Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG)
MgFSG
Ausfertigungsdatum: 04.01.2023
Vollzitat:
"Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung vom 4. Januar 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 10)"
Fußnote
(+++ Textnachweis ab: 31.1.2023 +++)
Das G wurde als Artikel 1 des G v. 4.1.2023 I Nr. 10 vom Bundestag beschlossen. Es ist gem. Art. 4 dieses G am 31.1.2023 in Kraft getreten.
Inhaltsübersicht
Allgemeine Vorschriften
§ 1 | Zielsetzung des Gesetzes |
§ 2 | Begriffsbestimmungen |
§ 3 | Geltungsbereich |
§ 4 | Anwendung des Rechts des Sitzstaats |
§ 5 | Anwendung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes |
Teil 2
Besonderes Verhandlungsgremium
Kapitel 1
Bildung und Zusammensetzung
§ 6 | Information der Leitung zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums |
§ 7 | Bildung mehrerer besonderer Verhandlungsgremien bei grenzüberschreitender Spaltung |
§ 8 | Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums |
§ 9 | Persönliche Voraussetzungen der auf das Inland entfallenden Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums |
§ 10 | Verteilung der auf das Inland entfallenden Sitze des besonderen Verhandlungsgremiums |
Kapitel 2
Wahlgremium
§ 11 | Zusammensetzung des Wahlgremiums; Urwahl |
§ 12 | Einberufung des Wahlgremiums |
§ 13 | Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums |
Kapitel 3
Verhandlungsverfahren
§ 14 | Information über die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums |
§ 15 | Sitzungen; Geschäftsordnung |
§ 16 | Zusammenarbeit zwischen besonderem Verhandlungsgremium und Leitung |
§ 17 | Sachverständige, Vertreterinnen und Vertreter von geeigneten außenstehenden Organisationen |
§ 18 | Beschlussfassung im besonderen Verhandlungsgremium |
§ 19 | Nichtaufnahme oder Abbruch der Verhandlungen |
§ 20 | Niederschrift |
§ 21 | Information über das Verhandlungsergebnis |
§ 22 | Kosten des besonderen Verhandlungsgremiums |
§ 23 | Dauer der Verhandlungen |
Teil 3
Mitbestimmung der Arbeitnehmer
Kapitel 1
Mitbestimmung kraft Vereinbarung
§ 24 | Inhalt der Vereinbarung |
Kapitel 2
Mitbestimmung kraft Gesetzes
§ 25 | Voraussetzung |
§ 26 | Umfang der Mitbestimmung |
§ 27 | Sitzverteilung |
§ 28 | Abberufung und Anfechtung |
§ 29 | Rechtsstellung; Innere Ordnung |
§ 30 | Tendenzunternehmen |
Kapitel 3
Ergänzende Vorschriften
§ 31 | Weitergeltung von Regelungen zur Mitbestimmung |
§ 32 | Nachfolgende innerstaatliche Umwandlungen |
§ 33 | Nachfolgende grenzüberschreitende Umwandlungen |
Teil 4
Schutzbestimmungen
§ 34 | Geheimhaltung; Vertraulichkeit |
§ 35 | Schutz der Arbeitnehmervertreter |
§ 36 | Missbrauchsverbot |
§ 37 | Errichtungs- und Tätigkeitsschutz |
Teil 5
Straf- und Bußgeldvorschriften
§ 38 | Strafvorschriften |
§ 39 | Bußgeldvorschriften |
Teil 1
Allgemeine Vorschriften
§ 1 Zielsetzung des Gesetzes
(1) Das Gesetz regelt die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer) in den Unternehmensorganen einer aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder aus einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgehenden Gesellschaft. Ziel des Gesetzes ist, die in der formwechselnden oder in der sich spaltenden Gesellschaft erworbenen Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer zu sichern. Hierzu soll eine Vereinbarung über die Mitbestimmung aller Arbeitnehmer der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft getroffen werden. Kommt es nicht zu einer Vereinbarung, wird die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Gesetzes sichergestellt.
(2) Das grenzüberschreitende Vorhaben darf nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Die Vorschriften dieses Gesetzes sowie die nach Absatz 1 zu treffende Vereinbarung sind so auszulegen, dass die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft gesichert und gefördert wird.
§ 2 Begriffsbestimmungen
(1) Der Begriff des Arbeitnehmers richtet sich nach den Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten der jeweiligen Mitgliedstaaten. Arbeitnehmer eines inländischen Unternehmens oder Betriebs sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten und der in § 5 Absatz 3 Satz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes genannten leitenden Angestellten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt werden. Als Arbeitnehmer gelten auch die in Heimarbeit Beschäftigten, die in der Hauptsache für das Unternehmen oder den Betrieb arbeiten.
(2) Grenzüberschreitende Vorhaben sind der grenzüberschreitende Formwechsel nach § 333 Absatz 1 des Umwandlungsgesetzes und die grenzüberschreitende Spaltung nach § 320 Absatz 1 Nummer 1 des Umwandlungsgesetzes.
(3) Hervorgehende Gesellschaft ist beim grenzüberschreitenden Formwechsel die Gesellschaft neuer Rechtsform, bei der grenzüberschreitenden Spaltung jede neue Gesellschaft.
