VV-ROG/NROG-ZAV
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Verwaltungsvorschriften zum ROG und zum NROG für die Durchführung von Zielabweichungsverfahren (VV-ROG/NROG-ZAV)

Verwaltungsvorschriften zum ROG und zum NROG für die Durchführung von Zielabweichungsverfahren (VV-ROG/NROG-ZAV)

RdErl. d. ML v. 25.06.2024 - 302-20002-611/2024-5047/2024 -
Vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)
- VORIS 23100 -
Bezug: RdErl. v. 05.04.2017 (Nds. MBl. S. 541), geändert durch RdErl. v. 02.05.2018 (Nds. MBl. S. 454) - VORIS 23100 -
Zur Ausführung von § 6 Abs. 2 ROG vom 22.12.2008 ( BGBl. I S. 2986 ), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 22.03.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 88), i. V. m. § 8 NROG i. d. F. vom 06.12.2017 (Nds. GVBl. S. 456), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 17.04.2024 (Nds. GVBl. 2024 Nr. 31) werden folgende VV erlassen:
InhaltsübersichtAbschnitt
Zweck, Anlass und Grenzen des Zielabweichungsverfahrens1
Zweck des Zielabweichungsverfahrens1.1
Anlass für Zielabweichungsverfahren und notwendige Prüfungen im Vorfeld1.2
Raumbedeutsamkeit des Vorhabens1.2.1
Bestehen einer Bindung des Vorhabens an Ziele der Raumordnung1.2.2
Zielqualität der Festlegung, mit der das Vorhaben kollidieren könnte1.2.3
Verstoß des Vorhabens gegen ein Ziel der Raumordnung1.2.4
Vermeidbarkeit eines Zielabweichungsverfahrens durch Modifizierung der Planung oder des Vorhabens 1.2.5
Grenzen des Zielabweichungsverfahrens (Erforderlichkeit einer Planänderung)1.3
Antragserfordernis, Antragsberechtigung (§ 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ROG), Inhalt und Umfang des Antrags1.4
Voraussetzungen für die Zielabweichung2
Raumordnerische Vertretbarkeit einer Abweichung vom Ziel der Raumordnung2.1
Vorliegen einer (unbeabsichtigten) Planungslücke2.1.1
Zulässigkeit einer Raumordnungsplanung, die das Vorhaben ermöglicht hätte (Planbarkeit)2.1.2
Raumverträglichkeit der mit der Zielabweichung verfolgten Planung oder Maßnahme2.1.3
Raumordnerische Vertretbarkeit während einer laufenden Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles2.1.4
Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung2.2
Ermittlung der Grundzüge der Planung anhand der verfolgten Sicherungs-, Ordnungs- oder Entwicklungsinteressen in dem vom Vorhaben betroffenen räumlichen Bereich2.2.1
Kein Wiederaufbrechen bereits gelöster Konflikte; kein Entstehen neuer Konflikte2.2.2
Keine Präzedenzwirkung2.2.3
Keine Durchbrechung eines gesamträumlichen Konzepts2.2.4
Fallkonstellation Vorrang und Ausschluss2.2.4.1
Fallkonstellation Vorranggebiete2.2.4.2
Fallkonstellation Zentrale Orte2.2.4.3
Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung bei Vorgriff auf eine laufende Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles2.2.5
Berührtsein der Grundzüge der Planung bei voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen2.2.6
Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen2.3
In ihren Belangen berührte öffentliche Stellen2.3.1
Einholung des Einvernehmens, Anschreiben2.3.2
Umsetzung in der Entscheidung der Landesplanungsbehörde2.3.3
Benehmen mit den betroffenen Gemeinden2.4
Soll-Entscheidung; Ermessenserwägungen2.5
Befristet geltende Voraussetzungen einer Zielabweichung für die bauleitplanerische Ausweisung von Windenergiegebieten nach § 245 e Abs. 5 BauGB2.6
Zuständige Stellen3
Zuständigkeitsverteilung zwischen den Landesplanungsbehörden; Zustimmung zum Verfahrensergebnis3.1
Sonderfragen der Zuständigkeitsverteilung: Zielabweichungsverfahren im Verhältnis zu Raumverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren3.2
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Raumverträglichkeitsprüfung3.2.1
Zielabweichungsverfahren im Vorfeld von Zulassungsverfahren3.2.2
Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Planfeststellungsverfahren oder immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren 3.2.3
Weitere Verfahrens- und Formerfordernisse, Kosten4
Weitere Verfahrens- und Formerfordernisse4.1
Kosten4.2
Sonderfall: feststellender Bescheid über Nichtvorliegen eines Zielverstoßes5
Schlussbestimmungen6
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 1 VV-ROG/NROG-ZAV - Zweck, Anlass und Grenzen des Zielabweichungsverfahrens

1.1 Zweck des Zielabweichungsverfahrens
Zielabweichungsverfahren dienen dazu, in besonders gelagerten Einzelfällen zu prüfen, ob ein raumbedeutsames Vorhaben ausnahmsweise von der gemäß § 4 ROG geltenden Beachtung eines Zieles der Raumordnung befreit werden kann. An dem bestehenden raumordnerischen Ziel wird aber generell festgehalten. Ein raumbedeutsames Vorhaben kann sowohl eine raumbedeutsame Planung sein (z. B. eine Bauleitplanung, durch die ein raumbedeutsames Bauvorhaben ermöglicht wird; z. B. ein Regionales Raumordnungsprogramm [RROP], das von einem Ziel des Landes-Raumordnungsprogramms [LROP] abweichen soll), als auch ein raumbedeutsames Bauvorhaben.
1.2 Anlass für Zielabweichungsverfahren und notwendige Prüfungen im Vorfeld
Um festzustellen, ob überhaupt Anlass für ein Zielabweichungsverfahren besteht, ist im Vorfeld Folgendes zu prüfen:
1.2.1 Raumbedeutsamkeit des Vorhabens
Raumbedeutsame Vorhaben bestimmen sich dadurch, dass sie "raumbeanspruchend" oder
"raumbeeinflussend" sind (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 6 ROG ). Ob ein Vorhaben raumbedeutsam ist, ist anhand der Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles zu entscheiden. Für nicht raumbedeutsame Vorhaben ist kein Zielabweichungsverfahren nötig.
1.2.2 Bestehen einer Bindung des Vorhabens an Ziele der Raumordnung
Für raumbedeutsame Vorhaben kann ein Anlass für ein Zielabweichungsverfahren nur entstehen, wenn das Vorhaben den Bindungswirkungen nach § 4 ROG unterliegt. Ist dies nicht der Fall, besteht von vornherein keine Zielbeachtungspflicht,
sodass es keines separaten Zielabweichungsverfahrens bedarf.
Eine Zielbeachtungspflicht betrifft in erster Linie öffentliche Planungen und Maßnahmen und die Entscheidungen über deren Zulassung.
Für raumbedeutsame Vorhaben von Privatpersonen oder privatwirtschaftlichen Unternehmen haben Ziele der Raumordnung nur in den in § 4 ROG genannten Fällen Bindungswirkungen. Dies ist der Fall bei raumbedeutsamen Vorhaben eines Unternehmens, wenn dieses damit öffentliche Aufgaben wahrnimmt (z. B. Energieversorgung), wenn an dem Unternehmen mehrheitlich öffentliche Stellen beteiligt sind oder die Finanzierung des Vorhabens überwiegend mit öffentlichen Mitteln erfolgt. Auch wenn raumbedeutsame Vorhaben Privater einer Planfeststellungspflicht unterliegen, sind in diesem Verfahren die Ziele der Raumordnung zu beachten. Bei anderen, nicht mit einer Planfeststellung vergleichbaren Zulassungsverfahren besteht für Privatvorhaben eine Bindung an raumordnerische Ziele nur, wenn und soweit das jeweilige Fachrecht dies ausdrücklich regelt ( § 4 Abs. 2 ROG ) und das Ziel der Raumordnung zu den Genehmigungsvoraussetzungen zählt. Das ist z. B. der Fall, wenn bauliche Anlagen im Außenbereich realisiert werden sollen, weil § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB Regelungen enthält, nach denen auch Ziele der Raumordnung öffentliche Belange sind, die der Zulassung raumbedeutsamer Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können. Fehlt eine solche "Raumordnungsklausel" im Fachrecht (z. B. in den §§ 34 oder 30 BauGB ), besteht keine Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung im Genehmigungsverfahren; ein Zielabweichungsverfahren ist somit weder erforderlich noch zulässig.
Eine Zielbindung besteht ferner dann nicht, wenn in Fällen des § 5 ROG der Bindungswirkung eines Zieles ordnungsgemäß widersprochen wurde oder fachgesetzliche Sonderregelungen dies unter bestimmten Voraussetzungen vorsehen (z. B. § 5 Abs. 2 oder § 18 Abs. 3 b NABEG oder § 43 Abs. 3 EnWG ).
1.2.3 Zielqualität der Festlegung, mit der das Vorhaben kollidieren könnte
Ob die raumordnerische Festlegung Zielqualität i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 2 ROG entfaltet, ergibt sich aus ihrer Formulierung und der Begründung des Raumordnungsplans (Bestimmtheit, Schlussabgewogenheit). Außerdem sind Ziele der Raumordnung in Raumordnungsplänen besonders gekennzeichnet (textliche Ziele durch Fettdruck, zeichnerische Ziele durch Kennzeichnung als Ziel der Raumordnung in der Legende der Plankarte).
Auf Grundsätze der Raumordnung (einschließlich der Vorbehaltsgebiete), die nach Maßgabe des § 4 ROG einer weniger strikten Bindungswirkung als Ziele unterliegen, sind die Bestimmungen über Zielabweichungsverfahren nicht - auch nicht entsprechend - anwendbar.
1.2.4 Verstoß des Vorhabens gegen ein Ziel der Raumordnung
Ein Zielabweichungsverfahren kommt nur in Betracht, wenn eine raumbedeutsame Planung (z. B. Flächennutzungsplan, Bebauungsplan) oder Maßnahme (z. B. Baugenehmigung für ein konkretes Bauvorhaben im Außenbereich) im konkreten Anwendungsfall tatsächlich gegen die als Ziel der Raumordnung gesicherten Funktionen oder Nutzungen verstoßen würde.
Zu prüfen ist regelmäßig, ob und inwieweit das Ziel zulässige Konkretisierungsspielräume für nachfolgende Planungs- und Zulassungsverfahren und deren zielkonforme Umsetzung belässt. Dies kann beispielsweise bei zeichnerisch festgelegten Zielen aufgrund der kleinen Maßstabsebene der Landesplanung (1 : 500 000) gegeben sein, wenn ein Vorhaben knapp mit einer raumordnerischen Vorranggebietsfestlegung zugunsten einer anderen Nutzung zu kollidieren scheint, auf der nachfolgenden Regionalplanungsebene mit größerem Maßstab aber keine Kollision mehr erkennbar wird. Der erste Anschein eines Verstoßes gegen ein Ziel des LROP wird durch die nachfolgende Konkretisierung ausgeräumt. Entsprechendes kann gelten im Verhältnis der Maßstabsebene der Regionalplanung zur Bauleitplanung.
Ergibt sich im Zuge der maßstabsabhängig genaueren Prüfung im Zulassungsverfahren, dass in bestimmten kleinräumigen, im Maßstab des Raumordnungsprogramms nicht sichtbaren Bereichen innerhalb eines Vorranggebietes die angenommenen Voraussetzungen der vorrangigen Funktion oder Nutzung nicht vorliegen (z. B. dass in einem Vorranggebiet Rohstoffgewinnung auf der von dem Vorhaben beanspruchten Teilfläche der Rohstoff nicht in abbaufähigem Maße, nicht in der für den Abbau erforderlichen Qualität oder gar nicht vorkommt und der Vorhabenträger dies nachweist, etwa durch eine Bestätigung der für die Beurteilung von Rohstoffvorkommen zuständigen Fachbehörde), liegt insoweit kein Zielverstoß vor und ein Zielabweichungsverfahren ist nicht erforderlich.
Beispielsweise in den nachfolgenden Fällen steht eine Vorrangnutzung oder -funktion dem Vorhaben aufgrund dessen konkreter Ausgestaltung nicht entgegen:
Bei einem Windpark in einem Vorranggebiet Freiraumfunktionen, das ausschließlich die Funktionen des Raums als Frischluftschneise oder Kaltluftentstehungsgebiet schützen soll, wäre die klimatische Ausgleichsfunktion in der Regel nicht erheblich beeinträchtigt und eine Windenergienutzung stünde nicht im Konflikt mit dem Vorrangzweck.
