Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen... (350.400)
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Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom 29. Oktober 2004

Konkordat der ostschweizerischen Kantone über den Vollzug von Strafen und Massnahmen vom
29. Oktober 2004 Die Kantone Zürich, Glarus, Schaff hausen, Appenzell A.Rh., Appenzell I.Rh., St. Gallen, Graubünden und Thurgau schliessen sich zum ost- schweizerischen Strafvollzugskonkorda t zusammen mit dem Ziel, die Auf- gaben bei der Planung, beim Bau und beim Betrieb der Vollzugseinrich- tungen zu verteilen und zu koordinieren, einen grundrechtskonformen, effizienten und kostengünstigen Vollzug zu ermöglichen sowie den Voll- zug zu vereinheitlichen, damit die Vollzugsziele bestmöglich erreicht wer- den können. I. Einleitung
Art. 1
1 Das Konkordat findet Anwendung auf den Vollzug: Geltungsbereich a) der in den Konkordatskantonen ausgesprochenen unbedingten Strafen sowie der stationären therapeuti schen Massnahmen und der Verwah- rungen gegenüber erwachsenen Personen; b) von Sanktionen gegenüber Erwach senen und Jugendlichen, soweit der Vollzug in Vollzugseinrichtunge n durchgeführt wird, die dem ge- meinsamen Vollzug dienen (Konkordatsanstalten).
2 Die beteiligten Kantone informiere n sich gegenseitig über ihre Planun- gen und Bauten im gesamten Bereic h des Freiheitsentzugs und stimmen die Angebote soweit möglich un d zweckmässig aufeinander ab. II. Organisation
Art. 2
1 Oberstes Organ des Konkordats ist die Strafvollzugskommission. Sie be- steht aus je einem Regierungsm itglied der beteiligten Kantone. Strafvollzugs- kommission
2 Die Strafvollzugskommission: a) übt die Aufsicht über die An wendung und Auslegung des Konkordats aus und entscheidet in Streitfällen; b) bestellt die notwendigen Organe; c) erlässt Richtlinien zur Zusammenarbeit im Vollzugsbereich und zur Ausgestaltung des Vollzugs, die mit Zustimmung aller Beteiligten als verbindlich erklärt werden können;
d) entscheidet mit Zustimmung der Standortkantone, welche Vollzugs- einrichtungen als Konkordatsanstalten gemeinsame Vollzugsaufgaben erfüllen, und plant das notwendige Angebot an Vollzugsplätzen; e) legt die Kostgelder für die Konkordatsanstalten fest; f) kann privat geführten Einrichtunge n die Bewilligung erteilen, Strafen in Form der Halbgefangenschaft und des Arbeitsexternats, stationäre Behandlungen von psychisch gestörten und von Suchtstoffen oder in anderer Weise abhängigen Tätern , Massnahmen für junge Erwach- sene sowie Sanktionen des Jugendstrafgesetzes zu vollziehen; g) nimmt Stellung zu Gesetzesvorla gen oder Berichten des Bundes oder zu internationalen Verträgen oder Berichten internationaler Organisa- tionen.
3 Die Strafvollzugskommission tritt mindestens zweimal im Kalenderjahr zusammen. Sie wählt aus ihrer Mitte die Präsidentin oder den Präsidenten und deren Stellvertretung. Entscheide werden mit einfachem Stimmen- mehr getroffen. Jeder Kanton hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit steht der Präsidentin oder dem Präsiden ten der Stichentscheid zu. Im Übri- gen ordnet die Strafvollzugskommi ssion ihr Verfahren selbst.
Art. 3
1 Die Strafvollzugskommission best ellt als vollziehendes Organ die Zentralstelle. Diese besteht aus dem Konkordatssekretariat als Leitung so- wie je einer Vertretung der Fachkonf erenzen der Anstaltsleiter, der Ein- weisungs- und Vollzugsbehörden sowie der Bewährungshilfe. Zentralstelle
2 Die Zentralstelle: a) erkennt und analysiert kantonsübergreifende Entwicklungen im Be- reich des Straf- und Massnahmenvollz ugs, stellt der Strafvollzugs- kommission Antrag und vollzi eht deren Beschlüsse; b) stellt die Vernetzung unter den Konkordatsgremien sicher; c) nimmt Anträge der Fachkonferenzen auf und bearbeitet sie; d) fördert die Zusammenarbeit zwischen den Konkordaten; e) stellt den Kantonen Angaben zu, die diese zur Erfüllung ihrer Aufga- ben benötigen, und gibt Empfehlungen über die Anwendung und Auslegung des Konkordats und der Richtlinien ab.
