Verwaltungsvorschrift
Verwaltungsvorschrift
des Sächsischen Staatsministeriums
für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie
für den Betrieb von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen
(VwVBeh)
Vom 16. Juni 2000
Auf Grund von § 39 Abs. 2 des
Landesjugendhilfegesetzes
in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. September 1998 (SächsGVBl. Nr. 19 S. 506) wird folgende Verwaltungsvorschrift gemäß §§ 45 bis 48 des
Achten Buches Sozialgesetzbuch
– Kinder- und Jugendhilfe – (
SGB VIII
) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1998 (BGBl. I S. 3546), in Verbindung mit § 93 Abs. 1 und 2 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. März 1994 (BGBl. I S. 646, 2975), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 3. Mai 2000 (BGBl. I S. 632) geändert worden ist, erlassen:
1
Zuständige Behörde, Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche im Rahmen der Behindertenhilfe
1.1
Das Landesjugendamt (LJA) nimmt als zuständige Behörde nach § 29 Abs. 1 Landesjugendhilfegesetz die Aufgaben nach §§ 45 bis 48
SGB VIII
wahr und ist damit auch zuständige Behörde für die Erteilung der Erlaubnis und Untersagung des Betriebes einer Einrichtung für behinderte Kinder und Jugendliche. Es führt die entsprechenden Verfahren auf der Grundlage dieser Verwaltungsvorschrift durch.
1.2
Einrichtungen im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind:
a)
heilpädagogische Kindertageseinrichtungen (Sondereinrichtungen) sowie heilpädagogische Gruppen (Sondergruppen) für Kinder mit Behinderungen im nichtschulpflichtigen Alter – teilstationäre Einrichtungen –,
b)
Einrichtungen der Ganztagesbetreuung für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, die eine Förderschule besuchen, – teilstationäre Einrichtungen –,
c)
Wohnstätten (Heime) für behinderte Kinder und Jugendliche einschließlich ihrer Außenwohngruppen sowie Einrichtungsteile von Komplexeinrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche leben – vollstationäre Einrichtungen –,
d)
Wohnheime zur Berufsausbildung, Internate,
e)
sonstige Einrichtungen und Wohnformen, in denen Kinder und Jugendliche mit Behinderungen ständig oder vorübergehend leben.
1.3
Keine Einrichtungen im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind Krankenhäuser, Rehabilitationseinrichtungen, Kureinrichtungen, Förderschulen, integrative Kindertageseinrichtungen und Einrichtungen, in denen Kinder und Jugendliche nach § 35a
SGB VIII
untergebracht sind.
2
Grundlagen für Planung und Konzeption sowie für den Betrieb von Einrichtungen für behinderte Kinder und Jugendliche
2.1
Grundsätze zur Führung von Einrichtungen
Aufgabe der Einrichtungen ist es, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die Kinder und Jugendlichen in die Gesellschaft einzugliedern. Dazu gehört vor allem die Ermöglichung oder Erleichterung der Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Jeder hat das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit.
2.1.1
Die Einrichtungen müssen nach ihrem heilpädagogischen, therapeutischen und pflegerischen Konzept, der personellen Besetzung, dem Bau und der Ausstattung sowie organisatorisch und wirtschaftlich in der Lage sein, das Wohl der Kinder und Jugendlichen zu gewährleisten und ihrem notwendigen Hilfebedarf zu entsprechen. Bei der Betreuung und Förderung ist § 46 BSHG zu beachten.
2.1.2
Vor der Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen, insbesondere nach Ziffer 1.2 Buchst. c bis e, ist vom zuständigen Kostenträger die Zustimmung zur Maßnahme und die Erklärung zur Kostenübernahme einzuholen. Zustimmung und Kostenübernahmeerklärung bedürfen der schriftlichen Form. Bei Aufnahme eines Kindes oder Jugendlichen in einem Eilfall (Notaufnahme) ist die Zustimmung des zuständigen Kostenträgers unverzüglich einzuholen. Bei Kurzzeitangeboten ist dies nicht erforderlich. Vor der Inbetriebnahme einer Einrichtung sind mit dem zuständigen Kostenträger entsprechende Vereinbarungen unter dem Vorbehalt der Erteilung einer Betriebserlaubnis zu schließen.
