Örtliche Untersuchung der Straßenverkehrsunfälle; Einsatz von Unfallkommissionen
Örtliche Untersuchung der Straßenverkehrsunfälle; Einsatz von Unfallkommissionen
Gem. RdErl. d. MI u. d. MW v. 13.7.2022 - 24.2-30060/4 -
Vom 13. Juli 2022 (Nds. MBl. S. 906)
- VORIS 93100 -
Bezug: Gem. RdErl. v. 10.8.2016 (Nds. MBl. S. 798) - VORIS 93100 -
Redaktionelle Inhaltsübersicht | Abschnitt |
---|---|
Allgemeines | 1 |
Bildung der UK | 2 |
Aufgaben der UK | 3 |
Aufgaben der Polizei | 4 |
Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde | 5 |
Aufgaben der Straßenbaubehörde | 6 |
Umsetzung der empfohlenen/beschlossenen Maßnahmen | 7 |
Wirksamkeitskontrolle | 8 |
Öffentlichkeitsarbeit | 9 |
Qualifizierung von Mitgliedern in UK | 10 |
Landesunfallkommission | 11 |
Schlussbestimmungen | 12 |
Straßenverkehrsinfrastruktur-Sicherheitsmanagement | Anlage 1 |
Unfallhäufung | Anlage 2 |
Abschnitt 1 UKERdErl - Allgemeines
Verkehrssicherheitsarbeit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und soll dazu beitragen, allen Menschen eine möglichst gefahrlose Teilnahme am Straßenverkehr zu ermöglichen.
Für staatliche Institutionen ergibt sich unmittelbar aus dem Grundgesetz die Verpflichtung, die Grundrechte des Einzelnen und der Allgemeinheit zu schützen; zum einen soll ein weitgehend ungestörter Verkehrsfluss ermöglicht werden, zum anderen muss dort regelnd eingegriffen werden, wo gefahren- oder unfallträchtige Situationen entstehen.
Gemäß Nummer I der VwV-StVO zu § 44 StVO haben Straßenverkehrsbehörden, Straßenbaubehörden und Polizei zur Bekämpfung der Verkehrsunfälle eng zusammenzuarbeiten, um zu ermitteln, wo sich Unfälle häufen, worauf diese zurückzuführen sind und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, um unfallbegünstigende Besonderheiten zu beseitigen. Dazu sind Unfallkommissionen (im Folgenden: UK) in den Ländern zu bilden. Diese Regelung findet keine Anwendung für mit Zeichen 330.1 und 330.2 gekennzeichnete Autobahnen in der Baulast des Bundes. Hier besteht gemäß Nummer V Nr. 1 Satz 2 VwV-StVO zu § 44a StVO die Zuständigkeit des Fernstraßen-Bundesamtes oder der aufgrund des § 6 des Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetzes beliehenen Gesellschaft privaten Rechts Autobahn-Unfallkommissionen (AUK) einzurichten.
Zur Gewährleistung der Leichtigkeit des Verkehrs, zur Verbesserung der Verkehrssicherheit allgemein und zur Verhinderung von Unfällen (insbesondere mit schwerem Personenschaden) kommt der Arbeit der UK eine besondere Bedeutung zu.
Für die Arbeit der UK in Niedersachsen ist das "Merkblatt zur Örtlichen Unfalluntersuchung in Unfallkommissionen" (M UKO), Ausgabe 2012, veröffentlicht von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, verbindlich, soweit dieser Gem. RdErl. nichts anderes bestimmt.
Abschnitt 2 UKERdErl - Bildung der UK
UK sind in Niedersachsen außerhalb des Bundesautobahnnetzes für alle weiteren öffentlichen Straßennetze zu bilden.
Nähere Regelungen treffen die Polizeibehörden in Absprache mit den anderen ständigen Mitgliedern.
Ständige Mitglieder einer UK sind die Vertreterinnen und Vertreter der jeweils zuständigen Straßenverkehrsbehörde, der Straßenbaubehörde und der Polizei. Soweit erforderlich können weitere Mitwirkende beratend in die Arbeit einbezogen werden.
Die Geschäftsführung der UK obliegt der Polizei.
