug zum Deliktsbereich und zur Begehungsform herzustellen. Die vorliegenden Erkenntnisse sind in geeigneter Weise zu dokumentieren.
Die Polizeidienststellen und Polizeibehörden teilen die vorhandenen Erkenntnisse über die grenzüberschreitende Kriminalität der Polizeidirektion zeitnah mit, auf deren Dienstbezirk sich die Erkenntnisse beziehen. Die Übermittlung muss folgende Aussagen enthalten:
1.
Nähere Bezeichnung der Straße,
2.
Sachverhalt (einschließlich Begehungsform, gegebenenfalls Angabe des benutzten Beförderungsmittels), aus dem sich der grenzüberschreitende Bezug der Straftat ergibt,
3.
Deliktsbereich/Delikt,
4.
Datum und Uhrzeit, gegebenenfalls Vorgangsnummer.
Die sich aus den Lageerkenntnissen ergebende erhebliche Bedeutung einer Straße für die grenzüberschreitende Kriminalität wird in einem Lagebild festgestellt. Hierzu werten die Polizeidirektionen übermittelte und eigene Erkenntnisse aus und erstellen das Lagebild für die jeweilige Straße, für die bei der Auswertung eine erhebliche Bedeutung für die grenzüberschreitende Kriminalität festgestellt wurde. Die Auswertung ist in dem Lagebild zu dokumentieren. Die Lagebilder sind bei Bedarf, jedoch mindestens halbjährlich, zu aktualisieren. Die ersten Lagebilder nach dieser Verwaltungsvorschrift sind bis Ende August 2004 zu erstellen.
Das Landeskriminalamt erarbeitet im Zusammenwirken mit den Polizeidirektionen landesweit geltende Auswertungskriterien, die diesen zur Verfügung gestellt werden. Die Auswertungskriterien sind mindestens jährlich zu aktualisieren.

D.
Berichtspflicht
Dem Staatsministerium des Innern – Landespolizeipräsidium – ist über die durchgeführten ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen und deren Ergebnisse nach Maßgabe des Erhebungsbogens (Anlage 2) Bericht zu erstatten. Für den Zeitraum vom 1. Juli 2003 bis zum 30. Juni 2004 obliegt die Berichtspflicht den Polizeipräsidien. Hinsichtlich der ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen, die vom 1. Juli 2004 bis zum 31. Dezember 2004 durchgeführt werden, wird der Bericht durch die Polizeidirektionen erstattet. Ab dem Jahr 2005 sind die Berichte jährlich jeweils bis zum 31. Januar des Folgejahres durch die Polizeidirektionen zu erstellen und dem Staatsministerium des Innern – Landespolizeipräsidium – zu übermitteln.
Die anderen Polizeidienststellen und Polizeibehörden teilen den im betreffenden Zeitraum zur Berichterstattung verpflichteten Polizeidienststellen die Anzahl und Ergebnisse der durch sie durchgeführten ereignis- und verdachtsunabhängigen Kontrollen in entsprechender Anwendung des Formulars in Anlage 2 zeitnah mit.

E.
In-Kraft-Treten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 28. Juli 2004 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Durchführung ereignis- und verdachtsunabhängiger Kontrollen gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 5 des Polizeigesetzes des Freistaates Sachsen (VwV Verdachtsunabhängige Kontrollen) vom 26. Juni 1999 (nicht veröffentlicht) außer Kraft.