(4) Tochtergesellschaften sind rechtlich selbständige Unternehmen, auf die eine andere Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 bis 7 der Richtlinie 2009/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Mai 2009 über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28), die zuletzt durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 vom 6. Oktober 2015 (ABl. L 263 vom 8.10.2015, S. 1) geändert worden ist, ausüben kann. § 6 Absatz 2 bis 4 des Europäische Betriebsräte-Gesetzes ist anzuwenden.
(5) Betroffene Tochtergesellschaften oder betroffene Betriebe sind Tochtergesellschaften oder Betriebe der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, die zu Tochtergesellschaften oder Betrieben der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft werden sollen.
(6) Leitung bezeichnet das Organ der formwechselnden, der sich spaltenden oder der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, das die Geschäfte der Gesellschaft führt und zu ihrer Vertretung berechtigt ist.
(7) Arbeitnehmervertretung bezeichnet jede Vertretung der Arbeitnehmer nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Dies sind Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat, Konzernbetriebsrat oder eine nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Betriebsverfassungsgesetzes gebildete Vertretung.
(8) Mitbestimmung bedeutet die Einflussnahme der Arbeitnehmer auf die Angelegenheiten einer Gesellschaft durch
1. die Wahrnehmung des Rechts, einen Teil der Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu wählen oder zu bestellen, oder
2. die Wahrnehmung des Rechts, die Bestellung eines Teils oder aller Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der Gesellschaft zu empfehlen oder abzulehnen.
(9) Eine innerstaatliche Umwandlung ist eine Verschmelzung nach dem Zweiten Buch des Umwandlungsgesetzes, eine Spaltung nach dem Dritten Buch des Umwandlungsgesetzes oder ein Formwechsel nach dem Fünften Buch des Umwandlungsgesetzes.
§ 3 Geltungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für eine aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft mit Sitz im Inland. Unabhängig vom Sitz dieser Gesellschaft gilt dieses Gesetz auch
1. für im Inland beschäftigte Arbeitnehmer der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft,
2. für die formwechselnde oder sich spaltende Gesellschaft mit Sitz im Inland und
3. für betroffene Tochtergesellschaften und betroffene Betriebe im Inland.
(2) Mitgliedstaaten im Sinne dieses Gesetzes sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
§ 4 Anwendung des Rechts des Sitzstaats
Vorbehaltlich des § 5 finden auf die aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in den Unternehmensorganen des Mitgliedstaats Anwendung, in dem diese Gesellschaft ihren Sitz hat.
§ 5 Anwendung der Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung oder kraft Gesetzes
Die nachfolgenden Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer kraft Vereinbarung oder in den Fällen des § 25 die Regelungen über die Mitbestimmung kraft Gesetzes finden Anwendung, wenn
1. die formwechselnde oder die sich spaltende Gesellschaft in den sechs Monaten vor der Offenlegung des Plans für das grenzüberschreitende Vorhaben eine durchschnittliche Zahl von Arbeitnehmern beschäftigt, die mindestens vier Fünfteln des im Recht des Mitgliedstaats der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft festgelegten Schwellenwerts entspricht, der die Mitbestimmung der Arbeitnehmer auslöst,
2. das für die aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht nicht mindestens den gleichen Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer vorsieht, wie er in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft bestand; der Umfang an Mitbestimmung der Arbeitnehmer bemisst sich nach dem Anteil der Arbeitnehmervertreter
a) im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan,
b) in Ausschüssen, in denen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer erfolgt oder
c) im Leitungsgremium, das für die Ergebniseinheiten der Gesellschaften zuständig ist,
oder
3. das für die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft maßgebende innerstaatliche Recht für Arbeitnehmer in Betrieben dieser Gesellschaft, die sich in anderen Mitgliedstaaten befinden, nicht den gleichen Anspruch auf Ausübung von Mitbestimmung vorsieht, wie sie den Arbeitnehmern in demjenigen Mitgliedstaat gewährt wird, in dem die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz hat.
Teil 2
Besonderes Verhandlungsgremium
Kapitel 1
Bildung und Zusammensetzung
§ 6 Information der Leitung zur Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Das besondere Verhandlungsgremium ist auf Grund einer schriftlichen Aufforderung der Leitung zu bilden. Es hat die Aufgabe, mit der Leitung eine schriftliche Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft zu schließen.
(2) Wenn die Leitung ein grenzüberschreitendes Vorhaben plant, informiert sie in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, in den betroffenen Tochtergesellschaften und den betroffenen Betrieben die Arbeitnehmervertretungen, die Sprecherausschüsse sowie die in inländischen Betrieben vertretenen Gewerkschaften über das Vorhaben. Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt die Information insoweit gegenüber den Arbeitnehmern. Die Information erfolgt unaufgefordert und unverzüglich nach Offenlegung des Plans für das grenzüberschreitende Vorhaben.
(3) Die Information durch die Leitung erstreckt sich insbesondere auf
1. die Identität und Struktur der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und der betroffenen Betriebe und deren Verteilung auf die Mitgliedstaaten,
2. die in diesen Gesellschaften und Betrieben bestehenden Arbeitnehmervertretungen,
3. die Zahl der in diesen Gesellschaften und Betrieben jeweils beschäftigten Arbeitnehmer sowie die daraus zu errechnende Gesamtzahl der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer,
4. bestehende Mitbestimmungsrechte in den Organen dieser Gesellschaften und
5. die Angabe, ob die Voraussetzungen des § 5 Nummer 1 vorliegen, sowie alle Angaben, die für diese Feststellung erforderlich sind.