Abschnitt 3 UKERdErl - Aufgaben der UK
Die UK beobachtet das Verkehrsgeschehen, wertet es aus, berät Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit und beschließt daraus Umsetzungsempfehlungen. Dazu werden von ihr
das Unfallgeschehen auf Gleichartigkeit der Unfälle und Zusammenhänge mit örtlichen Gegebenheiten einschließlich deren Umgebung analysiert,
ggf. hierzu nähere Untersuchungen beauftragt,
Maßnahmen zur Beseitigung unfallbegünstigender Faktoren vorgeschlagen,
die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen kontrolliert und
die Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen überprüft.
Weiterführende Regelungen ergeben sich aus der Anlage 1 .
Die Sitzungen der UK müssen in einem regelmäßigen Turnus, mindestens einmal jährlich, stattfinden. Bei Bedarf und anlassbezogen können weitere Sitzungen erfolgen.
Abschnitt 4 UKERdErl - Aufgaben der Polizei
Der zuständigen Polizeidienststelle obliegt
das Erstellen und Führen der Unfalltypenkarten,
das Erkennen und Festlegen von Unfallhäufungen,
die Vorbereitung der Unfallanalyse,
die Bildung von Rangfolgen,
die Meldung von Unfallhäufungen an die Mitwirkenden der UK sowie
die Durchführung und Protokollierung der Sitzungen der UK.
Die Erstellung und Führung der Unfalltypenkarten erfolgt mit einem elektronischen Programmsystem.
Mit diesem Programm sind
Ein-Jahreskarten mit einem Erfassungszeitraum von einem Kalenderjahr für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle und
Drei-Jahreskarten mit einem Erfassungszeitraum der letzten drei Kalenderjahre für alle vollzugspolizeilich erfassten Unfälle mit Personenschaden
als Standardkarten zu erzeugen. Das Führen von Sonderkarten liegt im eigenen Ermessen.
In der UK werden Unfallhäufungsstellen (UHS) und Unfallhäufungslinien (UHL) behandelt. Weiterführende Regelungen ergeben sich aus der Anlage 2 .
Als Grundlage für die weitere Analyse der Unfallhäufungen durch die UK werden grundsätzlich Unfalltypenkarten, Unfalllisten sowie Unfalldiagramme erstellt.
Die Bildung von Rangfolgen kann zur zielgerichteten Bearbeitung aller Unfallhäufungen ein wichtiges Hilfsmittel sein. Sie sollten immer dann gebildet werden, wenn eine Vielzahl von Unfallhäufungen in einem Untersuchungszeitraum festgestellt wurde, und sich an der Schwere und Anzahl der Unfälle orientieren.
Die festgelegten Unfallhäufungen sind an die Mitwirkenden der UK zu melden.
Die Geschäftsführung lädt fristgerecht zur Sitzung der UK ein. Sie führt den Vorsitz, berät in polizeilichen Angelegenheiten, erstellt ein Protokoll und übersendet es zeitnah an die beteiligten Behörden. Näheres regelt Anhang 7 M UKO.
Abschnitt 5 UKERdErl - Aufgaben der Straßenverkehrsbehörde
Die Straßenverkehrsbehörde berät die UK in straßenverkehrsrechtlichen Angelegenheiten. Sie berücksichtigt das Beratungsergebnis bei ihrer Entscheidung über die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.
Abschnitt 6 UKERdErl - Aufgaben der Straßenbaubehörde
Die Straßenbaubehörde berät die UK in straßenbaulichen Angelegenheiten. Sie berücksichtigt das Beratungsergebnis bei ihrer Entscheidung über die Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit.
Als wichtiges Instrument der Entscheidungsfindung können Verkehrszählungen, Verkehrserhebungen, Griffigkeitsmessungen sowie weitere geeignete Maßnahmen dienen.
Abschnitt 7 UKERdErl - Umsetzung der empfohlenen/beschlossenen Maßnahmen
Die zuständigen Behörden treffen Maßnahmen zur Steigerung der Verkehrssicherheit. Dabei kommen sowohl Sofortmaßnahmen als auch mittel- und langfristige Maßnahmen in Betracht.