2.1.3
Vor Beendigung der Unterbringung in der jeweiligen Einrichtung sind gemeinsam mit dem betreffenden Kind oder Jugendlichen sowie mit den Personensorgeberechtigten Entscheidungen für den weiteren Lebensweg rechtzeitig vorzubereiten. Hierzu erarbeitet die Einrichtung Vorschläge, die sie mit den zuständigen Institutionen, insbesondere mit dem Träger der Sozialhilfe, dem Jugendamt, dem Schulamt und der Arbeitsverwaltung, abstimmt. Außerdem bereitet sie die Umsetzung der getroffenen Entscheidungen vor.
2.1.4
Die Träger von Einrichtungen haben zu gewährleisten, dass die Aufsichts- und Sorgfaltspflichten sowie die Bestimmungen des Datenschutzes eingehalten werden.
2.2
Schutz der Würde, der Privatsphäre und des Eigentums der Betreuten
2.2.1
Die Würde der Kinder und Jugendlichen ist jederzeit und in jeder Situation zu achten und zu wahren. Körperliche und seelische Misshandlungen und Züchtigungen sowie andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.
2.2.2
Die Kinder und Jugendlichen haben ein Recht auf Privatsphäre. Die räumliche Ausstattung und Organisation einer Wohnstätte muss dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich zeitweise zurückzuziehen, um allein sein zu können. In Einrichtungen gemäß Nummer 1.2 Buchst. c und d muss für jedes Kind und jeden Jugendlichen ein Raum oder Raumteil vorhanden sein, der ausschließlich ihm zur Verfügung steht und der selbst ausgestaltet werden kann. Kleidungsstücke und sonstige Gegenstände des persönlichen Bedarfs müssen grundsätzlich Eigentum des Kindes oder Jugendlichen sein. Zum Schutze des persönlichen Eigentums hat der Träger geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Kinder und Jugendliche müssen die Möglichkeit haben, ihr Eigentum so aufzubewahren, dass es anderen als den Personensorgeberechtigten und den Betreuern nicht zugänglich ist.
2.2.3
In Wohnstätten ist Kindern und Jugendlichen im Rahmen ihrer Geschäftsfähigkeit und mit Einverständnis der Personensorgeberechtigten die Verfügung über ihr Eigentum zu gestatten; Dauerregelungen, welche die Verfügungsbefugnis beschränken, bedürfen der schriftlichen Einwilligung der Personensorgeberechtigten.
2.3
Standort und Raumbedarf
2.3.1
Bei der Beurteilung des Standortes, des Raumbedarfs und der baulichen Anforderungen soll die „Rahmenempfehlung des Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie über die Anforderungen an Standort, Gebäude und Ausstattung von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen“ als Orientierungshilfe herangezogen werden.
2.3.2
Unter Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse und der jeweiligen Fördermöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen sowie wirtschaftlicher Gesichtspunkte soll in der Regel die Unterbringung in einer wohnortnahen Einrichtung erfolgen. Ausnahmen bilden Einrichtungen, die auf Grund des spezifischen Bedarfes des Kindes oder Jugendlichen nur überregional angeboten werden können.
2.3.3
Jede Einrichtung soll eine für die Kinder und Jugendlichen überschaubare Größe haben. Die Wohnstätten sollen in der Regel in Wohngruppen gegliedert sein. Sie sind für einen vorübergehenden oder für einen längeren Aufenthalt bestimmt.
2.4
Gruppengröße
Bei Einrichtungen, die nach Gruppen gegliedert sind, richtet sich die Größe einer Gruppe nach Art und Schwere der Behinderung und nach der Ausprägung von Verhaltensauffälligkeiten sowie nach dem Alter der ihr angehörenden Kinder und Jugendlichen. In stationären Einrichtungen sollen in der Regel nicht mehr als acht Betreute einer Gruppe angehören. Diese Richtschnur zur Gruppengröße gilt nicht für die Kurzzeitunterbringung.
