VwV Örtliche Unfalluntersuchung
DE - Landesrecht Sachsen

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur ortsbezogenen Auswertung von Straßenverkehrsunfällen (VwV Örtliche Unfalluntersuchung)

Gemeinsame Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr und des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur ortsbezogenen Auswertung von Straßenverkehrsunfällen (VwV Örtliche Unfalluntersuchung)
Vom 28. August 2020

I. Unfallkommission

1.
Bildung der Unfallkommission
a)
Die Straßenverkehrsbehörden der Landkreise, der Kreisfreien Städte und der Großen Kreisstädte haben jeweils eine Unfallkommission einzurichten. Soweit ausschließlich Gemeindestraßen, die in keine der vorgenannten Zuständigkeiten fallen, betroffen sind, übernehmen die Landkreise im Rahmen ihrer Fachaufsicht die Einbindung der örtlichen Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörde.
b)
Mitglieder der Unfallkommission sind die Leiter der zuständigen
aa)
Straßenverkehrsbehörde,
bb)
Straßenbaubehörden und
cc)
Polizeidirektion.
Der Vorsitz in der Unfallkommission obliegt der Straßenverkehrsbehörde.
c)
Die Leiter der unter Buchstabe b genannten Dienststellen können ihre Aufgaben delegieren und haben die jeweiligen Mitglieder der Unfallkommission zu benennen sowie ihre Teilnahme an den dafür notwendigen Aus- und Fortbildungen zu gewährleisten.
2.
Aufgaben der Unfallkommission
a)
Die Unfallkommission hat Unfallhäufungen (Unfallhäufungsstellen und -linien) zu analysieren, Abhilfevorschläge zu finden und Maßnahmen, gegebenenfalls auch Zwischenlösungen, zu beschließen.
b)
Die für die beschlossene Maßnahme zuständige Behörde hat diese zu prüfen, umzusetzen oder gegenüber der Unfallkommission Alternativen vorzuschlagen.
c)
Darüber hinaus hat die Unfallkommission die weitere Unfallentwicklung und die Wirksamkeit umgesetzter Maßnahmen zu überwachen.
3.
Regelwerk für die Arbeit der Unfallkommission
Das Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen (M Uko), Köln, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), Ausgabe 2012, ist anzuwenden.

