Verordnung der Sächsischen Staatsregierung über die Härtefallkommission nach dem Aufenthaltsgesetz (Sächsische Härtefallkommissionsverordnung – SächsHFKVO)
Verordnung
der Sächsischen Staatsregierung
über die Härtefallkommission nach dem Aufenthaltsgesetz
(Sächsische Härtefallkommissionsverordnung – SächsHFKVO)
Vom 6. Juli 2010
Rechtsbereinigt mit Stand vom 30. Mai 2024
Aufgrund von § 23a Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (
Aufenthaltsgesetz
–
AufenthG
) in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl. I S. 162), das zuletzt durch Artikel 4 Abs. 5 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 (BGBl. I S. 2437, 2440) geändert worden ist, wird verordnet:
§ 1 Einrichtung
(1) Beim Staatsministerium des Innern ist eine Härtefallkommission nach § 23a Absatz 1 des
Aufenthaltsgesetzes
eingerichtet.
(2)
1
Die Staatsministerin oder der Staatsminister des Innern ernennt nach Prüfung der Voraussetzungen nach den Sätzen 3 und 4 sowie der Eignung nach Satz 7 acht Mitglieder.
2
Je ein Mitglied wird auf Vorschlag der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, des Bistums Dresden-Meißen, des Sächsischen Flüchtlingsrates e. V., der Liga der Freien Wohlfahrtsverbände in Sachsen, des Staatsministeriums des Innern, des Staatsministeriums für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, des Sächsischen Städte- und Gemeindetages e. V. und des Sächsischen Landkreistages e. V. ernannt.
3
Die Härtefallkommission soll paritätisch mit Frauen und Männern besetzt sein.
4
Mindestens ein Mitglied soll einen Migrationshintergrund haben.
5
Ein Mitglied hat einen Migrationshintergrund, wenn es selbst oder mindestens ein Elternteil nicht mit deutscher Staatsangehörigkeit geboren wurde.
6
Für jedes Mitglied ist eine Vertreterin oder ein Vertreter vorzuschlagen und zu ernennen.
7
Die vorgeschlagenen Mitglieder sowie ihre Vertreterinnen und Vertreter sollen über Kenntnisse des Aufenthalts- und Asylrechts oder über Erfahrungen in der Flüchtlingsberatung verfügen.
8
Die Mitglieder sowie die Vertreterinnen und Vertreter werden für zwei Jahre ernannt; Wiederernennungen sind zulässig.
(3) Die oder der Ausländerbeauftragte ist für die Dauer ihrer oder seiner Amtszeit Mitglied der Härtefallkommission, sofern sie oder er schriftlich das Einverständnis gegenüber dem Staatsministerium des Innern mitgeteilt hat; sie oder er benennt eine Vertreterin oder einen Vertreter.
(4)
1
Die Mitglieder der Härtefallkommission sind ehrenamtlich tätig und unterliegen keinen Weisungen.
2
Sie haben auch nach Beendigung ihrer Tätigkeit über die ihnen dabei bekannt gewordenen Angelegenheiten, einschließlich derjenigen, die ihnen anlässlich einer Erörterung nach § 4 Absatz 6 bekannt geworden sind, Verschwiegenheit zu bewahren.
(5) Die Härtefallkommission wählt aus ihrer Mitte eine Vorsitzende oder einen Vorsitzenden und eine stellvertretende Vorsitzende oder einen stellvertretenden Vorsitzenden.
¹
§ 2 Aufgaben
1
Die Härtefallkommission entscheidet, ob das Staatsministerium des Innern ersucht wird, einer Ausländerin oder einem Ausländer, die oder der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von den im
Aufenthaltsgesetz
festgelegten Erteilungs- und Verlängerungsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn nach ihren Feststellungen dringende humanitäre oder persönliche Gründe die weitere Anwesenheit der Ausländerin oder des Ausländers in der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen.
2
Dringende humanitäre oder persönliche Gründe können sich insbesondere aus dem Stand der sprachlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Integration in die Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland ergeben.
²
§ 3 Ausschlussgründe
(1) Die Härtefallkommission befasst sich nicht mit Verfahren, wenn
1.