2.5
Betreuung
2.5.1
Das Leistungsangebot der Einrichtung ist auf der Grundlage ihrer Konzeption nach Art, Inhalt, Umfang und Qualität darauf auszurichten, die Kinder und Jugendlichen qualifiziert zu erziehen, zu bilden, zu fördern und zu betreuen. Die Konzeption ist Bestandteil der Unterlagen zur Betriebserlaubniserteilung. Die Leistungsvereinbarung ist Bestandteil der Entgelt- und Prüfungsvereinbarung. Alle Einrichtungen haben sich verändernden Erfordernissen anzupassen und ihr Leistungsangebot weiter zu entwickeln.
2.5.2
Die psychologischen und therapeutischen Hilfen sollen entsprechend dem Bedarf, soweit dies mit wirtschaftlich vertretbarem Aufwand möglich ist, innerhalb der Einrichtung durch Fachkräfte erbracht werden. Sie sind in der Konzeption und in der Leistungsbeschreibung sowie im individuellen Förderplan aufzuführen.
2.5.3
Im Rahmen der Gewährung von Eingliederungshilfe erstellt der Träger der Sozialhilfe nach § 46 BSHG einen Gesamtplan. Die Einrichtungen haben für jedes Kind und jeden Jugendlichen innerhalb von zwei Monaten nach der Aufnahme einen Förder- und Therapieplan zu erstellen. Die Pläne sollen in interdisziplinärer Zusammenarbeit von Fachkräften unter Einbeziehung der Personensorgeberechtigten erstellt werden. Ergebnisse des Hilfeprozesses sind anhand der festgelegten Ziele regelmäßig zu überprüfen. Der individuelle Förder- und Therapieplan ist als Konkretisierung notwendiger Hilfen in den Gesamtplan aufzunehmen.
2.5.4
Im Interesse der Familienbindung der behinderten Kinder und Jugendlichen sind die Angebote der Einrichtungen vorrangig auf eine werktägliche Betreuung auszurichten. Maßgeblich ist hierbei der individuelle Betreuungsbedarf. Ausnahmen bilden Angebote für Kinder und Jugendliche, für die eine Ganzjahresbetreuung erforderlich ist.
2.5.5
Erfolgt eine Betreuung bei Tag und Nacht, muss auch für die Nachtbetreuung geeignetes Fachpersonal bereit stehen. Die Anzahl der Fachkräfte sowie die Intensität der Betreuung hängen ab von der Konzeption sowie der Größe der Einrichtung. In Wohnstätten für schwerst- oder schwerstmehrfachbehinderte Kinder und Jugendliche muss auch nachts mindestens eine Fachkraft mit medizinischen und pflegerischen Kenntnissen bei Bedarf einsatzbereit sein.
2.5.6
In allen Einrichtungen sind die Kinder und Jugendlichen entsprechend ihrem Entwicklungsniveau und ihren Fähigkeiten an Entscheidungen, die sie selbst betreffen, zu beteiligen. Sie sind in die inhaltliche und organisatorische Planung des Heim- und Gruppenlebens einzubeziehen.
2.5.7
Die Mitwirkung der Personensorgeberechtigten ist zu gewährleisten und möglichst einfach und entgegenkommend zu gestalten.
2.6
Personal
2.6.1
Die Mitarbeiter müssen persönlich und fachlich geeignet sein, mit behinderten Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Personen in Ausbildung und pädagogische oder andere Hilfskräfte dürfen nur unter Anleitung von Fachkräften eingesetzt werden.
2.6.2
Die Einrichtungen müssen durch heilpädagogische oder sozialpädagogische Fachkräfte geleitet werden. Diese müssen zur Leitung eines Mitarbeiterteams befähigt sein und sollen über eine mindestens zweijährige einschlägige Berufserfahrung verfügen.
