Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (811.32)
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Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin

Interkantonale Vereinbarung über die hochspezialisierte Medizin (IVHSM) vom 14. März 2008 (Stand 1. Januar 2009)
1. Abschnitt: Allgemeine Bestimmungen

Art. 1 Zweck

1 Die Kantone vereinbaren im Interesse einer bedarfsgerechten, qualitativ hochste - henden und wirtschaftlich erbrachten medizinischen Versorgung die Sicherstellung der Koordination der Konzentration der hochspezialisierten Medizin. Diese umfasst diejenigen medizinischen Bereiche und Leistungen, die durch ihre Seltenheit, durch ihr hohes Innovationspotenzial, durch einen hohen personellen oder technischen Aufwand oder durch komplexe Behandlungsverfahren gekennzeichnet sind. Für die Zuordnung müssen mindestens drei der genannten Kriterien erfüllt sein, wobei im - mer aber das der Seltenheit vorliegen muss.
2 Zur Erreichung des in Abs. 1 genannten Zwecks und in Erfüllung der einschlägigen Vorgaben des Bundes vereinbaren die Kantone die gemeinsame Planung und Zutei - lung der hochspezialisierten Medizin.

Art. 2 Vollzug der Vereinbarung

1 Die Mitglieder der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direk - toren aus den Vereinbarungskantonen wählen ein Beschlussorgan (HSM-Beschluss - organ), dem der Vollzug der Vereinbarung obliegt. Dieses setzt ein Fachorgan sowie ein Projektsekretariat ein.
2. Abschnitt: Die Organisation der interkantonalen Planung

Art. 3 Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des HSM-Beschlussorgans

1 Das Beschlussorgan setzt sich aus folgenden Mitgliedern der GDK-Plenarver - sammlung zusammen:
1. den fünf Mitgliedern der Vereinbarungskantone mit Universitätsspital Zürich, Bern, Basel-Stadt, Waadt und Genf;
2. fünf Mitglieder aus den anderen Vereinbarungskantonen wovon mindestens zwei Mitglieder Vereinbarungskantone mit einem grossen Zentrumsspital, das interkantonale Leistungsaufgaben wahrnimmt, vertreten. Zudem können das Bundesamt für Gesundheit, die Schweizerische Universitätskon - ferenz und santésuisse je eine Person mit beratender Stimme in das Beschlussorgan delegieren.
2 Die Mitglieder einschliesslich des Präsidiums werden von den GDK-Mitgliedern der Vereinbarungskantone für eine Dauer von 2 Jahren gewählt. Eine Wiederwahl ist möglich. Die Stellvertretung richtet sich nach den Bestimmungen in den Statuten der GDK über die Stellvertretung an Plenarversammlungen.
3 Das Beschlussorgan bestimmt die Bereiche der hochspezialisierten Medizin, die ei - ner schweizweiten Konzentration bedürfen, und trifft die Planungs- und Zuteilungs - entscheide.
4 Hierzu erstellt es eine Liste der Bereiche der hochspezialisierten Medizin und der mit der Erbringung der definierten Leistungen beauftragten Zentren. Die Liste wird periodisch überprüft. Sie gilt als gemeinsame Spitalliste der Vereinbarungskantone gemäss Art. 39 KVG
1 )
. Die Zuteilungsentscheide werden befristet.
5 Die Entscheide des Beschlussorgans basieren auf Anträgen des Fachorgans. Das Beschlussorgan beachtet die Kriterien gemäss Art. 4 Abs. 4. Seine Beschlüsse ge - mäss Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 bedürfen der vorgängigen Stellungnahme des Fachor - gans.
6 Das Beschlussorgan kann dem Fachorgan Aufträge erteilen.
7 Die Mitglieder streben eine einvernehmliche Entscheidfindung an. Kann diese nicht erreicht werden, erfordert ein Beschluss die Zustimmung von mindestens vier Mitgliedern aus Vereinbarungskantonen mit Universitätsspital und von vier Mitglie - dern der anderen Vereinbarungskantone.

