Verordnung über die Koordination des Verkehrs in Ausnahmesituationen (520.16)
CH - Schweizer Bundesrecht

Verordnung über die Koordination des Verkehrs in Ausnahmesituationen (VKOVA)

(VKOVA) vom 19. Juni 2024 (Stand am 1. August 2024)
¹ SR 510.10 ² SR 520.1 ³ SR 531 ⁴ SR 741.01 ⁵ SR 742.101 ⁶ SR 742.41 ⁷ SR 744.10 ⁸ SR 745.1

1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Gegenstand
Diese Verordnung regelt:
a. die Koordination der Akteure des Verkehrs bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Massnahmen zur Bewältigung von Ausnahmesituationen;
b. die Anordnung und Durchführung von vorrangigen Transporten im Personen- und im Güterverkehr in Ausnahmesituationen.
Art. 2 Geltungsbereich
¹ Diese Verordnung gilt für:
a. Unternehmen mit einer Personenbeförderungskonzession (Art. 6 PBG);
b. Unternehmen mit einer Infrastrukturkonzession und Sicherheitsgenehmigung (Art. 5 EBG);
c. Unternehmen mit einer Netzzugangsbewilligung und Sicherheitsbescheinigung (Art. 8 c  EBG);
d. Unternehmen mit mehr als 20 Gütertransportfahrzeugen ab 3,5 Tonnen Gesamtgewicht;
e. Luftverkehrsunternehmen, Landesflughäfen und Flugsicherungsdienstleister;
f. die für den Verkehr verantwortlichen Stellen von Bund und Kantonen.
² Sie gilt nicht für Unternehmen, die ausschliesslich Personenbeförderung ohne Erschliessungsfunktion (Art. 5 der Verordnung vom 4. November 2009⁹ über die Personenbeförderung) anbieten.
⁹ SR 745.11
Art. 3 Begriffe
¹ Akteure des Verkehrs sind die Unternehmen und Stellen nach Artikel 2 Absatz 1.
² Organisationen zur Systemführung sind:
a. die Verkehrsmanagementzentrale (VMZ) des Bundesamts für Strassen (ASTRA) im Bereich Nationalstrassen;
b. die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB AG) im Bereich Eisenbahnverkehr;
c. die Postauto AG in den Bereichen regionaler öffentlicher Personenverkehr auf der Strasse, öffentlicher Ortsverkehr sowie öffentlicher Verkehr auf dem Wasser und mit Seilbahnen.
³ Ausnahmesituationen sind:
a. Ereignisse mit kantonalen, interkantonalen oder landesweiten Auswirkungen auf die Bevölkerung;
b. schwere Mangellagen (Art. 2 Bst. b LVG);
c. sicherheitspolitische Bedrohungen;
d. Landesverteidigung.
Art. 4 Zusammenarbeit
Die Akteure des Verkehrs und die Organisationen zur Systemführung sind verpflichtet, über ihre Verkehrssysteme und Aufgabenbereiche hinaus sowie bei Bedarf mit Stellen im Ausland zusammenzuarbeiten.

2. Abschnitt: Leitungsorgan für die Koordination des Verkehrs

Art. 5 Organisation des Leitungsorgans
¹ Für die Koordination des Verkehrs zur Bewältigung von Ausnahmesituationen ist ein Leitungsorgan zuständig.
² Im Leitungsorgan sind vertreten:
a. das Bundesamt für Verkehr (BAV);
b. das ASTRA;
c. die Wirtschaftliche Landesversorgung (WL);
d. das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL);
e. das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit;
f. das Bundesamt für Bevölkerungsschutz;
g. die Gruppe Verteidigung des Eidgenössischen Departements für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport;
h. das Staatssekretariat des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten;
i. die Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und ‑direktoren;
j. die Schweizerische Bau-, Planungs- und Umweltdirektoren-Konferenz;
k. die Konferenz der kantonalen Direktoren des öffentlichen Verkehrs;
l. die Konferenz der kantonalen Verantwortlichen für Militär, Bevölkerungsschutz und Zivilschutz;
m. die VMZ;
n. die SBB AG;
o. die Postauto AG.
³ Den Vorsitz hat die Direktorin oder der Direktor des BAV; sie oder er vertritt zugleich das BAV im Leitungsorgan.
⁴ Die Stellen und Unternehmen nach Absatz 2 Buchstaben b–o bestimmen ihr Mitglied nach Rücksprache mit der oder dem Vorsitzenden.
Art. 6 Vorsitz
Die oder der Vorsitzende nimmt folgende Aufgaben wahr:
a. Sie oder er führt das Leitungsorgan.
b. Sie oder er erstattet dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) jährlich schriftlich Bericht über die Tätigkeit des Leitungsorgans.
c. Sie oder er kann die im Leitungsorgan vertretenen Stellen des Bundes sowie die übrigen Akteure des Verkehrs direkt kontaktieren und von ihnen die für die Aufgabenerfüllung notwendigen Unterlagen und Informationen einfordern.
d. Sie oder er vertritt das Leitungsorgan in Ausnahmesituationen in den anderen Gremien der Bundesverwaltung zur Krisenbewältigung.
Art. 7 Geschäftsstelle
¹ Das Leitungsorgan verfügt über eine Geschäftsstelle. Diese wird vom BAV betrieben.
² Die Geschäftsstelle unterstützt die Akteure des Verkehrs bei der Vorbereitung auf Ausnahmesituationen.