Sofern ein flächiges Vorranggebiet Biotopverbund allein auf die Entwicklung von Magerrasen als Teil vernetzter Lebensräume für Schmetterlinge abzielt, wäre damit eine Windenergienutzung vereinbar, soweit durch Maststandorte und Zuwegungen kein erheblicher Eingriff in bestehende Magerrasenstandorte verbunden ist. Dies kann auch bei einem Vorranggebiet Natur und Landschaft mit einem vergleichbaren Schutzzweck möglich sein, solange dies nicht zugleich ausdrücklich auch auf den Schutz des Landschaftsbildes abzielt.
Ein raumbedeutsames Vorhaben verstößt nicht gegen ein Vorranggebiet Torferhaltung, wenn das betroffene Torfvolumen so gering ist, dass die Torfzehrung innerhalb des Gebietes nicht wesentlich beschleunigt und der Zweck der Vorranggebietsfestlegung somit nicht erheblich beeinträchtigt wird.
In solchen Fällen wäre das Vorhaben mit dem gesicherten Vorrang vereinbar und ein Zielabweichungsverfahren gar nicht erforderlich.
Weitere Konstellationen, in denen kein Zielabweichungsverfahren erforderlich ist, können ferner insbesondere bei Vorranggebieten Rohstoffgewinnung eintreten:
Ist in einem Vorranggebiet Rohstoffgewinnung der Rohstoff bereits vollständig ausgebeutet und die raumordnerisch gesicherte Nutzung abgeschlossen, können dort Planungen für andere Folgenutzungen möglich sein, ohne dass noch ein Konflikt mit der Vorrangfestlegung besteht, weil die konkurrierende Nutzung mit der gesicherten Nutzung inhaltlich nicht (mehr) unvereinbar sein kann. Der Nachweis, dass kein Konflikt (mehr) mit der Vorrangfestlegung besteht, ist vom Vorhabenträger zu erbringen.
Durch das Torfabbauverbot nach § 8 Abs. 2 NNatSchG sind in vielen Fällen Vorranggebiete Rohstoffgewinnung - Torf - funktionslos geworden.
Ist im Raumordnungsprogramm eine Ausnahmeregelung i. S. von § 6 Abs. 1 ROG vorgesehen und sind die Voraussetzungen dieser Ausnahme erfüllt, besteht ebenfalls kein Anlass für ein Zielabweichungsverfahren.
Wird das Vorhaben von der Landesplanungsbehörde als zielkonform angesehen, sodass kein Anlass für ein Zielabweichungsverfahren besteht, ist dies dem Vorhabenträger in der Regel formlos mitzuteilen. Zum Sonderfall eines feststellenden Bescheides siehe Nummer 5.
1.2.5 Vermeidbarkeit eines Zielabweichungsverfahrens durch Modifizierung der Planung oder
des Vorhabens
Könnte eine raumbedeutsame Planung bei Beachtung bestimmter Vorkehrungen oder Änderungen mit dem betroffenen Ziel vereinbart werden, soll die zuständige Landesplanungsbehörde möglichst frühzeitig beratend auf die raumordnungskonforme Ausgestaltung hinwirken. Die Modifizierung der Planung kann etwa darin bestehen, sie kleinräumig so zu verschieben, dass die räumliche Berührtheit eines zunächst betroffenen, entgegenstehenden Vorranggebietes entfällt. Gestaltet der Planungsträger die Planung dann zielkonform, ist ein Zielabweichungsverfahren nicht erforderlich.
Bedürfen raumbedeutsame Vorhaben einer Zulassung (z. B. Genehmigung oder Planfeststellung), soll zunächst geprüft werden, ob durch Nebenbestimmungen zur Zulassungsentscheidung i. S. von § 36 VwVfG erreicht werden kann, dass das Vorhaben unter Einhaltung der Ziele der Raumordnung realisiert wird. Ein Zielabweichungsverfahren ist nur erforderlich, wenn eine solche Nebenbestimmung die Auswirkungen des Vorhabens zwar mildern, aber eine Verletzung eines Zieles der Raumordnung nicht ausschließen könnte.
1.3 Grenzen des Zielabweichungsverfahrens (Erforderlichkeit einer Planänderung)
Das Zielabweichungsverfahren ist ein Instrument für besonders gelagerte Einzelfallkonstellationen, die bei der Programmaufstellung nicht erkennbar waren und somit nicht bei der Aufstellung des Zieles berücksichtigt wurden. Es ermöglicht, unbeabsichtigte Planungslücken zu schließen oder unbeabsichtigte Planungskonsequenzen zu korrigieren, ohne dass die mit der Planaufstellung festgelegten Grundzüge der Planung aufgegeben werden. Das Ziel bleibt im Raumordnungsprogramm bestehen, es braucht lediglich in dem konkreten Einzelfall nicht beachtet zu werden.
Das Zielabweichungsverfahren ist weder ein Planungsinstrument noch ein Ersatz hierfür und darf nicht dazu verwendet werden, für wiederkehrende, gleichgelagerte und damit "typische" Fälle Abweichungen zu ermöglichen. Haben sich durch neue Entwicklungen die Rahmenbedingungen einer Raumordnungsplanung grundlegend derart verändert, dass wiederkehrende Fälle zu erwarten sind, ist das Raumordnungsprogramm zu ändern oder neu aufzustellen. Auch in Fällen, in denen erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind, ist nur eine Planänderung zulässig (vgl. Nummer 2.2.6).
1.4 Antragserfordernis, Antragsberechtigung ( § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ROG ), Inhalt und Umfang des Antrags
Hat ein Antrag auf Zielabweichung schon nach überschlägiger Prüfung eindeutig keine Aussicht auf Erfolg, sind die Gründe hierfür dem Antragsteller zunächst formlos mitzuteilen, verbunden mit der Anregung, den Antrag zurückzunehmen. Wird ein Antrag aufrechterhalten, ist das Verfahren durch eine (negative) Entscheidung über den Antrag abzuschließen.
Öffentliche Stellen sind antragsbefugt, wenn sie selbst Träger einer raumbedeutsamen Planung oder Maßnahme oder Genehmigungsbehörde im Hinblick auf eine Planung oder Maßnahme einer anderen öffentlichen Stelle sind. So besteht insbesondere eine Antragsbefugnis einer Gemeinde, um ihre Bauleitplanung abweichend von Zielen der Raumordnung dahingehend ändern zu dürfen, dass ein raumbedeutsames Projekt planungsrechtlich zulässig wird.
Antragsbefugt sind öffentliche Stellen ferner, wenn sie über die Zulassung eines raumbedeutsamen Vorhabens einer Person des Privatrechts entscheiden und hierbei auch Ziele der Raumordnung zu beachten sind ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG , § 4 Abs. 2 ROG ).
Private Vorhabenträger sind im Zulassungsverfahren antragsbefugt, wenn ihr Vorhaben einer Planfeststellung bedarf ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG ) oder wenn bei der Genehmigung ihres Vorhabens auch die Einhaltung von Zielen der
Raumordnung als Genehmigungs- oder Zulassungsvoraussetzung vorgeschrieben ist (Raumordnungsklausel,
§ 4 Abs. 2 ROG ). Daher dürfen z. B. private Investorinnen und Investoren, deren Vorhaben im Außenbereich genehmigt werden soll, einen Zielabweichungsantrag stellen, weil § 35 Abs. 3 Sätze 2 und 3 BauGB Regelungen enthält, nach denen auch Ziele der Raumordnung öffentliche Belange sind, die der Zulassung raumbedeutsamer Außenbereichsvorhaben entgegenstehen können. Fehlt eine solche "Raumordnungsklausel" im Fachrecht (z. B. in den §§ 34 oder 30 BauGB ), ist mangels einer Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung im Genehmigungsverfahren ein Zielabweichungsantrag weder erforderlich noch zulässig.
Private Vorhabenträger sind nicht befugt, einen Zielabweichungsantrag für eine Bauleitplanung zu stellen, die ihr Bauvorhaben ermöglichen soll.
Mehrere Antragsberechtigungen können nebeneinander bestehen (z. B. Zulassungsbehörde und Vorhabenträger).
Andere als die in § 6 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ROG genannten Stellen und Personen (z. B. Verbände) sind nicht antragsbefugt. Wird ein solcher Antrag dennoch gestellt, ist er ohne inhaltliche Prüfung als unzulässig zurückzuweisen.
Der Antrag hat sämtliche für die Beurteilung notwendigen Angaben zu enthalten. Dies umschließt auch eine Darlegung des Antragsstellers, warum aus seiner Sicht die Voraussetzungen einer Zielabweichung erfüllt sind. Fehlen notwendige Angaben, ist der Antrag nicht entscheidungsreif und der Antragsteller ist zur Vervollständigung aufzufordern.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 2 VV-ROG/NROG-ZAV - Voraussetzungen für die Zielabweichung

Eine Zielabweichung setzt voraus, dass alle Tatbestandsmerkmale kumulativ erfüllt sind (Tatbestandsseite) und dass die zuständige Behörde bei ihrer Entscheidung über die Zielabweichung ihre Entscheidungsbefugnisse fehlerfrei ausgeübt hat (Rechtsfolgenseite).
Es ist zu prüfen, ob der vorliegende Sachverhalt die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 ROG und des § 8 NROG erfüllt, also dass
die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar ist (siehe Nummer 2.1),
die Grundzüge der Planung nicht berührt werden (siehe Nummer 2.2),
das Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen vorliegt (siehe Nummer 2.3) und
das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt ist (siehe Nummer 2.4).
Die Atypik des Einzelfalles ist kein eigenständiges gesetzliches Tatbestandsmerkmal, aber nach ständiger Rechtsprechung bei der Prüfung zur raumordnerischen Vertretbarkeit und zum Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung als Prüfkriterium mit heranzuziehen.
Zu besonderen Voraussetzungen für Zielabweichungen, die eine Ausweisung von Windenergiegebieten durch gemeindliche Bauleitplanung ermöglichen sollen, siehe Nummer 2.6.
Sind alle Tatbestandsmerkmale erfüllt, hat die zuständige Landesplanungsbehörde dem Zielabweichungsantrag - ggf. unter Nebenbestimmungen - in der Regel zu entsprechen (Sollvorschrift des § 6 Abs. 2 ROG , siehe Nummer 2.5).
Liegen Verstöße gegen mehrere Ziele der Raumordnung vor, ist ein Vorhaben nur zulässig, wenn in Bezug auf jedes einzelne Ziel eine Zielabweichung positiv beschieden werden kann. Die Voraussetzungen einer Zielabweichung (Tatbestandsvoraussetzungen und Ermessensausübung) müssen in Bezug auf jedes Ziel geprüft und dargelegt werden.
2.1 Raumordnerische Vertretbarkeit einer Abweichung vom Ziel der Raumordnung
Eine Zielabweichung ist raumordnerisch vertretbar, wenn
sie der Schließung von unbeabsichtigten Planungslücken des bestehenden Raumordnungsplans dient (dazu Nummer 2.1.1),
eine entsprechende Planung zulässig wäre und anzunehmen ist, dass das Vorhaben - bei rechtzeitigem Erkennen der Planungslücke - durch eine Regelung im Raumordnungsplan ermöglicht worden wäre (Planbarkeit, dazu Nummer 2.1.2) und
das Vorhaben raumverträglich ist (dazu Nummer 2.1.3).
Eine Zielabweichung, die in Bezug auf einen bestehenden Raumordnungsplan beantragt wird, zu dessen Änderung aber bereits ein Planentwurf vorliegt, ist nur dann raumordnerisch vertretbar, wenn die mit der Zielabweichung verfolgte Planung oder Maßnahme mit dem in Aufstellung befindlichen Ziel in Einklang steht und die Fertigstellung der Planung nicht abgewartet werden kann (dazu Nummer 2.1.4).
