Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Durchführung des Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (SächsPsychPbGAGDVO)
Verordnung
des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
zur
Durchführung des Sächsischen Gesetzes
zur
Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung
im Strafverfahren
(SächsPsychPbGAGDVO)
Vom 13. Januar 2017
Auf Grund des § 8 Nummer 2 des
Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
vom 13. Dezember 2016 (SächsGVBl. S. 660) verordnet das Staatsministerium der Justiz:
§ 1 Anerkennung von Aus- und Weiterbildungen
(1) Eine Aus- oder Weiterbildung nach § 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 des
Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
kann anerkannt werden, wenn
1.
ihr ein geeignetes didaktisches und methodisches Konzept zugrunde liegt,
2.
ihre Form, Dauer und Teilnehmerzahl so bemessen sind, dass die angestrebten Lernziele erreicht werden können, und
3.
die in ihr vermittelten Inhalte die Teilnehmer befähigen, selbständig fachlich angemessene psychosoziale Prozessbegleitung unter Einhaltung der den §§ 2 und 3 des
Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
zugrunde liegenden Standards durchzuführen.
(2)
1
Zu den nach Absatz 1 Nummer 3 zu vermittelnden Inhalten gehören mindestens die für die psychosoziale Prozessbegleitung relevanten Kenntnisse
1.
der rechtlichen Grundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens sowie weiterer für die Opfer von Straftaten relevanten Rechtsgebiete,
2.
der Viktimologie, insbesondere Kenntnisse zu den besonderen Bedürfnissen spezieller Opfergruppen,
3.
der Psychologie und Psychotraumatologie,
4.
der Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung sowie
5.
der Methoden und Standards der Qualitätssicherung und Eigenvorsorge.
2
Die in Satz 1 genannten Inhalte sollen die in der Anlage näher bezeichneten Gegenstände umfassen.
(3) Die Anerkennung kann versagt werden, wenn begründete Zweifel an der fachlichen Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Dozenten oder der Zuverlässigkeit des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung bestehen.
§ 2 Antrag
(1) Die Anerkennung als Aus- oder Weiterbildung ist schriftlich bei der zuständigen Stelle zu beantragen.
(2)
1
Mit dem Antrag sind vom Anbieter der Aus- oder Weiterbildung Nachweise vorzulegen, aus denen sich ergibt, dass die in § 1 Absatz 1 und 2 genannten Voraussetzungen vorliegen.
2
Die für die Anerkennung zuständige Stelle kann bei begründeten Zweifeln nach § 1 Absatz 3 die Vorlage von Nachweisen über die fachliche Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Dozenten und Unterlagen, die geeignet sind, die konkreten begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung auszuräumen, verlangen.
§ 3 Auflagen und Bedingungen
(1)
1
Die Anerkennung kann unter Auflagen und Bedingungen erteilt werden.
2
Auflagen und Bedingungen können auch nachträglich erteilt oder geändert werden.
(2) Insbesondere kann der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung beauflagt werden, Nachweise über die fachliche Qualifikation der in der Aus- oder Weiterbildung eingesetzten Dozenten und Unterlagen, die geeignet sind, die konkreten begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit des Anbieters der Aus- oder Weiterbildung auszuräumen, vorzulegen.
(3) Der Anbieter der Aus- oder Weiterbildung ist verpflichtet, die zuständige Stelle unverzüglich über grundlegende Änderungen der Aus- oder Weiterbildungsinhalte zu unterrichten.
§ 4 Länderübergreifende Anerkennung
Die Anerkennung einer Aus- oder Weiterbildung in einem anderen Bundesland steht der Anerkennung nach § 1 gleich.
§ 5 Besondere Pflichten des psychosozialen Prozessbegleiters
1
Der psychosoziale Prozessbegleiter hat kalenderjährlich an einer fachspezifischen, der Aus- oder Weiterbildung dienenden Veranstaltung als Zuhörer oder Dozent teilzunehmen.
2
Ein Abweichen hiervon ist nur aus wichtigem Grund zulässig.
3
Nach Entfallen des wichtigen Grundes ist die Teilnahme an der Veranstaltung unverzüglich nachzuholen.
4
Die Dauer der Veranstaltung sollte ganztägig (acht Fortbildungsstunden) sein.