3. Abschnitt: Vorbereitungsmassnahmen

Art. 8 Aufgaben des Leitungsorgans
Das Leitungsorgan nimmt im Rahmen der Vorbereitung auf Ausnahmesituationen folgende Aufgaben wahr:
a. Es bezeichnet Gefahren und Bedrohungen, die Auswirkungen auf die Verkehrsinfrastruktur, die Verkehrsmittel und den Verkehrsablauf haben können.
b. Es schätzt die Auswirkungen der Gefahren und Bedrohungen auf die Verkehrsinfrastruktur, die Verkehrsmittel und den Verkehrsablauf ein und teilt den Akteuren des Verkehrs die Einschätzung mit.
c. Es ermittelt den Handlungsbedarf zur Bewältigung von Ausnahmesituationen und unterstützt die Akteure des Verkehrs bei der Planung.
Art. 9 Aufgaben von Bundesstellen
¹ Das BAV vereinbart mit der SBB AG und der Postauto AG, welche Aufgaben sie bei der Vorbereitung auf Ausnahmesituationen wahrnehmen sowie ihre Entschädigung.
² Das ASTRA, die WL und das BAZL treffen in ihren Zuständigkeitsbereichen die erforderlichen Vorbereitungsmassnahmen.
Art. 10 Aufgaben der Organisationen zur Systemführung
¹ Die Organisationen zur Systemführung erstellen in ihren Zuständigkeitsbereichen Planungsgrundlagen zur Führung des Verkehrs in Ausnahmesituationen und informieren die betroffenen Akteure des Verkehrs.
² Zu den Vorbereitungsmassnahmen der SBB AG und der Postauto AG gehören:
a. das Sicherstellen einer Krisenorganisation;
b. das Erstellen von Planungsgrundlagen für den Verkehr in Ausnahmesituationen;
c. der Aufbau von Kommunikationskanälen;
d. das Führen eines Kontaktverzeichnisses;
e. das Ausbilden der Kontaktpersonen nach Artikel 11 Absatz 3;
f. die Teilnahme an Übungen.
³ Die SBB AG und die Postauto AG koordinieren die Vorbereitungsmassnahmen untereinander sowie mit den zuständigen Stellen von Bund und Kantonen und den weiteren Unternehmen nach Artikel 2 Absatz 1.
⁴ Die VMZ erstellt Planungsgrundlagen wie Verkehrsmanagementpläne für den Verkehr auf den Nationalstrassen und stellt deren Abstimmung mit dem nachgelagerten Strassennetz sicher. Sie koordiniert diese Massnahmen mit den zuständigen Stellen von Bund und Kantonen sowie mit der SBB AG und der Postauto AG und nimmt an Übungen teil.
Art. 11 Aufgaben der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs
¹ Die Unternehmen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a–c müssen ihre Transportdienstleistungen in einer Ausnahmesituation so weit wie möglich mit den vorhandenen Verkehrsmitteln gewährleisten können.
² Sie treffen auf Basis der Planungsgrundlagen der Organisationen zur Systemführung zusammen mit den auf ihrem Streckennetz zuständigen Behörden und Organisationen für Bevölkerungsschutz, innere Sicherheit und Volkswirtschaft für die konzessionierten und bewilligten Betriebsarten die betrieblichen Vorbereitungsmassnahmen.
³ Sie bezeichnen eine Kontaktperson im Unternehmen und melden diese der SBB AG und der Postauto AG.
⁴ Sie dokumentieren die geplanten und die getroffenen Vorbereitungsmassnahmen.
Art. 12 Aufgaben der Gütertransportunternehmen auf der Strasse
Die Unternehmen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe d planen im Rahmen ihrer Möglichkeiten geeignete Vorbereitungsmassnahmen, um die Transportfähigkeit auch in Ausnahmesituationen aufrechtzuerhalten.
Art. 13 Aufsicht über die Vorbereitungsmassnahmen
¹ Das BAV beaufsichtigt die Vorbereitungsmassnahmen der SBB AG, der Postauto AG und der Unternehmen des öffentlichen Verkehrs und des Schienengüterverkehrs.
² Es stimmt die Aufsicht mit anderen für den Verkehr verantwortlichen Stellen des Bundes ab.