Im Einzelnen ist dazu Folgendes zu prüfen:
2.1.1 Vorliegen einer (unbeabsichtigten) Planungslücke
Nur wenn es für den Einzelfall neue oder veränderte (atypische) Aspekte gibt, die so bei der Planaufstellung noch nicht erwogen wurden (unbeabsichtigte Planungslücke oder unbeabsichtigte Planungskonsequenz), ist eine vom Raumordnungsprogramm abweichende Bewertung der raumordnerischen Vertretbarkeit möglich. Eine Zielabweichung scheidet aus, wenn diese Aspekte schon bei der Aufstellung des Raumordnungsprogramms bekannt waren, weil sich der Planungsträger im Rahmen seiner Abwägung bewusst für eine andere planerische Regelung und damit gegen das mit der Zielabweichung verfolgte Ergebnis entschieden hat. Die Atypik eines Vorhabens kann ein Indiz für eine unbeabsichtigte Planungslücke darstellen.
Eine unbeabsichtigte Planungslücke kann von Beginn der Planung an bestehen oder im Nachhinein durch eine Änderung der Umstände im Planungsraum entstehen.
2.1.2 Zulässigkeit einer Raumordnungsplanung, die das Vorhaben ermöglicht hätte (Planbarkeit)
Raumordnerisch vertretbar ist nur ein Ergebnis, das - bei Kenntnis der Einzelfallumstände - im Raumordnungsprogramm hätte geplant werden dürfen (Planbarkeit). Rechtswidrige Zustände, die nicht planbar gewesen wären, können auch nicht über eine Zielabweichung gestattet werden.
Die Art und Weise der Planbarkeit ist unerheblich. Zur Planbarkeit zählen ein Regelungsverzicht, die Möglichkeit, das Ziel generell anders zu fassen wie auch die Möglichkeit, es durch eine Ausnahme nach § 6 Abs. 1 ROG zu ergänzen und es dadurch für eine bestimmte Fallkonstellation zu öffnen.
Rechtliche Grenzen für die Planbarkeit ergeben sich einerseits aus fachrechtlichen Vorgaben, andererseits aus dem gesetzlichen Auftrag der Raumordnung, Vorsorge für einzelne Nutzungen und Funktionen des Raumes zu treffen ( § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ROG ). Raumordnungspläne müssen die im Raumordnungsrecht normierten Leitvorstellungen zur nachhaltigen Raumentwicklung ( § 1 Abs. 2 ROG ), die gesetzlichen Grundsätze ( § 2 Abs. 2 ROG , § 2 NROG ) sowie die Grundsätze höherrangiger Raumordnungspläne berücksichtigen und Ziele höherrangiger Raumordnungspläne beachten.
Auch die Gewichtigkeit der im Planungsraum gesicherten Funktion oder Nutzung, die durch das zu beurteilende Vorhaben berührt wird, kann einen Anhaltspunkt darstellen. Je bedeutsamer, veränderungssensibler oder seltener die gesicherte Raumfunktion oder Nutzung ist, umso unwahrscheinlicher erscheint die theoretische Planbarkeit einer abweichenden Regelung und umso weniger kann die Zulassung des entgegenstehenden Vorhabens raumordnerisch vertretbar sein.
Einen weiteren Anhaltspunkt für fehlende Planbarkeit kann die Summe oder die Ausprägung der durch das Vorhaben ausgelösten Konflikte darstellen, insbesondere wenn mehrere Ziele der Raumordnung betroffen sind. Je mehr Nutzungen und Funktionen betroffen sind und umso stärker in ein Interessengeflecht eingegriffen wird, desto unwahrscheinlicher erscheint ein anderes Planergebnis.
2.1.3 Raumverträglichkeit der mit der Zielabweichung verfolgten Planung oder Maßnahme
Raumordnerisch vertretbar können nur Planungen oder Maßnahmen sein, die im betroffenen Raum oder am vorgesehenen Standort voraussichtlich ohne wesentliche nachteilige Raum- und Umweltauswirkungen realisiert werden können und raumverträglich sind. Lässt sich die voraussichtliche Raumverträglichkeit nur durch eine formalisierte Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG beurteilen, ist eine solche vor Abschluss des Zielabweichungsverfahrens durchzuführen.
2.1.4 Raumordnerische Vertretbarkeit während einer laufenden Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles
Auch Zielfestlegungen, deren Anpassung bereits in die Wege geleitet wurde, gelten grundsätzlich bis zum Inkrafttreten eines neuen oder geänderten Zieles fort, z. B. Vorranggebiet Leitungstrasse (zur besonderen Konstellation, dass ein Ziel wegen vollständiger Umsetzung der gesicherten Nutzung keinen inhaltlich entgegenstehenden Vorrang bilden kann, siehe Beispiel bei Nummer 1.2.4 Abs. 6 erster Spiegelstrich). Mehrjährige Planänderungs- oder -aufstellungsverfahren können zur Verzögerung eines Vorhabens führen. Im Einzelfall kann es im Hinblick auf die zu erwartende Planänderung raumordnerisch vertretbar sein, nicht das Inkrafttreten des geänderten Raumordnungsprogramms abwarten zu müssen, sondern übergangsweise von dem (noch) geltenden Ziel abweichen zu dürfen. Anstelle der Voraussetzungen nach den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 ist eine solche Zielabweichung im Vorgriff auf eine zu erwartende Planänderung raumordnerisch vertretbar, wenn nach dem Planentwurf das bisherige Ziel nicht mehr aufrechterhalten wird.
Ist mit der Planänderung nicht nur die Aufhebung eines Zieles, sondern zugleich eine inhaltliche Neufestlegung beabsichtigt, muss für die raumordnerische Vertretbarkeit ferner eine Prognose hinzutreten, dass die beabsichtigte Planung oder Maßnahme mit dem in Aufstellung befindlichen Ziel voraussichtlich in Einklang steht. Diese Prognose setzt einen hinreichend fortgeschrittenen Planungs- und Verfahrensstand für die Änderung oder Neuaufstellung des Raumordnungsprogramms und des betreffenden in Aufstellung befindlichen Zieles voraus. Der maßgebliche Verfahrensstand ist durch die Einführung der Legaldefinition eines "in Aufstellung befindlichen Zieles" in § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG vorgegeben:
Das Beteiligungsverfahren nach § 9 Abs. 2 ROG zu einem ersten Planentwurf muss abgeschlossen sein.
Die in diesem Beteiligungsverfahren eingegangenen Stellungnahmen müssen ausgewertet sein und es muss unter Würdigung der Ergebnisse eine planerische Abwägung erfolgt sein, ob das vorgesehene Ziel unverändert oder in modifizierter Form Eingang in den endgültigen Raumordnungsplan finden soll.
Den nach § 9 Abs. 2 ROG am Verfahren beteiligten öffentlichen Stellen und der Öffentlichkeit wurde die vorgesehene Fassung der Zielfestlegung, die Eingang in den endgültigen Raumordnungsplan finden soll, zur Kenntnis gegeben. Es genügt nicht, nur isoliert die Zielfestlegung zur Kenntnis zu geben, sondern der Zusammenhang des Zieles mit den übrigen Planinhalten muss erkennbar sein. Für die konkrete Art des Kenntnisgebens bestehen keine Vorgaben, es muss lediglich gewährleistet sein, dass der zum Zeitpunkt der Zielabweichungsentscheidung maßgebliche Stand der Planung einsehbar ist, beispielsweise auf den Internetseiten des Planungsträgers.
Ist nach Abschluss des Beteiligungsverfahrens i. S. von § 9 Abs. 2 ROG , d. h. des ersten Beteiligungsverfahrens, kein weiteres Beteiligungsverfahren (mehr) nötig, ist der Planentwurf bereits vor dem RROP-Satzungsbeschluss oder vor der Genehmigung des RROP - unter Kenntlichmachung seines Status - bekannt zu machen. Erst dann liegt ein "in Aufstellung befindliches Ziel" i. S. des § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG vor.
Wird der Planentwurf dergestalt überarbeitet, dass zu Teilen eine ergänzende Beteiligung nach § 9 Abs. 3 ROG nötig ist, muss der Bekanntmachung über die Einleitung des erneuten Beteiligungsverfahrens zu entnehmen sein, dass die übrigen Planteile unverändert bleiben und wo diese unveränderten Planteile eingesehen werden können. Werden nur die geänderten Planteile veröffentlicht, ist die Fundstelle der früheren Entwurfsfassung anzugeben. Wird eine Lesefassung des vollständigen Planentwurfs veröffentlicht, in der die Änderungen besonders gekennzeichnet sind, genügt dies.
Sind zwar bereits allgemeine Planungsabsichten bekannt gemacht, aber ist das erste Beteiligungsverfahren noch nicht eingeleitet oder noch nicht abgeschlossen, darf eine Zielabweichung im Vorgriff auf die Planänderung noch nicht zugelassen werden. In dieser Planungsphase liegt noch gar kein in Aufstellung befindliches Ziel vor, das geprüft werden könnte. In dieser Planungsphase könnte eine Zielabweichung nur zugelassen werden, wenn die Voraussetzungen nach den Nummern 2.1.1 und 2.1.2 gegeben sind.
Steht das beabsichtigte Vorhaben mit einem solchermaßen in Aufstellung befindlichen Ziel voraussichtlich in Einklang, und ist ferner seine Raumverträglichkeit nach Nummer 2.1.3 gewährleistet, kommt es auf seine Atypik in dieser Fallkonstellation nicht an.
Soll eine Zielabweichung für ein Vorhaben im Vorgriff auf den Abschluss eines laufenden Verfahrens zur Änderung eines Raumordnungsprogramms zugelassen werden, muss aber schließlich noch deutlich werden, aus welchen Gründen das Inkrafttreten der Planänderung im Einzelfall nicht abgewartet werden kann. Es reicht nicht allein aus, die allgemeine - und für jedes Vorhaben zutreffende - Verfahrensdauer von Planänderungsverfahren als Begründung anzuführen, sondern die Dringlichkeit muss sich aus Umständen ergeben, die direkt mit dem konkreten Vorhaben verbunden sind.
2.2 Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung
An den grundlegenden planerischen Intentionen (oder dem Grundgerüst) des jeweiligen Raumordnungsplans ist zu messen, ob sich das Vorhaben darauf mehr als nur unwesentlich auswirkt. Grundzüge der Planung sind immer dann berührt, wenn die Zielabweichung den durch die planerische Abwägung geschaffenen Interessenausgleich stört oder dessen Fortbestand gefährdet. Das bei Aufstellung des Raumordnungsprogramms erzielte Abwägungsergebnis darf durch eine Zielabweichung nicht nachträglich derart verändert werden, dass neue Konflikte entstehen oder bereits durch Planung gelöste Konflikte wieder aufbrechen. Die Verletzung der Grundzüge der Planung ist insbesondere anzunehmen, wenn die Zulassung der Zielabweichung Präzedenzwirkung für Folgefälle hätte.
Im Einzelnen ist Folgendes zu prüfen:
2.2.1 Ermittlung der Grundzüge der Planung anhand der verfolgten Sicherungs-, Ordnungs- oder Entwicklungsinteressen in dem vom Vorhaben betroffenen räumlichen Bereich
Die Grundzüge der Planung ergeben sich aus der jeweiligen Planungskonzeption zur Sicherung, Ordnung und Entwicklung der Raumnutzungen und -funktionen und den ihr zugrunde liegenden Leitvorstellungen und Belangen. Anhand des Koordinierungs- und Abwägungsergebnisses der unterschiedlichen Belange und anhand einer Zusammenschau der zentralen Festlegungen des jeweiligen Raumordnungsprogramms ist zu ermitteln, welche grundlegenden Anliegen mit der Raumplanung und dem konkreten Ziel, von dem abgewichen werden soll, sachlich und räumlich verfolgt werden. Dabei kann insbesondere die Begründung des Raumordnungsprogramms Ausgangspunkt sein, um zu prüfen, was Grundzüge der Planung sind und inwieweit diese durch die angestrebte Zielabweichung berührt werden.
2.2.2 Kein Wiederaufbrechen bereits gelöster Konflikte; kein Entstehen neuer Konflikte
Raumordnungspläne dienen der Konfliktlösung und -vermeidung und sollen unterschiedliche Funktionen und Nutzungen aufeinander abstimmen. Die Grundzüge der Planung sind berührt, wenn der durch den Raumordnungsplan erreichte Interessenausgleich zerstört oder dessen Fortbestand gefährdet wird. Die Zielabweichung ist abzulehnen, wenn die mit der Zielabweichung verfolgte Planung oder Maßnahme raumbedeutsame Folgewirkungen auf andere Planungen, Maßnahmen, Funktionen, Schutzgüter etc. hervorrufen würde, die ihrerseits neue Konflikte entstehen lassen würden.