2.6.3
Für alle in der Einrichtung tätigen Mitarbeiter sollen Stellenbeschreibungen vorliegen, aus denen die Aufgaben, Zuständigkeiten, Pflichten und Abgrenzungen der Arbeitsgebiete hervorgehen.
2.6.4
Der Personalbedarf im Betreuungsbereich wird vom Alter, von Art und Schwere der Behinderung der Kinder und Jugendlichen, der Größe der Einrichtung und der Anzahl der Gruppen bestimmt. Zur Umsetzung des fachlichen Auftrages und zur Erfüllung der Aufsichtspflicht ist je Gruppe eine Mindestbesetzung mit Fachkräften zu garantieren:
a)
in heilpädagogischen Tageseinrichtungen eine Fachkraft entsprechend der Öffnungszeit;
b)
in Einrichtungen der Ganztagesbetreuung eine Fachkraft entsprechend der Öffnungszeit;
c)
in Wohnstätten eine Fachkraft während der regulären Tagesbetreuung (Früh-/Tages-/Spätdienst).
Zur Dienstabsicherung sind dem Bedarf entsprechend – je nach täglicher Anwesenheitszeit der Kinder und je nach Schwere der Behinderung, den Besonderheiten des Verhaltens und des Pflegeaufwandes – sowie zur Gewährleistung der Aufsichtspflicht weitere heilpädagogische und pflegerische Fach- und Hilfskräfte sowie Zusatzkräfte einzusetzen.
2.6.5
Fachkräfte im Sinne dieser Verwaltungsvorschrift sind:
a)
Diplompädagogen (Universität),
b)
Sonderpädagogen,
c)
staatlich anerkannte Sozialarbeiter/Sozialpädagogen,
d)
Psychologen,
e)
Rehabilitationspädagogen,
f)
Heilerziehungspfleger,
g)
staatlich anerkannte Heilpädagogen,
h)
Kinderkrankenschwestern,
i)
staatlich anerkannte Erzieher sowie
j)
staatlich anerkannte Musik- und Spielpädagogen mit therapeutischer Qualifikation.
Bei den Berufsgruppen der Buchstaben h, i, bis j sind für die Anerkennung als Fachkraft zusätzliche rehabilitationspädagogische oder sonderpädagogische oder heilpädagogische Befähigungen nachzuweisen beziehungsweise in einem befristeten Zeitraum zu erwerben.
Weitere Fachkräfte sind:
k)
Logopäden,
l)
Physiotherapeuten,
m)
Ergotherapeuten.
2.6.6
Als Hilfskräfte können eingesetzt werden:
a)
Heilerziehungspflegehelfer,
b)
Kinderpfleger,
c)
Krankenpflegehelfer sowie
d)
Familienpfleger.
2.6.7
Als Zusatzkräfte können eingesetzt werden:
a)
Praktikanten,
b)
Helfer im freiwilligen sozialen Jahr,
c)
Personen, die einen sozialpädagogischen Beruf anstreben,
d)
Zivildienstleistende und
e)
andere geeignete Personen.
2.6.8
Eine kontinuierliche interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb der Einrichtung ist zwischen dem heilpädagogischen, therapeutischen und medizinischen Personal zu sichern.
2.6.9
Für die Leiter sowie die Fach- und Hilfskräfte der Einrichtungen sollten regelmäßig berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen sowie Supervisionen angeboten werden. Die Leiter sollten sich zusätzlich auf den Gebieten der Mitarbeiterführung und des Managements einer Einrichtung qualifizieren. Durch die Träger der Einrichtungen soll die Teilnahme an den Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung in angemessenem Umfang ermöglicht werden.
2.6.10
Eine nach Größe der Einrichtung ausreichende Zahl von Mitarbeitern muss die notwendigen Kenntnisse sowie praktischen Fertigkeiten in Erster Hilfe nachweisen. Diese Kenntnisse sind bei einer anerkannten Erste-Hilfe-Organisation zu erwerben und bei Bedarf durch Fortbildung aufzufrischen. In der Einrichtung muss jederzeit mindestens ein Ersthelfer erreichbar sein.
