Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung über die Errichtung einer Sächsischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime (VwV Zentralstelle Cybercrime Sachsen – VwVZCS)
Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung über die Errichtung einer Sächsischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime (VwV Zentralstelle Cybercrime Sachsen – VwVZCS)
Vom 16. August 2023
Inhaltsübersicht
I. Abschnitt Zentralstelle, Funktion
1.
Zentralstelle
2.
Funktion der Zentralstelle
II. Abschnitt Aufgaben der Zentralstelle
3.
Zentrale Ansprechstelle, Koordinierung, Beobachtung neuer Entwicklungen, Rechtsmittel und Dienstaufsicht
4.
Förderung der Aus- und Fortbildung im Bereich der Justiz
5.
Bearbeitung besonders herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität
III. Abschnitt Inkrafttreten, Außerkrafttreten
I. Abschnitt Zentralstelle, Funktion
1.
Zentralstelle
Die Sächsische Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime (Zentralstelle) ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden errichtet. Sie ist für den gesamten Freistaat Sachsen zuständig.
2.
Funktion der Zentralstelle
Die Zentralstelle nimmt nach näherer Ausgestaltung durch die Vorschriften des II. Abschnitts die Funktion einer zentralen Ansprechstelle für Cyberkriminalität wahr, fördert und organisiert regionale und überregionale Aus- und Fortbildungsmaßnahmen in diesem Bereich, wirkt an diesen mit und bearbeitet im Einzelfall besonders herausgehobene Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität.
II. Abschnitt Aufgaben der Zentralstelle
3.
Zentrale Ansprechstelle, Koordinierung, Beobachtung neuer Entwicklungen, Rechtsmittel und Dienstaufsicht
(1) Zentrale Ansprechstelle im Bereich Cyberkriminalität
a)
Die Zentralstelle ist zentrale Ansprechstelle für grundsätzliche, verfahrensunabhängige Fragestellungen aus dem Bereich der Cyberkriminalität für Staatsanwaltschaften und Polizeibehörden sowie sonstige Behörden im Freistaat Sachsen, aber auch denen anderer Bundesländer und des Bundes. Sie fördert die Zusammenarbeit der Staatsanwaltschaften mit den Cybercrime-Dienststellen der Polizeibehörden, den Zentralstellen und Justizbehörden anderer Bundesländer sowie mit anderen nationalen und internationalen zentralen Einrichtungen zur Bekämpfung der Cyberkriminalität. Sie wirkt in entsprechenden fachlichen Gremien im In- und Ausland mit.
b)
Die Zentralstelle führt das Verzeichnis nach Nummer 70 Absatz 3 der
VwV Richtlinien Straf- und Bußgeldverfahren
mit bewährten Sachverständigen für den Bereich der digitalen Forensik.
(2) Koordinierung von Ermittlungen
a)
Die Zentralstelle unterstützt die Koordinierung von Ermittlungen im Bereich der Cyberkriminalität mit anderen Dienststellen auf Landes- und Bundesebene, insbesondere die Koordinierung der Sachbearbeitung mit den Staatsanwaltschaften und dieser untereinander sowie mit den Polizeibehörden.
b)
Die Zentralstelle unterstützt die Staatsanwaltschaften bei den Ermittlungen, insbesondere in Fällen grenzüberschreitender Cyberkriminalität. Darüber hinaus vermittelt die Zentralstelle Absprachen zur Förderung von Ermittlungsverfahren, insbesondere zur nachhaltigen Bearbeitung von Struktur- und Sammelverfahren.
c)
Die Zentralstelle ist Ansprechpartner für die Quick Reaction Force Cybercrime beim Bundeskriminalamt.
d)
Die Zentralstelle wirkt im Fall konkurrierender Sonderzuständigkeiten von Staatsanwaltschaften und im Fall eines Dissenses über das Vorliegen der Voraussetzungen der Nummer 22 Absatz 1 der VwV Organisationsstatut der Staatsanwaltschaften zwischen den Staatsanwaltschaften auf die Herstellung eines Einvernehmens über die Zuständigkeit für die weitere Verfahrensbearbeitung hin.
(3) Beobachtung neuer Entwicklungen
Die Zentralstelle analysiert neue technische und soziale Strukturen, um aktuelle Entwicklungen der Cyberkriminalität frühzeitig zu erkennen und einheitliche Standards und Strategien zu deren effizienter strafrechtlicher Bekämpfung zu entwickeln und erarbeitet Stellungnahmen und Anregungen zu Gesetzgebungsvorhaben.