Je mehr Ziele eines Raumordnungsprogramms von der Planung oder Maßnahme betroffen sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass neue Konflikte entstehen/resultieren und insoweit die Grundzüge der Planung berührt werden (dann ist ggf. eine Planänderung erforderlich, siehe Nummer 1.3).
2.2.3 Keine Präzedenzwirkung
Grundzüge der Planung sind auch dann berührt, wenn erwartbar ist, dass die Zielabweichung zu Folgefällen führt. Der Gleichbehandlungsgrundsatz (Willkürverbot) verbietet den zuständigen Behörden, gleichartig gelagerte Fälle uneinheitlich zu behandeln. Der erste Zielabweichungsfall begründet eine Selbstbindung der Verwaltung für künftige Entscheidungen, denen ein gleicher Sachverhalt zugrunde liegt. Durch die (eventuelle) Mehrzahl oder Vielzahl von Zielabweichungsentscheidungen in gleicher Sache könnte insofern der durch die planerische Abwägung hergestellte Interessenausgleich im Nachhinein wieder entfallen. Sind diese Auswirkungen zu befürchten, wären bereits durch den ersten Zulassungsfall die Grundzüge der Planung berührt.
Die klare Atypik der zu entscheidenden Fallkonstellation kann als Indiz dafür dienen, dass die Grundzüge der Planung nicht berührt sind, da (atypische) Einzelfälle gerade keine Präzedenzwirkung zu begründen vermögen. Dabei kann sich der Einzelfallcharakter sowohl aus der Atypik des Vorhabens als auch aus der Atypik der Umstände oder der räumlichen Gegebenheiten des Standortes ergeben.
Ein Einzelfall kann beispielsweise vorliegen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Vorhaben ist, das sich durch besondere oder neue Faktoren (z. B. technische Konstruktion, Betriebsweise, Sortiment) von anderen bekannten Vorhabentypen deutlich abhebt. Gibt es im Planungsraum vergleichbar gelagerte Vorhaben oder sind diese prognostisch zu befürchten, ist das Vorhaben nicht als Einzelfall zu betrachten.
Ein Einzelfall kann ferner vorliegen, wenn das mit der Zielabweichung beabsichtigte Vorhaben nicht überall im Raum verwirklicht werden kann, sondern etwa von besonderen topographischen, geologischen, siedlungs- und infrastrukturellen Voraussetzungen abhängt und daher nur ein potenzieller Standort betroffen sein kann.
Eine Einzelfallkonstellation kann ferner gegeben sein, wenn sich nur punktuell im Planungsraum die dem Ziel zugrunde liegenden Rahmenbedingungen gravierend geändert haben (z. B. durch Aufgabe einer einzelnen Standortplanung, die durch ein Ziel gesichert wird) und daher allein zu diesem Standort für ein anderes Vorhaben über eine Zielabweichung zu entscheiden wäre.
2.2.4 Keine Durchbrechung eines gesamträumlichen Konzepts
Die Grundzüge der Planung sind in der Regel berührt, wenn es um eine Abweichung von einem gesamträumlichen Planungskonzept geht und dadurch dessen Grundstruktur betroffen ist. In solchen Fällen besteht in besonders hohem Maße die Gefahr, dass Konflikte aufbrechen oder neu entstehen oder eine Präzedenzwirkung erzeugt wird. Es gibt verschiedene Arten von gesamträumlichen Konzepten. Sie haben gemeinsam, dass sich die Zuordnung von Funktionen oder Flächennutzungen nach generalisierenden Kriterien richtet, die einheitlich für den gesamten Planungsraum gelten.
2.2.4.1 Fallkonstellation Vorrang und Ausschluss
Als gesamträumliche Konzepte "mit Ausschlusswirkung" sind solche Konzepte einzustufen, bei denen einerseits Vorranggebiete für eine bestimmte Nutzung ausgewiesen sind, diese Nutzung andererseits aber im restlichen Planungsraum oder Teilen davon nach § 7 Abs. 3 Satz 3 ROG ausgeschlossen wurde. Anwendungsfälle sind beispielsweise Konzepte zur Steuerung des Rohstoffabbaus sowie übergangsweise auch noch Konzepte zur Steuerung der Windenergienutzung. Zu den Grundzügen solcher gesamträumlichen Konzepte gehört, dass
die Bewertung der Flächen unter Abwägung unterschiedlichster Belange (auch) auf der Einhaltung generalisierter Kriterien beruhen, die einheitlich für den gesamten Planungsraum gelten, und
das Verhältnis der positiven Vorrangfestlegungen und der negativen ausschließenden Festlegungen gewährleisten muss, dass der betroffenen Nutzung substanziell Raum geschaffen wird.
Wird von den generalisierenden Kriterien wesentlich abgewichen oder werden auf den Positivflächen andere Nutzungen in einem so hohen Maß zugelassen, dass der gesicherten Nutzung nicht mehr substanziell Raum verschafft wird, sind Grundzüge der Planung berührt. Die Grundzüge der Planung sind z. B. im Einzelfall dann nicht berührt, wenn bereits bei Aufstellung des Plans bestimmte Unsicherheitsfaktoren in Bezug auf die Realisierung von vorrangig gesicherten Vorhaben bekannt waren und über das Erforderliche hinaus ein gewisser "Puffer" eingeplant wurde, damit auch bei fehlender Nutzbarkeit von Flächen oder Flächenanteilen immer noch substanziell Raum verbleibt.
2.2.4.2 Fallkonstellation Vorranggebiete
Bei gesamträumlichen Planungskonzepten, die Grundlage einer reinen Vorranggebietskulisse sind, besteht das Erfordernis des substanziell Raum Verschaffens nicht. Bei solchen Konzepten können die Grundzüge der Planung dann berührt sein, wenn - insbesondere in einer Vielzahl von Fällen - von den Planungskriterien abgewichen wird (Präzedenzwirkung).
Bei Zulassung von Vorhaben in einem Vorranggebiet Windenergienutzung ist ferner zu berücksichtigen, dass eine Zielabweichung zur Folge haben kann, dass die betroffene Fläche nicht mehr auf das nach dem WindBG und dem NWindG zu erreichende Teilflächenziel angerechnet werden dürfte.
2.2.4.3 Fallkonstellation Zentrale Orte
Ein anders geartetes gesamträumliches Konzept stellt das Zentrale-Orte-System dar. Zentrale Orte unterschiedlicher Stufen werden für den gesamten Planungsraum nach einheitlich geltenden Kriterien festgelegt. Hieran sind dann weitere, für sich selbständige Ziele der Raumordnung geknüpft, die den zentralen Orten einer bestimmten Stufe verschiedene Funktionen und Nutzungen ausdrücklich zuweisen. Würden bestimmte, ausschließlich den zentralen Orten zugewiesene Nutzungen oder Einrichtungen (z. B. Einzelhandelsgroßprojekte, die nur innerhalb des zentralen Siedlungsgebietes zulässig sind - Konzentrationsgebot) durch Zielabweichung auch außerhalb der zentralen Orte zugelassen, würde in das zentralörtliche Gefüge von Funktions-, Erreichbarkeits- und Tragfähigkeitserwägungen eingegriffen. In aller Regel sind hierdurch die Grundzüge der Planung berührt, wenn nicht besonders gelagerte Umstände des Einzelfalles hinzutreten.
2.2.5 Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung bei Vorgriff auf eine laufende Änderung oder Aufhebung des betroffenen Zieles
Maßstab für die Beurteilung, ob die Grundzüge der Planung berührt werden, ist bei einem Zielabweichungsverfahren, das im Vorgriff auf das geänderte oder neu aufgestellte Raumordnungsprogramm stattfinden soll, einerseits das noch bestehende Ziel, andererseits die zu erwartende neue Planung.
Aufgrund der Gleichbehandlungspflicht und des Prinzips der Selbstbindung der Verwaltung ist davon auszugehen, dass sich die Bewertung des ersten Anwendungsfalles entscheidungsleitend auch für eine Mehrzahl von Folgefällen auswirken wird. Handelt es sich um "Standardvorhaben", müssen unter Umständen eine Vielzahl von Vorhaben vorab im Wege der Zielabweichung zugelassen werden. Sie würden den Planungsraum prägen und Bestandschutz genießen.
Dies hat zum einen Bedeutung für den Fall, dass die bestehende Planung weitergilt, falls die neue Planung (z. B. aus politischen Gründen, durch Ablauf der Legislaturperiode, durch Änderung der fachlichen, rechtlichen oder politischen Rahmenbedingungen oder durch fehlende Genehmigungsfähigkeit des Plans) doch nicht in Kraft treten sollte. Ein durch Zielabweichung zugelassenes Vorhaben darf keine Umstände entstehen lassen, durch die die Vollziehbarkeit eines fortbestehenden Zieles unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert würde. Seit § 3 Abs. 1 Nr. 4 a ROG einen gesetzlichen "Verfestigungsgrad" eines in Aufstellung befindlichen Zieles erfordert (vgl. Nummer 2.1.4), ist dieses Risiko gesunken. Erforderlichenfalls ist die Zielabweichung unter Bedingungen, Auflagen oder anderen Nebenbestimmungen zuzulassen oder abzulehnen.
Zum anderen darf die Verwirklichung der vorgesehenen neuen Planung nicht durch vorgezogene
Einzelfallentscheidungen wesentlich erschwert oder unterlaufen werden.
Möglich ist eine Zielabweichung insofern nur, soweit das Vorhaben im Einklang mit den zu ändernden Grundzügen der Planung steht. Voraussetzung für diese Beurteilung ist ein hinreichend fortgeschrittener Verfahrensstand als Prognosegrundlage über die Ausgestaltung und Reichweite des neuen Zieles (siehe hierzu Nummer 2.1.4). Nur so kann einer unerwünschten Präzedenzwirkung wirksam entgegengetreten werden.
2.2.6 Berührtsein der Grundzüge der Planung bei voraussichtlich erheblichen Umweltauswirkungen
In seinem Urteil vom 28.09.2023 (Az. 4 C 6.21) führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass Zielabweichungen nur dann zugelassen werden dürfen, wenn voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen ausgeschlossen sind. Die Zielabweichung dürfe nicht die Vorgaben der Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung von Plänen unterlaufen. Werden durch ein Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen hervorgerufen, könne es ausschließlich durch eine Planänderung ermöglicht werden, weil nur bei Planänderungen, nicht aber bei Zielabweichungsentscheidungen, eine Strategische Umweltprüfung durchgeführt werde: "Die Grundzüge der Planung sind berührt, wenn voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen durch die Zielabweichung nicht ausgeschlossen werden können, die auf dieser Planungsebene erkennbar sind und bei der planerischen Entscheidung über den Raumordnungsplan nicht berücksichtigt wurden".
Wird eine Zielabweichung beantragt, ist unter entsprechender Heranziehung der Kriterien
der Anlage 2 zu § 8 Abs. 2 ROG überschlägig zu prüfen, ob das Vorhaben erhebliche Umweltauswirkungen haben könnte. Das Bundesverwaltungsgericht führt dazu aus: "Der Umfang und die räumliche Ausdehnung der Auswirkungen und damit die Größe der von der Abweichung erfassten Fläche spielen ebenso eine Rolle wie ihre Bedeutung und Sensibilität. Maßgeblich ist ferner, um welche Art von Zielfestlegung - flächendeckend oder spezifisch - es geht. Dient die Zielabweichung der Änderung eines spezifisch festgelegten Standorts für ein raumbedeutsames Vorhaben, werden die Grundzüge der Planung in der Regel berührt sein".
Unspezifisch sind nach dem Urteil beispielsweise Vorranggebiete Landwirtschaft, spezifisch beispielsweise Vorranggebiete Industrie und Gewerbe. Eine erhöhte Sensibilität kann sich beispielsweise aus der Nähe der betroffenen Fläche zu einem Europäischen Vogelschutzgebiet ergeben.
2.3 Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen
Das Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen ist kein bloßes Verfahrenserfordernis (zum Verfahren siehe Nummer 4), sondern ebenfalls eine materielle tatbestandliche Voraussetzung einer Zielabweichung. Eine Entscheidung im Einvernehmen erfordert die eindeutige Zustimmung aller fachlich berührten Stellen.