(4) Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung der Zahl der Arbeitnehmer ist der Zeitpunkt der Information nach Absatz 2.
Fußnote
(+++ § 6 Abs. 2 bis 4: Zur Geltung vgl. § 8 Abs. 2 +++)
§ 7 Bildung mehrerer besonderer Verhandlungsgremien bei grenzüberschreitender Spaltung
Gehen aus einer grenzüberschreitenden Spaltung mehrere Gesellschaften hervor, so ist für jede hervorgehende Gesellschaft ein besonderes Verhandlungsgremium zu bilden. Wenn aus einer grenzüberschreitenden Spaltung mehrere Gesellschaften mit Sitz im Inland hervorgehen und die Zusammensetzung der jeweiligen besonderen Verhandlungsgremien nach den §§ 8 und 10 Absatz 3 identisch wäre, ist insoweit die Bildung nur eines besonderen Verhandlungsgremiums ausreichend.
§ 8 Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Für die in jedem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und der betroffenen Betriebe werden Mitglieder für das besondere Verhandlungsgremium gewählt oder bestellt. Für jeden Anteil der in einem Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer, der 10 Prozent der Gesamtzahl der in allen Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft und der betroffenen Tochtergesellschaften oder der betroffenen Betriebe oder einen Bruchteil davon beträgt, ist ein Mitglied aus diesem Mitgliedstaat in das besondere Verhandlungsgremium zu wählen oder zu bestellen.
(2) Treten während der Tätigkeitsdauer des besonderen Verhandlungsgremiums Änderungen in der Struktur oder in der Arbeitnehmerzahl der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften oder der betroffenen Betriebe ein und würde sich dadurch die konkrete Zusammensetzung des besonderen Verhandlungsgremiums ändern, so ist das besondere Verhandlungsgremium entsprechend neu zusammenzusetzen. Über solche Änderungen hat die zuständige Leitung das besondere Verhandlungsgremium unverzüglich zu informieren. § 6 Absatz 2 bis 4 gilt entsprechend.
§ 9 Persönliche Voraussetzungen der auf das Inland entfallenden Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Die persönlichen Voraussetzungen der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums richten sich nach den jeweiligen Bestimmungen der Mitgliedstaaten, in denen sie gewählt oder bestellt werden.
(2) Zu Mitgliedern des besonderen Verhandlungsgremiums können im Inland nur Arbeitnehmer der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und der betroffenen Betriebe sowie Gewerkschaftsvertreter gewählt werden. Frauen und Männer sollen entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis in der jeweiligen Belegschaft gewählt werden. Für jedes Mitglied ist ein Ersatzmitglied zu wählen.
(3) Gehören dem besonderen Verhandlungsgremium mehr als zwei Mitglieder aus dem Inland an, so muss jedes dritte Mitglied ein Gewerkschaftsvertreter einer solchen Gewerkschaft sein, die in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, den betroffenen Tochtergesellschaften oder den betroffenen Betrieben vertreten ist.
(4) Gehören dem besonderen Verhandlungsgremium mehr als sechs Mitglieder aus dem Inland an, muss mindestens jedes siebte Mitglied ein leitender Angestellter sein.
Fußnote
(+++ § 9 Abs. 2 bis 4: Zur Geltung vgl. § 27 Abs. 3 +++)
§ 10 Verteilung der auf das Inland entfallenden Sitze des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Die Wahl oder Bestellung der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums nach § 8 erfolgt nach den jeweiligen Bestimmungen der Mitgliedstaaten.
(2) Die auf das Inland entfallenden Sitze des besonderen Verhandlungsgremiums sollen auf die formwechselnde oder die sich spaltende Gesellschaft mit Sitz im Inland sowie auf möglichst viele Tochtergesellschaften und Betriebe, die im Inland betroffen sind, verteilt werden.
(3) Sofern bei einer grenzüberschreitenden Spaltung Tochtergesellschaften oder Betriebe im Inland betroffen sind, muss mindestens ein auf das Inland entfallendes Mitglied des besonderen Verhandlungsgremiums Arbeitnehmer einer betroffenen Tochtergesellschaft oder eines betroffenen Betriebs sein.
Kapitel 2
Wahlgremium
§ 11 Zusammensetzung des Wahlgremiums; Urwahl
(1) Die nach diesem Gesetz oder dem Gesetz eines anderen Mitgliedstaats auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und betroffenen Betriebe entfallenden Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums werden von einem Wahlgremium in geheimer und unmittelbarer Wahl gewählt. Im Fall des § 9 Absatz 3 ist jedes dritte Mitglied auf Vorschlag einer Gewerkschaft zu wählen, die in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, einer betroffenen Tochtergesellschaft oder einem betroffenen Betrieb vertreten ist. Wird nur ein Wahlvorschlag gemacht, muss dieser mindestens doppelt so viele Bewerbende enthalten wie Gewerkschaftsvertreter zu wählen sind. Jeder Wahlvorschlag einer Gewerkschaft muss von einem Gewerkschaftsvertreter unterzeichnet sein. Im Fall des § 9 Absatz 4 ist jedes siebte Mitglied auf Vorschlag des Sprecherausschusses zu wählen; Satz 3 gilt entsprechend. Besteht weder in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, noch in einer der betroffenen Tochtergesellschaften oder einem der betroffenen Betriebe ein Sprecherausschuss, können die leitenden Angestellten Wahlvorschläge machen; ein Wahlvorschlag muss von einem Zwanzigstel oder von 50 der wahlberechtigten leitenden Angestellten unterzeichnet sein.
