Abkommen (0.192.120.281)
CH - Schweizer Bundesrecht

Abkommen (zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Weltgesundheitsorganisation zur Festlegung des rechtlichen Statuts dieser Organisation in der Schweiz)

zwischen dem Schweizerischen Bundesrat und der Weltgesundheitsorganisation zur Festlegung des rechtlichen Statuts dieser Organisation in der Schweiz Abgeschlossen am 21. August 1948 Von der Bundesversammlung genehmigt am 29. September 1955³ In Kraft getreten mit Wirkung ab 17. Juli 1948 ¹ AS 1956 1120 ; BBl 1955 II 377 ² Der Originaltext findet sich unter der gleichen Nummer in der französischen Ausgabe dieser Sammlung. ³ Art. 2 Bst. e des BB vom 29. Sept. 1955 ( AS 1956 1061 )
Der Schweizerische Bundesrat einerseits, die Weltgesundheitsorganisation andererseits,
vom Wunsche beseelt, im Hinblick auf die Regelung des rechtlichen Statuts der Weltgesundheitsorganisation ein Abkommen zu treffen, haben die folgenden Bestimmungen vereinbart:
Art. 1 Handlungsfreiheit der OMS
Der Schweizerische Bundesrat gewährleistet der Weltgesundheitsorganisation die ihr als internationale Organisation zustehende Unabhängigkeit und Handlungsfreiheit.
Art. 2 Rechtspersönlichkeit der OMS
Der Schweizerische Bundesrat anerkennt die internationale Rechtspersönlichkeit und die Rechtsfähigkeit der Weltgesundheitsorganisation in der Schweiz.
Art. 3 Immunitäten der OMS
Die Weltgesundheitsorganisation steht im Genuss aller Immunitäten, wie sie im Völkerrecht unter der Bezeichnung «diplomatische Immunitäten» vorgesehen sind.
Art. 4 Exterritorialität von Grundstücken und Räumlichkeiten
Der Schweizerische Bundesrat anerkennt insbesondere die Exterritorialität der Grundstücke und Räumlichkeiten der Weltgesundheitsorganisation sowie aller Räumlichkeiten, die sie anlässlich ihrer Versammlungen und für jede andere von ihr in der Schweiz einberufene Zusammenkunft benützt.
Art. 5 Versammlungsfreiheit
Der Schweizerische Bundesrat gewährleistet der Weltgesundheitsorganisation sowie ihren Mitgliedern in ihren Beziehungen zur Organisation die uneingeschränkte Versammlungsfreiheit, inbegriffen die Rede- und Beschlussfreiheit.
Art. 6 Befreiung von der Gerichtsbarkeit und Befreiung von andern Massnahmen
1.  Die Weltgesundheitsorganisation geniesst für sich selbst, für ihr Eigentum und ihre Vermögenswerte, wo sie sich auch immer befinden und wer sie immer verwahrt, die Befreiung von jeglicher Gerichtsbarkeit, es sei denn, diese Immunität sei durch den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation oder seinen dazu ermächtigten Vertreter ausdrücklich aufgehoben worden.
2.  Das Eigentum und die Vermögenswerte der Weltgesundheitsorganisation sind, wo sie sich auch immer befinden und wer sie immer verwahrt, von jeglicher Untersuchungs-, Requisitions-, Beschlagnahme-, Enteignungsmassnahme und jeder anderen Form der Beschlagnahme oder Einmischung irgend einer Behörde befreit.
Art. 7 Unverletzbarkeit der Grundstücke und Räumlichkeiten
Die Grundstücke und Räumlichkeiten der Weltgesundheitsorganisation sind unverletzbar. Kein Vertreter schweizerischer Behörden darf sie ohne die ausdrückliche Zustimmung der Weltgesundheitsorganisation betreten.
Art. 8 Unverletzbarkeit der Archive
Die Archive der Weltgesundheitsorganisation und, ganz allgemein, sämtliche ihr gehörenden oder in ihrem Besitz befindlichen Akten sind unverletzbar.