Ist offenkundig und eindeutig, dass eine Zielabweichung für das Vorhaben nicht raumordnerisch vertretbar ist und/oder dass die Grundzüge der Planung berührt sind, kann eine ablehnende Entscheidung auch allein auf die Nichterfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 6 Abs. 2 ROG gestützt werden. Die Beteiligung der fachlich berührten Stellen (und der betroffenen Gemeinden) ist dann nicht erforderlich. Da alle Tatbestandsvoraussetzungen kumulativ erfüllt sein müssen, könnte auch ein erteiltes Einvernehmen keine Zielabweichung ermöglichen.
Wird eine Zielabweichung raumordnerisch in Betracht gezogen oder ist noch ergebnisoffen, ob eine Zielabweichung für das Vorhaben raumordnerisch vertretbar ist und die Grundzüge der Planung nicht berührt sind, ist zwingend eine Beteiligung der in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen (und der betroffenen Gemeinden) notwendig.
2.3.1 In ihren Belangen berührte öffentliche Stellen
Welche öffentlichen Stellen in ihren Belangen, d. h. fachlich berührt sein können, ist im Einzelfall durch die zuständige Landesplanungsbehörde zu entscheiden und richtet sich nach dem konkreten Ziel der Raumordnung, von dem abgewichen werden soll, sowie dessen Verflechtung mit anderen Belangen.
Verbände (z. B. Wirtschaftsverbände, Naturschutzverbände) und ähnliche Interessenvertretungen sind - anders als bei der Beteiligung im Aufstellungsverfahren für das Raumordnungsprogramm - nicht einbezogen.
Fachlich berührt können nur öffentliche Stellen sein, deren Aufgabenkreis fachlich und räumlich von der Zielabweichung beeinflusst wird und die deshalb ein begründetes Interesse an der Entscheidung haben. Erfasst sind dabei nur in Niedersachsen zuständige Stellen, nicht öffentliche Stellen benachbarter Länder oder Staaten. Ihre Beteiligung kann sinnvoll sein, jedoch geht damit kein Einvernehmenserfordernis einher.
Einvernehmen ist nur von denjenigen Stellen erforderlich, die einen überörtlichen Zuständigkeitsbereich übertragen bekommen haben. Die Unterscheidung zwischen öffentlichen Stellen, deren Einvernehmen erforderlich ist und öffentlichen Stellen, deren Benehmen genügt (Gemeinden), ist nicht anhand der Wahrnehmung von Aufgaben im eigenen oder im übertragenen Wirkungskreis zu treffen. Die Unterscheidung in § 8 NROG ergibt sich vielmehr aus dem überörtlichen Auftrag der Raumordnung. In Betracht kommen öffentliche Stellen wie betroffene Landkreise, Fachbehörden oder Kammern. Hat das Vorhaben, für das eine Zielabweichung beantragt wird, sehr weiträumige Auswirkungen (z. B. bei Einzelhandelsgroßprojekten) können auch benachbarte (niedersächsische) Regionalplanungsträger oder Industrie- und Handelskammern der benachbarten Zuständigkeitsbezirke zu beteiligen sein.
Die fachliche Berührtheit und das Einvernehmenserfordernis bestehen nur insoweit, wie die Belange der jeweiligen öffentlichen Stelle räumlich oder sachlich tatsächlich betroffen sind. In räumlicher Hinsicht darf die Einvernehmensprüfung nur auf eine Berührtheit von Belangen in denjenigen Teilen des Zuständigkeitsbereichs bezogen werden, die von den Auswirkungen des Vorhabens nachteilig berührt wären. In sachlicher Hinsicht darf die Einvernehmensprüfung nur auf eine Berührtheit von Belangen bezogen werden, für die der öffentlichen Stelle eine konkrete Verantwortlichkeit zugewiesen wurde. So haben Träger der Regionalplanung in Bezug auf die Sicherung zentraler Orte nur die Kompetenz, Grundzentren sowie Grundzentren mit mittelzentralen Teilfunktionen in ihrem Planungsraum festzulegen. Nur in Bezug auf diese Aufgaben besteht ein Einvernehmenserfordernis, beispielsweise anlässlich eines Zielabweichungsverfahrens für ein Einzelhandelsgroßprojekt. Die Festlegung von Mittel- und Oberzentren zählt hingegen nicht zu den Aufgaben der Regionalplanung, sondern erfolgt im LROP, so dass Träger der Regionalplanung in dieser Hinsicht nicht in ihren Belangen berührt sind und insoweit daher auch kein Einvernehmen erteilen oder versagen können.
Gemeinden sind durch raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen in aller Regel als Träger der gemeindlichen Planungshoheit und damit in einer rein örtlichen Angelegenheit betroffen. Auch soweit Gemeinden - z. B. großen selbständigen Städten oder kreisfreien Städten - durch entsprechende Regelungen einzelne Aufgaben der Landesverwaltung übertragen wurden, die sie im übertragenen Wirkungskreis wahrnehmen (z. B. als untere Naturschutzbehörde), ist diese Zuständigkeit räumlich auf das Gemeindegebiet begrenzt und nicht "überörtlich" im raumordnungsrechtlichen Sinne. Ihr Einvernehmen ist daher nicht erforderlich, sondern es erfolgt eine Benehmensherstellung (siehe Nummer 2.4). Der Gesetzgeber hat im Wortlaut des § 8 NROG keine Differenzierung nach verschiedenen Aufgaben von Gemeinden getroffen, sondern
ihre Beteiligung einheitlich geregelt.
Die obere Landesplanungsbehörde als Genehmigungsbehörde des RROP ist dann fachlich berührte Stelle, wenn es um eine Zielabweichung im Vorgriff auf eine laufende Änderung oder Aufhebung eines betroffenen Zieles in einem RROP geht. Die Zielabweichung setzt eine Prognose über die Rechtmäßigkeit und Genehmigungsfähigkeit der neuen Planung voraus. Für diese Einschätzung sind der oberen Landesplanungsbehörde bei Bedarf die erforderlichen Unterlagen (z. B. Stellungnahmen, Abwägungssynopsen) zur Verfügung zu stellen. Das Einvernehmen der oberen Landesplanungsbehörde zu einer solchen Zielabweichung ist keine Vorweggenehmigung der RROP-Festlegung gemäß § 5 Abs. 5 Satz 2 NROG .
Bei gleichzeitigen Abweichungen von Zielen des LROP und des RROP ist das Einvernehmen der obersten Landesplanungsbehörde erforderlich. Wenn eine Zielabweichung vom LROP erfolgen soll, berührt dies auch die Belange der obersten Landesplanungsbehörde als planaufstellende Behörde, insoweit ist nach § 8 NROG auch ihr Einvernehmen einzuholen.
Stellt sich heraus, dass eine zunächst vorsorglich beteiligte Stelle fachlich doch nicht berührt ist, so ist ihr Einvernehmen nicht mehr erforderlich. Sieht sich eine nicht beteiligte Stelle als fachlich berührt an und äußert sich zu dem Vorhaben, hat die Landesplanungsbehörde zu entscheiden, ob es sich um eine fachlich berührte Stelle handelt. Ändert sich die Einschätzung, wer fachlich berührt ist, im Laufe des Verfahrens, ist darauf in der Begründung der Entscheidung über die Zielabweichung einzugehen.
Die Einholung der Zustimmung der obersten Landesplanungsbehörde zum Verfahrensergebnis nach § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG ist ein zusätzlicher, von der Einholung des Einvernehmens unabhängiger Verfahrensschritt (dazu siehe Nummer 3.1).
2.3.2 Einholung des Einvernehmens, Anschreiben
Im Beteiligungsanschreiben ist eine eindeutige Erklärung zu erbitten, ob das Einvernehmen erteilt oder versagt wird.
Die Landesplanungsbehörde soll nicht nur deutlich machen, dass aus ihrer Sicht eine Beteiligung als in ihren Belangen berührte öffentliche Stelle erfolgt, sondern das Anschreiben soll auch Hinweise darauf enthalten, in Bezug auf welche räumlichen Bereiche oder in Bezug auf welche Belange die Landesplanungsbehörde eine räumliche oder sachliche Berührtheit der jeweiligen öffentlichen Stelle sieht.
Bestehen Zweifel der Landesplanungsbehörde an der fachlichen Berührtheit, soll im Beteiligungsschreiben darauf hingewiesen werden, dass ohne Rückäußerung bis zu einem angegebenen Datum davon ausgegangen wird, dass sich die Stelle als fachlich nicht berührt ansieht und demzufolge kein Einvernehmen erforderlich ist.
Die Frist, innerhalb der Stellung genommen werden kann, ist im Hinblick auf den Einzelfall zu bestimmen. Sie sollte mindestens einen Monat betragen; in einfach gelagerten Fällen kann sie verkürzt werden.
Bei der Einholung des Einvernehmens soll die Landesplanungsbehörde darauf hinweisen, dass eine etwaige Verweigerung des Einvernehmens anhand der von der beteiligten Stelle zu vertretenden fachlichen Belange nachvollziehbar begründet werden muss. Auch die Gründe für die Erteilung des Einvernehmens sollten dargelegt werden, weil auch das Einvernehmen einer vollen gerichtlichen Nachprüfbarkeit unterliegt.
2.3.3 Umsetzung in der Entscheidung der Landesplanungsbehörde
Die Auseinandersetzung mit dem Einvernehmen anderer Stellen tritt neben die (eigene) Prüfung der übrigen Tatbestandsmerkmale sowie die Ermessensausübung.
Insofern entbindet die (in der Zielabweichungsentscheidung unter dem Prüfungspunkt "Einvernehmen" zulässige) "Aneinanderreihung" von Einvernehmensausführungen der fachlich berührten Stellen die Landesplanungsbehörde weder von der Aufgabe, selbst die raumordnerische Vertretbarkeit einer Zielabweichung und das Nichtberührtsein der Grundzüge der Planung nach § 6 Abs. 2 ROG zu prüfen, noch von der Pflicht, ihr - allerdings durch Soll-Vorgabe begrenztes - Ermessen auszuüben, wenn alle Tatbestandsmerkmale nach § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind.
Knüpft eine fachlich berührte Stelle ihr Einvernehmen an bestimmte, konkret überprüfbare und rechtlich in einem Zielabweichungsbescheid umsetzbare Voraussetzungen, so gilt das Einvernehmen nur als hergestellt, sofern der Zielabweichungsbescheid mit entsprechenden Nebenbestimmungen versehen werden kann.
Soweit das Einvernehmen an Bedingungen geknüpft wird, die erkennbar außerhalb des raumordnerischen Prüfrahmens oder der Kompetenzen der beteiligten Stelle liegen oder allein auf die Erfüllung von Anforderungen durch Dritte gerichtet sind, ist die beteiligte Stelle darüber zu informieren, dass das Einvernehmen zur Abweichung von einem Ziel der Raumordnung nicht von derartigen Bedingungen abhängig gemacht werden kann oder dass solche Forderungen erst auf Ebene nachfolgender Verfahren eingebracht werden können.
Ist Gegenstand der Zielabweichung beispielsweise eine raumbedeutsame Planung, können sich Nebenbestimmungen nur auf rechtlich mögliche Planinhalte beziehen. Vorbehalte einer fachlich berührten Stelle, die sich auf die Ausführung eines konkreten Vorhabens beziehen, auf die der Plan aber keinen Einfluss nehmen kann, können durch Nebenbestimmungen zur Zielabweichungsentscheidung nicht ausgeräumt werden. Ist z. B. Gegenstand des Zielabweichungsverfahren ein Flächennutzungsplan, der ein konkretes Vorhaben im Außenbereich ermöglichen soll, und knüpft eine fachlich berührte Stelle ihr Einvernehmen an eine bestimmte bauliche Gestaltung, so betrifft diese Vorgabe allein die Zulassung und Ausführung des Vorhabens und kann nicht als Nebenbestimmung für die Änderung des Flächennutzungsplans vorgegeben werden.
Ist beispielsweise Gegenstand der Zielabweichung ein raumbedeutsames Vorhaben einer Person des Privatrechts, können Nebenbestimmungen nur solche sein, die der Vorhabenträger selbst umsetzen kann. Die Zielabweichung kann nicht über Nebenbestimmungen an Maßnahmen geknüpft werden, die nur eine öffentliche Stelle oder eine andere Privatperson verwirklichen könnte. Ist z. B. zunächst eine Änderung eines Bebauungsplans erforderlich, eine begleitende Straßenbaumaßnahme auf öffentlichen Flächen oder eine Maßnahme auf benachbarten Privatgrundstücken, kann der private Vorhabenträger dies gerade nicht selbst erfüllen.
