Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Bekämpfung krimineller Clanstrukturen
DE - Landesrecht Niedersachsen

Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Bekämpfung krimineller Clanstrukturen

Richtlinie über die Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Bekämpfung krimineller Clanstrukturen

Gem. RdErl. d. MJ u. d. MI v. 17. 11. 2020 - 4030-404.84 -
Vom 17. November 2020 (Nds. MBl. S. 1540) (1)
- VORIS 21021 -
Bezug:
a)
AV d. MJ v. 15. 5. 2020 (Nds. MBl. S. 564) - VORIS 33210 -
b)
Gem. RdErl. v. 20. 5. 2016 (Nds. MBl. S. 665) - VORIS 21021 -
c)
Gem. RdErl. d. MI u. d. MJ v. 9. 4. 2018 (Nds. MBl. S. 259) - VORIS 21021 -
d)
Erl. d. MI v. 5. 3. 2018 - 12334/4-3.14.3 - (n. v.) - VORIS 21011 -
Redaktionelle InhaltsübersichtAbschnitt
Grundsätzliches1
Regelungsgegenstand2
Grundlagen der Zusammenarbeit3
Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung4
Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit5
Initiativermittlungen6
Finanzermittlungen/Vermögensabschöpfung7
Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten8
Zusammenarbeit mit anderen Behörden9
Gemeinsames Lagebild von Polizei und Staatsanwaltschaft über die Clankriminalität in Niedersachsen10
Vorrang anderer Regelungen11
Schlussbestimmung12
(1) Red. Anm.:
Nds. Rpfl. 2021 S. 49

Abschnitt 1 ClanKZARdErl - Grundsätzliches

1.1 Die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die aus kriminellen Clanstrukturen heraus begangen werden, ist ein wichtiges Anliegen der Allgemeinheit. Sie stellt die Strafverfolgungsbehörden vor große Herausforderungen. Es ist eine zentrale Aufgabe, dieser Erscheinungsform der Kriminalität wirksam und mit Nachdruck zu begegnen.
1.2 Die vorgenannte Aufgabe obliegt allen Angehörigen der Strafverfolgungsbehörden, die hierzu gehalten sind, auf Indikatoren für kriminelle Clanstrukturen zu achten und eine "Nulltoleranz"-Strategie zu verfolgen.
1.3 Aufklärungserfolge können nur erreicht werden, wenn Staatsanwaltschaft und Polizei bei der Verfolgung von Delinquenz krimineller Clanangehöriger - im Folgenden: Clankriminalität - besonders eng und vertrauensvoll zusammenarbeiten; dies setzt eine möglichst frühzeitige gegenseitige Unterrichtung voraus.
1.4 Zur effektiven Bekämpfung der Clankriminalität sind auch der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit mit anderen relevanten Behörden und Institutionen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene zwingend notwendig. Etwaige Geheimhaltungserfordernisse sind zu beachten.

Abschnitt 2 ClanKZARdErl - Regelungsgegenstand

2.1 Ein Clan ist eine Gruppe von Personen, die durch eine gemeinsame ethnische Herkunft, überwiegend auch durch verwandtschaftliche Beziehungen, verbunden ist.
2.2 Kriminelle Clanstrukturen sind gekennzeichnet durch die Begehung von Straftaten
und Ordnungswidrigkeiten jeglicher Deliktsart und -schwere aus diesem Umfeld, das
sich durch ein hohes kriminelles Potenzial und eine allgemein rechtsfeindliche Gesinnung
auszeichnet.
2.3 Die maßgeblichen Indikatoren für eine Zuordnung werden gesondert abgestimmt und der staatsanwaltschaftlichen sowie der polizeilichen Praxis verfügbar gemacht.