3 Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisa- tion der Zentralstelle mit Reglement.
Art. 4
1 Die Strafvollzugskommission besti mmt das Konkordatssekretariat. Sekretariat
2 Das Konkordatssekretariat: a) leitet die Zentralstelle und nimmt nach Möglichkeit an den Sitzungen der Fachkonferenzen teil; b) bereitet die Sitzungen der Strafvollzugskommission vor;
c) orientiert die Kantone über wich tige Neuerungen im Vollzugsbereich, berät sie in einzelnen Vollzugsfäll en und gibt im Interesse einer gleichmässigen Belegung der Konkorda tsanstalten Empfehlungen ab; d) führt alle Aufgaben aus, die ni cht einem anderen Organ zugewiesen sind.
3 Die Kosten des Konkordatssekretariates tragen die beteiligten Kantone im Verhältnis der Einwohnerzahl ge mäss der jeweils le tzten eidgenössi- schen Volkszählung. Die Strafv ollzugskommission kann einen Grundbei- trag festlegen.
Art. 5
1 Es bestehen Fachkonferenzen der: Fachkonferenzen a) Anstaltslei ter; b) Einweisungs- und Vollzugsbehörden; c) Bewährungshilfe.
2 Die Fachkonferenzen dienen dem interkantonalen fachspezifischen Er- fahrungs- und Informationsaustausch. Sie erkennen Entwicklungen und Tendenzen im Bereich des Straf- und Massnahmenvollzuges sowie des Anstalts- und Gefängniswesens und stelle n der Zentralstelle Antrag zu- handen der Strafvollzugskommission.
3 Sie ordnen ihr Verfahren selbst.
Art. 6
1 Die Strafvollzugskommission bestellt eine Fachkommission aus Vertre- tungen der Strafverfolgungsbehörden , der Vollzugsbehörden und der Psy- chiatrie zur Überprüfung der Gemei ngefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und be zeichnet den Vorsitz. Fachkommission zur Überprüfung der Gemeinge- fährlichkeit
2 Die Fachkommission beurteilt auf Antrag des für den Vollzug zuständi- gen Kantons die Gefährlichkeit von Straftätern und Straftäterinnen und gibt Empfehlungen ab: a) in den vom Bundesrecht vorgeschriebenen Fällen; b) falls die Gemeingefähr lichkeit eines Straftäters oder einer Straftäterin von der Vollzugsbehörde nicht eindeutig beantwortet werden kann, Zweifel hinsichtlich der zu treffe nden Massnahme bestehen oder trotz Bejahung der Gemeingefährlichkeit eine Vollzugslockerung in Erwä- gung gezogen wird.
3 Im Übrigen regelt die Strafvollzugskommission Aufgaben und Organisa- tion der Fachkommission mit Reglemen t. Die Kosten der Beurteilung trägt der für den Vollzug zuständige Kanton.
III. Konkordatsanstalten
Art. 7
1 Die beteiligten Kantone verpflichten sich unter dem Vorbehalt der Bewil- ligung der erforderlichen Kredite dur ch die nach kantonalem Recht zu- ständigen Instanzen folgende Vollz ugseinrichtungen für den gemeinsamen Vollzug der Freiheitsstrafen, der fre iheitsentziehenden Massnahmen sowie der Unterbringung von Jugendlichen und des jugendstrafrechtlichen Frei- heitsentzugs bereitzustellen, auszubauen und zu führen: Aufteilung der Vollzugsaufgaben Kanton Zür ich Strafanstalt Pösc hwies (geschlossener Vollzug) Zweigstellen der Strafanstalt Pöschwies (offener Vollzug) Massnahmenzentrum Uitikon (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Jugendliche) Kanton Appenzell A.Rh. Strafans talt Gmünden (offener Vollzug) Kanton St.Gallen Strafanstalt Saxerriet (offener Vollzug) Massnahmenzentrum Bitzi (Massnahmenvoll- zug, insbesondere Behandlung von psychischen Störungen und Suchtbehandlung) Kanton Graubünden Strafanstalt Sennhof (geschlossener Vollzug) Anstalt Realta (offener Vollzug) Kanton Thurgau Massnahmenzentrum für junge Erwachsene Kalchrain (Massnahmen für junge Erwachsene sowie Schutzmassnahmen und Freiheitsentzug für Jugendliche)
2 Die Strafvollzugskommission kann au f Antrag des Standortkantons wei- teren Vollzugseinrichtungen gemeinsa me Vollzugsaufgaben übertragen, sofern die Vollzugseinrichtung die in diesem Konkordat und den Richtli- nien aufgestellten Anforderungen und Regeln einhält.
3 Über die Änderung der Zweckbesti mmung einer Konkordatsanstalt oder deren Entbindung von gemeinsamen Vollzugsaufgaben entscheidet die Strafvollzugskommission auf Antrag des Standortkantons.