Art. 4 Zusammensetzung, Wahl und Aufgaben des HSM-Fachorgans

1 Das HSM-Fachorgan besteht aus höchstens 15 unabhängigen Experten, bei deren Bestellung mehrere geeignete Bewerber aus dem Ausland zu berücksichtigen sind. Das Beschlussorgan bestimmt die Anforderungen an die Experten und legt das Aus - wahlverfahren fest. Die Mitglieder legen ihre Interessen in einem Interessenbin - dungsregister offen.
2 Die Wahl der Experten einschliesslich des Präsidiums erfolgt ad personam durch das HSM-Beschlussorgan für eine Dauer von 2 Jahren. Eine Wiederwahl ist mög - lich.
3 Das HSM-Fachorgan hat folgende Aufgaben:
1. es beobachtet neue Entwicklungen;
1) SR 832.10
2. es stellt und überprüft Anträge auf Aufnahme und Streichung aus dem HSM- Bereich;
3. es legt die Voraussetzungen fest, welche zur Ausführung einer Dienstleistung bzw. eines Dienstleistungsbereiches erfüllt werden müssen bezüglich Fallzahl, personellen und strukturellen Ressourcen und an unterstützenden Disziplinen;
4. es bereitet die Entscheidungen des Beschlussorgans vor; dazu gehören insbe - sondere die Vorbereitungsarbeiten der Zuteilung gemäss den oben beschriebe - nen Voraussetzungen sowie die Prüfung der Lösungsvorschläge;
5. es stellt dem Beschlussorgan die entsprechenden Anträge und begründet diese fachbezogen und wissenschaftlich;
6. es erstattet dem Beschlussorgan jährlich Bericht über den Stand seiner Arbei - ten.
4 Das HSM-Fachorgan berücksichtigt bei der Erfüllung seiner in Abs. 3 genannten Aufgaben folgende Kriterien:
1. Für die Aufnahme in die Liste der HSM-Bereiche: a) Wirksamkeit; b) Nutzen; c) Technologisch-ökonomische Lebensdauer; d) Kosten der Leistung.
2. Für den Zuteilungsentscheid: a) Qualität; b) Verfügbarkeit hochqualifizierten Personals und Teambildung; c) Verfügbarkeit der unterstützenden Disziplinen; d) Wirtschaftlichkeit; e) Weiterentwicklungspotenzial.
3. Für den Entscheid über die Aufnahme in die Liste der HSM-Bereiche und die Zuteilung: a) Relevanz des Bezugs zu Forschung und Lehre; b) Internationale Konkurrenzfähigkeit.
5 Die Experten streben eine einvernehmliche Entscheidfindung an. Kann diese nicht erreicht werden, werden Beschlüsse mit dem einfachen Mehr der anwesenden Mit - glieder gefasst, wobei mindestens zwei Drittel der Mitglieder anwesend sein müs - sen. Das Beschlussorgan erlässt die Ausstandsregeln.

Art. 5 Wahl und Aufgaben des HSM-Projektsekretariats

1 Das HSM-Projektsekretariat wird vom Beschlussorgan eingesetzt.
2 Es unterstützt organisatorisch und technisch die im Zusammenhang mit der Pla - nung der hochspezialisierten Medizin erfolgenden Arbeiten des Beschluss- und des Fachorgans und koordiniert diese.

Art. 6 Arbeitsweise

1 Das Beschluss- und das Fachorgan geben sich jeweils ein Geschäftsreglement, das die Einzelheiten zur Organisation, Arbeitsweise und Beschlussfassung festlegt. Das Reglement des Fachorgans bedarf der Genehmigung des Beschlussorgans.
3. Abschnitt: Planung

Art. 7 Grundsätze

1 Zur Gewinnung von Synergien ist darauf zu achten, dass die hochspezialisierten Leistungen auf wenige universitäre oder multidisziplinäre Zentren konzentriert wer - den.
2 Die Planung gemäss dieser Vereinbarung soll mit jener im Bereich der Forschung abgestimmt werden. Forschungsanreize sollen gesetzt und koordiniert werden.
3 Die Interdependenzen zwischen verschiedenen hochspezialisierten medizinischen Bereichen sind bei der Planung zu berücksichtigen.
4 Die Planung umfasst jene Leistungen, die durch schweizerische Sozialversicherun - gen mitfinanziert werden.
5 Die Zugänglichkeit für Notfälle sind bei der Planung zu berücksichtigen.
6 Die Planung berücksichtigt die vom schweizerischen Gesundheitswesen erbrachten Leistungen für das Ausland.
7 Bei der Planung können Kooperationsmöglichkeiten mit dem nahen Ausland ge - nutzt werden.
8 Die Planung kann in Stufen erfolgen.

Art. 8 Besondere Anforderungen an die Planung der Kapazitäten

1 Bei der Zuordnung der Kapazitäten sind folgende Vorgaben zu beachten: a) Die gesamten in der Schweiz verfügbaren Kapazitäten sind so zu bemessen, dass die Zahl der Behandlungen, die sich unter umfassender kritischer Würdi - gung erwarten lassen, nicht überschritten werden kann. b) Die resultierende Anzahl der Behandlungsfälle der einzelnen Einrichtung pro Zeitperiode darf die kritische Masse unter den Gesichtspunkten der medizini - schen Sicherheit und der Wirtschaftlichkeit nicht unterschreiten. c) Den Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit Zentren im Ausland kann Rech - nung getragen werden.