2.6.11
Die nach Rahmenverträgen gemäß § 93d Abs. 2 BSHG zu Grunde gelegte Personalausstattung ist verbindlich. Auflagen innerhalb des Betriebserlaubnisverfahrens sind nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit Vereinbarungen nach den §§ 93 und 94 BSHG auszugestalten.
2.6.12
Bei Einrichtungen für lern- und sprachbehinderte Kinder und Jugendliche, die nicht im Sinne von § 39 BSHG wesentlich behindert sind, gelten die Vorgaben der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie gemäß § 13 Abs. 4 Schulgesetz für den Freistaat Sachsen (
VOSchulG
) vom 14. Juli 1995 (SächsGVBl. S. 252).
2.7
Medizinische Versorgung, Gesundheitspflege und Sicherheit
2.7.1
Die Einrichtungen haben die ärztliche und zahnärztliche Versorgung der Kinder und Jugendlichen sowie deren Teilnahme an gesetzlich vorgeschriebenen Reihenuntersuchungen und an öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen bedarfsgerecht zu ermöglichen. Im Rahmen der ärztlichen Untersuchungen sollte gleichzeitig die Impfdokumentation geprüft werden und eine Beratung zu gegebenenfalls nachzuholenden Impfungen erfolgen. Ärztliche Verordnungen sind fachgerecht zu befolgen.
2.7.2
Bei Neuaufnahmen von Kindern und Jugendlichen in die Einrichtung ist mit einem ärztlichen Zeugnis zu belegen, dass die Aufzunehmenden frei von übertragbaren Krankheiten sind. Das Zeugnis soll in der Regel nicht älter als eine Woche sein, im Eilfall ist die Untersuchung unverzüglich nachzuholen. Ferner ist dem Träger nachzuweisen, dass das Kind oder der Jugendliche seinem Alter und Gesundheitszustand entsprechend alle öffentlich empfohlenen Schutzimpfungen erhalten hat oder dass die Personensorgeberechtigten ihre Zustimmung zu bestimmten Schutzimpfungen verweigern.
2.7.3
Über die Kinder und Jugendlichen sind in der Einrichtung individuelle Dokumentationen zur Entwicklung und Förderung zu führen. Art und Umfang der Dokumentation sowie die notwendige Aktualisierung und Kontrolle werden vom Träger festgelegt.
2.7.4
Der Träger hat die Einhaltung der Hygieneanforderungen und eine regelmäßige Überprüfung der Einrichtung einschließlich des dazugehörenden Freigeländes zur Verhütung von Unfällen sicherzustellen. Auf die Einhaltung der Unfallverhütungs- und Hygienevorschriften ist ständig zu achten. Plötzlich auftretende Gefahrenstellen sind umgehend zumindest vorläufig zu sichern. Schäden oder Mängel, die zu einer Gefährdung von Leben und Gesundheit führen können, sind unverzüglich zu beheben.
2.7.5
Die Festlegungen der Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über die Brandverhütungsschau (BrVSchVO) vom 2. Dezember 1992 (SächsGVBl. S. 603) in der jeweils geltenden Fassung sowie der Sächsischen Bauordnung (
SächsBO
) vom 18. März 1999 (SächsGVBl. S. 86) in der jeweils geltenden Fassung sind zu beachten und umzusetzen.
In jeder Einrichtung muss ein Alarmplan aufgestellt sein. Dieser ist sichtbar anzubringen. Das gesamte Personal muss mit dem Alarmplan vertraut sein und muss mit den Feuerlöschgeräten und den einrichtungsgebundenen Rettungsmitteln umgehen können. Sowohl Träger als auch Mitarbeiter sind verpflichtet, ihr Wissen regelmäßig aufzufrischen. Die Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen ist durch Probealarme in festgelegten Intervallen zu überprüfen. Rettungswege und Notausgänge müssen als solche deutlich erkennbar und dauerhaft gekennzeichnet sein und auf möglichst kurzem Wege ins Freie führen. Sie dürfen nicht eingeengt werden; sie sind stets frei zu halten. Die Türen müssen sich von innen jederzeit leicht öffnen lassen.