Wird das Einvernehmen nicht erteilt, liegt kein Einvernehmen vor. Gibt die fachlich berührte Stelle eindeutig zu erkennen, dass sie grundsätzlich mit dem in Rede stehenden Vorhaben einverstanden ist, ist das Einvernehmen erteilt, auch wenn das Einvernehmen an Vorgaben oder Nebenbestimmungen geknüpft ist, die noch nicht im Zielabweichungsbescheid, sondern erst auf nachfolgenden Verfahrensstufen umsetzbar sind.
Wird das Einvernehmen ohne nachvollziehbare fachliche Begründung an Vorbehalte geknüpft, hat die Landesplanungsbehörde eine Begründung nachzufordern.
Können fachlich begründete Vorbehalte nicht - auch nicht durch Nebenbestimmungen im Zielabweichungsbescheid oder auf nachfolgenden Verfahrensstufen - ausgeräumt werden, fehlt es an einer Zustimmung; ein Einvernehmen i. S. des § 8 NROG liegt dann nicht vor.
Formuliert eine fachlich berührte Stelle Vorgaben, die das Vorhaben inhaltlich so stark verändern würden, dass es nicht mehr dem Willen des Vorhabenträgers entspricht, ist das Einvernehmen zu dem beantragten Vorhaben nicht erteilt.
Äußert sich eine fachlich berührte Stelle trotz Nachfragen nicht oder nicht eindeutig oder erteilt das Einvernehmen nicht, kann die Landesplanungsbehörde dieses nicht ersetzen.
Da gemäß § 6 Abs. 2 ROG im Regelfall die Zielabweichung zuzulassen ist, wenn die raumordnerische Vertretbarkeit gegeben ist und die Grundzüge der Planung gewahrt sind, wäre es im Regelfall unzulässig, die Zielabweichung abzulehnen, wenn sich eine berührte öffentliche Stelle überhaupt nicht äußert oder sich auf unzutreffende Gründe stützt. Sieht die Landesplanungsbehörde die Voraussetzungen einer Zielabweichung als gegeben an, hat sie im Falle einer Nichtrückäußerung oder aus ihrer Sicht unberechtigten Verweigerung des Einvernehmens in der Regel die für die betreffende öffentliche Stelle zuständige Aufsichtsbehörde einzuschalten, da nur diese die Befugnis hätte, ein verweigertes Einvernehmen anzuordnen oder selbst zu erteilen (z. B. nach § 174 NKomVG ).
Wird das Einvernehmen auch nur von einer ihren Belangen berührten öffentlichen Stelle nicht erteilt, kann eine Zielabweichung nicht zugelassen werden.
2.4 Benehmen mit den betroffenen Gemeinden
Bei einer Entscheidung im Benehmen muss den betroffenen Gemeinden Gelegenheit gegeben werden, die eigenen Vorstellungen darzulegen. Welche Gemeinden betroffen sind, ist im Einzelfall durch die zuständige Behörde zu entscheiden und richtet sich nach der Reichweite und Intensität der Auswirkungen des mit der Zielabweichung verfolgten Vorhabens. Von einer Gemeinde, die selbst Antragsteller der Zielabweichung ist, ist keine Stellungnahme nötig.
Zwingend zu beteiligen sind niedersächsische Gemeinden; die Beteiligung von Gemeinden aus benachbarten Ländern oder Staaten kann ebenfalls sinnvoll sein (z. B. die in Abschnitt 2.2 Ziffer 06 Satz 3 LROP genannten Städte mit oberzentraler Bedeutung für das niedersächsische Umland).
Stellt sich heraus, dass eine zunächst beteiligte Gemeinde doch nicht betroffen ist, so ist ihr Benehmen nicht mehr erforderlich. Dies ist in der Begründung des Bescheides darzulegen.
Eine Verpflichtung der Gemeinden zur Rückäußerung besteht nicht.
Anders als beim Einvernehmen muss keine Einigung erreicht werden. Dies gilt unabhängig davon, ob das Zielabweichungsverfahren positiv oder negativ abgeschlossen wird. Liegen alle sonstigen Voraussetzungen für eine Zielabweichung vor, kann die Landesplanungsbehörde auch eine von der Stellungnahme einer Gemeinde abweichende Entscheidung treffen. Aus dem Zielabweichungsbescheid muss hervorgehen, wie die Stellungnahmen gewürdigt wurden.
2.5 Soll-Entscheidung; Ermessenserwägungen
Bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen ist im Regelfall die Zielabweichung
zuzulassen (Soll-Entscheidung, § 6 Abs. 2 ROG ). In aller Regel ist davon auszugehen, dass das Interesse an einer abweichenden Einzelfalllösung für das betroffene Vorhaben in einer Gesamtschau mit anderen berührten Interessen (etwa der beteiligten Gemeinden sowohl in eigenen als auch in von staatlicher Seite übertragenen Aufgaben) überwiegt. Soweit die Zielabweichung zugunsten eines Vorhabens erfolgen soll, das der Erzeugung erneuerbarer Energien dient, ist bei der Ermessensausübung zudem zu berücksichtigen, dass dem Ausbau erneuerbarer Energien gesetzlich besonderes Gewicht eingeräumt wurde (vgl. § 2 EEG ). Nur unter besonderen Umständen darf eine Zielabweichung trotz Vorliegen der raumordnerischen Vertretbarkeit und trotz Wahrung der Grundzüge der Planung abgelehnt werden.
Bestehen mehrere Möglichkeiten, wie die Behörde ihre Entscheidung ausgestalten kann, etwa wenn die Frage besteht, ob und inwieweit eine Zielabweichung einschränkungslos oder nur unter Nebenbestimmungen i. S. von § 36 VwVfG (z. B. Auflagen, Bedingungen, Befristungen) zugelassen wird, steht ihr ein Auswahlermessen zu. Grundsätzlich ist unter mehreren geeigneten Alternativen das für den Vorhabenträger mildeste Mittel zu wählen; zugleich ist aber auch auf die Angemessenheit und Effektivität von Nebenbestimmungen zu achten.
Zu einer ordnungsgemäßen Bescheidung gehört auch die Dokumentation der Entscheidungserwägungen. Aufgrund der gesetzlichen Soll-Vorgabe können die Erwägungen, ob überhaupt eine Zielabweichung zugelassen werden soll, knappgehalten werden. Nachvollziehbar zu begründen sind die Ermessenserwägungen, wie die Zielabweichungsentscheidung konkret ausgestaltet werden soll, vor allem im Falle von Nebenbestimmungen. Eine nachvollziehbare Begründung ist ferner insbesondere auch dann erforderlich, wenn in besonders gelagerten Fällen entgegen der Soll-Vorgabe eine Zielabweichung trotz Vorliegen aller Voraussetzungen abgelehnt wird.
Gemäß § 3 Abs. 3 NKlimaG liegt die Durchführung von Vorhaben, die der Erreichung der in § 3 Abs. 1 Satz 1 NKlimaG genannten Klimaziele dienen, im überragenden öffentlichen Interesse des Landes; dieses Interesse ist entsprechend zu gewichten. Die Landesverwaltung soll diesbezügliche Verfahren vorrangig führen. Im Übrigen sind die Klimaziele des Landes zu berücksichtigen. Hierzu sind die jeweiligen Treibhausgaseinsparungen und -emissionen zu ermitteln; dies gilt nicht, soweit die Anforderung nach Halbsatz 1 nicht mit angemessenem Aufwand zu erfüllen ist.
Die fehlende Darlegung notwendiger Entscheidungs- und Ermessenserwägungen führt zur gerichtlichen Aufhebbarkeit der Zielabweichungsentscheidung und zur Anfechtbarkeit der darauf aufbauenden Entscheidungen. Eine gänzlich unterbliebene Darlegung von Ermessenserwägungen kann nicht nachgeholt werden. Lediglich wenn die in einem Verwaltungsakt dargelegten Erwägungen nicht umfassend genug begründet wurden, kann im Einzelfall die Begründung nachträglich ergänzt werden ( § 45 VwVfG , § 114 VwGO ). Sollten in einer Zielabweichungsentscheidung Entscheidungs- und Ermessenserwägungen gänzlich unterlieben sein, kommt nur in Betracht, die bestehende rechtswidrige Entscheidung schnellstmöglich aufzuheben und durch eine neue rechtmäßige Entscheidung zu ersetzen.
2.6 Befristet geltende Voraussetzungen einer Zielabweichung für die bauleitplanerische Ausweisung von Windenergiegebieten nach § 245e Abs. 5 BauGB
Träger der Bauleitplanung sind auch bei der Ausweisung von Gebieten für die Windenergienutzung an die Ziele der Raumordnung gebunden. § 249 Abs. 5 Satz 1 BauGB , wonach die Ziele der Raumordnung bei der Planung von Windenergiegebieten erforderlichenfalls nicht beachtet werden müssen, gilt nur für die Träger der Regionalplanung. Möchten Gemeinden und Samtgemeinden Windenergiegebiete bauleitplanerisch auf Flächen ausweisen, die im Bereich einer raumplanerischen Ausschlusswirkung, im Bereich eines Vorranggebietes für eine andere Nutzung oder im Anwendungsbereich eines sonstigen entgegenstehenden Zieles der Raumordnung liegen sollen, ist dies nur im Wege einer Zielabweichung möglich.
Für bestimmte Fallkonstellationen gelten hierfür - unbeschadet der Möglichkeit einer regulären Zielabweichung - besondere Voraussetzungen ( § 245 e Abs. 5 BauGB ), die gemäß § 27 Abs. 4 ROG Vorrang vor den Bestimmungen des § 6 Abs. 2 ROG haben. Mithilfe des § 245 e BauGB lassen sich Ziele überwinden, die einen reinen Ausschluss von Windenergieanlagen bewirken. Festlegungen zu einer reinen Flächenfreihaltung ohne Positivfestlegung (sog. Negativziele) sind z. B. eine planerische Ausschlusswirkung für die Windenergienutzung, Vorgaben zu Abständen zwischen Windparks, Vorgaben zu Abständen von Wohngebäuden zu Windenergieanlagen oder Vorgaben zum Ausschluss der Windenergienutzung beispielsweise auf sämtlichen Waldflächen. Solange solche Festlegungen - unabhängig von ihrer rechtlichen Zulässigkeit - in einem Raumordnungsplan bestehen, sind sie grundsätzlich anzuwenden und nur durch Zielabweichung überwindbar.
Die Anforderungen des § 6 Abs. 2 ROG , dass die Zielabweichung raumordnerisch vertretbar sein muss und die Grundzüge der Planung nicht berührt werden, gelten für Zielabweichungen zur Überwindung einer Ausschlusswirkung nicht. Stattdessen setzt eine Zielabweichung i. S. des § 245 e Abs. 5 BauGB nur voraus, dass
die Gemeinde ein Gebiet zugunsten der Windenergienutzung plant, dass die Anforderungen
des § 2 Nr. 1 WindBG erfüllt und
ein Raumordnungsplan an der von der Gemeinde für Windenergienutzung geplanten Stelle kein Gebiet für eine mit der Windenergienutzung unvereinbare Nutzung oder Funktion festlegt.
Gebiete, für die ein Raumordnungsplan eine mit der Windenergienutzung unvereinbare Nutzung oder Funktion festlegt, sind Gebiete, die in einem Raumordnungsplan räumlich bestimmt oder bestimmbar abgegrenzt sind und auf denen eine "Positivfestlegung" zugunsten einer konkreten Funktion oder Nutzung erfolgt ist, die gesichert oder entwickelt werden soll. Solche Gebiete sind insbesondere:
Vorranggebiete,
Zentrale Siedlungsgebiete i. S. von Kapitel 2.2 Ziffer 04 LROP,
Gebietsfestlegungen von städtebaulich integrierten Lagen (Versorgungskerne),
Standorte mit herausgehobener Bedeutung für die Nahversorgung i. S. von Kapitel 2.3 Ziffer 10 LROP,
Standorte für die Sicherung und Entwicklung von Wohnstätten,
Standorte für die Sicherung und Entwicklung von Arbeitsstätten,
Standorte mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Erholung, wenn deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze hinreichend konkretisierbar ist,
Standorte mit der besonderen Entwicklungsaufgabe Tourismus, wenn deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze hinreichend konkretisierbar ist.