Art. 9 Auswirkungen auf die kantonalen Spitallisten

1 Die Vereinbarungskantone übertragen ihre Zuständigkeit gemäss Art. 39 Abs. 1 lit. e KVG
1 ) zum Erlass der Spitalliste für den Bereich der hochspezialisierten Medi - zin dem HSM-Beschlussorgan.
2 Ab dem Zeitpunkt der gemäss Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 erfolgten Bestimmung ei - nes Bereiches der hochspezialisierten Medizin und seiner Zuteilung durch das HSM- Beschlussorgan an mit der Einbringung der betreffenden Leistung beauftragte Zentren gelten abweichende Spitallistenzulassungen der Kantone im entsprechenden Umfang als aufgehoben.
4. Abschnitt: Finanzen

Art. 10 Verteilung der Kosten

1 Die Kosten der Tätigkeit der im 2. Abschnitt genannten Organe sowie des Sekreta - riats werden von den der Vereinbarung beigetretenen Kantonen entsprechend ihrer Einwohnerzahl anteilsmässig getragen.
5. Abschnitt: Streitbeilegung

Art. 11 Streitbeilegungsverfahren

1 Die Vereinbarungskantone verpflichten sich, Meinungsverschiedenheiten und Streitigkeiten nach Möglichkeit gütlich zu regeln.
2 Im Übrigen gelten die Bestimmungen der Interkantonalen Rahmenvereinbarung (IRV)
2 ) über die Streitbeilegung.
6. Abschnitt: Rechtspflege und Schlussbestimmungen

Art. 12 Beschwerde und Verfahrensrecht

1 Gegen Beschlüsse betreffend die Festsetzung der gemeinsamen Spitalliste nach

Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde nach

Art. 53 KVG geführt werden.

2 Auf diese Beschlüsse finden sinngemäss die bundesrechtlichen Vorschriften über das Verwaltungsverfahren
3 ) Anwendung.
1) SR 832.10
2) RB 613.3
3) SR 172.021

Art. 13 Beitritt und Austritt

1 Der Beitritt zur Vereinbarung wird mit der Mitteilung an die GDK wirksam.
2 Jeder Vereinbarungskanton kann durch Erklärung gegenüber der GDK austreten. Der Austritt wird mit dem Ende des auf die Erklärung folgenden Kalenderjahres wirksam.
3 Die Austrittserklärung kann frühestens auf das Ende des 5. Jahres seit Inkrafttreten der Vereinbarung und fünf Jahre nach erfolgtem Beitritt abgegeben werden.

Art. 14 Berichterstattung

1 Das Präsidium des Beschlussorgans stattet den Vereinbarungskantonen jährlich über den Stand der Umsetzung dieser Vereinbarung Bericht.

Art. 15 Inkrafttreten

1 Die GDK setzt die Vereinbarung in Kraft
1 ) , wenn ihr 17 Kantone einschliesslich der Kantone mit Universitätsspital (Zürich, Bern, Basel-Stadt, Waadt und Genf) bei - getreten sind. Für später beigetretene Kantone tritt die Vereinbarung mit der Mittei - lung gemäss Art. 13 Abs. 1 in Kraft.

Art. 16 Geltungsdauer und Ausserkrafttreten

1 Die Vereinbarung gilt unbefristet.
2 Sie tritt ausser Kraft, wenn die Zahl der Mitglieder unter 17 fällt oder wenn einer der Kantone mit Universitätsspital (Zürich, Bern, Basel-Stadt, Waadt oder Genf) austritt.

Art. 17 Änderung der Vereinbarung

1 Stellen die Vereinbarungskantone fest, dass eine Anpassung der Vereinbarung er - forderlich ist, nehmen sie entsprechende Verhandlungen auf. Auf Antrag von drei Vereinbarungskantonen leitet die GDK die Anpassung der Vereinbarung ein. Die Anpassung tritt in Kraft, wenn ihr sämtliche Vereinbarungskantone beigetreten sind.
1) Beitritt des Kantons Thurgau mit RRB Nr. 357 vom 8. April 2008, in Kraft getreten auf den
1. Januar 2009.
Änderungstabelle - Nach Paragraph Element Beschluss Inkrafttreten Änderung Amtsblatt Erlass 14.03.2008 01.01.2009 Erstfassung 8/2009
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