5
Die Teilnahme an zwei halbtägigen Veranstaltungen (vier Fortbildungsstunden) entspricht der Teilnahme an einer ganztägigen Veranstaltung.
6
Die Erfüllung der Pflicht aus Satz 1 ist der für die Anerkennung nach § 2 des
Sächsischen Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren
zuständigen Stelle auf deren Anforderung hin durch Bescheinigungen oder andere geeignete Unterlagen nachzuweisen.
§ 6 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Dresden, den 13. Januar 2017
Der Staatsminister der Justiz
Sebastian
Gemkow
Anlage (zu § 1 Absatz 2)
Inhalte der Aus- oder Weiterbildung
1.
Rechtliche Grundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens
–
Rechtsgrundlagen und Grundsätze des Strafverfahrens
–
Rechte und Pflichten der Verletzten und der Bezugspersonen im Strafverfahren (aktive Teilnahme und Schutz vor Belastung), besondere Rechte und Pflichten von Kindern und Jugendlichen
–
das Ermittlungsverfahren – Strafanzeige
–
Funktion und Tätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft
–
die Strafverteidigung
–
Rechtsbeistand und Nebenklage
–
Aussagepsychologische Begutachtung
–
das Hauptverfahren
–
Stellung der psychosozialen Prozessbegleitung im Strafverfahren
–
Möglichkeiten der Entschädigung (einschließlich Ansprüchen nach dem
Opferentschädigungsgesetz
), Schadensersatz und Schmerzensgeld (einschließlich der möglichen Kostenfolgen für Verletzte)
–
Täter-Opfer-Ausgleich
–
Grundlagen weiterer opferrelevanter Rechtsgebiete, zum Beispiel Familien-/Zivilrecht einschließlich
Gewaltschutzgesetz
–
Grundlagen des Datenschutzes und der Vertraulichkeit
2.
Viktimologie
a)
Viktimologische Grundlagen
–
Theorien der Viktimisierung
–
Bedürfnisse von Opfern
–
Verarbeitungsprozesse und Bewältigungsstrategien von Opfern
–
sekundäre Viktimisierung
–
Umgang mit Scham und Schuld
b)
Wissen über spezielle Opfergruppen
–
Kinder und Jugendliche
–
Personen mit Behinderung
–
Personen mit einer psychischen Beeinträchtigung
–
Betroffene von Sexualstraftaten
–
Betroffene von Menschenhandel
–
Betroffene von Gewalttaten (mit schweren physischen, psychischen oder finanziellen Folgen oder über einen längeren Tatzeitraum, zum Beispiel bei häuslicher Gewalt oder Stalking)
–
Betroffene von vorurteilsmotivierter Gewalt und sonstiger Hasskriminalität
c)
Grundlagen gendersensibler und interkultureller Kommunikation
3.
Psychologie und Psychotraumatologie
–
zielgruppenspezifische Belastungsfaktoren von Zeugen im Strafverfahren
–
Aspekte der Aussagepsychologie
–
Trauma und Traumabehandlung
–
Stabilisierungstechniken
2.
Theorie und Praxis der psychosozialen Prozessbegleitung
a)
Ziele und Grundsätze der psychosozialen Prozessbegleitung
b)
Leistungen und Methoden, insbesondere
–
die Leistungen der psychosozialen Prozessbegleitung während der verschiedenen Phasen des Strafverfahrens
–
Methodenkompetenz (zum Beispiel adressatengerechte Kommunikation, fachgerechter Umgang mit Zeugenaussagen, Dokumentation, Aufklärung über fehlendes Zeugnisverweigerungsrecht)
–
Kooperation mit anderen Professionen, Netzwerkarbeit
2.
Qualitätssicherung und Eigenvorsorge
–
Formen der Dokumentation
–
Integration der psychosozialen Prozessbegleitung in das eigene Arbeitsfeld: Möglichkeiten und Grenzen
–
Methoden zur Selbstreflexion (zum Beispiel kollegiale Beratung, Supervision)
–
interdisziplinärer Austausch
–
Reflexion der eigenen Motivation zur Opferhilfe
–
Methoden der Selbstfürsorge in der professionellen Opferarbeit (zum Beispiel Vermeidung von Überidentifikation, Burn-Out-Prävention)
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