Dresden, den 21. Juli 2004
Der Staatsminister des Innern Horst Rasch
Anlage 1 (zu Großbuchstabe B)
Auflistung der Gemeinden innerhalb des 30-Km-Bereiches
Landkreis Annaberg
Annaberg-Buchholz Bärenstein Crottendorf
Ehrenfriedersdorf Elterlein Gelenau/Erzgebirge
Geyer Jöhstadt Königswalde
Mildenau Oberwiesenthal Scheibenberg
Schlettau Sehmatal Tannenberg
Thum Wiesa
Landkreis Freiberg
Brand-Erbisdorf Bobritzsch Dorfchemnitz
Eppendorf Frauenstein Gahlenz
Großhartmannsdorf Hilbersdorf
Leubsdorf Lichtenberg/Erzgebirge
Mulda Neuhausen/Erzgebirge Rechenberg-Bienenmühle
Sayda Weißenborn/Erzgebirge
Landkreis Vogtlandkreis
Adorf Auerbach/Vogtland Bad Brambach
Bad Elster Bergen Bösenbrunn
Burgstein Eichigt Ellefeld
Erlbach Falkenstein/Vogtland
Grünbach Hammerbrücke Heinsdorfergrund
Klingenthal/Sa. Lengenfeld Leubnitz
Markneukirchen Mehltheuer Morgenröthe-Rautenkranz
Mühlental Mühltroff Neuensalz
Neustadt/Vogtland Oelsnitz Pöhl
Reuth Rodewisch Schöneck/Vogtland
Steinberg Syrau Tannenbergstal/Vogtland
Theuma Tirpersdorf Treuen
Triebel/Vogtland Weischlitz Werda
Zwota
Landkreis Mittlerer Erzgebirgskreis
Amtsberg Börnichen/Erzgebirge Borstendorf
Deutschneudorf Drebach Gornau/Erzgebirge
Großolbersdorf Großrückerswalde
Grünhainichen Heidersdorf Lengefeld
Marienberg Olbernhau Pfaffroda
Pobershau Pockau Scharfenstein
Seiffen/Erzgebirge Venusberg
Waldkirchen/Erzgebirge Wolkenstein
Zöblitz Zschopau
Landkreis Stollberg
Auerbach Burkhardtsdorf Gornsdorf
Hormersdorf Stollberg/Erzgebirge
Thalheim/Erzgebirge Zwönitz
Landkreis Aue-Schwarzenberg
Aue Beierfeld Bernsbach Bockau
Breitenbrunn/Erzgebirge Eibenstock
Erlabrunn Grünhain Johanngeorgenstadt
Lauter/Sa. Lößnitz Markersbach
Pöhla Raschau Rittersgrün
Schlema Schneeberg Schönheide
Schwarzenberg/Erzgebirge Sosa
Stützengrün Zschorlau
Landkreis Zwickauer Land
Crinitzberg Hartmannsdorf bei Kirchberg
Hirschfeld Kirchberg Langenweißbach
Landkreis Bautzen
Bautzen Bischofswerda Burkau
Crostau Cunewalde Demitz-Thumitz
Doberschau-Gaußig Frankenthal
Göda Großdubrau Großharthau
Großpostwitz/O.L. Guttau Hochkirch
Kirschau Kubschütz Malschwitz
Neschwitz Neukirch/Lausitz Obergurig
Puschwitz Rammenau Schirgiswalde
Schmölln-Putzkau Sohland a. d. Spree
Steinigtwolmsdorf Weißenberg
Wilthen
Landkreis Niederschlesischer Oberlausitzkreis
Bad Muskau Boxberg/O L. Gablenz
Groß Düben Hähnichen Hohendubrau
Horka Klitten Kodersdorf
Königshain Krauschwitz Kreba-Neudorf
Markersdorf Mücka Neißeaue
Niesky Quitzdorf am See Reichenbach/O.L.
Rietschen Rothenburg O.L. Schleife
Schöpstal Sohland a. Rotstein
Trebendorf Uhyst Vierkirchen
Waldhufen Weißkeißel Weißwasser/O.L.
Landkreis Löbau-Zittau
Beiersdorf Bernstadt a. d. Eigen Berthelsdorf
Bertsdorf-Hörnitz Dürrhennersdorf
Ebersbach/Sa. Eibau Friedersdorf
Großhennersdorf Großschönau Großschweidnitz
Hainewalde Herrnhut Hirschfelde
Jonsdorf Lawalde Leutersdorf
Löbau Mittelherwigsdorf Neugersdorf
Neusalza-Spremberg Niedercunnersdorf
Obercunnersdorf Oderwitz Olbersdorf
Oppach Ostritz Oybin
Rosenbach Schlegel Schönau-Berzdorf a. d. Eigen
Schönbach Seifhennersdorf Strahwalde
Zittau
Landkreis Sächsische Schweiz
Bad Gottleuba-Berggießhübel Bad Schandau
Bahretal Dohma Dohna
Dürrröhrsdorf-Dittersbach Gohrisch
Heidenau Hohnstein Hohwald
Kirnitzschtal Königstein/Sächs. Schw.
Liebstadt Lohmen Müglitztal
Neustadt i. Sa. Pirna Porschdorf
Rathen Rathmannsdorf Reinhardtsdorf-Schöna
Rosenthal-Bielatal Sebnitz Stadt Wehlen
Stolpen Struppen
Landkreis Weißeritzkreis
Altenberg Bannewitz Dippoldiswalde
Dorfhain Geising Glashütte
Hartmannsdorf-Reichenau Hermsdorf/Erzgeb.
Höckendorf Kreischa Pretzschendorf
Rabenau Reinhardtsgrimma Schmiedeberg
Landkreis Kamenz
Arnsdorf Bretnig-Hauswalde CrostwitzElstra
Großröhrsdorf Lichtenberg Nebelschütz
Ohorn Panschwitz-Kuckau Pulsnitz
Räckelwitz Steina
Kreisfreie Stadt Görlitz
Kreisfreie Stadt Plauen
Anlage 2
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