Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung zur Gewährleistung der Krisennachsorge im Justizvollzug des Freistaates Sachsen und in anderen Einrichtungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (VwV Krisennachsorge)
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
und für Demokratie, Europa und Gleichstellung zur Gewährleistung der Krisennachsorge im Justizvollzug des Freistaates Sachsen
und in anderen Einrichtungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung (VwV Krisennachsorge)
Vom 21. Februar 2024
I.
Geiselnahmen, Suizide und Suizidversuche, das Auffinden von Toten und die Versorgung von Verletzten, Übergriffe jeglicher
Art sowie ähnliche außerordentliche Ereignisse während der Dienstverrichtung (belastende Ereignisse) sind Vorkommnisse, auf
die der Justizvollzug vorbereitet sein muss. Sie können für die daran unmittelbar oder mittelbar beteiligten Bediensteten des
Justizvollzugs (Betroffene) in besonderem Maße belastend wirken. Das Justizvollzugsberatungszentrum, als eine Einrichtung
des Justizvollzugs, das Beratungsleistungen anbietet, stellt insbesondere das Angebot der Krisennachsorge bereit. Um auf belastende Ereignisse entsprechend reagieren zu können, wird ein Krisennachsorgeteam eingerichtet.
II.
1.
Krisennachsorge
a)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams sollen dazu beitragen, dass die Betroffenen mit der Bewältigung von belastenden
Ereignissen nicht allein gelassen werden und ihnen eine angemessene Verarbeitung der belastenden
Ereignisse ermöglicht wird (Krisennachsorge). Das Krisennachsorgeteam bietet unmittelbare Hilfe und Nachbetreuung
an. Es organisiert bei Bedarf die Weiterbetreuung durch externe Hilfsinstanzen.
b)
Krisennachsorge ist ein auf Freiwilligkeit beruhendes Angebot. Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams haben die
Betroffenen vor Beginn der Krisennachsorge darauf hinzuweisen.
2.
Organisation des Krisennachsorgeteams
a)
Das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung bestellt geeignete freiwillige Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter verschiedener Berufsgruppen des Justizvollzugs zu Mitgliedern des Krisennachsorgeteams.
Die Bestellung erfolgt für die Dauer von fünf Jahren und kann auf Wunsch des Mitglieds oder aus dienstlichen
Gründen aufgehoben werden.
b)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams organisieren ihre Arbeit eigenverantwortlich. Das Krisennachsorgeteam kann gegenüber dem Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung schriftlich mitteilen, dass ein Leitungsteam für die Dauer von fünf Jahren zu bestellen ist. Die Entscheidung darüber, ob ein Leitungsteam
zu bilden ist, erfolgt durch Mehrheitsentscheidung der Mitglieder des Krisennachsorgeteams. Teil des Leitungsteams
der Krisennachsorge ist stets die Leitung des Justizvollzugsberatungszentrums.
c)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams haben die Durchführung ihrer Betreuungsangebote zeitlich, örtlich und inhaltlich aufeinander abzustimmen und tauschen sich über die empfohlenen Maßnahmen aus. Sie werden grundsätzlich nicht tätig, wenn sie selbst Betroffene sind. Satz 2 gilt auch für das Leitungsteam.
d)
Die Ausübung der Krisennachsorge ist dienstliche Tätigkeit. Für den Fall, dass ein Leitungsteam bestellt wurde, errichtet dieses, ansonsten die Mitglieder des Krisennachsorgeteams, einen periodenorientierten Rufbereitschaftsdienst ein. Die Tätigkeit der Krisennachsorge hat gegenüber originär dienstlichen Tätigkeiten Vorrang, sofern andere zwingende dienstliche Gründe nicht entgegenstehen. Dienstreisen gelten als angeordnet.
3.
Schweigepflicht
a)
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams unterliegen über den Inhalt der Krisennachsorge der Schweigepflicht.
Diese besteht nicht, soweit durch eine andere Rechtsvorschrift anderes bestimmt ist, die Krisennachsorge eine Information
anderer Mitglieder des Krisennachsorgeteams erfordert oder die Betroffenen schriftlich die Entbindung von
der Schweigepflicht erklären.
b)
Bedürfen die Aussagen der Mitglieder des Krisennachsorgeteams über den Inhalt der Krisennachsorge nach anderen
Rechtsvorschriften der vorherigen Genehmigung, darf diese nur mit der Zustimmung des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung erteilt werden. Die Genehmigung, ein Gutachten über die Betroffenen
zu erstatten, ist für die Mitglieder des Krisennachsorgeteams im Regelfall zu versagen.