Abschnitt 3 ClanKZARdErl - Grundlagen der Zusammenarbeit

3.1 Allgemeines
Die zügige und wirksame Verfolgung der Clankriminalität setzt eine aufeinander abgestimmte Organisation der Strafverfolgungsbehörden voraus. Ein identischer Aufbau ist nicht erforderlich.
3.2 Örtliche und überörtliche Stellen der Staatsanwaltschaft
3.2.1 Zur effektiven Verfolgung von Clankriminalität sind in Niedersachsen bei den Staatsanwaltschaften Braunschweig, Hildesheim, Osnabrück und Stade Schwerpunktstaatsanwaltschaften eingerichtet (vgl. Bezugs-AV zu a).
3.2.2 Im Übrigen erfolgt die Verfolgung von Clankriminalität in den örtlich zuständigen Staatsanwaltschaften. Dort sind Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner benannt, die anhand der Bezugs-AV zu a für eine Koordination etwaiger Verfahren der Clankriminalität Sorge tragen.
3.2.3 Die "Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption" (ZOK) bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle ist in Niedersachsen als Ansprechstelle beratend tätig für Dienststellen, die mit der Verfolgung oder Aufdeckung von Clankriminalität befasst sind. Sie klärt in diesem Bereich bei überörtlichen Ermittlungskomplexen Zuständigkeitsfragen, berät in Fragen der justiziellen Zusammenarbeit und Rechtshilfe, betreibt Fortbildung und Schulung, wertet die bei den niedersächsischen Staatsanwaltschaften geführten und erfassten Verfahren mit Bezug zur Clankriminalität aus und erstattet dem MJ anhand des gemeinsamen Lagebildes gemäß Nummer 10 jährlich Erfahrungsberichte zur Clankriminalität.
3.3 Örtliche und überörtliche Stellen der Polizei
3.3.1 Zur Aufdeckung und effektiven Verfolgung u. a. von Clankriminalität sind bei der niedersächsischen Polizei flächendeckend Strukturen eingerichtet, über die insbesondere deliktsübergreifende und täterorientierte Ermittlungen geführt werden.
3.3.2 Das LKA gewährleistet im Rahmen seiner Zentralstellenfunktion den Informationsaustausch mit anderen Behörden und Stellen außerhalb Niedersachsens. In besonders eilbedürftigen Fällen kann diese Aufgabe auch durch die Zentralen Kriminalinspektionen (ZKI) - unter nachrichtlicher Beteiligung des LKA - wahrgenommen werden. Als Fachdienststellen in den Polizeidirektionen fungieren die Zentralen Kriminaldienste (ZKD) und die ZKI. In der Polizeidirektion Hannover obliegt die fachliche Verantwortung grundsätzlich der örtlich und/oder sachlich zuständigen Dienststelle.
3.3.3 Die polizeilichen Ermittlungen einschließlich operativer Maßnahmen erfolgen in enger Abstimmung mit der für das jeweilige Verfahren zuständigen Staatsanwaltschaft. Flexible und agile Einheiten in den ZKD wie die Ständigen Ermittlungsgruppen "Komplexe kriminelle Strukturen" stärken die Bekämpfung von Clankriminalität nachhaltig. In herausragenden Fällen, z. B. im Bereich der Organisierten Kriminalität, ist die ZKI weitere Fachdienststelle. Bei dem Erfordernis des Einsatzes besonderer technischer Mittel und/oder der Durchführung verdeckter Ermittlungen unterstützen die operativen Bereiche der ZKI und des LKA.
3.3.4 Die Aufgaben der Fachdienststellen ergeben sich grundsätzlich aus der Landesrahmenkonzeption (Bezugserlass zu d in der jeweils geltenden Fassung), insbesondere gehören dazu
das Zusammenführen clanrelevanter Erkenntnisse,
die Mitwirkung an der Erstellung des gemeinsamen Lagebildes nach Nummer 10,
der Informationsaustausch
mit der Staatsanwaltschaft,
anlassbezogen mit anderen Polizeidienststellen,
mit dem LKA und
mit anderen Behörden und Stellen.
3.3.5 Das LKA wertet zentral die clanbetreffenden Informationen aus und verknüpft sie mit eigenen und länderübergreifenden Erkenntnissen. Im Rahmen seiner Zuständigkeit führt es die Ermittlungen selbst oder veranlasst ihre Durchführung durch andere Dienststellen. Für den Informationsaustausch gilt Nummer 3.3.4 entsprechend.
3.4 Sonstige Stellen der Staatsanwaltschaft und Polizei
3.4.1 Im Bereich der Staatsanwaltschaft ist sicherzustellen, dass sich die Dezernentinnen und Dezernenten an die Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sowie an die Schwerpunktstaatsanwaltschaften wenden und, wenn die Sachbearbeitung konzentriert ist, entsprechende Verfahren abgeben können.
3.4.2 Im Bereich der Polizei sind relevante Erkenntnisse an die jeweils für die Bekämpfung krimineller Clanstrukturen zuständigen Fachdienststellen unter Beteiligung der dort zuständigen Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner "Clan" weiterzuleiten.