Art. 8 Damit der gesetzliche Vollzugsauftra g erfüllt und die Vollzugsgrundsätze

eingehalten werden können, sorgen die beteiligten Kantone für: Personal a) die Anstellung einer ausreichenden Zahl geeigneter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vollzugseinrichtungen; b) die gemeinsame Aus-, Fort - und Weiterbildung des Personals.
IV. Durchführung der Vollzüge
Art. 9
1 Die beteiligten Kantone verpflichten sich, die von ihnen zu vollziehen- den Freiheitsstrafen und freiheitsentz iehenden Massnahmen in den Kon- kordatsanstalten zu vollziehen. Grundsatz
2 Der Vollzug richtet sich nach den Vorschriften für die einzelnen Voll- zugseinrichtungen. Sie werden von dem Kanton erlassen, der die Voll- zugseinrichtung führt. Sie sind von der Strafvollzugskommission zu genehmigen.
3 Vorbehalten bleiben: a) der Vollzug von Freiheitsstrafen in einem Gefängnis des für den Voll- zug zuständigen Kantons, wenn die betroffene Pers on aus zeitlichen oder persönlichen Gründen nicht in eine Konkordatsanstalt eingewie- sen werden kann; b) der Vollzug in Form der Halbge fangenschaft oder im Rahmen des Wohn- und Arbeitsexternats; c) die Abtretung des Vollzugs an einen Kanton, der dem Konkordat nicht angehört; d) die Einweisung in eine Vollz ugseinrichtung ausserhalb des Konkor- dats im Einzelfall aus Sicherhe itsgründen, zur Optimierung der Insas- senzusammensetzung ode r wenn die Wiedereingliederung auf Grund der Beschäftigungs- oder Ausbil dungssituation oder mit Rücksicht auf das familiäre Umfeld dadurch er leichtert wird. Soweit der einwei- sende Kanton für Entscheide zustä ndig ist, wendet er dieses Konkor- dat und die Richtlinien der Strafvollzugskommission an.
Art. 10
1 Der einweisende Kanton: Zuständigkeit a) bestimmt im Einzelfall di e geeignete Vollzugseinrichtung; b) koordiniert die Planung des gesamten Vollzugs einschliesslich der Probezeit nach der Entlassung aus der Vollzugseinrichtung; er stellt der Vollzugseinrichtung, der Bewährungshilfe und den anderen am Vollzug beteiligten Stellen die zur Aufgabenerfüllung erforderlichen Informationen und Unterlagen zu; c) entscheidet über Vollzugsöffnungen wie die Bewilligung von Urlaub, die Verlegung in den offenen Vollzug, den Vollzug in Form des Ar- beits- sowie des Wohn- und Arbeitsexternats, die bedingte Entlassung sowie die Unterbrechung des Vollzugs. Er kann die Kompetenz für die Bewilligung von Urlaub sowie des Wohn- und Arbeitsexternats der Leitung der Vollzugseinrichtung delegieren.
2 Die Vollzugseinrichtung:
1. übernimmt die zugewiesenen Pe rsonen im Rahmen ihrer Aufnahme- fähigkeit und entlässt sie nach den Anordnungen des einweisenden Kantons;
2. erstellt innerhalb der Vorgaben des einweisenden Kantons zusammen mit der eingewiesenen Person den Vollzugsplan;
3. bezieht die Bewährungshilfe oder Fachstellen bei Bedarf mit ein, ins- besondere bei der Vorbereitung der Entlassung;
4. erstattet dem einweisenden Kanton Bericht, wenn er es verlangt, bei besonderen Vorkommnissen wie schw eren Disziplinarverstössen, Un- fall oder Tod der eingewiesenen Person und mit der Überweisung von Gesuchen.
Art. 11
1 Der Vollzugsplan ist ein Planungs instrument zur Konkretisierung der Vollzugsziele im Einzelfall. Er nennt die Massnahmen sowie pädagogi- schen und therapeutischen Mittel, mit denen diese Ziele erreicht werden sollen. Vollzugsplan
2 Je nach Dauer des Aufenthalts in der Vollzugseinrichtung und den zu er- wartenden Lebensverhältnissen nach der Entlassung enthält er Angaben über die notwendige Betreuung und den Therapiebedarf, die Arbeit, die schulische und berufliche Aus- und Weiterbildung, die Wiedergutma- chung, die Beziehungen zur Aussenwelt sowie die Vorbereitung der Ent- lassung. Der Vollzugsplan wird peri odisch überprüft und bei Bedarf ange- passt.
Art. 12
1 Erweist sich die eingewiesene Pe rson für den Vollzug in der bezeichne- ten Vollzugseinrichtung als ungeeignet, verursacht ihr Verhalten derartige Schwierigkeiten, dass sie nicht mehr tragbar ist, oder kann die Sanktion aus gesundheitlichen Gründen nicht we iter vollzogen werden, beantragt die Leitung der Vollzugseinrichtung de m einweisenden Kanton die Verset- zung. Bei Uneinigkeit vermittel t das Konkordatssekretariat. Versetzung
2 Bei Versetzung werden die Vollzugs akten einschliesslich Vollzugsplan und Bericht über den Stand der Umsetzung der neuen Vollzugseinrichtung weitergeleitet.
Art. 13
1 Der einweisende Kanton vergütet dem vollziehenden Kanton die Voll- zugskosten sowie die Auslagen für Einlieferung und Entlassung. Der Rückgriff auf andere Zahlungspflichtig e bleibt dem einweisenden Kanton vorbehalten. Vollzugskosten
2 Die Strafvollzugskommission legt di e Höhe des Kostgeldes unter Be- rücksichtigung der Aufgaben der einzel nen Vollzugseinrichtungen fest und
bestim mt, welche Leistungen mit de m Kostgeld abgegolten werden. Sie legt Minimalstandards fest, die erfü llt sein müssen, damit das entspre- chende Kostgeld verlangt werden kann.