II. Aufgaben des Polizeivollzugsdienstes

1.
Allgemeines
Dem zuständigen Polizeivollzugsdienst obliegt
a)
das Erstellen und Führen der Unfalltypenkarten,
b)
das Erkennen und Festlegen von Unfallhäufungen,
c)
die Bildung von Rangfolgen nach M Uko,
d)
die Meldung von Unfallhäufungen an die Unfallkommission und
e)
die Vorbereitung der Unterlagen und Daten für die Unfallanalyse.
2.
Erstellen und Führen der Unfalltypenkarten
a)
Das Erstellen und Führen der Unfalltypenkarten erfolgt mit dem elektronischen Programmsystem Euska.
b)
Mit diesem Programm sind folgende Unfalltypenkarten als Standardkarten zu erzeugen:
aa)
Einjahreskarte (1-JK) mit einem Erfassungszeitraum von einem Kalenderjahr für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle,
bb)
Dreijahreskarte (3-JK) mit einem Erfassungszeitraum von drei Kalenderjahren für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle,
cc)
Dreijahreskarte Personenschaden (3-JK(P)) mit einem Erfassungszeitraum von drei Kalenderjahren für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle mit Personenschaden und
dd)
Dreijahreskarte schwerer Personenschaden (3-JK(SP)) mit einem Erfassungszeitraum von drei Kalenderjahren für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle mit schwerverletzten und getöteten Personen.
3.
Erkennen und Festlegen von Unfallhäufungen
a)
Das Erkennen und Festlegen von Unfallhäufungen erfolgt entsprechend der Grenzwerte nach M Uko.
b)
Zusätzlich zu den im M Uko benannten Unfallhäufungen werden auf der 1-JK Unfallhäufungsstellen (UHS) außerorts mit einem Grenzwert von sieben Unfällen gleichen Unfalltyps (UgTyp) erkannt und festgelegt. Wildunfälle sind von dieser Betrachtung ausgenommen.
Unfallhäufungen
Unfallort Karte Grenzwert Ausdehnung
UHS außerorts
Karte Grenzwert Ausdehnung
Knoten 1-JK 7 UgTyp Fahrbahnrand = 25 m Fahrbahnachse = 50 m
freie Strecke 1-JK 7 UgTyp max. 300 m
c)
Die Unfalltypenkarten sind regelmäßig dahingehend zu überprüfen, ob bereits in kürzerer Zeit die Kriterien von Unfallhäufungen erreicht werden.
4.
Bildung von Rangfolgen nach M Uko
a)
Zur Erstellung eines Arbeitsprogramms können Rangfolgen gebildet werden.
b)
Die Rangfolgebildung wird ab einer Anzahl von 15 festgestellten Unfallhäufungen in einem Untersuchungszeitraum empfohlen.
c)
Die Bildung von Rangfolgen erfolgt getrennt für Unfallhäufungsstellen und -linien nach der Schwere und Anzahl der Unfälle.
5.
Meldung von Unfallhäufungen an die Unfallkommission
Die nach Nummer 3 erkannten und festgelegten Unfallhäufungen sind im ersten Quartal des auf den Untersuchungszeitraum folgenden Jahres an die Unfallkommission zu melden. Für die Meldung sind Übersichtslisten ausreichend.
6.
Vorbereitung der Unfallanalyse
a)
Alle erkannten Unfallhäufungen sind einer Unfallanalyse zu unterziehen. Gemäß M Uko sind alle verfügbaren Unfälle der jeweiligen Unfallhäufung bis zum Tagesdatum in die Analyse einzubeziehen. Als Grundlage für die Analyse der Unfallhäufungen durch die Unfallkommission sind die in Euska bereitgestellten Informationen des Programteils „Unfallhäufungen“ zu verwenden. Es sind daraus mindestens folgende Unterlagen zur Verfügung zu stellen:
aa)
ein Auszug der Unfalltypenkarte,
bb)
die Unfallliste inklusive der Ausprägung der Unfallumstände,
cc)
die Unfalltexte und
dd)
die jährlichen Unfallkosten.
b)
Zu jeder Unfallhäufung sind Unfalldiagramme zu fertigen:
aa)
Für eine Unfallhäufung aus einer 1-JK ist mindestens ein Unfalldiagramm für das Jahr der Erkennung der Unfallhäufung zu fertigen.
bb)
Für eine Unfallhäufung aus einer 3-JK (P) oder 3-JK (SP) sind mindestens ein Unfalldiagramm der 3-JK (P) sowie ein Unfalldiagramm der letzten 1-JK zu fertigen.
c)
Die Unterlagen inklusive Unfalldiagramme sind der Unfallkommission mindestens drei Wochen vor der jeweiligen Sitzung zur Verfügung zu stellen.