Abschnitt 4 ClanKZARdErl - Zusammenarbeit bei der Verfahrensbearbeitung

4.1 Vorrangiges Ziel der Ermittlungen muss es sein, in den Kernbereich der kriminellen Clanstrukturen vorzudringen und die Straftäterinnen und Straftäter zu erkennen, zu identifizieren und zu verfolgen.
4.2 Der Grundsatz, dass Ermittlungen straff und beschleunigt zu führen sind, gilt auch für Verfahren im Zusammenhang mit Clankriminalität.
4.3 Die Abfolge der Ermittlungshandlungen wird in erster Linie von dem vorrangigen Ermittlungsziel bestimmt. Einzelne Maßnahmen können vorläufig zurückgestellt werden, wenn ihre Vornahme die Erreichung dieses Zieles gefährden würde. Dies gilt nicht, wenn sofortige Maßnahmen wegen der Schwere der Tat oder aus Gründen der Gefahrenabwehr geboten sind.
4.4 Gelangt die Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen zu der Bewertung, dass der zugrundeliegende Sachverhalt der Clankriminalität zuzurechnen ist, so teilt sie dieses der Staatsanwaltschaft bei der Übergabe der Akten ersichtlich mit. Über die Einstufung bei der Staatsanwaltschaft entscheidet - soweit die Akten nicht bei der Schwerpunkt-staatsanwaltschaft vorgelegt werden - die jeweilige Ansprechpartnerin oder der jeweilige Ansprechpartner, ggf. nach Rücksprache mit der zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft. Bei Bedarf nimmt die Staatsanwaltschaft mit der Polizei eine Abstimmung vor. Kann keine Einigung erzielt werden, ist auf justizieller Ebene stets eine Abstimmung mit der zuständigen Schwerpunktstaatsanwaltschaft vorzunehmen. Auf polizeilicher Ebene ist daran in jedem Fall die Leiterin oder der Leiter der zuständigen Organisationseinheit oder Dienststelle (Dezernat der Abteilung 3 im LKA, ZKI, ZKD) zu beteiligen.
4.5 Für die Zusammenarbeit bei der Inanspruchnahme von Informantinnen oder Informanten, bei dem Einsatz von V-Personen und verdeckten Ermittlerinnen oder Ermittlern gelten die hierfür erlassenen Regelungen in der jeweils geltenden Fassung. Ebenso sind die Regelungen zum Zeugen- und Operativen Opferschutz in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