(2) Das Wahlgremium besteht aus Mitgliedern der obersten Ebene im Inland bestehender Arbeitnehmervertretungen der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe. Dies können die Mitglieder des Konzernbetriebsrates, Mitglieder eines oder mehrerer Gesamtbetriebsräte oder die Mitglieder eines oder mehrerer Betriebsräte sein. Die Mitglieder dieser Arbeitnehmervertretungen vertreten betriebsratslose Betriebe und Unternehmen mit.
(3) Das Wahlgremium besteht aus höchstens 40 Mitgliedern. Würde diese Höchstzahl überschritten, ist die Anzahl der Mitglieder in dem Wahlgremium entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis nach dem dʼHondtschen Höchstzahlverfahren zu verringern.
(4) Besteht keine Arbeitnehmervertretung nach Absatz 2, wählen die Arbeitnehmer die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums in geheimer und unmittelbarer Wahl. Die Wahl wird von einem Wahlvorstand eingeleitet und durchgeführt. Der Wahlvorstand wird in einer Versammlung der Arbeitnehmer gewählt, zu der die inländische Konzernleitung, Unternehmensleitung oder Betriebsleitung einlädt. Die Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums erfolgt nach den Grundsätzen der Verhältniswahl. Sie erfolgt nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl, wenn nur ein Wahlvorschlag eingereicht wird. Jeder Wahlvorschlag der Arbeitnehmer muss von mindestens einem Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmer, mindestens jedoch von drei Wahlberechtigten, höchstens aber von 50 Wahlberechtigten unterzeichnet sein; in Betrieben mit in der Regel bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern genügt die Unterzeichnung durch zwei Wahlberechtigte. Absatz 1 Satz 2 bis 6 gilt entsprechend.
Fußnote
(+++ § 11 Abs. 1 bis 4: Zur Geltung vgl. § 27 Abs. 3 +++)
§ 12 Einberufung des Wahlgremiums
(1) Auf der Grundlage der von der Leitung erhaltenen Informationen hat die oder der Vorsitzende der Arbeitnehmervertretung auf Konzernebene, oder, sofern eine solche nicht besteht, auf Unternehmensebene oder, sofern eine solche nicht besteht, auf Betriebsebene
1. Ort, Tag und Zeit der Versammlung des Wahlgremiums festzulegen,
2. die Anzahl der Mitglieder aus den jeweiligen Arbeitnehmervertretungen nach § 11 Absatz 3 festzulegen und
3. zur Versammlung des Wahlgremiums einzuladen.
(2) Bestehen auf einer Ebene mehrere Arbeitnehmervertretungen, treffen die Verpflichtungen nach Absatz 1 die Vorsitzende oder den Vorsitzenden der Arbeitnehmervertretung, die die meisten Arbeitnehmer vertritt.
Fußnote
(+++ § 12: Zur Geltung vgl. § 27 Abs. 3 +++)
§ 13 Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Bei der Wahl der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums müssen mindestens zwei Drittel der Mitglieder des Wahlgremiums, die mindestens zwei Drittel der Arbeitnehmer vertreten, anwesend sein. Die Mitglieder des Wahlgremiums haben jeweils so viele Stimmen, wie sie Arbeitnehmer vertreten. Die Wahl erfolgt mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen.
(2) Im Wahlgremium vertreten die Arbeitnehmervertretungen jeweils alle Arbeitnehmer der organisatorischen Einheit, für die sie nach § 11 Absatz 2 zuständig sind. Mitvertretene Arbeitnehmer betriebsratsloser Betriebe und Unternehmen werden den Arbeitnehmervertretungen innerhalb der Unternehmensgruppe zu gleichen Teilen zugerechnet.
(3) Sind für eine Arbeitnehmervertretung mehrere Mitglieder im Wahlgremium vertreten, werden die entsprechend der von ihnen vertretenen Arbeitnehmer bestehenden Stimmenanteile gleichmäßig aufgeteilt.
Fußnote
(+++ § 13: Zur Geltung vgl. § 27 Abs. 3 +++)
Kapitel 3
Verhandlungsverfahren
§ 14 Information über die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums
(1) Die Wahl oder Bestellung der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums soll innerhalb von zehn Wochen nach der in § 6 Absatz 2 und 3 vorgeschriebenen Information erfolgen. Der Leitung sind unverzüglich die Namen der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums, ihre Anschriften sowie die jeweilige Betriebszugehörigkeit mitzuteilen. Die Leitung hat die örtlichen Betriebs- und Unternehmensleitungen, die dort bestehenden Arbeitnehmervertretungen und Sprecherausschüsse sowie die in inländischen Betrieben vertretenen Gewerkschaften über diese Angaben zu informieren.