2.7.6
Besondere Vorkommnisse, die das Wohl der Kinder und Jugendlichen gefährden, sind unverzüglich dem Träger, den Personensorgeberechtigten und dem Landesjugendamt mitzuteilen.
2.8
Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und Stellen
Die Einrichtung arbeitet insbesondere mit den betreuenden Ärzten, mit den Stellen der Frühförderung und Frühberatung und den Sozialpädiatrischen Zentren, mit dem Gesundheitsamt, seinen Beratungsstellen und vor allem dem Jugendärztlichen Dienst, mit den förderpädagogischen Beratungsstellen an den Förderschulen und mit den fachlich beteiligten Stellen der Sozial- und Jugendämter sowie mit den Förderschulen und den Einrichtungen der Berufsbildung zusammen.
2.9
Wirtschaftsführung
2.9.1
Der Betrieb einer Einrichtung muss wirtschaftlich so gesichert sein, dass das Wohl der Kinder und Jugendlichen gewährleistet ist. Jede Einrichtung sollte eine wirtschaftliche Größe haben. Kleinere Einrichtungen mit einer Kapazität unter 30 Plätzen sollten in einem Einrichtungsverbund geführt werden.
2.9.1
Die Wirtschaftsführung muss den Grundsätzen der Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Rechnung tragen.
3
Aufsicht
3.1
Das Landesjugendamt stimmt sich mit dem Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie, dem die Fachaufsicht über das Landesjugendamt obliegt, sowie mit dem örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträger (Kostenträger) regelmäßig ab. Besteht für eine Einrichtung neben der Aufsicht nach § 45
SGB VIII
eine Aufsicht nach anderen Rechtsvorschriften, so hat die zuständige Behörde ihr Tätigwerden zuvor mit der anderen Behörde abzustimmen. Sie hat den Träger der Einrichtung rechtzeitig auf weiter gehende Anforderungen nach anderen Rechtsvorschriften hinzuweisen.
3.2
Das Landesjugendamt kann von den Beteiligten des Rahmenvertrages gemäß § 93 d Abs. 2 BSHG für fachliche Stellungnahmen zum Betrieb von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen herangezogen werden.
4
Betriebserlaubnis
4.1
Die Betriebserlaubnis für eine Einrichtung wird einem Träger für bestimmte Räumlichkeiten und für eine bestimmte Anzahl von Plätzen und Gruppen mit Orientierungen zur personellen Besetzung erteilt. Sie kann Beschränkungen, etwa bezüglich des Alters und der Art der Behinderung, der aufzunehmenden Kinder und Jugendlichen enthalten, wenn die Einrichtung nicht über die erforderlichen Voraussetzungen verfügt.
4.2
Soll in Verbindung mit einer Wohnstätte gemäß Nummer 1.2 Buchst. c eine heilpädagogische Kindertageseinrichtung, eine heilpädagogische Gruppe gemäß Nummer 1.2 Buchst. a oder eine Einrichtung der Ganztagesbetreuung gemäß Nummer 1.2 Buchst. b betrieben werden, so ist diese in die Betriebserlaubnis für die Wohnstätte einzubeziehen.
4.3
Die Pflicht zur Aufbewahrung von Aufzeichnungen über den Betrieb einer Wohnstätte wird nach § 8 des
Heimgesetzes
(
HeimG
) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 1990 (BGBl. I S. 763, 1069), das zuletzt durch Artikel 16 der Verordnung vom 21. September 1997 (BGBl. I S. 2390) geändert worden ist, geregelt.
5
Auskunfts- und Meldepflicht
5.1
Das Landesjugendamt kann vom Träger und vom Leiter einer Einrichtung verlangen, dass ihm dieser im Verfahren zur Erteilung der Erlaubnis für den Betrieb von Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen die erforderlichen mündlichen und schriftlichen Auskünfte innerhalb einer gesetzten Frist und unentgeltlich erteilt.