Keine "Gebiete" sind Standorte, für die nur reine Punktsymbole festgelegt sind, sofern deren räumlicher Geltungsbereich und ihre Grenze nicht hinreichend konkretisierbar ist.
Keine "Gebiete" i. S. der Rückausnahme des § 245e Abs. 5 BauGB sind Vorbehaltsgebiete oder Eignungsgebiete, weil diesen die innergebietliche Verbindlichkeit und Qualität eines Zieles der Raumordnung fehlt (ein Zielabweichungsverfahren also gar nicht erforderlich ist).
Ob die Gebietsfestlegung tatsächlich mit der geplanten Windenergiegebietsplanung im Einklang steht oder mit der Windenergienutzung unvereinbar ist, ist anhand des jeweils konkreten Falls zu prüfen (vgl. Nummer 1.2.4).
Die ergänzenden landesrechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 8 NROG , dass
das Einvernehmen mit den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen vorliegt (siehe Nummer 2.3) und
das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt ist (siehe Nummer 2.4)
bleiben unberührt ( § 27 Abs. 3 ROG ).
Die sachliche und räumliche Betroffenheit kann sich dabei zum einen aus den Auswirkungen ergeben, die eine Windenergieanlage auf andere Nutzungen oder Funktionen hat.
Geht es um Auswirkungen auf den Ausschlussflächen, so können Bedenken nur insoweit geltend gemacht werden, wie es um rechtliche Verbote und Grenzen geht, die auch im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren zu beachten wären (z. B. Mindestabstände). Auf abwägbare Belange kann eine Versagung des Einvernehmens oder eine Ablehnung des Windenergievorhabens nicht gestützt werden (z. B. Vorsorgeabstände), weil § 245e Abs. 5 BauGB gerade ihrer Überwindung dienen soll. Das gleiche gilt für Belange, die zu einer Windenergienutzung nicht im Widerspruch stehen.
Hierauf, auf den Umstand, dass es um eine Zielabweichung zugunsten der Ausweisung von Windenergiegebieten i. S. des § 245e Abs. 5 BauGB geht sowie auf die damit verbundenen besonderen Voraussetzungen, hat die Landesplanungsbehörde in dem Anschreiben, mit dem die fachlich berührte Stellen um die Erteilung oder Versagung ihres Einvernehmens gebeten werden, hinzuweisen.
Verweigert eine beteiligte Stelle ihr Einvernehmen aus Erwägungen, die nicht auf der Betroffenheit der von ihr zu vertretenden Belange beruhen, gelten die Ausführungen zu Nummer 2.3.3 entsprechend: die Landesplanungsbehörde darf ein Einvernehmen weder annehmen noch ersetzen, sondern hat erforderlichenfalls die jeweilige Aufsichtsbehörde einzuschalten.
Ist das beabsichtigte Windenergiegebiet mit Positiv-Festlegungen zugunsten anderer Funktionen oder Nutzungen vereinbar und liegt der Zielverstoß lediglich in einem Widerspruch zu einer planerischen Ausschlusswirkung oder zu einem "Negativziel" begründet, hat die zuständige Landesplanungsbehörde dem Zielabweichungsantrag - ggf. unter Nebenbestimmungen - in der Regel zu entsprechen. Insbesondere auf eine Atypik oder eine eventuelle Präzedenzwirkung für vergleichbar gelagerte Folgefälle kommt es nicht an, da der Gesetzgeber die Regelhaftigkeit der Zielabweichung in den Fällen nach § 245e Abs. 5 BauGB in Kauf genommen hat.
Eine Ablehnung darf und sollte jedoch dann erfolgen, wenn der Landesplanungsbehörde im Bereich der Ausschlussfläche Umstände bekannt sind, die zweifelsfrei dazu führen, dass sich das beabsichtigte Windenergiegebiet auf der vorgesehenen Fläche nicht realisieren lässt (insbesondere Unvereinbarkeit mit rechtlichen Anforderungen/"harten Tabuzonen"). In einem solchen Fall besteht an einer Zielabweichung kein rechtliches Interesse.
Eine Zielabweichung auf Basis des § 245e Abs. 5 BauGB ist ebenfalls abzulehnen, wenn das beabsichtigte Windenergiegebiet mit Positiv-Festlegungen
zugunsten anderer Funktionen oder Nutzungen nicht vereinbar ist.
§ 245e Abs. 5 BauGB schließt rechtlich nicht aus, die Zielabweichung nachrangig auch unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 ROG i. V. m. § 8 NROG zu prüfen. Zu prüfen wäre dann, ob aufgrund besonders gelagerter Umstände des Einzelfalles die Abweichung von den entgegenstehenden Positiv-Festlegungen raumordnerisch vertretbar wäre und die Grundzüge der Planung nicht berührt wären.
§ 245e Abs. 5 BauGB ist nicht mehr anzuwenden, wenn das Erreichen des jeweiligen regionalen Teilflächenzieles für den Windenergieausbau festgestellt wurde, spätestens aber mit Ablauf des 31.12.2027. Antragsberechtigt sind nicht auch die privaten Vorhabenträger, sondern ausschließlich die Träger der Bauleitplanung.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 3 VV-ROG/NROG-ZAV - Zuständige Stellen

3.1 Zuständigkeitsverteilung zwischen den Landesplanungsbehörden; Zustimmung zum Verfahrensergebnis
Sind Ziele eines RROP und Ziele des LROP betroffen, ist die untere Landesplanungsbehörde zuständig. Die untere Landesplanungsbehörde hat die oberste Landesplanungsbehörde frühzeitig zu informieren, wenn ein Zielabweichungsantrag zu einem LROP-Ziel gestellt wurde. Ebenso hat sie die oberste Landesplanungsbehörde zu informieren, wenn die Betroffenheit oder Verletzung eines LROP-Zieles unklar ist und die Erforderlichkeit eines Zielabweichungsantrags zu einem LROP-Ziel zu prüfen ist.
Hinsichtlich der Abweichung vom LROP hat die untere Landesplanungsbehörde das Einvernehmen der obersten Landesplanungsbehörde einzuholen (siehe Nummer 2.3).
Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NROG bedarf das Verfahrensergebnis - zusätzlich zu einem erteilten Einvernehmen - der vorherigen Zustimmung der obersten Landesplanungsbehörde. Das Verfahrensergebnis umfasst sowohl die Entscheidung über die Abweichung vom RROP als auch die Entscheidung über die Abweichung vom LROP. Die Zustimmung umschließt eine vollständige Rechts- und Zweckmäßigkeitsprüfung des Entscheidungsvorschlags der unteren Landesplanungsbehörde. Hierzu zählt nicht nur die Prüfung, ob die tatbestandlichen Zielabweichungsvoraussetzungen vollständig geprüft wurden oder ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde, sondern beispielsweise auch die Entscheidungsbefugnis, dass nach Bewertung aller (auch nicht-raumordnerischer) Umstände das Ermessen anders ausgeübt werden soll und zu einem anderen Verfahrensergebnis führen soll, als von der unteren Landesplanungsbehörde vorgeschlagen (z. B. Ablehnung der Zielabweichung statt Zulassung oder umgekehrt).
Das Zustimmungserfordernis zum Verfahrensergebnis besteht immer, also sowohl für den Fall, dass der Zielabweichung von einem Ziel des LROP stattgegeben werden soll, als auch in Fällen, in denen die Abweichung von einem Ziel des LROP abgelehnt wird oder in denen die untere Landesplanungsbehörde eine beantragte Abweichung von einem LROP-Ziel deshalb nicht zulässt, weil sie dieses Ziel für nicht verletzt hält.
Die oberste Landesplanungsbehörde kann das Verfahren gemäß § 19 Abs. 2 Satz 4 NROG an sich ziehen, wenn es um ein Vorhaben mit besonderer Bedeutung geht, z. B. Ländergrenzen übergreifende Vorhaben mit hoher landespolitischer Bedeutung.
3.2 Sonderfragen der Zuständigkeitsverteilung: Zielabweichungsverfahren im Verhältnis zu Raumverträglichkeitsprüfungen und Planfeststellungsverfahren
Bei Vorhaben, für die ein förmliches Verfahren zur Prüfung der Raumverträglichkeit i. S. des § 15 ROG (Raumverträglichkeitsprüfung) erforderlich ist und bei Vorhaben, die einer Planfeststellungspflicht unterliegen, sind unterschiedliche Zeitpunkte denkbar, in denen sich die Notwendigkeit eines Zielabweichungsverfahrens ergibt. Je nachdem, wann konkret erkannt wird, ob eine raumbedeutsame Planung oder Maßnahme mit einem Ziel der Raumordnung in Widerspruch steht und inwieweit es zur Weiterverfolgung eines Vorhabens notwendig ist, frühzeitig über eine Zielabweichung zu entscheiden, sind folgende Ausführungen zur Zuständigkeit für die Verfahrensführung zu beachten.
3.2.1 Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Raumverträglichkeitsprüfung
Werden Zielkonflikte bereits während einer Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG erkannt, ist es in der Regel Aufgabe der Raumverträglichkeitsprüfung, abzustimmen, ob es raumverträglichere Alternativen gibt oder wie das Vorhaben bereits in einer frühen Planungsphase - z. B. mit einem parallel zur Raumverträglichkeitsprüfung geführten Zielabweichungsverfahren - mit den Zielen der Raumordnung in Einklang gebracht werden kann.
Die Landesplanerische Feststellung, mit der die Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG endet, hat lediglich gutachtlichen Charakter.
Wegen der unterschiedlichen Rechtsform der Entscheidungen kann die Landesplanerische
Feststellung nach § 11 NROG nicht die an die gesetzlichen Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG gebundene, verbindliche Entscheidung über eine Zielabweichung ersetzen. Wird das Zielabweichungsverfahren zeitlich parallel mit einer Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt und vor Fertigstellung der Landesplanerischen Feststellung abgeschlossen, ist auf das Ergebnis des Zielabweichungsverfahrens in der Landesplanerischen Feststellung einzugehen.
Für das separat zu führende Zielabweichungsverfahren gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.
3.2.2 Zielabweichungsverfahren im Vorfeld von Zulassungsverfahren
Insbesondere planfeststellungsbedürftige Vorhaben erfordern regelmäßig zeit- und kostenintensive Vorarbeiten. Ähnlich wie eine Raumverträglichkeitsprüfung i. S. des § 15 ROG sollte auch ein Zielabweichungsverfahren frühzeitig und vorab als selbständiges Verfahren durchgeführt werden, um die (unabdingbare) Vereinbarkeit eines Vorhabens mit den Zielen der Raumordnung und seine raumordnerische Zulässigkeit bereits in einer frühen Planungsphase herzustellen oder Planungsvarianten auszuschließen, die nicht realisierungsfähig sind. Ein dem Zulassungsverfahren vorgeschaltetes Zielabweichungsverfahren wird nicht von der Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsverfahrens oder einer immissionsschutzrechtlichen Zulassung erfasst, da sich die Konzentrationswirkung nur auf der konkreten Zulassungsebene, nicht aber auf einer zeitlich vorgelagerten Verfahrensstufe entfalten kann. Vielmehr bedarf es bei frühzeitig erkannten Zielkonflikten einer Zulassung der Zielabweichung durch die nach § 19 NROG zuständige Landesplanungsbehörde. Es gelten die Ausführungen zur Zuständigkeit in Nummer 3.1.
3.2.3 Zeitliches Zusammentreffen von Zielabweichungsverfahren und Planfeststellungsverfahren
oder immissionsschutzrechtlichem Zulassungsverfahren
Wird die Notwendigkeit einer Zielabweichung erst im Planfeststellungsverfahren oder im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren erkannt und erst dann über die raumordnerische Zulässigkeit eines Vorhabens entschieden, entscheidet die Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde innerhalb des Zulassungsverfahrens über die Zielabweichung (formelle Konzentrationswirkung). Nach außen tritt nur die Zulassungsbehörde in Erscheinung, die Verfahrensvorschriften des Fach- und Raumordnungsrechts werden durch das Zulassungsverfahren ersetzt und die Zielabweichungsentscheidung ist Bestandteil des Planfeststellungsbeschlusses oder der immissionsschutzrechtlichen Zulassungsentscheidung.