(2) Das Verhandlungsverfahren nach den §§ 15 bis 20 findet auch dann statt, wenn die in Absatz 1 Satz 1 genannte Frist aus Gründen, die die Arbeitnehmer zu vertreten haben, überschritten wird. Nach Ablauf der Frist gewählte oder bestellte Mitglieder können sich jederzeit an dem Verhandlungsverfahren beteiligen.
§ 15 Sitzungen; Geschäftsordnung
(1) Die Leitung lädt unverzüglich nach Benennung der Mitglieder oder im Fall des § 14 Absatz 2 nach Ablauf der in § 14 Absatz 1 Satz 1 genannten Frist zur konstituierenden Sitzung des besonderen Verhandlungsgremiums ein und informiert die örtlichen Betriebs- und Unternehmensleitungen.
(2) Das besondere Verhandlungsgremium wählt aus seiner Mitte eine Person für den Vorsitz und mindestens zwei Personen für die Stellvertretung. Es kann sich eine schriftliche Geschäftsordnung geben.
(3) Die oder der Vorsitzende kann weitere Sitzungen einberufen.
§ 16 Zusammenarbeit zwischen besonderem Verhandlungsgremium und Leitung
(1) Das besondere Verhandlungsgremium schließt mit der Leitung eine schriftliche Vereinbarung über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft ab. Zur Erfüllung dieser Aufgabe arbeiten das besondere Verhandlungsgremium und die Leitung vertrauensvoll zusammen.
(2) Die Leitung hat dem besonderen Verhandlungsgremium rechtzeitig alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Das besondere Verhandlungsgremium ist insbesondere über das grenzüberschreitende Vorhaben und den Verlauf des Verfahrens bis zur Eintragung der hervorgehenden Gesellschaft zu unterrichten.
(3) Zeitpunkt, Häufigkeit und Ort der Verhandlungen werden von der Leitung und dem besonderen Verhandlungsgremium einvernehmlich festgelegt.
§ 17 Sachverständige, Vertreterinnen und Vertreter von geeigneten außenstehenden Organisationen
(1) Das besondere Verhandlungsgremium kann bei den Verhandlungen Sachverständige seiner Wahl, zu denen auch Vertreterinnen und Vertreter von einschlägigen Gewerkschaftsorganisationen auf Unionsebene zählen können, hinzuziehen, um sich von ihnen bei seiner Arbeit unterstützen zu lassen. Diese Sachverständigen können auf Wunsch des besonderen Verhandlungsgremiums an den Verhandlungen in beratender Funktion teilnehmen.
(2) Das besondere Verhandlungsgremium kann beschließen, die Vertreterinnen und Vertreter von geeigneten außenstehenden Organisationen vom Beginn der Verhandlungen zu unterrichten.
§ 18 Beschlussfassung im besonderen Verhandlungsgremium
(1) Die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums, die in einem Mitgliedstaat gewählt oder bestellt werden, vertreten alle in dem jeweiligen Mitgliedstaat beschäftigten Arbeitnehmer. Solange aus einem Mitgliedstaat keine Mitglieder in das besondere Verhandlungsgremium gewählt oder bestellt sind (§ 14 Absatz 2), gelten die betroffenen Arbeitnehmer als nicht vertreten.
(2) Das besondere Verhandlungsgremium beschließt vorbehaltlich des § 19 mit der Mehrheit seiner Mitglieder, in der zugleich die Mehrheit der vertretenen Arbeitnehmer enthalten sein muss. Jedes auf das Inland entfallende Mitglied vertritt gleich viele Arbeitnehmer.
§ 19 Nichtaufnahme oder Abbruch der Verhandlungen
Das besondere Verhandlungsgremium kann beschließen, keine Verhandlungen aufzunehmen oder bereits aufgenommene Verhandlungen abzubrechen. Für diesen Beschluss ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Mitglieder erforderlich, die mindestens zwei Drittel der Arbeitnehmer vertreten. Wird ein Beschluss nach Satz 1 gefasst, finden die Vorschriften über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz haben wird, Anwendung.
§ 20 Niederschrift
In eine Niederschrift, die von der oder dem Vorsitzenden und einem weiteren Mitglied des besonderen Verhandlungsgremiums zu unterzeichnen ist, sind aufzunehmen
1. ein Beschluss über den Abschluss einer Vereinbarung nach § 16 Absatz 1 oder
2. ein Beschluss über die Nichtaufnahme oder den Abbruch der Verhandlungen nach § 19 und
3. die jeweiligen Mehrheiten, mit denen der Beschluss nach Nummer 1 oder Nummer 2 gefasst worden ist.
Eine Abschrift der Niederschrift ist der Leitung zu übermitteln.
§ 21 Information über das Verhandlungsergebnis
Die Leitung informiert die Arbeitnehmervertretungen, die Sprecherausschüsse sowie die in inländischen Betrieben vertretenen Gewerkschaften unverzüglich über das Ergebnis der Verhandlungen nach § 20 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 2. Besteht keine Arbeitnehmervertretung, erfolgt die Information gegenüber den Arbeitnehmern.
§ 22 Kosten des besonderen Verhandlungsgremiums
Die durch die Bildung und Tätigkeit des besonderen Verhandlungsgremiums entstehenden erforderlichen Kosten tragen die formwechselnde oder die sich spaltende Gesellschaft und die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft als Gesamtschuldner. Insbesondere sind für die Sitzungen in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Dolmetscherinnen und Dolmetscher und Büropersonal zur Verfügung zu stellen sowie die erforderlichen Reise- und Aufenthaltskosten der Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums zu tragen.
