AG ThUG
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Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes (AG ThUG)

Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes (AG ThUG)

Vom 10. Dezember 2012 (Nds. GVBl. S. 563 - VORIS 21069 -)
Der Niedersächsische Landtag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Redaktionelle Inhaltsübersicht§§
Anwendungsbereich, Ziele1
Einrichtung der Therapieunterbringung2
Ausgestaltung des Vollzugs3
Behandlung4
Behandlung sonstiger Krankheiten, Gesundheitsvorsorge5
Zwangsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit6
Beschwerderecht in Vollzugsangelegenheiten7
Zuständige Behörde8
Einschränkung von Grundrechten9
Inkrafttreten10

§ 1 AG ThUG - Anwendungsbereich, Ziele

(1) Dieses Gesetz regelt ergänzend zum Therapieunterbringungsgesetz vom 22. Oktober 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) den Vollzug der Therapieunterbringung in der dafür bestimmten Einrichtung des Landes Niedersachsen.
(2) 1 Ziel der Therapieunterbringung ist es, die untergebrachte Person so weit wie möglich zu heilen oder deren Zustand so weit zu bessern, dass sie mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Gefahr mehr für die Allgemeinheit darstellt. 2 Behandlung und Betreuung während der Unterbringung haben den anerkannten medizinisch-therapeutischen und pädagogischen Anforderungen zu entsprechen. 3 Mitarbeit und Verantwortungsbewusstsein der untergebrachten Person sollen geweckt und gefördert werden.
(3) 1 Soweit die Zielsetzung des Absatzes 2 Satz 1 und die Ordnung in der Einrichtung dies zulassen, soll die Unterbringung den allgemeinen Lebensverhältnissen angeglichen werden und die untergebrachte Person auf eine selbständige Lebensführung vorbereiten. 2 Dazu gehören auch die Vorbereitung und Förderung ihrer familiären, sozialen und beruflichen Eingliederung.

§ 2 AG ThUG - Einrichtung der Therapieunterbringung

(1) Die Unterbringung erfolgt in einer Einrichtung des Landes zur Therapieunterbringung am Ort des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen in Moringen.
(2) 1 Die Einrichtung ist so auszustatten, dass eine auf die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnisse der Untergebrachten abgestimmte Behandlung ermöglicht und die Eingliederung der Untergebrachten gefördert wird. 2 Es sind die Voraussetzungen für einen offenen und für einen geschlossenen Vollzug zu schaffen.
(3) 1 Die Unterbringung kann auch mit Zustimmung des Fachministeriums in Einrichtungen eines anderen Landes vollzogen werden, wenn die zuständige Behörde des anderen Landes zustimmt. 2 Die Entscheidung bedarf der vorherigen Zustimmung des nach § 4 des Therapieunterbringungsgesetzes zuständigen Gerichts.

§ 3 AG ThUG - Ausgestaltung des Vollzugs

(1) Für die Unterbringung gelten die Vorschriften der §§ 4, 5 Abs. 4, §§ 6, 9 bis 11, 13, 14, 17 bis 24 des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes entsprechend.
(2) Im Übrigen finden für den Vollzug folgende Vorschriften des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes entsprechende Anwendung:
1.
§ 7 mit Ausnahme der Regelungen über die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung;
2.
§ 12 mit der Maßgabe, dass als Grundsätze gemäß § 12 Abs. 2 die im Maßregelvollzugszentrum Moringen geltenden Grundsätze anzuwenden sind;
3.
§ 15 mit der Maßgabe, dass vor Entscheidungen nach § 15 Abs. 5 das nach § 4 des Therapieunterbringungsgesetzes zuständige Gericht anzuhören ist.
(3) 1 Der Vollzug der Therapieunterbringung steht unter ärztlicher Leitung (Vollzugsleitung). 2 Die Vollzugsleitung trägt die Verantwortung für die ärztlichen und pflegerischen Aufgaben des Vollzuges.

§ 4 AG ThUG - Behandlung

(1) 1 Die untergebrachte Person hat Anspruch auf die nach dem aktuellen Stand des Wissens notwendige medizinische, therapeutische, pflegerische und pädagogische Behandlung ihrer der Unterbringung zugrundeliegenden psychischen Störung. 2 Ihre Bereitschaft zur Behandlung und zur Mitarbeit bei der Behandlung ist zu fördern. 3 Eine Behandlung, die die Persönlichkeit der untergebrachten Person in ihrem Kernbereich verändern würde, ist unzulässig.
(2) Die untergebrachte Person ist durch eine Ärztin oder einen Arzt über Notwendigkeit, Art, Dauer und Umfang der Behandlung in einer ihrer Auffassungsgabe und ihrem Gesundheitszustand angemessenen Weise aufzuklären.