5.1
Der Träger hat die Meldepflichten gemäß § 47
SGB VIII
zu beachten.
6
Örtliche Prüfung
6.1
Das Landesjugendamt überprüft jede Einrichtung nach den Erfordernissen des Einzelfalls an Ort und Stelle wiederkehrend, Heime mindestens alle zwei Jahre. Grundlage ist die mit dem zuständigen Kostenträger bestehende Vereinbarung, die dem Landesjugendamt nach Abschluss in Mehrfertigung zugestellt wird. Der Träger der Einrichtung ist in der Regel so rechtzeitig zu benachrichtigen, dass er bei der Überprüfung mitwirken kann. Teilnahmeberechtigt sind Vertreter des Dachverbands, dem der Träger der Einrichtung angehört, des Gesundheitsamts und des örtlichen oder überörtlichen Sozialhilfeträgers. Das Landesjugendamt ist auch zu unangemeldeten Überprüfungen berechtigt, wenn es dies zur Abwehr von Gefahren für das Wohl der Kinder und Jugendlichen als erforderlich erachtet.
6.2
Das Ergebnis der Überprüfung ist mit allen Beteiligten zu erörtern.
6.3
Das Landesjugendamt fertigt über die Prüfung eine Niederschrift. Je ein Exemplar der Niederschrift wird jedem Beteiligten der örtlichen Prüfung übersandt. Auflagen und Empfehlungen sind dem Träger und dem Leiter der Einrichtung sowie dem Sozialhilfeträger schriftlich und getrennt von einer Prüfungsniederschrift mitzuteilen. Sie sind ausdrücklich als solche zu kennzeichnen. Der Träger der Einrichtung hat die Möglichkeit, innerhalb von vier Wochen Rückmeldung zum Protokoll zu geben. Das Protokoll ist Grundlage für die Betriebserlaubniserteilung oder -entziehung.
6.4
Das Landesjugendamt stimmt die Auflagen und Empfehlungen, soweit diese Auswirkungen auf Entgelte und Vereinbarungen nach § 93 BSHG haben, mit dem zuständigen Kostenträger ab. Dieser kann innerhalb von vier Wochen nach Erhalt dazu Stellung nehmen. Die Auflagen und Empfehlungen sind so weit als möglich in Übereinstimmung mit den Vereinbarungen nach §§ 93 und 94 BSHG auszugestalten.
6.5
Grundlage für die Belegung einer Einrichtung ist der Bescheid zur Erteilung der Betriebserlaubnis. Er wird dem zuständigen Kostenträger vom Landesjugendamt zur Kenntnis gegeben.
7
Übergangsregelungen
7.1
Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Verwaltungsvorschrift mindestens fünf Jahre in Einrichtungen tätig waren und deren Ausbildung den Anforderungen der Empfehlung nicht entspricht, können in ihrer bisherigen Tätigkeit bei persönlicher Eignung und regelmäßiger Teilnahme an Fort- und Weiterbildung weiterbeschäftigt werden.
7.2
Die Anforderungen an Bau, Ausstattung und Raumbedarf gelten für Einrichtungen, die nach In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschrift errichtet werden. Die Bedingungen bestehender Einrichtungen sind den Anforderungen möglichst weitgehend anzugleichen. Dazu und bei größeren Umbau-, Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen ist im Rahmen eines Stufenplanes das Ende der Maßnahme festzulegen. In diese Planungen sind das Gesundheitsamt und bei sachlicher Zuständigkeit auch der zuständige Sozialhilfeträger rechtzeitig einzubeziehen.
8
Ausnahmeregelung
Das Staatsministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie kann in begründeten Fällen Ausnahmen oder Abweichungen von dieser Verwaltungsvorschrift zulassen.
9
In-Kraft-Treten
Diese Verwaltungsvorschrift tritt am 1. Juli 2000 in Kraft.
Dresden, den 16. Juni 2000
Sächsisches Staatsministerium
für Soziales, Gesundheit, Jugend und Familie
Dr. Albin Nees
Staatssekretär
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