Mitteilungen über Freiheitsentziehungen von ausländischen Staatsangehörigen in Strafverfahren an die konsularischen Vertretungen ihrer Heimatstaaten (zu Nr. 135 RiVASt)
DE - Landesrecht Niedersachsen

Mitteilungen über Freiheitsentziehungen von ausländischen Staatsangehörigen in Strafverfahren an die konsularischen Vertretungen ihrer Heimatstaaten (zu Nr. 135 RiVASt)

Mitteilungen über Freiheitsentziehungen von ausländischen Staatsangehörigen in Strafverfahren an die konsularischen Vertretungen ihrer Heimatstaaten (zu Nr. 135 RiVASt)

AV d. MJ v. 19.10. 2020 (9360 402.33) *
VORIS 31030 -
Vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)
Zur Ausführung von Nummer 135 der Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten (RiVASt) wird bestimmt:
Redaktionelle InhaltsübersichtAbschnitt
Mitteilungspflichten I
Belehrung II
Unterrichtung III
Form und Dokumentation IV
Zuständigkeit V
Inkrafttreten VI
*
Die AV d. MJ vom 6. 4. 2000 Nds. Rpfl. S. 128 -, zuletzt geändert am 7. 12. 2015 Nds. Rpfl. 2016 S. 9 -, tritt aufgrund der Nummer 6.1 des Gem. RdErl. d. StK v. 1. 12. 2012 (Nds. MBl. S. 907) mit Ablauf des 31. 12. 2020 automatisch außer Kraft.