Sofortmaßnahmen, mittel- und langfristige Maßnahmen können sich in ihrer zeitlichen Abfolge ergänzen, schließen sich dabei aber nicht von vornherein aus.
Sind verschiedene Behörden für die Maßnahmen zuständig, stimmen sie sich gegenseitig ab.
Für mittel- und langfristige Maßnahmen (wie z. B. Montage von Schutzeinrichtungen, Griffigkeitsverbesserungen sowie Um- und Ausbau von Knotenpunkten und Straßen) müssen in der Regel Planungsmaßnahmen - auch in Bezug auf notwendige Haushaltsmittel - eingeleitet werden.
Die durchführende Stelle teilt die eingeleiteten Maßnahmen der Geschäftsführung der UK mit.
Nicht umgesetzte und nicht umsetzbare Maßnahmen sind ebenso der UK zu berichten.
Abschnitt 8 UKERdErl - Wirksamkeitskontrolle
Die UK prüft die Wirksamkeit der umgesetzten Maßnahmen. Im Regelfall ist es ausreichend, die Unfallentwicklung auszuwerten.
Soweit erforderlich, ist ergänzend der Anhang 11 M UKO zu berücksichtigen.
Abschnitt 9 UKERdErl - Öffentlichkeitsarbeit
Die UK unterrichten regelmäßig und gezielt im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit über ihre Arbeit und deren wichtigsten Ergebnisse.
Sie arbeiten mit den jeweils für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zuständigen Stellen der beteiligten Behörden eng zusammen und bereiten die notwendigen Unterlagen für eine Berichterstattung vor. Die Koordination liegt bei der jeweiligen Geschäftsführung der UK.
Abschnitt 10 UKERdErl - Qualifizierung von Mitgliedern in UK
Eine fachliche Qualifikation ist für die Mitwirkenden von UK unerlässlich.
Zur Sicherung der Qualität in der Unfallkommissionsarbeit sollen sich alle Mitwirkenden, insbesondere der Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden sowie der Polizei, regelmäßig fortbilden. Insbesondere mit der erstmaligen Übernahme der Funktion ist eine zeitnahe Einweisung in die Funktion und Aufgaben unerlässlich. Dazu sind geeignete Qualifizierungsseminare anzubieten. Diese beinhalten auch die Schulung in elektronischen Systemen.
Die an der UK beteiligten Behörden werden gebeten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Teilnahme an der Fortbildung zu ermöglichen.
Abschnitt 11 UKERdErl - Landesunfallkommission
Die UK in Niedersachsen werden fachlich unterstützt und beraten durch eine Landesunfallkommission.
Die Landesunfallkommission ist als übergeordnetes Gremium für alle Straßen außerhalb des Bundesautobahnnetzes in Niedersachsen zuständig. Sie tritt im regelmäßigen Turnus, mindestens einmal jährlich, zusammen. Zu ihren ständigen Mitgliedern gehört jeweils eine Vertreterin oder ein Vertreter aus folgenden Zuständigkeitsbereichen:
Landespolizeipräsidium (MI),
Oberste Straßenverkehrsbehörde (MW),
Oberste Straßenbaubehörde (MW),
Straßenbaulastträger für die zuständigen Bundes- und Landesstraßen (NLStBV).
Bedarfsorientiert werden weitere Mitwirkende hinzugezogen.
Die Geschäftsführung der Landesunfallkommission obliegt dem Landespolizeipräsidium.
Zu den Aufgaben der Landesunfallkommission gehören
Befassung mit besonderen Problemstellungen der örtlichen UK,
Beschäftigung mit ausgewählten Aspekten der überregionalen Unfallentwicklung,
Entwicklung von Strategien für die örtliche Unfalluntersuchung und landeseinheitlicher Standards,
Initiierung bedarfsorientierter Sonderprogramme,
Entwicklung von Maßnahmen zur Qualifizierung der Beteiligten in den UK.
Die Landesunfallkommission unterstützt die örtliche UK bei deren Arbeit, wenn auf örtlicher Ebene keine Lösung oder Einigung erzielt werden konnte. Hierzu sind alle erforderlichen Unterlagen von der jeweiligen UK zusammenzustellen und nach Beschluss durch die UK an die Landesunfallkommission zu übersenden.