Art. 14 Die eingewiesene Person:

Kostenbe- teiligung a) bezahlt persönliche Anschaffungen, insbesondere Raucherwaren, Ge- nussmittel, Toilettenartikel und Zeitungsabonnemente, die Urlaubs- kosten sowie die Gebühren für die Benützung von Radio-, Fernseh- und Telefonanlagen zulasten ihres Arbeitsentgeltes; b) wird an den Kosten der Halbgefa ngenschaft, des Arbeitsexternats so- wie des Wohn- und Arbeitsexternats angemessen beteiligt; c) trägt die Kosten für Sozialvers icherungsbeiträge, besondere Weiter- bildungsmassnahmen und die Heimsc haffung, soweit es ihr möglich und zumutbar ist. V. Schlussbestimmungen
Art. 15
1 Die Strafvollzugskommission trifft die notwendigen Vereinbarungen mit andern Konkordaten, insbesondere in Bezug auf die Unterbringung von Frauen und von kranken Gefangenen. Vereinbarungen mit andern Konkordaten und Kantonen
2 Generelle Vereinbarungen einzelner Kantone mit anderen Kantonen oder Konkordaten bedürfen der Genehmi gung der Strafvollzugskommission.
Art. 16
1 Jeder Kanton kann unter Beachtung einer fünfjährigen Frist auf Ende ei- nes Kalenderjahres durch schriftliche Erklärung vom Konkordat zurück- treten. Kündigung
2 Die verbleibenden Kantone teilen di e Vollzugsaufgaben soweit nötig neu auf.

Art. 17 Die Vereinbarung vom 31. März 1976 wird aufgehoben.

Aufhebung der bisherigen Vereinbarung

Art. 18 Die S trafvollzugskommission bestimmt das In-Kraft-Treten dieses Kon-

kordats. In- K raft-Treten
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