Abschnitt I RiVASt-Nr.135AV - Mitteilungspflichten

1.
Mitteilungspflichten auf Verlangen
Artikel 36 Abs. 1 Buchst, b) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24. 4. 1963 (BGBl. 1969 II S. 1585, 1971 II S. 1285) enthält folgende Regelung:
"Die zuständigen Behörden des Empfangsstaates haben die konsularische Vertretung des Entsendestaates auf Verlangen des Betroffenen unverzüglich zu unterrichten, wenn in deren Konsularbezirk ein Angehöriger dieses Staates festgenommen, in Straf- oder Untersuchungshaft genommen oder ihm anderweitig die Freiheit entzogen ist. Jede von dem Betroffenen an die konsularische Vertretung gerichtete Mitteilung haben die genannten Behörden ebenfalls unverzüglich weiterzuleiten. Diese Behörden haben den Betroffenen unverzüglich über seine Rechte aufgrund dieser Bestimmung zu unterrichten."
Diese Regelung stellt eine Kodifizierung des geltenden Völkergewohnheitsrechts dar, die Bestandteil des Bundesrechts ist ( Artikel 25 GG ). Sie ist daher auch im Verhältnis zu den Staaten anzuwenden, die dem Übereinkommen nicht beigetreten sind.
2.
Mitteilungspflichten von Amts wegen
Neben den Mitteilungspflichten auf Verlangen kann aufgrund von völkerrechtlichen Vereinbarungen die Verpflichtung zur Unterrichtung einer konsularischen Vertretung auch ohne oder gegen den Willen des Betroffenen bestehen.
Dies gilt zurzeit gegenüber folgenden Staaten:
DominicaDie Mitteilungspflicht beruht auf Artikel 18 Abs. 1 des deutsch-britischen Konsularvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland vom 30. 7. 1956 (BGBl. 1957 II S. 284, 1958 II S. 17, 1973 II S. 1688, 1976 II S. 1848) in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Weiteranwendung des deutschbritischen Konsularvertrages im Verhältnis zu ehemaligen abhängigen Gebieten des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland vom 3. 8. 2007 (BGBl. II S. 1391).
FidschiSiehe Dominica in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Fortgeltung des deutsch-britischen Konsularvertrages vom 30. 7. 1956 im Verhältnis zu Fidschi vom 22. 10. 1975 (BGBl. II S. 1739).
GrenadaSiehe Dominica in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Weiteranwendung der Verträge, deren Geltung auf das Hoheitsgebiet von Grenada erstreckt worden war; vom 12. 3. 1975 (BGBl. II S. 366).
GriechenlandArtikel 3 Abs. 3 des deutsch-griechischen Niederlassungs- und Schifffahrtsvertrages vom 18. 3. 1960 (BGBl. 1962 II S. 1505; 1963 II S. 912).
GuyanaSiehe Dominica.
ItalienArtikel 4 Abs. 3 des deutsch-italienischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages vom 21. 11. 1957 (BGBl. 159 II S. 949).
JamaikaSiehe Dominica in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Fortgeltung des deutsch-britischen Konsularvertrages im Verhältnis zu Jamaika vom 22. 12. 1972 (BGBl. 1973 II DS. 49).
LesothoSiehe Dominica.
MalawiSiehe Dominica in Verbindung mit der Bekanntmachung zu dem deutsch-britischen Konsularvertrag vom 13. 2. 1967 (BGBl. II S. 936).
MaltaSiehe Dominica.
MauritiusSiehe Dominica in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Fortgeltung des deutsch-britischen Konsularvertrages im Verhältnis zu Mauritius vom 27. 12. 1972 (BGBl. 1973 II S. 50).
MonacoArtikel 16 des deutsch-monegassischen Rechtshilfevertrages vom 21. 5. 1962 (BGBl. 1964 III 1297, 1306; 1965 II S. 405); die Mitteilung ist an die Direktion der Justizdienste des Fürstentums Monaco, Monaco-Ville, Palais de Justice, zu richten.
Sierra LeoneSiehe Dominica.
SpanienArtikel 5 Buchst, d Halbsatz 2 des deutschspanischen Niederlassungsvertrages vom 23. 4. 1970 (BGBl. 1972 S. 1041, 1557). Eine Mitteilung ist von Amts wegen nur dann zu bewirken, wenn die festgenommene Person nicht in der Lage ist, die Benachrichtigung der nächsten konsularischen Vertretung zu verlangen.
St. Kitts und NevisSiehe Dominica.
St. Vincent und die GrenadinenSiehe Dominica.
TunesienArtikel 36 des deutsch-tunesischen Vertrages über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen vom 19. 7. 1966 (BGBl. 1969 II 1157, 1158).
Vereinigtes Königreich Großbritannien und NordirlandArtikel 18 Abs. 1 des deutsch-britischen Konsularvertrages vom 30. 7. 1956 (BGBl. 1957 II S. 284; 1958 II S. 17), einschließlich Gibraltar, der Kanalinseln und der Isle of Man, der britischen Kronkolonien Anguilla und St. Helena (mit Ascension und Tristan da Cunha), der britischen Überseegebiete (Bermuda, Britisch Jungferninseln, Falklandinseln, Kaimaninseln, Pitcairn, Turks- und Caicosinseln), der Britisch Nationals (Overseas).
ZypernSiehe Dominica, jedoch in Verbindung mit Artikel 8 des britisch-zyprischen Vertrages vom 16. 8. 1960 über die Errichtung der Republik Zypern.
Weitere Hinweise enthält der Länderteil der RiVASt.
3.
Artikel 36 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen verpflichtet nach der Rechtsprechung des Internationalen Strafgerichtshofs der Vereinten Nationen und anderer internationaler Strafgerichtshöfe die Unterzeichnerstaaten zur konsequenten Beachtung der Belehrungs- und Mitteilungsobliegenheiten. Durch die Strafverfolgungsorgane in der Freiheit beschränkten ausländischen Staatsangehörigen wird ein subjektives Recht auf konsularische Unterstützung bei der effektiven Wahrnehmung ihrer Verteidigungsrechte zugestanden. Aus diesem Anspruch folgt eine Verpflichtung sämtlicher Strafverfolgungsbehörden einschließlich festnehmender Polizeibeamtinnen und Polizeibeamter zur unverzüglichen Belehrung über den konsularischen Unterstützungsanspruch.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19. 9. 2006 2 BvR 2115/01 , 2132/01, 348/03 sind die deutschen Behörden und Gerichte an diese Rechtsprechung gebunden.
4.
Die Belehrungs- und Mitteilungspflicht erstreckt sich auf sämtliche Formen der Freiheitsentziehung. Sie gilt insbesondere auch im Auslieferungsverfahren. Sie entfällt nicht, wenn sich ausländische Staatsangehörige freiwillig zum Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßnahme stellen. In den Fällen der Nummer 2 entfällt sie auch dann nicht, wenn ausländische Staatsangehörige die konsularische Vertretung ihres Heimatlandes selbst benachrichtigen.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)

Abschnitt II RiVASt-Nr.135AV - Belehrung

1.
Über das Recht, die Benachrichtigung der konsularischen Vertretung ihres Heimatlandes zu verlangen, sind ausländische Staatsangehörige unverzüglich zu belehren, das heißt zum Zeitpunkt der Kenntnis der ausländischen Staatsangehörigkeit oder des Vorliegens von Anhaltspunkten für eine ausländische Staatsangehörigkeit.
2.
Verlangt die festgenommene Person eine Mitteilung an ihre konsularische Heimatvertretung
oder besteht eine Verpflichtung zur Benachrichtigung der konsularischen Vertretung
von Amts wegen (Abschnitt I Nr. 2), soll sie zugleich befragt werden, ob sie auch einer Mitteilung des Grundes für die Freiheitsentziehung an die konsularische Vertretung zustimmt.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)