§ 5 AG ThUG - Behandlung sonstiger Krankheiten, Gesundheitsvorsorge

(1) Untergebrachte haben in entsprechender Anwendung der §§ 56 bis 63 des Niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes ( NJVollzG ) Anspruch auf Behandlung von anderen Krankheiten als der der Unterbringung zugrundeliegenden Störung sowie auf Schutzimpfungen, medizinische Vorsorgeleistungen und Gesundheitsuntersuchungen und auf Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft entsprechend § 71 NJVollzG .
(2) Untergebrachte sollen von der Einrichtung dazu angehalten werden, auf die eigene Gesundheit zu achten, auf die Gesundheit anderer Personen Rücksicht zu nehmen und Hygienevorschriften einzuhalten.

§ 6 AG ThUG - Zwangsmaßnahmen zur Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit

(1) Zur Abwehr einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit einer anderen Person ist eine Behandlung der untergebrachten Person auch gegen ihren Willen zulässig, wenn die Behandlung geeignet ist, die Gefahr abzuwehren, die Gefahr nicht durch ein weniger belastendes Mittel abgewehrt werden kann und der von der Maßnahme erwartete Nutzen die mit der Maßnahme verbundenen Belastungen deutlich überwiegt.
(2) Besteht eine gegenwärtige erhebliche Gefahr nur für das Leben oder die Gesundheit der untergebrachten Person, so ist deren Behandlung nur zulässig, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen und die untergebrachte Person die Behandlung in einwilligungsfähigem Zustand nicht abgelehnt hat.
(3) 1 Die Behandlung bedarf der Anordnung der Vollzugsleitung. 2 Hat die untergebrachte Person eine Betreuerin oder einen Betreuer oder hat sie eine Person bevollmächtigt, so ist die bestellte oder bevollmächtigte Person unverzüglich zu unterrichten. 3 Die Behandlung ist durch eine Ärztin oder einen Arzt zu überwachen. 4 Sie ist unter Angabe der maßgeblichen Gründe für ihre Anordnung, des Zwangscharakters der Behandlung, der Art und Weise der Durchführung, der vorgenommenen Kontrollen und der Überwachung der therapeutischen Wirksamkeit zu dokumentieren.
(4) Die Behandlung ist nach Erreichen des Behandlungsziels, spätestens nach Ablauf von zwei Wochen zu beenden.

§ 7 AG ThUG - Beschwerderecht in Vollzugsangelegenheiten

(1) Eine nach den §§ 1 und 14 des Therapieunterbringungsgesetzes untergebrachte Person kann gegen eine Maßnahme zur Regelung einzelner Angelegenheiten im Vollzug der Unterbringung oder gegen die Ablehnung oder Unterlassung einer solchen Maßnahme einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 327 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit stellen.
(2) Die untergebrachte Person erhält Gelegenheit, schriftlich und mündlich Wünsche, Anregungen und Beschwerden in eigenen Angelegenheiten bei der Vollzugsleitung vorzubringen.
(3) Es ist zu gewährleisten, dass sich die untergebrachte Person in eigenen Angelegenheiten auch an Bedienstete der Aufsichtsbehörde wenden kann, die die Anstalt besichtigen.

§ 8 AG ThUG - Zuständige Behörde

(1) Der Antrag zur Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens zur Therapieunterbringung gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 des Therapieunterbringungsgesetzes wird auf Ersuchen der für die Sicherungsverwahrung zuständigen Vollzugsbehörde vom Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen (§ 2 Abs. 1) gestellt.
(2) Zuständig für den Vollzug der Unterbringung gemäß § 11 Abs. 1 des Therapieunterbringungsgesetzes ist die in § 2 Abs. 1 genannte Einrichtung.
(3) Fachaufsichtsbehörde ist das für den Maßregelvollzug zuständige Fachministerium.

§ 9 AG ThUG - Einschränkung von Grundrechten

Durch dieses Gesetz werden die folgenden Grundrechte eingeschränkt:
1.
das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ( Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes ),
2.
das Grundrecht der Freiheit der Person ( Artikel 2 Abs. 2 Satz 2 des Grundgesetzes ),
3.
das Grundrecht auf Unverletzlichkeit des Briefgeheimnisses sowie des Post- und Fernmeldegeheimnisses
( Artikel 10 Abs. 1 des Grundgesetzes ).

§ 10 AG ThUG - Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am Tag seiner Verkündung in Kraft.
Hannover, den 10. Dezember 2012
Der Präsident des Niedersächsischen Landtages Hermann D i n k l a
Das vorstehende Gesetz wird hiermit verkündet.
Der Niedersächsische Ministerpräsident David M c A l l i s t e r
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