§ 23 Dauer der Verhandlungen
(1) Die Verhandlungen beginnen mit der Einsetzung des besonderen Verhandlungsgremiums und können bis zu sechs Monate dauern. Einsetzung bezeichnet den Tag, zu dem die Leitung zur konstituierenden Sitzung des besonderen Verhandlungsgremiums eingeladen hat.
(2) Die Verhandlungspartner können einvernehmlich beschließen, die Verhandlungen über den in Absatz 1 genannten Zeitraum hinaus bis zu insgesamt einem Jahr ab der Einsetzung des besonderen Verhandlungsgremiums fortzusetzen.
Teil 3
Mitbestimmung der Arbeitnehmer
Kapitel 1
Mitbestimmung kraft Vereinbarung
§ 24 Inhalt der Vereinbarung
(1) In der schriftlichen Vereinbarung zwischen der Leitung und dem besonderen Verhandlungsgremium wird, unbeschadet der Autonomie der Parteien im Übrigen, festgelegt:
1. der Geltungsbereich der Vereinbarung, einschließlich der außerhalb des Hoheitsgebietes der Mitgliedstaaten liegenden Unternehmen und Betriebe, sofern diese in den Geltungsbereich einbezogen werden,
2. der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vereinbarung und ihre Laufzeit; ferner die Fälle, in denen die Vereinbarung neu ausgehandelt werden soll, und das dabei anzuwendende Verfahren,
3. die Zahl der Mitglieder des Aufsichtsorgans der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, die die Arbeitnehmer wählen oder bestellen können oder deren Bestellung sie empfehlen oder ablehnen können,
4. das Verfahren, nach dem die Arbeitnehmer die Mitglieder des Aufsichtsorgans der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft wählen oder bestellen können oder deren Bestellung empfehlen oder ablehnen können, und
5. die Rechte der Mitglieder des Aufsichtsorgans der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft.
(2) Die Vereinbarung muss gewährleisten, dass für alle Komponenten der Mitbestimmung zumindest das gleiche Ausmaß gewährleistet wird, das in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft besteht.
(3) In der Vereinbarung soll festgelegt werden, dass auch vor strukturellen Änderungen der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft Verhandlungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer aufgenommen werden. Die Parteien können das dabei anzuwendende Verfahren regeln.
(4) Die Vereinbarung kann bestimmen, dass die Regelungen der §§ 25 bis 29 über die Mitbestimmung kraft Gesetzes ganz oder in Teilen gelten.
(5) Steht die Satzung der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft im Widerspruch zu den Regelungen über die Mitbestimmung kraft Vereinbarung, so ist die Satzung anzupassen.
Kapitel 2
Mitbestimmung kraft Gesetzes
§ 25 Voraussetzung
Die Regelungen dieses Kapitels finden ab dem Zeitpunkt der Eintragung der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft Anwendung, wenn
1. die Parteien dies vereinbaren oder
2. bis zum Ende des in § 23 angegebenen Zeitraums keine Vereinbarung zustande gekommen ist und das besondere Verhandlungsgremium keinen Beschluss nach § 19 gefasst hat.
§ 26 Umfang der Mitbestimmung
(1) Alle Komponenten der Mitbestimmung der Arbeitnehmer, die vor dem grenzüberschreitenden Vorhaben bestanden, bleiben in der hervorgehenden Gesellschaft erhalten.
(2) Handelt es sich bei der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft nach Absatz 1 um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, so ist in dieser Gesellschaft ein Aufsichtsrat zu bilden. § 90 Absatz 3, 4 und 5 Satz 1 und 2, die §§ 95 bis 116, 118 Absatz 3, § 125 Absatz 3 und 4 und die §§ 170, 171, 268 Absatz 2 des Aktiengesetzes sind entsprechend anzuwenden, soweit nicht in den Vorschriften dieses Gesetzes etwas anderes bestimmt ist.
(3) Steht die Satzung der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft im Widerspruch zu den Regelungen über die Mitbestimmung kraft Gesetzes, so ist die Satzung anzupassen.
§ 27 Sitzverteilung
(1) Das besondere Verhandlungsgremium verteilt die Zahl der Sitze im Aufsichtsorgan auf die Mitgliedstaaten, in denen Mitglieder zu wählen oder zu bestellen sind. Die Verteilung richtet sich nach dem jeweiligen Anteil der in den einzelnen Mitgliedstaaten beschäftigten Arbeitnehmer der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe. Können bei dieser anteiligen Verteilung die Arbeitnehmer aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten keinen Sitz erhalten, so hat das besondere Verhandlungsgremium den letzten zu verteilenden Sitz einem bisher unberücksichtigten Mitgliedstaat zuzuweisen. Dieser Sitz soll, soweit angemessen, dem Mitgliedstaat zugewiesen werden, in dem die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz haben wird. Dieses Verteilungsverfahren gilt auch in dem Fall, in dem die Arbeitnehmer der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft Mitglieder dieser Organe empfehlen oder ablehnen können.