Art. 9 Veröffentlichungen
Die Aus- und Einfuhr von Veröffentlichungen der Weltgesundheitsorganisation sind keinerlei einschränkenden Massnahmen unterworfen.
Art. 10 Steuerregime der OMS
Die Weltgesundheitsorganisation ist befreit von’ allen direkten und indirekten, eidgenössischen, kantonalen und Gemeinde-Steuern auf den ihr gehörenden und von ihren Dienststellen benützten Liegenschaften, sowie auf ihrem beweglichen Eigentum, wobei es sich versteht, dass sie keine Befreiung von Abgaben für öffentliche Dienstleistungen beanspruchen kann.
Art. 11 Freie Verfügung über Guthaben
1.  Die Weltgesundheitsorganisation kann alle Guthaben, Devisen, Bargeld und andere bewegliche Werte entgegennehmen und verwahren und darüber sowohl in der Schweiz als auch in ihren Beziehungen mit dem Ausland frei verfügen.
2.  Dieser Artikel findet auch auf die Mitgliedstaaten in bezug auf ihre Beziehungen zur Weltgesundheitsorganisation Anwendung.
Art. 12 Amtliche Mitteilungen
Die Weltgesundheitsorganisation geniesst für ihre amtlichen Mitteilungen eine mindestens ebenso günstige Behandlung wie die diplomatischen Missionen in der Schweiz:
a. in bezug auf alle Vorrechte für Verbindungs- und Verkehrsmittel;
b. in bezug auf Post‑, Telegrafen‑, Radio-Telegrafen‑, Telefon‑, Radio-Tele­-fon‑, Tele-Fotografen-Tarife usw.
Art. 13 Befreiung von der Zensur
Die amtlichen Mitteilungen der Weltgesundheitsorganisation, die als solche gekennzeichnet sind, dürfen keiner Zensur unterstellt werden, welches auch der benützte Verbindungsweg sei.
Art. 14 Freiheit der Einreise und des Aufenthaltes
1.  Die schweizerischen Behörden treffen alle zweckdienlichen Massnahmen, um die Einreise in die Schweiz, die Ausreise und den Aufenthalt aller Personen zu erleichtern, die in amtlicher Eigenschaft zur Weltgesundheitsorganisation berufen werden, nämlich:
a. die Vertreter der Mitgliedstaaten, ohne Rücksicht auf die Beziehungen zwischen der Schweiz und diesen Staaten;
b. die Mitglieder des Exekutivrates der Weltgesundheitsorganisation ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit;
c. die Agenten und Beamten der Weltgesundheitsorganisation;
d. die zur Weltgesundheitsorganisation berufenen Personen, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit.
2.  Alle fremdenpolizeilichen Massnahmen, die eine Einschränkung der Einreise von Ausländern in die Schweiz oder die Kontrolle ihrer Aufenthaltsverhältnisse bezwecken, sind auf die in diesem Artikel aufgeführten Personen nicht anwendbar.
Art. 15 Immunitäten der Vertreter der Mitglieder und des Exekutivrates der OMS
Die Vertreter der Mitglieder der Weltgesundheitsorganisation und die Mitglieder des Exekutivrates, die zwecks Ausübung ihrer Tätigkeit in die Schweiz berufen werden, stehen im Genuss der folgenden Vorrechte und Immunitäten:
a. Unverletzbarkeit der Person, des Wohnsitzes und aller ihnen ,gehörenden Gegenstände;
b. Befreiung von der Gerichtsbarkeit;
c. Steuerbefreiung, wie die diplomatischen Vertreter gemäss dem in der Schweiz anerkannten internationalen Brauch;
d. Zollerleichterungen, wie die diplomatischen Vertreter gemäss dem in der Schweiz anerkannten internationalen Brauch;
e. Recht zur Benützung von Codes für ihre amtlichen Mitteilungen und zum Empfang und Versand von Dokumenten und Korrespondenz durch Kuriere oder versiegelte diplomatische Sendungen;
f. Befreiung von den Einschränkungen mit Bezug auf den Geldwechsel, unter den gleichen Bedingungen wie die diplomatischen Vertreter fremder Regierungen in vorübergehender Mission.