4. Abschnitt: Koordination des Verkehrs in Ausnahmesituationen

Art. 14 Aufgaben des Leitungsorgans
Die Mitglieder des Leitungsorgans informieren sich gegenseitig und unterstützen mit ihren Organisationen ein koordiniertes Vorgehen der Akteure des Verkehrs.
Art. 15 Aufgaben des Bundes
¹ Das BAV und das ASTRA unterstützen die kantonalen Behörden, die VMZ, die SBB AG und die Postauto AG bei der Erfüllung ihrer Aufgaben in einer Ausnahmesituation.
² Das BAV kann einen Fachstab Verkehr einsetzen.
Art. 16 Aufgaben der Organisationen zur Systemführung
¹ Die VMZ, die SBB AG und die Postauto AG führen das Verkehrssystem in einer Ausnahmesituation mittels einer Notfall- und Krisenorganisation.
² Sie stellen die Kommunikation mit den Stellen von Bund und Kantonen sowie den betroffenen Akteuren des Verkehrs sicher.
³ Sie übermitteln der Nationalen Alarmzentrale ein Lagebild ihres Zuständigkeitsbereichs.
Art. 17 Weisungsbefugnis der SBB AG und der Postauto AG
¹ Die SBB AG und die Postauto AG haben Weisungsbefugnis zur Bewältigung von Ausnahmesituationen. Sie können von den in ihrem Zuständigkeitsbereich tätigen Unternehmen, nach Rücksprache mit dem BAV, insbesondere die Umsetzung von Mass-nahmen bezüglich des Fahrplans, des Betriebs, der Information und der Kommunikation verlangen.
² Bei Uneinigkeit zwischen der SBB AG und der Postauto AG über die zu treffenden Massnahmen entscheidet das BAV nach Rücksprache mit den beiden Organisationen über die zu treffenden Massnahmen.
Art. 18 Vergütung
Das BAV vergütet der SBB AG und der Postauto AG die von ihnen im Rahmen von Artikel 16 erbrachten Leistungen.

5. Abschnitt: Vorrangige Transporte in Ausnahmesituationen

Art. 19 Verpflichtung zur Durchführung von vorrangigen Transporten
Die folgenden Stellen können Unternehmen nach Artikel 2 Absatz 1 Buchstaben a und c dazu verpflichten, Transporte zu den nachfolgenden Zwecken vorrangig durchzuführen:
a. der Fachbereich Logistik der WL: zur Versorgung des Landes mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen in schweren Mangellagen;
b. die mit Aufgaben des Bevölkerungsschutzes betrauten Organisationen von Bund und Kantonen: zum Schutz der Bevölkerung;
c. die Armee: zur Verteidigung des Landes oder zur Unterstützung ziviler Behörden bei sicherheitspolitischen Bedrohungen und Gefahren.
Art. 20 Befreiung
Das UVEK kann ein Unternehmen auf Antrag von der Pflicht zur Durchführung vorrangiger Transporte befreien, wenn dem Unternehmen für die Bewältigung von Ausnahmesituationen nachweislich keine Bedeutung zukommt.
Art. 21 Koordination
¹ Die SBB AG koordiniert im Einvernehmen mit der Trassenvergabestelle die Durchführung der vorrangigen Transporte auf der Schiene mit anderen Eisenbahnunternehmen, insbesondere bezüglich der Verkehrsführung und der Fahrpläne.
² Die Postauto AG koordiniert die Durchführung der vorrangigen Transporte auf der Strasse, auf dem Wasser und durch Seilbahnen mit den anderen konzessionierten Transportunternehmen für den regionalen öffentlichen Personenverkehr und den öffentlichen Ortsverkehr, insbesondere bezüglich der Transportkapazitäten und der Fahrpläne.
³ Die VMZ koordiniert die vorrangigen Transporte auf dem Nationalstrassennetz zusammen mit den Kantonen, den Gemeinden und der Armee.
Art. 22 Prioritäten
¹ Reichen die Trassen, die Transportmittel oder das Personal für die Durchführung der vorrangigen Transporte nicht aus, so entscheidet das BAV nach Rücksprache mit allen Beteiligten über die Prioritäten.
² Die Trassenvergabestelle teilt die Trassen gestützt auf die Entscheidung des BAV über die Prioritäten zu. Sie kann den Eisenbahnverkehrsunternehmen bereits zugeteilte Trassen entziehen.
³ Vorbehalten bleibt die Entscheidungsbefugnis:
a. der Armee im Fall von Landesverteidigung;
b. des oder der Delegierten für wirtschaftliche Landesversorgung in einer schweren Mangellage.
Art. 23 Vergütung
¹ Die anordnende Stelle vergütet den Unternehmen die besonderen Leistungen die bei vorrangigen Transporten erbracht werden.
² Vorbehalten bleibt die Kostentragung durch den Bund im Fall von Landesverteidigung und bei Militärtransporten.
³ Im Fall der Anordnung von Bewirtschaftungsmassnahmen der wirtschaftlichen Landesversorgung gelten die Bestimmungen des LVG.

6. Abschnitt: Schlussbestimmungen

Art. 24 Aufhebung anderer Erlasse
Aufgehoben werden:
a. die Verordnung vom 18. Mai 2016¹⁰ über die Koordination des Verkehrswesens im Hinblick auf Ereignisfälle;
b. die Verordnung vom 28. August 2019¹¹ über vorrangige Transporte in Ausnahmesituationen.
¹⁰ [ AS 2016 1667 ]
¹¹ [ AS 2019 2823 ]
Art. 25 Inkrafttreten
Diese Verordnung tritt am 1. August 2024 in Kraft.
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