(2) Soweit die Mitgliedstaaten über die Besetzung der ihnen zugewiesenen Sitze keine eigenen Regelungen treffen, bestimmt das besondere Verhandlungsgremium die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft.
(3) Die auf das Inland entfallenden Arbeitnehmervertreter des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft werden durch ein Wahlgremium ermittelt. Das Wahlgremium setzt sich aus den Arbeitnehmervertretungen der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, ihrer Tochtergesellschaften und Betriebe zusammen. Für das Wahlverfahren gelten § 9 Absatz 2 bis 4, § 11 Absatz 1 Satz 2 bis 5, Absatz 2 bis 4 und die §§ 12 und 13 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und der betroffenen Betriebe die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft, ihre Tochtergesellschaften und Betriebe treten. Das Wahlergebnis ist der Leitung der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, den Arbeitnehmervertretungen, den Gewählten, den Sprecherausschüssen und den Gewerkschaften mitzuteilen. Die Leitung hat die Namen der Gewählten in den Betrieben des Unternehmens bekannt zu machen.
§ 28 Abberufung und Anfechtung
(1) Ein Mitglied oder ein Ersatzmitglied der Arbeitnehmer aus dem Inland im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan kann vor Ablauf der Amtszeit abberufen werden. Antragsberechtigt sind oder ist
1. die Arbeitnehmervertretungen, die das Wahlgremium gebildet haben,
2. in den Fällen der Urwahl mindestens drei wahlberechtigte Arbeitnehmer,
3. für ein Mitglied nach § 9 Absatz 3 nur die Gewerkschaft, die das Mitglied vorgeschlagen hat,
4. für ein Mitglied nach § 9 Absatz 4 nur der Sprecherausschuss, der das Mitglied vorgeschlagen hat.
Für das Abberufungsverfahren gelten die §§ 11 bis 13 entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der betroffenen Tochtergesellschaften und der betroffenen Betriebe die aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft, ihre Tochtergesellschaften und Betriebe treten; abweichend von § 11 Absatz 4 Satz 3 und 4 und von § 13 Absatz 1 Satz 3 ist für den Beschluss eine Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stimmen erforderlich.
(2) Die Wahl eines Mitglieds oder eines Ersatzmitglieds der Arbeitnehmer aus dem Inland im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan kann angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte. Zur Anfechtung berechtigt sind die in Absatz 1 Satz 2 Genannten und die Leitung der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgegangenen Gesellschaft. Die Klage muss innerhalb eines Monats nach der Bekanntgabe gemäß § 27 Absatz 3 Satz 4 oder 5 erhoben werden.
§ 29 Rechtsstellung; Innere Ordnung
(1) Die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsorgan der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft haben die gleichen Rechte und Pflichten wie die Mitglieder, die die Anteilseigner vertreten.
(2) Die Zahl der Mitglieder der Leitung beträgt mindestens zwei. Ein Mitglied der Leitung ist für den Bereich Arbeit und Soziales zuständig. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Kommanditgesellschaft auf Aktien.
§ 30 Tendenzunternehmen
Kapitel 2 findet keine Anwendung auf eine aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehende Gesellschaft, die unmittelbar und überwiegend folgenden Bestimmungen oder Zwecken dient:
1. politischen, koalitionspolitischen, konfessionellen, karitativen, erzieherischen, wissenschaftlichen oder künstlerischen Bestimmungen oder
2. Zwecken der Berichterstattung oder Meinungsäußerung, auf die Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes anzuwenden ist.
Kapitel 3
Ergänzende Vorschriften
§ 31 Weitergeltung von Regelungen zur Mitbestimmung
Die Regelungen über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, die vor dem grenzüberschreitenden Vorhaben galten, bleiben bis zum Inkrafttreten einer Vereinbarung nach Kapitel 1 oder bis zur Anwendung der Regelungen über die Mitbestimmung kraft Gesetzes nach Kapitel 2 von den Vorschriften dieses Gesetzes unberührt.
§ 32 Nachfolgende innerstaatliche Umwandlungen
(1) Besteht in der hervorgehenden Gesellschaft eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer, so finden die Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende Anwendung auf innerstaatliche Umwandlungen, für die innerhalb von vier Jahren nach Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Vorhabens
1. ein Verschmelzungsvertrag (§ 5 des Umwandlungsgesetzes) geschlossen wird,
2. ein Spaltungs- und Übernahmevertrag (§ 126 des Umwandlungsgesetzes) geschlossen wird,
3. ein Spaltungsplan (§ 136 des Umwandlungsgesetzes) aufgestellt wird oder
4. ein Formwechselbeschluss (§ 193 des Umwandlungsgesetzes) gefasst wird.
(2) Im Fall einer Verschmelzung nach dem Zweiten Buch des Umwandlungsgesetzes finden die §§ 7, 9, 10, 12, 23 Absatz 2 und 3, die §§ 24 und 27 Absatz 3 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei einer grenzüberschreitenden Verschmelzung entsprechende Anwendung.
§ 33 Nachfolgende grenzüberschreitende Umwandlungen
Die Vorschriften dieses Gesetzes finden Anwendung, wenn eine aus einer grenzüberschreitenden Verschmelzung, aus einem grenzüberschreitenden Formwechsel oder aus einer grenzüberschreitenden Spaltung hervorgegangene Gesellschaft einen weiteren grenzüberschreitenden Formwechsel oder eine weitere grenzüberschreitende Spaltung vornimmt und die daraus hervorgehende Gesellschaft ihren Sitz im Inland hat.