(4) Revisionen, Rechtsbeschwerden und Dienstaufsicht
Die Zentralstelle bearbeitet in Verfahren der Cyberkriminalität die Revisions- und Beschwerdesachen im Zuge der Vorlage an die Revisions- und Beschwerdegerichte und führt in Verfahren der Cyberkriminalität die Dienstaufsicht.
4.
Förderung der Aus- und Fortbildung im Bereich der Justiz
Die Zentralstelle organisiert und unterstützt in Abstimmung mit dem Staatsministerium der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung die Aus- und Fortbildung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatsanwaltschaften im Bereich der Cyberkriminalität. Sie führt eine Grundqualifizierung zur Bearbeitung von Verfahren der Cyberkriminalität durch Fortbildung der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte sowie der Sonderdezernentinnen und Sonderdezernenten für Cyberkriminalität durch und fördert die Fort- und Weiterbildung der Sonderdezernentinnen und Sonderdezernenten für Cyberkriminalität durch weitere Angebote. Hierfür entwickelt die Zentralstelle, fallweise in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsbereich des Staatsministeriums des Innern, des Staatsministeriums für Wissenschaft, Kultur und Tourismus sowie der Hochschule Mittweida ein geeignetes Fortbildungsangebot.
5.
Bearbeitung besonders herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität
(1) Allgemeine Zuweisung, Begriffsbestimmung
a)
Der Zentralstelle wird gemäß § 143 Absatz 4 und § 147 Nummer 2 des
Gerichtsverfassungsgesetzes
die Bearbeitung von Verfahren nach § 4 Absatz 1 Nummer 5 des
Bundeskriminalamtgesetzes
zugewiesen.
b)
Die Zentralstelle kann im Einzelfall Verfahren von besonderer Bedeutung im Bereich der Cyberkriminalität an sich ziehen, wenn besondere Umstände eine Bearbeitung durch die Zentralstelle gebieten. § 145 Absatz 1 des
Gerichtsverfassungsgesetzes
bleibt unberührt.
c)
Der Bereich der Cyberkriminalität umfasst
aa)
Verfahren der Cyberkriminalität im engeren Sinn (Straftaten nach den §§ 127, 202a bis 202d, 263a, 269, 270, 271, 274 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 sowie den §§ 303a und 303b des
Strafgesetzbuchs
, den §§ 106 bis 108b des
Urheberrechtsgesetzes
, § 23
des Gesetzes zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen
, den
§§ 38
und 39 des
Sächsischen Datenschutzgesetzes
sowie den §§ 42 und 43 des
Bundesdatenschutzgesetzes
),
bb)
Verfahren gemäß den §§ 131 und 184 bis 184c des
Strafgesetzbuchs
und Jugendmedienschutzverfahren, soweit Computer- und Informationstechnik als Tatmittel verwendet wurde,
cc)
sonstige Delikte, bei denen Computer- und Informationstechnik als Tatmittel verwendet wurde und die Ermittlungen ein hohes Maß an technischer Beweisführung erfordern, sowie
dd)
Sammel- und Strukturverfahren, auch gegen unbekannte Täterinnen und Täter, wenn eine Vielzahl von Opfern durch Verwendung von Computer- und Informationstechnik geschädigt wurde und konkrete Anhaltspunkte für einen begrenzbaren Täterkreis vorliegen.
d)
Von besonderer Bedeutung ist ein Verfahren in der Regel, wenn
aa)
die Tat dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität zuzuordnen ist,
bb)
die Tat Auswirkungen auf bedeutende Wirtschaftszweige, Angriffe auf zentrale IT-Strukturen der Finanzwirtschaft oder auf die kritische Infrastruktur, insbesondere die Energieversorgung oder die technische Infrastruktur, zeigt,
cc)
die Tat durch Angriffe auf die IT-Struktur von Behörden oder anderen öffentlichen Einrichtungen begangen wurde,
dd)
die Tat durch Angriffe auf Computer- und Informationstechnik mittels neuer oder mit hohem Gefährdungspotential verbundener Begehungsweisen verübt wurde oder
ee)
die Ermittlungen einen hohen Aufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik erfordern.
e)
Besondere Umstände liegen in der Regel vor, wenn
aa)
ein Verfahren ein neuartiges Phänomen im Bereich der Cyberkriminalität oder ein neuartiges Vorgehen bei der Tatbegehung zum Gegenstand hat,
bb)
das Cybercrime Competence Center Sachsen im Landeskriminalamt Sachsen die polizeilichen Ermittlungen führt oder
cc)
ein Verfahren starke internationale Bezüge oder eine besondere Eilbedürftigkeit aufweist.