Abschnitt 5 ClanKZARdErl - Verfahrensübergreifende Zusammenarbeit

5.1 Die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit zwischen Staatsanwaltschaft und Polizei hat zum Ziel, dass beide Seiten einen vergleichbaren Erkenntnisstand über die Erscheinungsformen der Clankriminalität und die spezifischen Probleme einschlägiger Verfahren gewinnen, gemeinsam fortentwickeln und bei den jeweiligen Einzelmaßnahmen zugrunde legen. Sie dient auch der Verständigung über die örtliche und zeitliche Steuerung der Ermittlungskapazitäten von Staatsanwaltschaft und Polizei durch Bildung von Schwerpunkten.
5.2 Die ZOK und das LKA vereinbaren regelmäßige Dienstbesprechungen für Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften sowie Vertreterinnen und Vertreter der Polizei, bei denen insbesondere erörtert werden:
die Lage und die voraussichtliche Entwicklung sowie Maßnahmen zur Bekämpfung der Clankriminalität in ihrem Bereich,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Ablauf von Ermittlungsverfahren und gerichtlichen
Verfahren,
Erkenntnisse und Erfahrungen aus Maßnahmen zur Vermögensabschöpfung,
die örtliche Praxis der internationalen Rechtshilfe und sonstigen Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden,
allgemeine Fragen der Zusammenarbeit,
die Öffentlichkeitsarbeit.
Die Besprechungen sollen einmal jährlich, bei Bedarf auch häufiger stattfinden. Den Zoll- und den Finanzbehörden soll Gelegenheit zur Teilnahme gegeben werden. Über die Hinzuziehung anderer Behörden entscheiden das LKA und die ZOK.
5.3 Daneben können anlassbezogen auf regionaler Ebene Besprechungen zwischen Staatsanwaltschaften und Polizei stattfinden.
5.4 Bei Bedarf sollen gemeinsame Informations- und Fortbildungsveranstaltungen durchgeführt werden.
5.5 Die Hospitation von Dezernentinnen und Dezernenten der Staatsanwaltschaften und Vertreterinnen und Vertreter der Polizei bei der jeweils anderen Behörde soll ermöglicht werden.

Abschnitt 6 ClanKZARdErl - Initiativermittlungen

6.1 Clankriminalität wird nicht immer von sich aus offenbar. Strafanzeigen in diesem Bereich werden häufig nicht erstattet, u. a. weil die Zeuginnen oder Zeugen und auch Opfer Angst haben. Die Aufklärung und wirksame Verfolgung der Clankriminalität setzt daher voraus, dass Staatsanwaltschaft und Polizei von sich aus im Rahmen ihrer gesetzlichen Befugnisse Informationen gewinnen oder bereits erhobene Informationen zusammenführen, um Ansätze zu weiteren Ermittlungen zu erhalten (Initiativermittlungen).
6.2 Die Befugnisse der Polizei zu Initiativermittlungen im Rahmen der Gefahrenabwehr
richten sich in Niedersachsen nach dem NPOG.
6.3 Bei entsprechenden Ermittlungen liegen häufig die Elemente der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr in einer Gemengelage vor oder gehen im Verlauf eines Verdichtungs- und Erkenntnisprozesses ineinander über. Staatsanwaltschaft und Polizei arbeiten auch in diesem Bereich eng zusammen. Für die Zusammenarbeit gelten die Nummern 4 und 5 sinngemäß mit den Maßgaben, dass
das Ziel der Initiativermittlungen die Klärung des Anfangsverdachts oder der Gefahrenlage ist,
der Staatsanwältin oder dem Staatsanwalt in Fällen der Gefahrenabwehr eine Leitungsbefugnis nicht zusteht,
das Ergebnis der Initiativermittlungen mit den Vorgängen unverzüglich der Staatsanwaltschaft vorzulegen ist, sobald die Initiativermittlungen Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten ( § 152 Abs. 2 StPO ) ergeben haben. Die Vorlage hat auch dann zu erfolgen, wenn aus polizeilicher Sicht unklar ist, ob hinreichende Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten vorliegen.
6.4 Die Zusammenarbeit obliegt auf der Seite der Staatsanwaltschaft der Behörde, die für die Durchführung des Ermittlungsverfahrens zuständig wäre. Ob ein der Schwerpunktstaatsanwaltschaft vorzulegender Fall vorliegt, entscheidet die Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der Bezugs-AV zu a.

Abschnitt 7 ClanKZARdErl - Finanzermittlungen/Vermögensabschöpfung

Die Aktivitäten krimineller Clangruppierungen zeichnen sich in vielen Fällen durch ein hohes Gewinnstreben und eine Vermischung legaler und illegaler Wirtschaftsaktivitäten aus. Finanzermittlungen sind daher auch unterhalb der Schwelle von schwerer und organisierter Kriminalität, aber auch bei Ordnungswidrigkeitenverfahren unverzichtbar. Es ist darauf hinzuwirken, dass Maßnahmen der Vermögensabschöpfung - insbesondere auch des § 76a Abs. 4 StGB - konsequent durchgeführt und inkriminierte Vermögenswerte entzogen werden.