III. Arbeitsweise der Unfallkommission

1.
Sitzungen der Unfallkommission
a)
Die Sitzungen der Unfallkommission sollen in einem regelmäßigen Turnus, in der Regel dreimal im Kalenderjahr, stattfinden. Zusätzlich sind anlassbezogene Sitzungen möglich.
b)
Die Sitzungen der Großen Kreisstädte können gemeinsam mit den Sitzungen des jeweiligen Landkreises oder anderen Großen Kreisstädte durchgeführt werden. Dabei sind die jeweiligen Zuständigkeiten zu beachten.
c)
Soweit erforderlich, können weitere Stellen in die Tätigkeit der Unfallkommission einbezogen werden.
2.
Bearbeitung gemeldeter Unfallhäufungen
a)
Anhand der durch den Polizeivollzugsdienst erstellten Unterlagen sind alle Unfallhäufungen zu untersuchen. Dazu sollte insbesondere in den Unfallkommissionen der Kreisfreien Städte jährlich ein Arbeitsprogramm aufgestellt werden.
b)
Vor der Sitzung sind durch jedes Mitglied der Unfallkommission Ortsbesichtigungen an den für die Sitzung relevanten Unfallhäufungen durchzuführen.
c)
Die Unfallkommission prüft, welche Maßnahmen in Betracht kommen. Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen durchzuführen.
d)
Können bei der Unfallanalyse einer Unfallhäufung aus einer 3-JK (P) oder 3-JK (SP) aus den beiden Unfalldiagrammen nach Ziffer II Nummer 6 Buchstabe b keine Hinweise auf Konflikte und deren Örtlichkeiten entnommen werden, so ist zusätzlich ein Unfalldiagramm aller Unfälle mit Personen- und Sachschaden der 3-JK zu erstellen.
e)
Über die Sitzungen der Unfallkommission sind von der Straßenverkehrsbehörde Ergebnisprotokolle zu fertigen und den Mitgliedern der Unfallkommission nach Ziffer I Nummer 1 Buchstabe b, spätestens zwei Wochen nach der Sitzung zu übersenden.
3.
Maßnahmen zur Beseitigung von Unfallhäufungen
a)
Die laut Protokoll für die Umsetzung der beschlossenen Maßnahmen verantwortliche Behörde hat spätestens vier Wochen nach Eingang des Protokolls schriftlich gegenüber dem Vorsitzenden der Unfallkommission Stellung zum Sachstand und dem geplanten zeitlichen Ablauf der Umsetzung der Maßnahmen zu nehmen.
b)
Die Umsetzung von Maßnahmen an Unfallhäufungen ist von dem jeweils Verantwortlichen an den Vorsitzenden der Unfallkommission zu melden. Über Verzögerungen bei der Umsetzung geplanter Maßnahmen ist der Vorsitzende der Unfallkommission unverzüglich schriftlich zu informieren.
c)
Über Maßnahmen ist in geeigneter Weise Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.
d)
Nachuntersuchungen für umgesetzte Maßnahmen an Unfallhäufungen sind durchzuführen und zu dokumentieren.
e)
Waren die umgesetzten Maßnahmen erfolgreich, sind die Unfallhäufungen und deren Unterlagen zu archivieren.

IV. Landesunfallkommission

1.
Bildung der Landesunfallkommission
Die Mitglieder der Landesunfallkommission sind:
a)
das Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (SMWA),
b)
das Staatsministerium des Innern (SMI),
c)
das Landesamt für Straßenbau und Verkehr (­LASuV) sowie
d)
die LISt Gesellschaft für Verkehrswesen und ingenieurtechnische Dienstleistungen mbH (LISt GmbH)
Die Geschäftsstelle der Landesunfallkommission ist die LISt GmbH.
2.
Aufgabe der Landesunfallkommission
Die Landesunfallkommission ist ein beratendes Gremium. Der Landesunfallkommission obliegt es, Maßnahmen zur Beseitigung von Unfallhäufungen zu empfehlen. Jede Unfallkommission kann beschließen, die Landesunfallkommission anzurufen. Hierzu ist eine schriftliche Mitteilung an die Geschäftsstelle der Landesunfallkommission zu richten. Die Geschäftsstelle übernimmt die Einladung zu den Sitzungen sowie die Protokollführung.

V. Inkrafttreten und Außerkrafttreten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt die
VwV Örtliche Unfalluntersuchung
vom 12. April 2013 (SächsABl. S. 563), zuletzt enthalten in der Verwaltungsvorschrift vom 27. November 2019 (SächsABl. SDr. S. S 339), außer Kraft.
Dresden, den 28. August 2020
Der Staatsminister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr Martin Dulig
Der Staatsminister des Innern Prof. Dr. Roland Wöller
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