Behörden im Freistaat Sachsen für die Erteilung und Verlängerung eines Aufenthaltstitels nicht zuständig sind oder ihnen der Aufenthaltsort der Ausländerin oder des Ausländers nicht bekannt ist;
2.
nur Gründe geltend gemacht werden, die bereits in einem Gerichtsverfahren überprüft wurden;
3.
die Ausländerin oder der Ausländer nicht vollziehbar ausreisepflichtig ist;
4.
die Ausländerin oder der Ausländer im Besitz einer Ausbildungsduldung nach § 60c oder einer Beschäftigungsduldung nach § 60d des
Aufenthaltsgesetzes
ist;
5.
sich die Sach- und Rechtslage nicht wesentlich zugunsten der Ausländerin oder des Ausländers geändert hat, nachdem
a)
die oder der Vorsitzende wegen vorliegender Ausschlussgründe abgelehnt hat (§ 4 Absatz 2 Satz 1) und im Falle des Vorliegens von Regelausschlussgründen nach Absatz 2 hierüber keine Entscheidung der Härtefallkommission herbeigeführt wurde (§ 4 Absatz 2 Satz 3),
b)
die Härtefallkommission durch Entscheidung auf Antrag eines Mitglieds (§ 4 Absatz 2 Satz 3) eine Befassung abgelehnt hat oder
c)
die Härtefallkommission bereits über den Fall entschieden hat (§ 4 Absatz 4);
6.
die Ausländerin oder der Ausländer nach § 53 des Aufenthaltsgesetzes ausgewiesen wurde, weil das Ausweisungsinteresse nach § 54 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes besonders schwer oder nach § 54 Absatz 2 Nummer 7 des Aufenthaltsgesetzes schwer wog oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a des
Aufenthaltsgesetzes
ergangen ist.
(2)
1
Die Härtefallkommission befasst sich in der Regel nicht mit Verfahren, wenn
1.
die Ausländerin oder der Ausländer laut Bundeszentralregister in den letzten fünf Jahren eine vorsätzliche Straftat begangen hat, wegen der sie oder er zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens einhundertundachtzig Tagessätzen verurteilt worden ist;
2.
die Ausländerin oder der Ausländer auf absehbare Zeit nicht in der Lage ist, ihren oder seinen Lebensunterhalt einschließlich des ausreichenden Krankenversicherungsschutzes zu sichern; dabei bleiben Kindergeld, Elterngeld und Landeserziehungsgeld sowie öffentliche Mittel, die auf Beitragsleistungen beruhen oder die gewährt werden, um den Aufenthalt zu ermöglichen, außer Betracht.
2
Der Ausschlussgrund nach Satz 1 Nummer 2 entfällt, wenn der Träger der öffentlichen Mittel schriftlich sein Einverständnis in die Behandlung als Härtefall erklärt hat oder eine Verpflichtungserklärung nach § 68 des
Aufenthaltsgesetzes
abgegeben wurde, die den Lebensunterhalt für die Dauer des Aufenthalts, höchstens jedoch bis zu fünf Jahre sichern kann.
3
Der Verpflichtungsgeber muss über ausreichende finanzielle Mittel zur Erfüllung der Erstattungspflicht aus der Abgabe dieser Verpflichtungserklärung verfügen.
(3) Gründe, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfen sind, berücksichtigt die Härtefallkommission bei ihrer Entscheidung nicht.
³
§ 4 Verfahren
(1)
1
Die Härtefallkommission wird ausschließlich im Wege der Selbstbefassung tätig.
2
Die Mitglieder können Anträge zur Befassung der Härtefallkommission bei der oder dem Vorsitzenden stellen.
3
Dem Antrag ist eine Einwilligung der Ausländerin oder des Ausländers in die Verarbeitung personenbezogener Daten nach Artikel 7 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1, L 314 vom 22.11.2016, S. 72, L 74 vom 4.3.2021, S. 35), in der jeweils geltenden Fassung, beizufügen.
4
Die oder der Vorsitzende kann bei Bedarf weitere Unterlagen anfordern.
(2)
1
Die oder der Vorsitzende prüft das Vorliegen von Ausschlussgründen nach § 3 und entscheidet hierüber mit schriftlicher Begründung.
2
Sie oder er unterrichtet die Mitglieder der Härtefallkommission über die Entscheidung.
3
Bei Bedenken der Härtefallkommission gegen die Entscheidung der oder des Vorsitzenden nach Satz 1 kann auf Antrag eines Mitglieds die Annahme zur Befassung hinsichtlich vorliegender Regelausschlussgründe nach § 3 Absatz 2 mit einfacher Mehrheit der anwesenden Mitglieder beschlossen werden.