Abschnitt 8 ClanKZARdErl - Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten

8.1 Die von kriminellen Clanstrukturen ausgehenden Gefahren sind auch bei Vollzugsentscheidungen zu berücksichtigen.
8.2 Die Justizvollzugsanstalten sind über
Verbindungen einer oder eines Untersuchungs- oder Strafgefangenen zu einer kriminellen
Clanstruktur und
Erscheinungsformen und Entwicklung der Clankriminalität
zu informieren, soweit es für Vollzugsentscheidungen erheblich sein kann und Belange der Strafverfolgung nicht entgegenstehen.
8.3 Die Information über die Gefangene oder den Gefangenen muss möglichst bei der Einlieferung erfolgen, anderenfalls ist sie nachzuholen. Sie obliegt der Staatsanwaltschaft, in Eilfällen der Polizei.
8.4 Den Vollzugsbehörden kann Gelegenheit gegeben werden, an den in Nummer 5.3 genannten Besprechungen teilzunehmen; bei Bedarf sind sie auch zu den Veranstaltungen nach den Nummern 5.2 und 5.4 hinzuzuziehen.
8.5 Die Justizvollzugsanstalt unterrichtet die Staatsanwaltschaft, in Eilfällen die Polizei, über Erkenntnisse, die für die Verfolgung der Clankriminalität von Bedeutung sein können.
8.6 Ansprechpartnerin oder Ansprechpartner in der Justizvollzugsanstalt ist die Anstalts-leiterin
oder der Anstaltsleiter.

Abschnitt 9 ClanKZARdErl - Zusammenarbeit mit anderen Behörden

9.1 Soweit Staatsanwaltschaft oder Polizei bei ihren Ermittlungen im Bereich der Clankriminalität Anhaltspunkte für Zoll- oder Steuerdelikte feststellen, sind die zuständigen Zoll- oder Finanzbehörden zu unterrichten (vgl. die §§ 403 , 116 AO ).
9.2 Die Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden sind auf gegenseitige Mithilfe angewiesen. Die unverzügliche gegenseitige Unterrichtung auf entsprechender Rechtsgrundlage ist gerade im Hinblick auf Vorgänge, die ein Eingreifen erfordern oder für die Entschließung der jeweiligen Behörde von Bedeutung sein können, geboten.
9.3 Für die verfahrensübergreifende Zusammenarbeit aller zu beteiligenden Institutionen und Behörden kann sich die Durchführung von Besprechungen oder - in Bezug auf Einzelfälle - Fallkonferenzen auf örtlicher und überörtlicher Ebene empfehlen.

Abschnitt 10 ClanKZARdErl - Gemeinsames Lagebild von Polizei und Staatsanwaltschaft über die Clankriminalität in Niedersachsen