Die inhaltlichen Anforderungen an eine Zielabweichung bleiben hingegen auch im Planfeststellungs-
oder immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren bestehen (keine materielle Konzentrationswirkung).
Das bedeutet für Planfeststellungsverfahren: Anders als Grundsätze der Raumordnung, in Aufstellung befindliche Ziele und sonstige Erfordernisse der Raumordnung unterfallen Ziele der Raumordnung als zwingend zu beachtende Vorgaben nicht der Abwägung der Planfeststellungsbehörde ( § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ROG ). Die Zielkonformität ist unabdingbare Zulassungsvoraussetzung für das planfeststellungspflichtige Vorhaben (die Bindungswirkung von Zielen der Raumordnung entfällt nur in solchen Fällen, wo dies durch Fachgesetz oder durch § 5 ROG vorgesehen ist). Eine Planfeststellung kann bei Vorliegen eines Zielverstoßes nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind, wenn also neben der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung und der Einhaltung der Grundzüge der Raumordnungsplanung die Planfeststellungsbehörde das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt hat und alle von der Zielabweichung in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gegenüber der Planfeststellungsbehörde ihr Einvernehmen erteilt haben.
Für immissionsschutzrechtliche Zulassungsverfahren bedeutet es: sofern die Ziele der Raumordnung im Zulassungsverfahren gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2, Sätze 2 und 3 , Abs. 2 oder Abs. 3 ROG zu beachten sind, ist die Zielkonformität unabdingbare Zulassungsvoraussetzung. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung kann bei Vorliegen eines Zielverstoßes nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen zur Zulassung einer Zielabweichung gemäß § 6 Abs. 2 ROG und § 8 NROG erfüllt sind, wenn also neben der raumordnerischen Vertretbarkeit der Abweichung und der Einhaltung der Grundzüge der Raumordnungsplanung die Immissionsschutzbehörde das Benehmen mit den betroffenen Gemeinden hergestellt hat und alle von der Zielabweichung in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen gegenüber der Genehmigungsbehörde ihr Einvernehmen erteilt haben.
Zu den in ihren Belangen berührten öffentlichen Stellen zählen bei Betroffenheit eines RROP unabdingbar die zuständigen Regionalplanungsträger sowie bei Betroffenheit des LROP die oberste Landesplanungsbehörde. Bei einer Zielabweichung für in Aufstellung befindliche Ziele in einem RROP ist auch die obere Landesplanungsbehörde zu beteiligen (vgl. Nummer 2.3.1).
Die Einvernehmenserteilung geht über die im Zulassungsverfahren durchzuführende Anhörung berührter öffentlicher Stellen hinaus, weil das Einvernehmen oder dessen Verweigerung keiner Abwägung der Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde zugänglich ist. Bei der Erteilung des Einvernehmens handelt es sich insofern nicht um eine bloße Stellungnahme im Rahmen der normalen Beteiligung. Da ein nicht erteiltes Einvernehmen mangels gesetzlicher Ermächtigungsgrundlage nicht ersetzt werden kann (siehe Nummer 2.3.3), kann die Planfeststellungs- oder Immissionsschutzbehörde bei fehlendem Einvernehmen die Zielabweichung nicht zulassen und folglich den Planfeststellungsbeschluss oder die Genehmigung nicht erlassen.
Die vorgenannten Erfordernisse bestehen auch, wenn im Vorfeld des Planfeststellungs- oder Genehmigungsverfahrens bereits eine Raumverträglichkeitsprüfung durchgeführt und mit einer Landesplanerischen Feststellung abgeschlossen wurde. Wegen der Selbständigkeit der Verfahren und ihrer unterschiedlichen Rechtswirkungen kann eine Landesplanerische Feststellung nach § 11 NROG nicht das Einvernehmen der Landesplanungsbehörde zu einer Zielabweichung ersetzen.
Stellt eine im Planfeststellungsverfahren oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren beteiligte untere Landesplanungsbehörde fest, dass das beantragte Vorhaben gegen ein im LROP festgelegtes Ziel der Raumordnung verstößt, soll sie die Planfeststellungsbehörde auf die Notwendigkeit des Einvernehmens der obersten Landesplanungsbehörde zu einer etwaigen Zielabweichung hinweisen. Sie soll außerdem die oberste Landesplanungsbehörde informieren.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 4 VV-ROG/NROG-ZAV - Weitere Verfahrens- und Formerfordernisse, Kosten

4.1 Weitere Verfahrens- und Formerfordernisse
Erfolgt die Zielabweichungsentscheidung allein zwischen Behörden - unabhängig davon, ob diese dem gleichen oder unterschiedlichen Rechtsträgern angehören - liegt in der Regel mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt vor (z. B. von der unteren Landesplanungsbehörde bei einem Landkreis an eine andere Stelle des Landkreises, die für die Zulassung eines raumbedeutsamen Vorhabens zuständig ist, zu dessen Gunsten eine Zielabweichung beantragt wurde). Ergeht die Zielabweichungsentscheidung gegenüber einer Privatperson oder gegenüber einer anderen öffentlichen Stelle im eigenen Wirkungskreis (z. B. durch die untere Landesplanungsbehörde gegenüber einer Gemeinde als Trägerin der Bauleitplanung), ist aufgrund der Außenwirkung ein Verwaltungsakt gegeben.
Adressat des Bescheides ist der Antragsteller. Wird die Zielabweichung für eine Maßnahme durch einen privaten Vorhabenträger beantragt, kann der Bescheid auch an die öffentliche Stelle gerichtet werden, die über die Genehmigung für die Maßnahme zu entscheiden hat. Zumindest ist der Bescheid über die Zielabweichung dieser Stelle nachrichtlich bekannt zu geben.
Soweit ein Zielabweichungsbescheid mit Außenwirkung als raumordnerischer Verwaltungsakt ergeht, finden ergänzend die Bestimmungen des VwVfG i. V. m. § 1 NVwVfG Anwendung, insbesondere die besonderen Bestimmungen der §§ 35 ff. VwVfG . Vor Ablehnung der beantragten Zielabweichung oder vor Zulassung der Zielabweichung
unter belastenden Nebenbestimmungen soll der Antragsteller Gelegenheit zur Stellungnahme
erhalten ( § 28 VwVfG ).
Die Entscheidung über die Zielabweichung ist zu begründen ( § 39 VwVfG ). Dabei sind neben den Rechtsgrundlagen die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Die Begründungspflicht bezieht sich auf jedes einzelne Tatbestandsmerkmal und auf die Entscheidungserwägungen, insbesondere, wenn entgegen der Soll-Vorgabe die Zielabweichung trotz Vorliegen der raumordnerischen Vertretbarkeit und der Wahrung der Grundzüge der Planung nicht zugelassen wird. Wird dies nicht ausreichend nachvollziehbar in der Entscheidung dokumentiert, führt dies nicht nur zur Anfechtbarkeit der Zielabweichungsentscheidung, sondern auch zur rechtlichen Angreifbarkeit der auf der Zielabweichung beruhenden weiteren Planungen oder Genehmigungen. Etwaige Nebenbestimmungen ( § 36 VwVfG ) sind ebenfalls zu begründen.
Liegt mangels Außenwirkung kein Verwaltungsakt vor, sind die Vorschriften über Nebenbestimmungen und zur Begründung von Verwaltungsakten analog anzuwenden. Die Begründung der Zielabweichung einschließlich eventueller Nebenbestimmungen nach außen erfolgt in diesen Fällen im Rahmen der zugrundeliegenden Hauptentscheidung, beispielsweise der Entscheidung über die Genehmigung eines Flächennutzungsplans oder eines Bauvorhabens.
Ergeht der Zielabweichungsbescheid als Verwaltungsakt der Landesplanungsbehörde, ist er mit einer Rechtsbehelfsbelehrung ( § 37 Abs. 6 VwVfG ) nach folgendem Muster zu versehen:
"Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage bei dem Verwaltungsgericht (einfügen: Bezeichnung des zuständigen Verwaltungsgerichts) in (einfügen: Sitz des zuständigen Verwaltungsgerichts) erhoben werden."
Ist die Belehrung unterblieben oder fehlerhaft, läuft gemäß § 58 Abs. 2 VwGO grundsätzlich die Jahresfrist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs.
Wird ein Antrag auf Zielabweichung während des Verfahrens zurückgezogen und ein Verfahren vor der Entscheidung eingestellt, sind die bis dahin beteiligten Stellen über die Einstellung des Verfahrens zu informieren.
4.2 Kosten
Außer in Fällen des § 2 NVwKostG ist die Entscheidung über eine Zielabweichung sowohl im Falle der Zulassung als auch im Falle der Ablehnung gebührenpflichtig; die Höhe der Gebühren richtet sich nach Nummer 71 des Gebührentarifs der AllGO. Für die Erstattung etwaiger notwendiger Auslagen gilt § 13 NVwKostG .
In der Entscheidung über die Zielabweichung ist eine Kostenentscheidung dem Grunde nach zu treffen und zu bestimmen, wer nach § 5 NVwKostG etwaige Kosten zu tragen hat. Die genaue Festsetzung der Höhe der Kosten kann in einem separaten, mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verbundenen Kostenfestsetzungsbescheid erfolgen.
Wird über eine Zielabweichung innerhalb eines Verfahrens mit Konzentrationswirkung entschieden (siehe Nummer 3.2.3), ist zu prüfen, ob ein Anwendungsfall der Kostenbeteiligungs-Verordnung vom 10.06.1991 (Nds. GVBl. S. 215) nach § 4 Abs. 2 NVwKostG für eine Mitwirkungsleistung der Landesplanungsbehörde vorliegt. Andernfalls können keine Kosten für die Entscheidung über eine Zielabweichung geltend gemacht werden.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 5 VV-ROG/NROG-ZAV - Sonderfall: feststellender Bescheid über Nichtvorliegen eines Zielverstoßes

Im Einzelfall kann zwischen Vorhabenträgern und betroffenen Dritten Uneinigkeit darüber bestehen, ob ein raumbedeutsames Vorhaben mit den Zielen der Raumordnung unvereinbar ist. Geht die zuständige Landesplanungsbehörde von der Vereinbarkeit mit den Zielen der Raumordnung aus, ergeht im Normalfall kein förmlicher Bescheid, sondern allenfalls ein formloses Anschreiben mit einem entsprechenden Hinweis, dass das Vorhaben im Einklang mit dem Ziel der Raumordnung realisiert werden kann und daher auch ein Zielabweichungsverfahren nicht erforderlich ist. Mangels eines rechtlich angreifbaren Verfahrensgegenstandes würde eine gerichtliche Klärung der Streitfrage erst inzident im Rahmen einer Klage gegen die Planung oder gegen die Vorhabensgenehmigung erfolgen können.
Insbesondere wenn ein Vorhaben zeit- und kostenintensive Vorarbeiten erfordert, kann ein erhebliches Interesse der Beteiligten an einer frühzeitigen und isolierten Vorabklärung der Raumordnungskonformität bestehen. Zur Erreichung einer frühzeitigen Rechtssicherheit für den Vorhabenträger besteht die Möglichkeit, durch feststellenden Verwaltungsakt die Vereinbarkeit eines raumbedeutsamen Vorhabens mit Zielen der Raumordnung festzustellen. Ein solch feststellender Bescheid ist selbstständig gerichtlich anfechtbar. Ein feststellender Bescheid ist kein Ersatzinstrument für andere Prüfverfahren. Sind für die Beurteilung (insbesondere der Raumverträglichkeit) beispielsweise zunächst eine Raumverträglichkeitsprüfung oder die Erstellung von Gutachten erforderlich, kann ein Vorhabenträger sie nicht durch einen Antrag auf feststellenden Bescheid umgehen.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)

Abschnitt 6 VV-ROG/NROG-ZAV - Schlussbestimmungen

Dieser RdErl. tritt am 25.06.2024 in Kraft und mit Ablauf des 31.12.2029 außer Kraft. Der Bezugserlass tritt mit Ablauf des 24.06.2024 außer Kraft.
Red. Hinweis zur Geltungsdauer
Außer Kraft am 1. Januar 2030 durch Nummer 6 Satz 1 des RdErl. vom 25. Juni 2024 (Nds. MBl. 2024 Nr. 282)
An die Region Hannover, Landkreise und kreisfreien Städte, Stadt Göttingen den Regionalverband Großraum Braunschweig die Ämter für regionale Landesentwicklung Nachrichtlich: An die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände
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