Teil 4
Schutzbestimmungen
§ 34 Geheimhaltung; Vertraulichkeit
(1) Informationspflichten der Leitung nach diesem Gesetz bestehen nur, soweit dadurch bei Zugrundelegung objektiver Kriterien keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft oder von deren jeweiligen Tochtergesellschaften und Betrieben gefährdet werden.
(2) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder eines besonderen Verhandlungsgremiums sind unabhängig von ihrem Aufenthaltsort verpflichtet, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die ihnen wegen ihrer Zugehörigkeit zum besonderen Verhandlungsgremium bekannt geworden und von der Leitung ausdrücklich als geheimhaltungsbedürftig bezeichnet worden sind, nicht gegenüber unbefugten Dritten zu offenbaren und nicht zu verwerten. Dies gilt auch nach dem Ausscheiden aus dem besonderen Verhandlungsgremium.
(3) Die Pflichten der Mitglieder und Ersatzmitglieder eines besonderen Verhandlungsgremiums nach Absatz 2 gelten nicht gegenüber
1. den anderen Mitgliedern und Ersatzmitgliedern des besonderen Verhandlungsgremiums,
2. den Arbeitnehmervertretern im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft sowie
3. den Dolmetscherinnen und Dolmetschern und den Sachverständigen, die zur Unterstützung herangezogen werden.
(4) Die Pflichten nach Absatz 2 gelten entsprechend für Sachverständige sowie für Dolmetscherinnen und Dolmetscher.
§ 35 Schutz der Arbeitnehmervertreter
Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben genießen
1. die Mitglieder des besonderen Verhandlungsgremiums und
2. die Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan der aus dem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft,
die Beschäftigte der aus einem grenzüberschreitenden Vorhaben hervorgehenden Gesellschaft, ihrer Tochtergesellschaften oder Betriebe oder der formwechselnden oder der sich spaltenden Gesellschaft, betroffenen Tochtergesellschaften oder betroffenen Betriebe sind, den gleichen Schutz und die gleichen Sicherheiten wie die Arbeitnehmervertreter nach den Gesetzen und Gepflogenheiten desjenigen Mitgliedstaats, in dem sie beschäftigt sind. Dies gilt insbesondere für
1. den Kündigungsschutz,
2. die Teilnahme an den Sitzungen der jeweiligen in Satz 1 genannten Gremien und
3. die Entgeltfortzahlung.
§ 36 Missbrauchsverbot
Ein grenzüberschreitendes Vorhaben darf nicht dazu missbraucht werden, Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte zu entziehen oder vorzuenthalten. Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn innerhalb von vier Jahren ab Wirksamwerden des grenzüberschreitenden Vorhabens strukturelle Änderungen erfolgen, die bewirken, dass ein Schwellenwert der Mitbestimmungsgesetze im Sitzstaat überschritten wird oder sonst Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte vorenthalten oder entzogen werden. Bei einem Verstoß gegen das Missbrauchsverbot sind Verhandlungen über die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer entsprechend den §§ 6 bis 24 zu führen. Wird in diesen Verhandlungen keine Einigung erzielt, sind die §§ 25 bis 30 über die Mitbestimmung kraft Gesetzes entsprechend anzuwenden.
§ 37 Errichtungs- und Tätigkeitsschutz
Niemand darf
1. die Bildung des besonderen Verhandlungsgremiums oder die Wahl, Bestellung, Empfehlung oder Ablehnung der Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan behindern oder durch Zufügung oder Androhung von Nachteilen oder durch Gewährung oder Versprechen von Vorteilen beeinflussen;
2. die Tätigkeit des besonderen Verhandlungsgremiums oder die Tätigkeit der Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan behindern oder stören oder
3. ein Mitglied oder Ersatzmitglied des besonderen Verhandlungsgremiums oder einen Arbeitnehmervertreter im Aufsichts- oder Verwaltungsorgan wegen seiner Tätigkeit benachteiligen oder begünstigen.
Teil 5
Straf- und Bußgeldvorschriften
§ 38 Strafvorschriften
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer entgegen § 34 Absatz 2, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 4, ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis verwertet.
(2) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
1. entgegen § 34 Absatz 2, auch in Verbindung mit § 34 Absatz 4, ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart,
2. entgegen § 37 Nummer 1 oder 2 eine dort genannte Tätigkeit behindert, beeinflusst oder stört oder
3. entgegen § 37 Nummer 3 eine dort genannte Person benachteiligt oder begünstigt.
(3) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 2 Nummer 1 gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder eine andere Person zu bereichern oder zu schädigen, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe.
(4) Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt. In den Fällen des Absatzes 2 Nummer 2 und 3 sind das besondere Verhandlungsgremium, jedes Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans, eine im Unternehmen vertretene Gewerkschaft sowie die Leitung antragsberechtigt.
§ 39 Bußgeldvorschriften
(1) Ordnungswidrig handelt, wer entgegen § 6 Absatz 2 oder § 8 Absatz 2 Satz 2 eine Information nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig gibt.
(2) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu zwanzigtausend Euro geahndet werden.
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