Art. 16 Diplomatische Immunitäten des Generaldirektors und gewisser Beamter
Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation und die von ihm bezeichneten und durch den Schweizerischen Bundesrat genehmigten Kategorien von Beamten stehen im Genuss der Vorrechte, Immunitäten, Befreiungen und Erleichterungen, die diplomatischenVertreter gemäss Völkerrecht und internationalem Brauch eingeräumt werden.
Art. 17 Immunitäten und Erleichterungen, die allen Beamten zustehen
Alle Beamten der Weltgesundheitsorganisation stehen, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit, im Genuss der folgenden Immunitäten und Erleichterungen:
a. Befreiung von jeder Gerichtsbarkeit hinsichtlich der in Ausübung ihrer Amtstätigkeit vorgenommenen Handlungen;
b. Befreiung von allen eidgenössischen, kantonalen und Gemeindesteuern auf den ihnen von der Weltgesundheitsorganisation ausbezahlten Besoldungen, Vergütungen und Entschädigungen.
Art. 18 Befreiungen und Erleichterungen für nicht-schweizerische Beamte
Die Beamten der Weltgesundheitsorganisation, die nicht Schweizerbürger sind, geniessen die Befreiungen und Erleichterungen, die in der Vollzugsvereinbarung zum vorliegenden Abkommen⁴ festgelegt sind.
⁴ SR 0.192.120.281.1
Art. 19 Pensionskasse usw.
1.  Jede zu Gunsten der Beamten der Weltgesundheitsorganisation offiziell tätige Pensionskasse oder Fürsorgeeinrichtung besitzt auf ihren Wunsch in der Schweiz die Rechtsfähigkeit und geniesst im Rahmen ihrer Tätigkeit zugunsten der erwähnten Beamten die gleichen Befreiungen, Immunitäten und Vorrechte wie die Organisation selbst.
2.  Die Fonds und Stiftungen mit oder ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die unter der Aufsicht der Weltgesundheitsorganisation verwaltet werden und für ihre offiziellen Zwecke bestimmt sind, geniessen hinsichtlich ihrer beweglichen Werte die gleichen Befreiungen, Immunitäten und Vorrechte wie die Organisation selbst.
Art. 20 Vorherige Vereinbarungen
Soweit durch das vorliegende Abkommen nichts anderes bestimmt wird, sind die Modi vivendi von 1921 und 1926 und die zusätzlichen Vereinbarungen zwischen dem Eidgenössischen Politischen Departement und dem Völkerbund auf die Weltgesundheitsorganisation mutatis mutandis anwendbar.
Art. 21 Gegenstand der Immunitäten/Aufhebung der Immunitäten
1.  Die im vorliegenden Abkommen vorgesehenen Immunitäten werden nicht eingeräumt, um den Beamten der Weltgesundheitsorganisation persönliche Vorrechte oder Vorteile zu verschaffen. Sie sind einzig und allein vorgesehen, um die Abwicklung der Geschäfte der Weltgesundheitsorganisation und die völlige Unabhängigkeit ihrer Beamten zu gewährleisten.
2.  Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation hat das Recht und die Pflicht, die Immunität eines Beamten aufzuheben, wenn er der Auffassung ist, dass diese Immunität den normalen Gang der Justiz verhindert und die Interessen der Weltgesundheitsorganisation nicht beeinträchtigt werden.
Art. 22 Verhinderung von Missbräuchen
Die Weltgesundheitsorganisation wird mit den schweizerischen Behörden stets zusammenarbeiten zur Erleichterung einer guten Handhabung der Justiz, zwecks Beachtung der Anordnungen der Polizei und zwecks Verhinderung eines jeden Missbrauchs der im vorliegenden Abkommen vorgesehenen Vorrechte, Immunitäten und Erleichterungen.
Art. 23 Streitigkeiten privaten Charakters
Die Weltgesundheitsorganisation wird zweckdienliche Massnahmen treffen im Hinblick auf eine zufriedenstellende Beilegung von:
a. Streitigkeiten aus Verträgen, in denen die Weltgesundheitsorganisation als Partei beteiligt ist, und von anderen Streitigkeiten, die sich auf eine Frage des Privatrechts beziehen;
b. Streitigkeiten, in die ein Beamter der Weltgesundheitsorganisation verwi­ckelt ist, der zufolge seiner amtlichen Stellung im Genusse der Immunität steht, sofern diese Immunität durch den Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation nicht aufgehoben worden ist.