10.1 Zielsetzung
Das Lagebild "Clankriminalität - Kriminelle Clanstrukturen in Niedersachsen" (gemeinsames Lagebild) soll den Zustand und die Erscheinungsformen der Clankriminalität in Niedersachsen in dem jeweiligen Berichtsjahr möglichst umfassend und verlässlich beschreiben, bewerten und Entwicklungstendenzen aufzeigen. Es soll damit
den Strafverfolgungsbehörden die Grundlage für eine realistische, möglichst übereinstimmende Lageeinschätzung des Gefahrenpotenzials und des Umfangs der Clankriminalität liefern,
Rückschlüsse auf polizeiliche und justizielle Aufgabenstellungen, Bekämpfungsmaßnahmen und -ziele ermöglichen,
die Strafverfolgungsbehörden in die Lage versetzen, strategische Entscheidungen zur Optimierung der zielgerichteten Verfolgung von Clankriminalität zu treffen,
die Entscheidungen über Schwerpunkte und Prioritäten unterstützen,
Empfehlungen an die politische Ebene und den Gesetzgeber geben,
zu einer möglichst effizienten Steuerung der Ressourcen zur Verfolgung der Clankriminalität beitragen und
eine Überprüfung der Effektivität justizieller und polizeilicher Maßnahmen gewährleisten.
Zur Erreichung dieser Zwecke ist das gemeinsame Lagebild als ein Produkt ständiger Auswertung und Analyse fortlaufend weiterzuentwickeln sowie den Erscheinungsformen der Clankriminalität und den Notwendigkeiten einer effektiven Bekämpfung im nationalen als auch internationalen Zusammenhang anzupassen.
Zu einer weiteren Verbesserung der Lagedarstellung ist es erforderlich, die justiziellen und die polizeilichen Erkenntnisse zusammenzuführen, um so die Erkenntnisgrundlagen über die Clankriminalität in Niedersachsen zu verbreitern.
10.2 Verfahren zur Erstellung des gemeinsamen Lagebildes
10.2.1 Grundlage des gemeinsamen Lagebildes sind die in Niedersachsen bearbeiteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren sowie die sonstigen Anlässe mit Clan-Relevanz, die zu polizeilichen Einsätzen geführt haben.
10.2.2 Unter Mitwirkung der Polizeidirektionen erhebt das LKA die Lage unter Beachtung der auf Landesebene bestehenden Regelungen. Näheres regelt das LKA im Rahmen seiner Richtlinienkompetenz.
10.2.3 Die Staatsanwaltschaften berichten der ZOK über die Anzahl der dort anhängigen Verfahren aus dem Bereich der Bekämpfung der Clankriminalität unter Aufschlüsselung nach Delikten. Bei bedeutsamen Verfahren sind - auch unterjährig - ebenfalls die spezifisch justiziellen Erkenntnisse sowie neue, von den bisherigen Informationen abweichende Erkenntnisse, z. B. über die Effektivität der angewandten Ermittlungsmethoden, den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens, die Herkunft und Verbindungen der Haupttäterinnen und Haupttäter, Vermögensermittlungen (einschließlich vermögensabschöpfender Maßnahmen), Rechtshilfe oder Besonderheiten im Strafvollzug, zu berichten. Die Erfassung der justiziellen Daten wird im Einzelnen von der ZOK geregelt. Diese Daten werden getrennt von den Daten der Polizei dargestellt. Bei Bedarf informiert die ZOK das LKA über die spezifischen justiziellen Erkenntnisse.
10.2.4 Die ZOK informiert das LKA über diejenigen eingeleiteten Clan-Verfahren der niedersächsischen Staatsanwaltschaften, an denen die niedersächsische Polizei nicht beteiligt ist. Soweit möglich lässt das LKA Daten aus Clan-Verfahren anderer Länderpolizeien, des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei, des Zolls und der Steuerfahndungsdienststellen in das gemeinsame Lagebild einfließen.
10.2.5 Meldeschluss für die zu berücksichtigenden Verfahren ist jeweils der 15. Januar. Die Lagemeldungen der Polizei und der Staatsanwaltschaften werden durch das LKA und die ZOK zusammengefasst und gemeinsam bewertet. Sie entscheiden grundsätzlich einvernehmlich, ob die gemeldeten Verfahren in das gemeinsame Lagebild aufgenommen werden.
10.2.6 Das LKA und die ZOK erstellen auf der Grundlage dieser Bewertung den polizeilichen und den justiziellen Teil des gemeinsamen Lagebildes und legen ihn jeweils zum 15. Mai dem MI und dem MJ vor.
10.2.7 Über Art und Umfang einer Veröffentlichung stellen das MI und das MJ Einvernehmen her.

Abschnitt 11 ClanKZARdErl - Vorrang anderer Regelungen

Die Regelungen der Bezugserlasse zu b und c gehen dieser Richtlinie vor.

Abschnitt 12 ClanKZARdErl - Schlussbestimmung

Dieser Gem. RdErl. tritt am 17. 11. 2020 in Kraft.
An die Polizeidirektionen das Landeskriminalamt Niedersachsen die Polizeiakademie Niedersachsen die Zentrale Polizeidirektion Niedersachsen die Generalstaatsanwaltschaften und Staatsanwaltschaften die Justizvollzugsanstalten
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