Abschnitt III RiVASt-Nr.135AV - Unterrichtung

1.
Die Unterrichtung der ausländischen Vertretung ist unverzüglich vorzunehmen. Bezüglich der Anschriften und Amtsbezirke der ausländischen Vertretungen wird auf Nummer 134 Abs. 2 RiVASt und die offiziellen Internetseiten der jeweiligen ausländischen Vertretungen verwiesen. Bei anderen im Internet zugänglichen Seiten ist zu prüfen, ob es sich um amtliche Quellen handelt.
2.
Mitzuteilen ist die Tatsache des Freiheitsentzuges. Der Grund für den Freiheitsentzug ist in der Mitteilung nur anzugeben, wenn die betroffene Person ihre Zustimmung dazu schriftlich erklärt hat oder gesetzliche oder vertragliche Bestimmungen dies vorschreiben. Von einer weitergehenden Unterrichtung der konsularischen Vertretung, insbesondere der Übersendung des Haftbefehls oder des Urteils, ist abzusehen. Zeigt sich eine konsularische Vertretung an zusätzlichen Mitteilungen interessiert, ist sie auf die Möglichkeit hinzuweisen, mit der inhaftierten Person Kontakt aufzunehmen (Nummer 136 RiVASt).
3.
Bei freiheitsentziehenden Maßnahmen im Auslieferungsverfahren kann die Unterrichtung entfallen, wenn das Ersuchen von dem Heimatstaat ausgeht und sichergestellt ist, dass dieser bereits von der Festnahme erfahren hat.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)

Abschnitt IV RiVASt-Nr.135AV - Form und Dokumentation

1.
Die erfolgte Belehrung, die Erklärung der betroffenen Person zur Unterrichtung der konsularischen Vertretung und ggf. ihre Einwilligung zur Mitteilung des Grundes der Freiheitsentziehung sollen von der betroffenen Person durch Unterschrift bestätigt werden.
Für die Belehrung und Unterrichtung sollen die amtlichen Vordrucke StP 5a, 5d oder 5e, jeweils in Verbindung mit dem Merkblatt (amtlicher Vordruck StP 5b), verwendet werden. Die Mitteilung an die konsularische Vertretung (amtlicher Vordruck StP 5c) ist von der Richterin oder dem Richter, der Staatsanwältin oder dem Staatsanwalt, der Leiterin oder dem Leiter der Einrichtung, in der die Freiheitsentziehung vollzogen wird, oder deren Vertreterin oder Vertreter zu unterzeichnen und mit Höflichkeitsformeln zu versehen.
2.
Die Belehrung, deren Inhalt und die Unterrichtung der ausländischen Vertretung sind aktenkundig zu machen. Bei einem Aufnahmeersuchen an die Einrichtung, in der die Freiheitsentziehung vollzogen wird, ist zu vermerken, ob die Belehrung erfolgt und die konsularische Vertretung unterrichtet worden ist.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)

Abschnitt V RiVASt-Nr.135AV - Zuständigkeit

1.
Die Belehrung der inhaftierten Person und die Benachrichtigung der ausländischen Vertretung obliegen folgenden Gerichten und Justizbehörden:
a) beim Vollzug von Untersuchungshaft, Auslieferungshaft, vorläufiger Auslieferungshaft und bei einstweiliger Unterbringung dem Gericht, dem die betroffene Person nach ihrer Festnahme vorgeführt wird,
b) in den Fällen des § 115a StPO dem zuständigen Gericht, falls die betroffene Person in einem anderen Bundesland dem nächsten Amtsgericht vorgeführt worden ist,
c) beim Vollzug von Freiheitsstrafe, Jugendstrafe, Jugendarrest oder Sicherungsverwahrung
der Einrichtung, in der die Freiheitsentziehung vollzogen wird, und zwar auch dann,
wenn sich die verurteilte Person zuvor in Untersuchungshaft befunden hat,
d) bei einer strafgerichtlich angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt der Vollstreckungsbehörde,
e) beim Vollzug von Ordnungs- oder Zwangshaft (Erzwingungs- bzw. Beugehaft) der Einrichtung,
in der die Freiheitsentziehung vollzogen wird.
2.
Das Gericht, die Einrichtung, in der die Freiheitsentziehung vollzogen wird, und die Vollstreckungsbehörde prüfen jeweils, ob eine nach Abschnitt I vorzunehmende Belehrung oder Benachrichtigung bereits in der nach Abschnitt II bis IV vorgesehenen Form vorgenommen und dokumentiert worden ist. Sie holen das Versäumte nach, sofern die Belehrung, die Benachrichtigung oder die Dokumentation bisher unterblieben oder nicht formgerecht vorgenommen worden sind.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)

Abschnitt VI RiVASt-Nr.135AV - Inkrafttreten

Diese AV tritt am 1. 1. 2021 in Kraft und am 31. 12. 2025 außer Kraft.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 31. Dezember 2025 durch Abschnitt VI der AV vom 19. Oktober 2020 (Nds. Rpfl. S. 407)
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