Abschnitt 12 UKERdErl - Schlussbestimmungen
Dieser Gem. RdErl. tritt am 13.7.2022 in Kraft. Der Bezugserlass tritt mit Ablauf des 12.7.2022 außer Kraft.
An die Region Hannover, Landkreise, kreisfreien und großen selbständigen Städte, selbständige Gemeinden Polizeibehörden und Polizeidienststellen Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr Autobahn GmbH des Bundes
Anlage 1 UKERdErl - Straßenverkehrsinfrastruktur-Sicherheitsmanagement
Im Rahmen ihrer Verkehrssicherheitsarbeit tragen die Unfallkommissionen dafür Sorge, dass das nach der Richtlinie 2019/1936 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zur Änderung der Richtlinie 2008/96/EG über ein Sicherheitsmanagement für Straßeninfrastruktur (ABl. EU Nr. 305 S. 1 "EU-Sicherheitsdirektive") notwendige Sicherheitsaudit auch in der ersten Betriebsphase für Straßenbauprojekte berücksichtigt wird.
Die Umsetzung der "EU-Sicherheitsdirektive" in nationales Recht erfolgt auf Grundlage des Allgemeinen Rundschreibens Straßenbau (ARS) Nr. 25/2021 vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur vom 19.11.2021. Die Anwendung bezieht sich danach auf Straßen des Transeuropäischen Straßennetzes (im Folgenden: TERN), alle Bundesfernstraßen sowie Landstraßen, die mit Unionsmitteln finanziert wurden. Hier sind u. a. Straßenverkehrssicherheitsaudits in der ersten Betriebsphase nach Verkehrsfreigabe gemäß den Richtlinien für das Sicherheitsaudit von Straßen (RSAS 2019, s. ARS 4/2019 vom 26.2.2019) durchzuführen.
Die NLStBV bringt dieses Wissen ebenso wie entsprechende kartographische Darstellungen zu den Ergebnissen der netzweiten Straßenverkehrssicherheitsbewertung der Bundesstraßen, soweit diese Unterlagen seitens der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) zur Verfügung stehen, durch ihre Mitarbeit in die Unfallkommissionen ein.
Sofern erforderlich, können hierzu weiterführende Regelungen getroffen werden.
Anlage 2 UKERdErl - Unfallhäufung
Grundsätzlich gelten die Empfehlungen einschließlich der im Anhang 14 angegebenen Grenzwerte des "Merkblattes zur Örtlichen Unfalluntersuchung in UK" (M UKO) der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, Ausgabe 2012. Zusätzlich sind die Grenzwerte z. B. aus den Regelwerken der "Empfehlungen zum Schutz vor Unfällen mit Aufprall auf Bäume" (ESAB), Kapitel 2, und des "Merkblattes zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken" (MVMot), Kapitel 2.1, veröffentlicht von der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, zu berücksichtigen.
Die UK können von den Grenzwerten abweichen, sofern dieses sachlich begründet ist.
Mögliche Gründe für eine Nichtbetrachtung können sein (nicht abschließend):
außergewöhnlich hohe Verkehrsdichte (Durchschnittliche Tagesverkehrsmenge/DTV), insbesondere in der Ein-Jahreskarte,
Kriterien nach der Drei-Jahreskarte zwar erfüllt, aber im letzten Jahr kein weiterer Unfall verzeichnet,
verkehrsbeeinträchtigende Straßenbaumaßnahme im Betrachtungszeitraum.
Mögliche Gründe für eine außergewöhnliche Betrachtung in der UK können sein (nicht abschließend):
Auffälligkeiten bei besonderer Witterung oder Straßenverhältnissen,
hohe Unfallzahlen in kurzem Zeitraum,
hohe Unfallzahlen unterschiedlicher Unfalltypen,
hohe Unfallzahlen ohne Personenschaden außerhalb geschlossener Ortschaften,
der Unfallbereich ist nach einer anderen Regelung (z. B. ESAB) als unfallauffällig einzustufen.
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