Art. 24 Nicht-Verantwortlichkeit der Schweiz
Der Schweiz erwächst aus der Tätigkeit der Weltgesundheitsorganisation auf ihrem Gebiet keinerlei internationale Verantwortlichkeit, weder aus den Handlungen und Unterlassungen der Organisation noch aus den Handlungen oder Unterlassungen ihrer in Ausübung ihrer Funktionen tätigen Beamten.
Art. 25 Sicherheit der Schweiz
1.  Das Recht des Schweizerischen Bundesrates, im Interesse der Sicherheit der Schweiz zweckdienliche Vorsichtsmassnahmen zu treffen, wird durch das vorliegende Abkommen nicht berührt.
2.  Falls es der Schweizerische Bundesrat als notwendig erachtet, den ersten Abschnitt dieses Artikels anzuwenden, wird er sich, so rasch es die Umstände erlauben, mit der Weltgesundheitsorganisation in Verbindung setzen, um mit ihr gemeinsam die zum Schutze der Interessen der Organisation notwendigen Massnahmen zu beschliessen.
3.  Die Weltgesundheitsorganisation wird mit den schweizerischen Behörden zwecks Vermeidung eines jeden Nachteils, der sich aus ihrer Tätigkeit für die Sicherheit der Schweiz ergeben könnte, zusammenarbeiten.
Art. 26 Vollzug des Abkommens durch die Schweiz
Das Eidgenössische Politische Departement ist mit dem Vollzug des vorliegenden Abkommens und mit der dazugehörenden Vollzugsvereinbarung⁵ durch die Schweizerische Eidgenossenschaft beauftragt.
⁵ SR 0.192.120.281.1
Art. 27 Gerichtsstand
1.  Jede Meinungsverschiedenheit über die Anwendung oder Auslegung des vorliegenden Abkommens oder der Vollzugsvereinbarung⁶, die nicht durch direkte Verhandlungen zwischen den Parteien beigelegt werden konnte, kann von jeder der beiden Parteien einem aus drei Mitgliedern bestehenden Gericht, das nach Inkrafttreten des vorliegenden Abkommens bestellt wird, zum Entscheid unterbreitet werden.
2.  Der Schweizerische Bundesrat und die Weltgesundheitsorganisation bezeichnen je ein Mitglied des Gerichts.
3.  Die auf diese Weise ernannten Richter wählen ihren Präsidenten.
4.  Im Falle einer Uneinigkeit der Richter über die Person des Präsidenten, wird er auf Begehren der Mitglieder des Gerichts durch den Präsidenten des Internationalen Gerichtshofes bezeichnet.
5.  Das Schiedsgericht wird von der einen oder anderen Partei auf dem Gesuchswege angerufen.
6.  Das Gericht setzt sein Verfahren selbst fest.
⁶ SR 0.192.120.281.1
Art. 28 Inkrafttreten
Das vorliegende Abkommen tritt in Kraft, sobald es durch den Schweizerischen Bundesrat und das zuständige Organ der Weltgesundheitsorganisation genehmigt worden ist.
Art. 29 Änderung des Abkommens
1.  Das vorliegende Abkommen kann auf Verlangen der einen oder andern Partei abgeändert werden.
2.  In diesem Falle werden sich die Parteien über die vorzunehmenden Änderungen der Bestimmungen des vorliegenden Abkommens verständigen.
3.  Sollten die Verhandlungen nicht innerhalb eines Jahres zu einer Einigung führen, kann das Abkommen von der einen oder andern Partei unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von zwei Jahren gekündigt werden.
Art. 30 Vollzugsvereinbarung
Die Bestimmungen des vorliegenden Abkommens werden durch die Vollziehungsvereinbarung⁷ ergänzt.
⁷ SR 0.192.120.281.1
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