(3)
1
Die Härtefallkommission verhandelt und entscheidet in nichtöffentlicher Sitzung.
2
Sie kann weitere Personen anhören.
(4)
1
Die Härtefallkommission entscheidet mit Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder darüber, ein Ersuchen nach § 23a des
Aufenthaltsgesetzes
an das Staatsministerium des Innern zu richten.
2
Das Ersuchen ist schriftlich zu begründen, wobei auf eine Entscheidung nach Absatz 2 Satz 3 eingegangen werden muss.
(5) Für die Dauer des Verfahrens werden unmittelbare Rückführungsmaßnahmen der Ausländerin oder des Ausländers ausgesetzt; Vorbereitungshandlungen bleiben davon unberührt.
(6)
1
Beabsichtigt das Staatsministerium des Innern das Ersuchen abzulehnen, setzt es die Härtefallkommission davon rechtzeitig vorab in Kenntnis.
2
Sofern schutzwürdige Belange, insbesondere Sicherheitsinteressen nicht entgegenstehen, kann eine Erörterung der beabsichtigten Ablehnung mit dem Staatsministerium des Innern vor dessen Entscheidung erfolgen, wenn das Mitglied, das den Antrag zur Befassung der Härtefallkommission gestellt hat, und die oder der Vorsitzende es wollen.
3
Die oder der Vorsitzende teilt dem Staatsministerium des Innern mit, ob dies der Fall ist.
(7)
1
Das Staatsministerium des Innern unterrichtet die Härtefallkommission über seine Entscheidung mit schriftlicher Begründung.
2
Das Staatsministerium des Innern hat die Anordnung zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu widerrufen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer nicht umgehend den Mitwirkungspflichten nachkommt.
(8)
1
Das Verfahren endet, wenn
1.
die oder der Vorsitzende wegen vorliegender Ausschlussgründe eine ablehnende Entscheidung getroffen hat (Absatz 2 Satz 1) und im Falle des Vorliegens von Regelausschlussgründen nach § 3 Absatz 2 hierüber keine Entscheidung der Härtefallkommission herbeigeführt wurde (Absatz 2 Satz 3);
2.
die Härtefallkommission durch Entscheidung auf Antrag eines Mitglieds (Absatz 2 Satz 3) eine Befassung abgelehnt hat;
3.
das Staatsministerium des Innern über ein Ersuchen der Härtefallkommission entschieden hat oder
4.
ein Verfahren länger als vier Monate bei der Härtefallkommission anhängig ist, ohne dass das Vorliegen eines Härtefalles festgestellt wurde.
2
Aus wichtigem Grund kann die Härtefallkommission mit der Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder die Vier-Monats-Frist nach Satz 1 Nummer 4 um weitere vier Monate verlängern, insbesondere wenn die Schwierigkeit des Falles dies erfordert.
(9) Die Härtefallkommission gibt sich eine Geschäftsordnung, in der insbesondere zu regeln sind:
1.
die Aufgaben der oder des Vorsitzenden;
2.
das Verfahren, insbesondere Einberufung, Leitung der Sitzung und Beschlussfähigkeit;
3.
die Geschäftsführung und Protokollierung und
4.
der Umfang der neben der schriftlichen Stellungnahme der unteren Ausländerbehörde der Härtefallkommission zur Entscheidungsfindung vorzulegenden Unterlagen.
⁴
§ 5 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am Tage nach ihrer Verkündung in Kraft.
Dresden, den 6. Juli 2010
Der Ministerpräsident
In Vertretung
Sven Morlok
Staatsminister
Der Staatsminister des Innern
In Vertretung
Prof. Dr. Georg Unland
Staatsminister
1
§ 1 geändert durch
Verordnung vom 28. April 2024
(SächsGVBl. S. 469)
2
§ 2 geändert durch
Verordnung vom 28. April 2024
(SächsGVBl. S. 469)
3
§ 3 geändert durch
Verordnung vom 28. April 2024
(SächsGVBl. S. 469)
4
§ 4 geändert durch
Artikel 22 des Gesetzes vom 26. April 2018
(SächsGVBl. S. 198) und durch
Verordnung vom 28. April 2024
(SächsGVBl. S. 469)
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