(2) Umfang der Zuständigkeit
Die Zuständigkeit der Zentralstelle umfasst in der Regel das Ermittlungsverfahren, das gerichtliche Verfahren zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens und, soweit die Zuständigkeit der Strafkammer nach den §§ 74, 74b und 74c des
Gerichtsverfassungsgesetzes
oder der Jugendkammer nach § 41 Absatz 1 Nummer 3 und 4 des
Jugendgerichtsgesetzes
begründet ist, auch die Mitwirkung in der Hauptverhandlung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens. Im Übrigen obliegt die weitere Sachbehandlung einschließlich der Strafvollstreckung der örtlich zuständigen Staatsanwaltschaft.
(3) Verfahrensübernahme aus den Staatsanwaltschaften
a)
Liegt bei einer Staatsanwaltschaft ein Verfahren vor, welches die Voraussetzungen nach Absatz 1 Buchstabe a erfüllt, so legt sie dieses unmittelbar der Zentralstelle zur Prüfung der Übernahme vor.
b)
Liegt bei einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft im Sinne der Nummer 22 Absatz 1 Buchstabe a bis c der
VwV Organisationsstatut der Staatsanwaltschaften
ein Verfahren vor, dessen Bearbeitung sie durch die Zentralstelle nach Absatz 1 Buchstabe b Satz 1 für geboten erachtet, so legt sie dieses der Zentralstelle zur Prüfung der Übernahme vor.
c)
Die Zentralstelle kann ferner Verfahren, die bei Zentralstellen oder Staatsanwaltschaften anderer Bundesländer anhängig sind, unmittelbar übernehmen.
(4) Verfahrensübernahme aus dem Landeskriminalamt Sachsen und den für Verfahren der Cyberkriminalität zuständigen Kommissariaten der Polizei
Das Cybercrime Competence Center Sachsen im Landeskriminalamt Sachsen und die für die Bearbeitung von Verfahren der Cyberkriminalität zuständigen Kommissariate der Polizeidirektionen können Verfahren, mit denen noch keine andere Staatsanwaltschaft befasst war und die zugleich die Voraussetzungen nach Absatz 1 Buchstabe a erfüllen oder voraussichtlich erfüllen werden, unmittelbar der Zentralstelle vorlegen.
(5) Ablehnung der Übernahme, Abgabe von Verfahren
a)
Liegen die Voraussetzungen für die Übernahme nach Absatz 1 Buchstabe a oder b Satz 1 nicht vor, gibt die Zentralstelle im Fall des Absatz 3 Buchstabe a und b das Verfahren unter Ablehnung der Übernahme unverzüglich an die vorlegende Staatsanwaltschaft zurück und im Fall des Absatz 4 unverzüglich an die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft ab.
b)
Entfallen die Voraussetzungen nach Absatz 1 Buchstabe a oder b Satz 1 nach Verfahrensübernahme, sind im Ermittlungsverfahren keine weiteren technischen Ermittlungen erforderlich oder ist eine anderweitige staatsanwaltschaftliche Zuständigkeitskonzentration gegeben, kann die Zentralstelle das Verfahren bereits vor Abschluss des Ermittlungsverfahrens an die örtlich und sachlich zuständige Staatsanwaltschaft abgeben. Dies gilt auch, soweit sich aus den Ermittlungen ein Tatverdacht gegen einzelne Mittäterinnen, Mittäter, Teilnehmerinnen oder Teilnehmer ergibt und eine Verfahrenstrennung angezeigt ist.
III. Abschnitt Inkrafttreten, Außerkrafttreten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die Errichtungsverfügung einer Sächsischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Cybercrime vom 19. Januar 2016 (unveröffentlicht) außer Kraft.
Dresden, den 16. August 2023
Die Staatsministerin der Justiz und für Demokratie, Europa und Gleichstellung Katja Meier
Feedback