4.
Kontaktaufnahme und Berichtspflicht
a)
Das Krisennachsorgeteam wird durch die Leiterinnen und die Leiter der Justizvollzugsanstalten sowie durch die Leiterin
oder den Leiter der Jugendstrafvollzugsanstalt oder andere durch die Leiterinnen und Leiter legitimierte Personen
unverzüglich bei Hinweisen, dass Bedienstete des Justizvollzugs einem belastenden Ereignis ausgesetzt sind
oder waren, informiert. Allen Bediensteten des Justizvollzugs steht es daneben frei, sich unmittelbar an ein Mitglied
des Krisennachsorgeteams zu wenden.
b)
Bei der Berichterstattung der Leiterinnen und der Leiter der Justizvollzugsanstalten sowie der Leiterin oder dem Leiter
der Jugendstrafvollzugsanstalt über ein belastendes Ereignis an das Staatsministerium der Justiz und für Demokratie,
Europa und Gleichstellung ist anzugeben, ob für Betroffene eine Krisennachsorge eingeleitet ist.
5.
Arbeitsweise des Krisennachsorgeteams
a)
Die Betreuung soll unverzüglich, möglichst innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem belastenden Ereignis, einsetzen.
b)
Die Betreuung erfolgt in drei Phasen:
aa)
1. Phase:
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams unterstützen und begleiten die Betroffenen unmittelbar nach dem belastenden
Ereignis. Sie leiten Maßnahmen zur Abschirmung störender Einwirkungen auf die Betroffenen ein und organisieren
erforderliche Hilfsmaßnahmen. Dienstliche Sofortmaßnahmen gegenüber den Betroffenen werden im Regelfall
erst nach Beratung durch die Mitglieder des Krisennachsorgeteams, ob Betreuungsmaßnahmen Vorrang einzuräumen
ist, ergriffen.
bb)
2. Phase:
Die Mitglieder des Krisennachsorgeteams stimmen mit den Betroffenen das weitere Vorgehen ab. Sie übernehmen
die weitere Betreuung und unterstützen bei der Weitervermittlung an externe Beratungs- und Therapieeinrichtungen.
cc)
3. Phase:
Nach erfolgter Krisennachsorge wird mit der Betroffenen oder dem Betroffenen ein Nachgespräch durchgeführt. Der
Zeitpunkt, wann die Nachbesprechung erfolgt, wird zwischen der oder dem Krisennachsorgenden und der Betroffenen
oder dem Betroffenen abgestimmt. Mit den Betroffenen wird erörtert, ob weitere Maßnahmen eingeleitet werden
sollen.
c)
Das Krisennachsorgeteam unterstützt und berät die Dienstvorgesetzten im Umgang mit den Betroffenen. Die Schweigepflicht nach Nummer 3 bleibt unberührt.
III.
Mit Zustimmung der für den Justizvollzug zuständigen Abteilungsleiterin oder des für den Justizvollzug zuständigen Abteilungsleiters des Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung kann das Krisennachsorgeteam in
Ausnahmefällen auch gegenüber Betroffenen anderer Einrichtungen im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Justiz und
für Demokratie, Europa und Gleichstellung tätig werden. In diesem Fall findet diese Verwaltungsvorschrift mit der Maßgabe
entsprechende Anwendung, dass anstelle der Leiterin oder des Leiters der Justizvollzugsanstalt oder der Jugendstrafvollzugsanstalt die jeweilige Leiterin oder der jeweilige Leiter der Dienststelle der Betroffenen tritt. Die Vorschriften der Ziffer II Nummer 4 Buchstabe a Satz 3 und Buchstabe b finden keine Anwendung.
IV.
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die
VwV Krisennachsorge
vom
18. Mai 2015 (SächsABl. S 834), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 11. Dezember 2023 (SächsABl. SDr. S. S
275), außer Kraft.
Dresden, den 21. Februar 2024
Die Staatsministerin der Justiz
und für Demokratie, Europa und Gleichstellung
Katja Meier
Feedback